Vorlesung 2018
Vorlesung WS 2017/18 Zoll und Schmuggel
Zoll und Schmuggel als Motoren der deutschen (Wirtschafts-)Einheit?
Die Vorlesung bezieht sich auf die Zeit der Kleinstaaterei im Deutschen Bund nach dem Wiener Kongress 1814/15. Zoll und Schmuggel stellten zunächst einmal Hindernisse für die zwischenstaatlichen Beziehungen dar. Die Einsicht in die Notwendigkeit, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, führte dann zu einer näheren Verbindung und schließlich zum Zusammenschluss der deutschen Staaten. In der Vorlesung wird der Weg zu diesem Ziel unter allen Aspekten beschrieben, die dabei eine Rolle spielten. Dazu gehörte der Partikularismus im Konflikt mit der Einheitsidee und eine Außenhandelspolitik, in der Freihandel und Schutzzoll als Leitlinien konkurrierten. Außerdem gab es einen Streit um die Verteilung der Abgabenlasten im Land, etwa um die Frage einer höheren Belastung von Handel, Industrie oder Landwirtschaft. Die Kontroversen fanden Eingang in die Debatten der süddeutschen Landtage, die als Quellen im Mittelpunkt der Forschungsvorlesung stehen. Hier wurden Interessen artikuliert und Argumente aus Theorie und Praxis ausgetauscht.
Literatur: Peter Burg, ungedruckte Aufsätze in: http://peter-burg.de/zollverein-zoll-schmuggel/zoll-und-schmuggel-vor-1834; http://peter-burg.de/zollverein-zoll-schmuggel/zoll-und-schmuggel-vor-1834/zollchaos-in-hessen-kassel; Hans-Werner Hahn, Geschichte des Deutschen Zollvereins (= Kleine Vandenhoeck-Reihe. Bd. 1502). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1984.
Zeit: Di, Mi 10-12
Orléansring 17.
Beginn: 10.10.2017, Ende: 20.12.2017.
Einführung
<Anonym> Der Zollverein (1834), in: Das Biedermeier im Spiegel seiner Zeit“. Briefe, Tagebücher, Memoiren, Volksszenen und ähnliche Dokumente, gesammelt von Georg Hermann, Berlin 1913, S. 391f.
DER ZOLLVEREIN (1834)
Ach, deutscher Michel, freu’ dich,
Jetzt kannst du lustig sein!
Wir haben uns nun leidlich
Geeint im Zollverein.
Man hat dich lang turbieret
Mit Maut und Zoll aufs best’,
Den Sack dir visitieret
In jedem Rattennest.
Man zog dir aus die Hosen,
Ob nichts akzisbar drein,
Guckt gar in deinen Bloßen
Mit der Latern’ hinein.
Das hat nun aufgehöret,
Du knöpfst die Jacke zu,
Kein Teufel mehr durchstöret
Dir Hosen, Hemd und Schuh.
O Deutschland, rost’ge Hechel!
Dein ewiges Geropf
Strich deinem guten Michel
Das beste Haar vom Kopf.
Jetzt kann er doch verschnaufen,
Geht er durchs deutsche Land:
Wir sind ein großer Haufen
Und kriegen nun Verstand.
Mehr woll’ n wir heut nicht bitten,
Ob wir vom Ziel gar weit;
Gelitten und gestritten -
Hat alles seine Zeit.
(Anonym.)
(Auszug aus unbekannter Neuedition S. 143).
Georg Hermann war im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ein vielgelesener Schriftsteller. Sein literarisches Vorbild war Theodor Fontane, was ihm auch die Bezeichnung „jüdischer Fontane“ eintrug. Die Romane Jettchen Gebert und Henriette Jacoby, die im Berlin der 1840er Jahre spielen und ein Bild des liberalen Geistes dieser Zeit in einer jüdischen Familie zeichnen, waren seinerzeit Bestseller mit zusammen mehr als 260 Auflagen. Seine anderen Romane erreichten nicht die gleiche Popularität.
Georg Hermann war 1909 Mitgründer und 1910–1913 erster Vorsitzender des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller, dem bald fast alle prominenten Schriftsteller deutscher Sprache beitraten.
Durch die Nationalsozialisten ständig bedroht, entschloss sich Hermann nach dem Reichstagsbrand im Jahre 1933, Deutschland zu verlassen. Mit seinen zwei jüngsten Töchtern und seiner geschiedenen Frau ging er nach Holland ins Exil. Georg Hermanns Werke standen auf der „Schwarzen Liste“ und wurden bei den Bücherverbrennungen im Mai 1933 den Flammen übergeben. Im Exil schrieb Hermann unter schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen Eine Zeit stirbt sowie drei weitere Romane.
Nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht wurde er Anfang 1943 gezwungen, sich von seinem Wohnort Hilversum nach Amsterdam zu begeben.[3] Aus Amsterdam wurde Hermann mit der Tochter aus zweiter Ehe Ursula und deren Sohn Michael in das Durchgangslager Westerbork und am 16. November 1943 ohne Tochter und Enkel in das KZ Auschwitz deportiert. Der Transport mit 995 „Juden aus dem Lager Westerbork“ erreichte Auschwitz am 17. November 1943. Als Todesdatum gilt der 19. November 1943.
„Schwefelhölzer, Fenchel, Bricken,
Kühe, Käse, Krapp, Papier,
Schinken, Scheeren, Stiefel, Wicken,
Wolle, Seife, Garn und Bier;
Pfefferkuchen, Lumpen, Trichter,
Nüsse, Tabak, Gläser, Flachs,
Leder, Salz, Schmalz, Puppen, Lichter,
Rettig, Rips, Raps, Schnaps, Lachs, Wachs!
Und ihr andern deutschen Sachen,
Tausend Dank sei euch gebracht!
Was kein Geist je konnte machen,
Ei, das habet ihr gemacht:
Denn ihr habt ein Band gewunden
Um das deutsche Vaterland,
Und die Herzen hat verbunden
Mehr als unser Bund dies Band.“
– Hoffmann von Fallersleben: „Der Deutsche Zollverein“, Unpolitische Lieder (Hamburg 1840, 1. Teil). S. 30f.
August Heinrich Hoffmann, bekannt als Hoffmann von Fallersleben (* 2. April 1798 in Fallersleben, Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg; † 19. Januar 1874 in Corvey) war ein deutscher Hochschullehrer für Germanistik, der wesentlich zur Etablierung des Fachs als wissenschaftlicher Disziplin beitrug, Dichter sowie Sammler und Herausgeber alter Schriften aus verschiedenen Sprachen. Er schrieb die spätere deutsche Nationalhymne, das Lied der Deutschen, sowie zahlreiche populäre Kinderlieder. Zur Unterscheidung von anderen Trägern des häufigen Familiennamens Hoffmann (zum Beispiel dem Kinderbuchautor Heinrich Hoffmann vom Struwwelpeter) nahm er als Zusatz den Herkunftsnamen von Fallersleben an.
Vorgeschichte
Um 1790 gab es in Deutschland 1.800 Zollgrenzen. Allein innerhalb der preußischen Staaten gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts über 67 lokale Zolltarife mit ebenso vielen Zollgrenzen. Bei einem Transport von Königsberg nach Köln beispielsweise wurde die Ware etwa achtzigmal kontrolliert.
Im Zuge der Modernisierung während und nach der napoleonischen Ära schufen die deutschen Staaten, insbesondere die Rheinbundstaaten, nach 1800 einheitliche zollfreie Binnenmärkte innerhalb ihres Staatsgebiets. In Bayern führte die Zollgesetzgebung zwischen 1799 und 1808 zur Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraums, der zeitweise als der freieste in Europa galt. Das Königreich Württemberg folgte 1810, ein Jahr später entstand auch im Großherzogtum Baden ein einheitlicher Binnenmarkt. Im Vordergrund stand hierbei neben der sozialen und wirtschaftlichen Integration der durch die napoleonischen Reformen erheblich vergrößerten Staatsgebiete weniger die Entwicklung der Wirtschaft als eine Steigerung der Staatseinnahmen. Da es noch keine Einkommensteuer gab, waren Verbrauchsteuern und Zölle die Haupteinnahmequellen der Staaten. Diese galt es zu sichern und nach Möglichkeit auszubauen. Vereinzelt gab es bereits zu dieser Zeit Stimmen, die eine Abschaffung von Binnenzöllen und einen gemeinsamen deutschen Außenzoll forderten, so beispielsweise von Joseph Görres oder Freiherr vom Stein.
Im Gegensatz zum Auftrag der Bundesakte gelang es dem 1815 gegründeten Deutschen Bund nicht, die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland zu vereinheitlichen. Der das Handelsgebiet betreffende Artikel 19 regelte lediglich, dass über Handels- und Verkehrsfragen später zu beraten sei. Zwar beschäftigte sich der Bundestag auf Initiative Badens 1819 und 1820 mit einer möglichen Zolleinigung, doch endeten die Beratungen ohne Ergebnis. So erging es allen Beratungen über den Artikel auf Bundesebene bis zum Schluss 1866.
Wortlaut von Artikel XIX der Bundesakte:
„Die Bundesstaaten behalten sich vor, bei der ersten Zusammenkunft der Bundesversammlung in Frankfurt wegen des Handels und Verkehrs zwischen den einzelnen Bundesstaaten sowie der Schifffahrt, nach den Grundsätzen und Beschlüssen des Wiener Kongresses, in Beratung zu treten.“
Die Überwindung der innerdeutschen Zölle vollzog sich daher außerhalb der Bundesorgane auf der Ebene der beteiligten Staaten selbst. Die zollpolitische Zersplitterung behinderte die industrielle Entwicklung und verteuerte den innerdeutschen Handel. Wichtige Anstöße zu Veränderungen in diesem Bereich kamen von außen. Mit der Aufhebung der Kontinentalsperre standen deutsche Gewerbetreibende in direkter Konkurrenz mit der englischen Industrie.
Exkurs zur Kontinentalsperre:
Die Kontinentalsperre war eine von Napoleon am 21. November 1806 in Berlin verfügte Wirtschaftsblockade über die britischen Inseln, die bis 1813 in Kraft blieb. Das „Kontinentalsystem“ sollte Großbritannien mit den Mitteln des Wirtschaftskrieges in die Knie zwingen. Darüber hinaus sollte diese Maßnahme die französische Wirtschaft gegen europäische und transatlantische Konkurrenz schützen.
Die Kontinentalsperre war Napoleons Antwort auf eine vorausgegangene britische Seeblockade der französischen Küste. Anlass war die Niederlage Napoleons in der Seeschlacht von Trafalgar am 21. Oktober 1805, in deren Folge Napoleon Invasionspläne in Großbritannien fallen ließ und die künftige Konfrontation auf den Kontinent verlegte. Napoleon wollte den Handel bzw. den Import und Export Großbritanniens mit dem Kontinent möglichst vollständig unterbinden, sodass er ihn untersagte. In den von Frankreich beherrschten Gebieten wurden britische Waren beschlagnahmt und britische Händler polizeilich verfolgt.
Gegen Ende 1807 weitete Napoleon die Kontinentalsperre auch auf die neutrale Schifffahrt aus. Weitere graduelle Verschärfungen folgten. Mit dem Dekret von Trianon am 5. August 1810 ließ Napoleon einen fünfzigprozentigen Zoll auf sämtliche Importprodukte erheben, gleichgültig woher sie kamen.
Der napoleonische Protektionismus, der Schutz des eigenen Wirtschaftsraums, fügte dem britischen Handel letztlich keinen entscheidenden Schaden zu. Großbritannien erschloss sich neue Absatzmärkte, insbesondere in Nordamerika. Schaden erlitt dagegen die kontinentale Wirtschaft, vor allem in Frankreich und seinen Vasallenstaaten. Nur Teile der einheimischen Wirtschaft erlebten den erwünschten Aufschwung wie die Textilindustrie und das Seidengewerbe. Die deutsche Textilindustrie im seit 1801 französischen Rheinland und teilweise auch in Sachsen profitierte zwar ebenfalls von der Ausschaltung der britischen Konkurrenz. Infolge des abrupten Wegfalls des Protektionismus nach 1813 waren diese Gewerbebereiche allerdings fortan einem starken ökonomischen Anpassungsdruck ausgesetzt, zumal sie in technischer Hinsicht gegenüber dem sich bereits industrialisierenden Großbritannien im Rückstand waren.
Politische Karte 1812: Kaiserreich Frankreich an Nord- und Ostsee
Eine weitere Kehrseite der Blockadepolitik war das Aufblühen des Schmuggels. Napoleon versuchte daher, möglichst alle Küstengebiete Westeuropas unter seine mittelbare oder unmittelbare Herrschaft zu bekommen. Im Vertrag zwischen dem Königreich Holland und Frankreich vom 16. März 1810 musste ersteres ganz Zeeland mit der Insel Schouwen, Brabant und Geldern auf dem linken Ufer der Waal abtreten. Am 1. Juli 1810 wurde der König Hollands, Napoleons Bruder Ludwig Bonaparte, zur Niederlegung seiner Krone gedrängt, was anschließend durch das Dekret vom 9. Juli 1810 die Vereinigung des Königreiches Holland mit Frankreich nach sich zog. Da britische Importe weiterhin den Kontinent erreichten, vor allem über die Kronkolonie Helgoland, erklärte der französische Kaiser, dass er die ganze Küste der Nordsee unter seine Aufsicht nehmen müsse. Am 13. Dezember 1810 wurden Gebiete an den Mündungen der Ems, Weser und Elbe nebst den Hansestädten Bremen, Hamburg und Lübeck von Frankreich annektiert. Napoleon missachtete mit der Annexion des Herzogtums Oldenburg, des Herzogtums Arenberg-Meppen und des Fürstentums Salm die bestehende Rheinbundakte, deren völkerrechtliche Bestimmungen eine Zustimmung der betroffenen Souveräne voraussetzten.
Die Kontinentalsperre war ein politisches Instrument, das in vielen Gebieten nur mit militärischer Gewalt und flächendeckendem militärischem Einsatz durchsetzbar war. Russland ließ sich 1807 durch Druck Napoleons zur Befolgung der Kontinentalsperre bewegen; das (mit Großbritannien verbündete) Königreich Portugal folgte jedoch nicht. Napoleon unternahm seit 1808 mehrere (letztlich gescheiterte) Versuche, Portugal zu erobern. 1810 genehmigte Napoleon den französischen Händlern wieder einen eingeschränkten und mit Lizenzgebühren bewehrten Handel mit Großbritannien. Im gleichen Jahr schied Russland aus der Kontinentalsperre aus, was Napoleon zum Angriff auf Russland 1812 veranlasste.
Hinzu kam, dass die Kontinentalsperre die Unzufriedenheit in den besetzten Gebieten vor allem dort anheizte, wo man auf den Bezug britischer Waren oder Kolonialwaren und/oder auf den Export nach Großbritannien angewiesen war: Letzteres war etwa in der Metallindustrie und der Textilproduktion des ab 1810 unmittelbar an der deutsch-französischen Zollgrenze gelegenen Großherzogtums Berg der Fall. Die norddeutschen Hafenstädte sahen sich aufgrund des Rückgangs der Schifffahrt und des Kapitalabflusses nach Großbritannien von der Sperre stark betroffen. Beispielsweise brach der Handel von Massengütern wie Holz und Getreide zwischen Großbritannien und Deutschland völlig zusammen. Vielerorts waren soziale Unruhen die Folge. Das napoleonische Herrschaftssystem wurde dadurch zwar nicht unmittelbar gefährdet, seine Akzeptanz wurde infolge der Kontinentalsperre allerdings in einem ideellen Sinne stark beschädigt.
Exkurs Ende **************
Zollpolitik und Zolleinigungsbestrebungen im Deutschen Bund
Der in Frankfurt gegründete Allgemeine Deutsche Handels- und Gewerbeverein verlangte aus Furcht vor der entwickelten englischen Exportindustrie nach zollpolitischem Schutz. Ihr Wortführer, der Nationalökonom Friedrich List, fürchtete, dass die deutsche Volkswirtschaft ansonsten als „Wasserträger und Holzhacker der Briten“ enden würde. Vergleichbar zur Denkschrift von Karl Friedrich Nebenius aus dem Jahr 1819, die den badischen Initiativen beim Deutschen Bund zugrunde lag, forderte List im Namen des Allgemeinen Handelsvereins in einer weit verbreiteten Petition über den Schutzzollgedanken hinaus einen Abbau der innerdeutschen Zollschranken:
„Achtunddreißig Zoll- und Mautlinien in Deutschland lähmen den Verkehr im Innern und bringen ungefähr dieselbe Wirkung hervor, wie wenn jedes Glied des menschlichen Körpers unterbunden wird, damit das Blut ja nicht in ein anderes überfließe. Um von Hamburg nach Österreich, von Berlin in die Schweiz zu handeln, hat man zehn Staaten zu durchschneiden, zehn Zoll- und Mautordnungen zu studieren, zehnmal Durchgangszoll zu bezahlen. Wer aber das Unglück hat, auf einer Grenze zu wohnen, wo drei oder vier Staaten zusammenstoßen, der verlebt sein ganzes Leben mitten unter feindlich gesinnten Zöllnern und Mautnern, der hat kein Vaterland.“
Dabei verfolgte List nicht nur ökonomische, sondern auch politische Ziele. Für List sollte ein ökonomisch geeinter Nationalstaat mit hohen Zollschranken nach außen und Freihandel nach innen den Deutschen Bund ersetzen. Der unmittelbare Erfolg der Initiative blieb zwar gering, langfristig förderte er aber nationalliberale Positionen und beeinflusste indirekt staatliche Einigungsinitiativen. Aus heutiger Sicht war er ein Visionär und seiner Zeit voraus.
Exkurs: Friedrich List:
Daniel Friedrich List (* im August 1789 in Reutlingen, Baden-Württemberg; † 30. November 1846 in Kufstein, Tirol/Österreich) war einer der bedeutendsten deutschen Wirtschaftstheoretiker des 19. Jahrhunderts sowie Unternehmer, Diplomat und Eisenbahn-Pionier. Als Ökonom war List ein Vorkämpfer für den Deutschen Zollverein und das Eisenbahnwesen. Als Initiator des Staatslexikons, das neben ihm als Mitherausgeber mit den badischen Professoren Karl von Rotteck und Carl Theodor Welcker verbunden wird, spielte List eine wichtige Rolle für die Entwicklung des Liberalismus in Deutschland. Er war als erster deutscher Vertreter der modernen Volkswirtschaftslehre ein Vorläufer der Historischen Schule der Nationalökonomie. Mit seinen wirtschaftspolitischen Überlegungen (u. a. Erziehungszoll, Nationales Innovationssystem) hatte er umfassende Fragen aufgeworfen, mit denen sich die Entwicklungsökonomie seit Mitte des 20. Jahrhunderts beschäftigt. Seine Entwicklungstheorie wurde u. a. in vielen ostasiatischen Ländern studiert und wirtschaftspolitisch genutzt.
Friedrich List wurde als Sohn des Weißgerbermeisters Johannes List und dessen Ehefrau Maria Magdalena in der freien Reichsstadt Reutlingen geboren. Sein Geburtstag ist nicht sicher überliefert, der zumeist genannte 6. August 1789 war der Tag der Taufe. Sein Vater, Johannes List, gehörte als zünftlerischer Handwerkermeister zum reichsstädtischen Patriziat. Er bekleidete mehrere städtische Ehrenämter als Ratsherr oder Senator und wurde bei seinem Tod als Gerichtsverwandter bezeichnet.
Nachdem Friedrich in seiner Geburtsstadt die Lateinschule besucht hatte, begann er mit 14 Jahren eine Lehre bei seinem Vater. Da er jedoch an einer handwerklichen Tätigkeit nur wenig Interesse zeigte, wechselte er 1805 in den Verwaltungsdienst. Er war in verschiedenen Städten tätig und stieg allmählich zum Steuer- und Güterbuchcommissär (Schreiber der Finanzverwaltung) auf. Nach der Versetzung ins Oberamt Tübingen 1811 hörte List an der dortigen Universität eine Reihe von Vorlesungen. Dazu zählten Kameralwissenschaften, Veranstaltungen zur englischen Verfassung und zum Öffentlichen Recht. In Tübingen lernte List neben Angehörigen der Universität auch seinen obersten Vorgesetzten und späteren Förderer, den württembergischen Kultusminister Karl August Freiherr von Wangenheim, kennen. Nach einer Verwaltungsprüfung wechselte Friedrich List zum Finanzministerium nach Stuttgart und stieg dort 1816 zum Oberrevisor mit dem Titel eines Rechnungsrates auf. In dieser Funktion wurde List 1817 beauftragt, unter den Auswanderern aus Baden und Württemberg Befragungen durchzuführen. Ziel der Regierung war, bessere Informationen über die Gründe für den Anstieg der Auswandererzahlen zu erfahren, um auf dieser Basis Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
Professur und Eintreten für innerdeutsche Zollfreiheit (1817–1820)
Als Verwaltungspraktiker kannte List die Schwachstellen der öffentlichen Verwaltung. Diese Erfahrungen verknüpfte er mit den während seiner Studienzeit in Tübingen erworbenen theoretischen Kenntnissen und wies in verschiedenen Schriften auf diese Missstände hin. Von Wangenheim, der inzwischen zum Minister für Kirchen- und Schulwesen ernannt worden war, beauftragte ihn damit, Reformvorschläge für die universitäre Beamtenausbildung zu erarbeiten. List schlug vor, neben der bisher üblichen juristischen Ausbildung eine staatswissenschaftliche Fakultät zu gründen. Dieser Vorschlag wurde akzeptiert und die Einrichtung am 17. Oktober 1817 in Tübingen eröffnet. Zum Lehrplan gehörten Verwaltungswissenschaft im engeren Sinn, Recht, Volkswirtschaftslehre und Finanzwesen. Ohne einen höheren Schul- oder Universitätsabschluss wurde List auf Betreiben seines Förderers zum Professor für Staatsverwaltungswissenschaften ernannt, aber die etablierten Professoren und die Universitätsgremien fühlten sich dabei übergangen. In ihren Augen hatte List seine Position nur durch Protektion erlangt und sie warfen ihm mangelnde Kompetenz vor.
König Wilhelm I. von Württemberg – anfangs Förderer von List, später wurden beide politische Gegner
Während der Zeit als Tübinger Professor heiratete List am 19. Februar 1818 in Wertheim die verwitwete Karoline Neidhard, Tochter des Dichters David Christoph Seybold und jüngere Schwester des Schriftstellers bzw. Redakteurs Ludwig Georg Friedrich Seybold. Für die ausländische Heirat im badischen Wertheim musste List um herrschaftliche Erlaubnis und Dispens der Tübinger Universität ersuchen.
Seit 1822 gehörten der Familie Lists drei Kinder an, die am 10. Dezember 1818 geborene älteste Tochter Emilie, die Lists Lieblingstochter war und ihm ab 1833 als Sekretärin diente; der am 23. Februar 1820 geborene Sohn Oskar und Tochter Elise (* 1. Juli 1822), welche von Joseph Karl Stieler 1844 für die Schönheitengalerie Ludwigs I. gemalt wurde. Später bekamen Friedrich und Karoline noch eine weitere Tochter, die ebenfalls Karoline hieß, aber „Lina“ gerufen wurde (* 20. Januar 1829). Sie heiratete am 5. März 1855 den Historienmaler August Hövemeyer.
In der Zeit, in der die Ehe mit Karoline geschlossen wurde, veröffentlichte List seine Überlegungen zur Reform des württembergischen Verwaltungssystems in der kleinen Schrift Die Staatskunde und Staatspraxis Württembergs (1818). Daneben gab er im Geist eines konstitutionellen Liberalismus die Zeitschrift Volksfreund aus Schwaben, ein Vaterlandsblatt für Sitte, Freiheit und Recht heraus. Diese publizistische Tätigkeit machte ihn bei der neuen Regierung verdächtig. List sah sich in einer Eingabe an den König genötigt, sich gegen den Vorwurf zu verteidigen, er verträte umstürzlerische Lehren.
Im Jahr 1819 reiste List nach Frankfurt und kam dort in Kontakt mit örtlichen Kaufleuten. Unter der maßgeblichen Beteiligung von List wurde dort der Allgemeine Deutsche Handels- und Gewerbeverein gegründet. Dieser Verein, der sich kurze Zeit später in „Verein Deutscher Kaufleute und Fabrikanten“ umbenannte, gilt als der erste deutsche Unternehmerverband der Neuzeit. Damit steht List am Anfang des für die deutsche Wirtschaftsgeschichte seit dem 19. Jahrhundert typischen ökonomischen Verbandswesens. Der Ökonom formulierte als „Konsulent“ die Ziele des Vereins, die auf die Überwindung der innerdeutschen Zollgrenzen abzielten. Er sah die Schaffung eines großen innerdeutschen Binnenmarktes durch Aufhebung der kleinstaatlichen Zollgrenzen als notwendige Voraussetzung für eine Industrialisierung Deutschlands. In Bezug auf die Außenhandelspolitik dieses angestrebten neuen Binnenmarktes plädierte List für einen Vergeltungszoll, der die für deutsche Händler im Ausland bestehenden Handelsschranken ausgleichen sollte. Dieser Zoll sollte dem Schutz deutscher Wirtschaftsinteressen dienen, es handelte sich dabei aber noch nicht um die später von ihm entwickelte Idee eines Erziehungszolls. Der Verein initiierte eine große Petitionsbewegung und versuchte die Regierungen und Fürsten von diesen Zielen zu überzeugen.
„Achtunddreißig Zoll- und Mautlinien in Deutschland lähmen den Verkehr im Innern und bringen ungefähr dieselbe Wirkung hervor, wie wenn jedes Glied des menschlichen Körpers unterbunden wird, damit das Blut ja nicht in ein anderes überfließe. Um von Hamburg nach Österreich, von Berlin in die Schweiz zu handeln, hat man zehn Staaten zu durchschneiden, zehn Zoll- und Mautordnungen zu studieren, zehnmal Durchgangszoll zu bezahlen.“
– Ausschnitt aus der von Friedrich List formulierten Bittschrift des Allgemeinen Deutschen Handels- und Gewerbevereins vom 14. April 1819 an die Bundesversammlung
Die Bundesversammlung erkannte die Existenz eines Handelsvereins nicht an und verwies die Unterzeichner an die einzelstaatlichen Regierungen. Diese lehnten eine Einmischung von außen in die staatlichen Angelegenheiten auf dem Höhepunkt der Restaurationsära allerdings strikt ab. Vor diesem Hintergrund verlor List das Vertrauen von König Wilhelm I. endgültig. Um seiner Entlassung als Professor zuvorzukommen, trat List selbst von diesem Amt zurück. Diese Entscheidung hatte zur Folge, dass die Bedeutung der Fakultät und der Universität insgesamt litt; das änderte sich erst, als der Staatswissenschaftler Robert von Mohl 1827 auf den Lehrstuhl berufen wurde. Der Handelsverein versuchte nun die Öffentlichkeit durch die Herausgabe einer Zeitung von seinen Zielen zu überzeugen. Diese erschien ab dem 1. Juli 1818 unter dem Titel Organ für den deutschen Handels- und Gewerbestand. Verantwortlicher Redakteur wurde Friedrich List. Als Geschäftsführer des Vereins bereiste er nunmehr verschiedene deutsche Hauptstädte und suchte das Gespräch mit den Regierungen. Unter anderem reiste er 1820 nach Wien, wo eine gesamtdeutsche Nachfolgekonferenz zu der Karlsbader Versammlung stattfand. Dort überreichte List eine erweiterte Denkschrift, die sich noch immer ganz in freihändlerischen Bahnen bewegte. Diese Eingabe wie auch Vorschläge zu einer Industrieausstellung oder der Gründung einer überseeischen Handelsgesellschaft blieben erfolglos.
Allerdings entwickelte Wangenheim, der inzwischen württembergischer Bundestagsgesandter war und weiterhin in Kontakt mit List stand, den Plan einer süddeutschen Zollunion. Dieser scheiterte zwar in der ersten Hälfte der 1820er Jahre, wurde aber als Süddeutscher Zollverein 1828 Wirklichkeit.
Abgeordneter im württembergischen Landtag und Festungshaft (1820–1824)
Bereits 1819 wurde List als Abgeordneter für den württembergischen Landtag gewählt. Da er aber das Mindestalter von 30 Jahren noch nicht erreicht hatte, war die Wahl ungültig. Nach einer weiteren Wahl 1820 war er gewählter Abgeordneter für Reutlingen. Als Abgeordneter im Landtag von Württemberg setzte er sich für Demokratie und Freihandel ein. In seiner „Reutlinger Petition“ vom Januar 1821 übte er deutliche Kritik an der herrschenden Bürokratie und der Wirtschaftspolitik, die er in der Einleitung in diese Worte fasste: „Ein oberflächlicher Blick schon auf die inneren Verhältnisse Württembergs muß den unbefangenen Beobachter überzeugen, daß die Gesetzgebung und die Verwaltung unseres Vaterlandes an Grundgebrechen leidet, welche das Mark des Landes verzehren und die bürgerliche Freiheit vernichten.“ Die Hauptkritik galt der zunehmenden Bürokratisierung. Die „Schreiberherrschaft“ sei eine „vom Volk ausgeschiedene, über das ganze Land ausgegossene und in den Ministerien konzentrierende Beamtenwelt, unbekannt mit den Bedürfnissen des Volkes und den Verhältnissen des bürgerlichen Lebens, … jeder Einwirkung des Bürgers, gleich als wäre sie staatsgefährlich, entgegenkämpfend.“ Dem wollte List eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung entgegensetzen. Dazu gehörten unter anderem die freie Wahl zu den Gemeindeämtern und die selbstständige kommunale Gerichtsbarkeit. Noch bevor die Schrift verbreitet werden konnte, wurde sie von der Polizei beschlagnahmt. Unter dem Druck des Königs entzogen ihm darauf die Landtagsabgeordneten am 24. Februar 1821 in persönlicher Abstimmung das Mandat und damit die politische Immunität. Zum Problem für List wurde, dass er nicht nur den an sich durchaus reformbereiten König kritisierte, sondern auch in der Kammer selbst, deren Mitglieder noch überwiegend auf die Bewahrung des „alten Rechts“ ausgerichtet waren, mit seinen an englischen und französischen Vorbildern orientierten Verfassungsvorstellungen keinen Rückhalt fand.
Veranstaltung vom 11.10.2017
Friedrich List Biographie – Fortsetzung
Im April 1822 wurde er zu zehn Monaten Festungshaft verurteilt. Dem Urteil entzog sich List zunächst durch die Flucht, unter anderem nach Baden, Frankreich und in die Schweiz. Da es ihm nicht gelang, im Exil eine gesicherte Existenz aufzubauen, kehrte List 1824 nach Württemberg zurück, um die Haft in der Festung Hohenasperg anzutreten.
Exil in den USA (1825–1833)
Als List sich 1825 bereit erklärte, in die Vereinigten Staaten auszuwandern, wurde er nach Verbüßung von fünf der zehn Monate Haft begnadigt. In den USA betätigte er sich zunächst wenig erfolgreich als Farmer. Bereits ein Jahr nach dem Erwerb eines landwirtschaftlichen Betriebes verkaufte er diesen wieder. Er zog nach Reading in Pennsylvania und übernahm dort von 1826 bis 1830 die Redaktion der deutschsprachigen Zeitung Reading Adler.
Nachdem er 1827 ein Kohlevorkommen entdeckt hatte, gründete er mit mehreren Gesellschaftern ein Kohlebergwerk. Im Jahr 1831 gründeten sie zudem die Little Schuylkill Navigation, Railroad and Coal Company, die eine zum Abtransport der Kohle bestimmte Bahnlinie eröffnete. Dadurch wurde List auch zu einem amerikanischen Eisenbahnpionier. Durch die Unternehmungen kam er zu einigem Wohlstand, den er im Zuge der Wirtschaftskrise von 1837 allerdings wieder verlor.
Gegen die Konkurrenz aus dem gewerblich führenden England forderten die US-Unternehmer die Einführung von Schutzzöllen und starteten 1827 eine Schutzzollkampagne. List, der in den Vereinigten Staaten auch mit den Ideen Alexander Hamiltons in Berührung gekommen war, beteiligte sich u. a. mit der 1827 veröffentlichten Schrift Outlines of American Political Economy, mit der er die Schutzzollforderung wirtschaftswissenschaftlich untermauerte.
<Alexander Hamilton gilt als Begründer des Amerikanischen Systems der Politischen Ökonomie. Er nutzte diese Bezeichnung erstmals 1791 in einem Dokument („A Report on the Subject of Manufactures“) an den Kongress. Es geht von einer Gemeinwohlverpflichtung für alle Beteiligten einer Volkswirtschaft aus, wie sie in der amerikanischen Verfassung festgeschrieben ist. In diesem System schafft der Staat Bedingungen, unter denen Produktionsbetriebe sich – zum Wohl der Unternehmen, der Beschäftigten und des Gemeinwesens – weiterentwickeln können. Weitere Vertreter des Amerikanischen Systems der Politischen Ökonomie waren Henry Charles Carey und Friedrich List.>
Damit wurde List zum Vertreter der amerikanischen Schutzzollbewegung und lässt sich in dieser Zeit daher auch der „amerikanischen Schule der Nationalökonomie“ zuordnen. List entfernte sich nunmehr von der Freihandelslehre von Adam Smith und befürwortete Schutzzölle für Länder, die im Gegensatz etwa zu England einen Rückstand in der Industrialisierung aufwiesen. Neben den USA waren die deutschen Staaten gemeint. Durch die Einbeziehung historischer Beispiele und Argumente ähneln diese Arbeiten dem Vorgehen der späteren Historischen Schule der Nationalökonomie.
<Zusammenfassend kann man sagen, dass die allen Vertretern gleiche Grundauffassung darin bestand, alle Lebensvorgänge als geschichtliche Ereignisse zu begreifen. Menschen werden nicht nur vom Eigennutz zum Handeln motiviert, sondern auch von anderen kulturellen Faktoren. Da Kultur sich ändert und die Nationalökonomie sich mit Menschen beschäftigt, kann sie auch nur eine Sozialwissenschaft sein, keine Naturwissenschaft, als die die Klassiker sie aufgefasst hatten. Ziel ist dann keine Erfassung von Naturgesetzen, sondern die Systematisierung und Verallgemeinerung von historischen Daten, um zu empirisch haltbaren Aussagen zu gelangen.>
<Die klassische Nationalökonomie war anfangs weitgehend identisch mit dem wirtschaftlichen Liberalismus (Klassischer Liberalismus) und löste die Anschauungen des Merkantilismus und des Physiokratismus ab.[4] Paradigmatische Geltung für die klassische Nationalökonomie wird dem Werk Der Wohlstand der Nationen von Adam Smith aus dem Jahre 1776 zugesprochen.Als ihre Hauptvertreter gelten neben Smith David Ricardo, Jean-Baptiste Say, Thomas Malthus und John Stuart Mill.>
Den historischen Ansatz wählte er, um zu betonen, dass die Wirtschaftspolitik je nach Situation in den einzelnen Staaten unterschiedlich sein könnte. Durch die Schutzzollkampagne geriet List in den Präsidentschaftswahlkampf von 1828, in dem er Andrew Jackson unterstützte. Nach der erfolgreichen Präsidentschaftskandidatur zeigte sich dieser dankbar, verlieh List 1830 die amerikanische Staatsbürgerschaft und ernannte ihn 1833 zum amerikanischen Konsul im Großherzogtum Baden. Dadurch erlangte der Ökonom diplomatische Immunität, die ihn vor möglicher politischer Verfolgung in Deutschland weitgehend schützte. Diese Tätigkeit füllte List allerdings nicht aus, und da damit auch kein fester Lohn verbunden war, vernachlässigte er sie bald. Seit 1828 hatte List in der Presse und später in einigen Broschüren (Mittheilungen aus America 1828/29) für das deutsche Publikum von den Anfängen des Eisenbahnwesens in den Vereinigten Staaten berichtet. Er entwickelte recht detaillierte Pläne für ein bayerisches Eisenbahnnetz und dessen Verbindung mit den hanseatischen Hafenstädten und hoffte, in Deutschland am Aufbau eines Eisenbahnnetzes praktisch mitarbeiten zu können.
Freundschaft mit Heinrich Heine, Robert und Clara Schumann
Im Auftrag der amerikanischen Regierung reiste List mehrere Male nach Paris, um die amerikanisch-französischen Handelsbeziehungen zu fördern. Dort traf er sich von 1831 bis 1840 häufig auch mit Heinrich Heine, der seit Mai 1831 in Paris weilte. Beide wohnten längere Zeit in unmittelbarer Nachbarschaft in der „Straße der Märtyrer“ (Heine in der Rue des Martyrs No. 23 und List in No. 43). Sie verabredeten sich zu gemeinsamen Abendessen, wie der „Heine-Chronik“ zu entnehmen ist. Beide waren zudem Bewunderer von Lafayette, General sowohl der französischen als auch der amerikanischen Revolution, mit dem sie sich in Paris gemeinsam trafen.
List war seit seinem Leipziger Aufenthalt 1833 auch mit Robert Schumann befreundet. Schumann notierte dazu in seinem Tagebuch: die Familie List sei „eine abenteuerliche Familie, für Maler und Schriftsteller gleich interessant.“ Die Verbindung von List zu den Musikern wurde vor allem über seine Töchter Elise und Emilie List vermittelt. Elise war eine gute Sängerin und trat im Leipziger Gewandhaus unter dem damaligen Dirigenten Felix Mendelssohn Bartholdy auf. Sie plante eine Konzertreise mit Franz Liszt, die aber nicht zustande kam. Emilie wurde im Sommer 1833 die beste Freundin von Clara Schumann. Diese Freundschaft hielt ein Leben lang, wie den Briefen von Clara an Emilie und Elise zu entnehmen ist.
Es war Friedrich List, über den Heinrich Heine auch Clara Schumann kennenlernte. List sollte im Mai 1840 den von Robert Schumann komponierten „Liederkreis nach Heinrich Heine“ (op. 24) an Heine in Paris übermitteln, wozu es aber aufgrund einer Reisetätigkeit Lists nicht kam. Robert Schumann wechselte im September 1850 zusammen mit Clara von Dresden nach Düsseldorf, der Heimatstadt von Heinrich Heine, von wo aus Clara ihren Briefwechsel mit Emilie und Elise List fortsetzte.
Entwurf eines Eisenbahnnetzes für Deutschland
In Leipzig begann Friedrich List damit, für eine Enzyklopädie der Staatswissenschaften zu werben. Er fand einen Buchhändler für dieses Projekt, der bereit war, mit List zusammen das Vorhaben zu finanzieren. Als Mitherausgeber gewann er die badischen Professoren und den liberalen Publizisten Karl von Rotteck und Carl Theodor Welcker. Vor allem mit Welcker kam es schnell zu erheblichen Spannungen, die auch in starken persönlichen Aversionen begründet waren, so dass List als der ursprüngliche Initiator aus dem Projekt verdrängt wurde.
Das Staatslexikon – Encyklopaedie der Staatswissenschaften (in späteren Ausgaben unter dem Titel Das Staats-Lexikon. Encyklopädie der sämtlichen Staatswissenschaften für alle Stände, dann nach den Herausgebern meist Rotteck-Welckersches Staatslexikon genannt) erschien seit 1834. Das Werk gilt als eine der wichtigsten Schriften des deutschen Frühliberalismus. Es hat maßgeblich dazu beigetragen, über die Grenzen der Bundesstaaten hinweg den Zusammenhalt der entstehenden liberalen Bewegung zu festigen und auf eine gemeinsame geistige Grundlage zu stellen. Franz Schnabel bezeichnete die erste Auflage von 1834 gar als das „Grundbuch des vormärzlichen Liberalismus.“ List war nicht nur der anfängliche Ideengeber, sondern hat selbst eine Reihe von Artikeln geschrieben. Dazu zählen Beiträge zur Eisenbahn und Dampfschifffahrt, aber auch zu Arbeitern und Arbeitslohn oder zu Arbeit sparenden Maschinen.
Pionier des Eisenbahnwesens (1833–1837)
Für List waren die Überwindung der innerdeutschen Zollschranken und der Eisenbahnbau die „siamesischen Zwillinge“ der deutschen Wirtschaftsgeschichte und damit die Werkzeuge, um die gewerbliche Rückständigkeit der deutschen Staaten zu überwinden. In der Folge engagierte er sich daher für den Aufbau eines deutschen Eisenbahnnetzes. Bald nach seiner Ankunft in Leipzig verfasste er eine kleine Schrift, die er in hoher Auflage kostenlos verteilen ließ: Ueber ein sächsisches Eisenbahnsystem als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahnsystems und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden, Leipzig 1833. Darin hat List die wirtschaftlichen Vorteile einer solchen Bahn klar dargelegt: Danach ermögliche die Eisenbahn einen billigen, schnellen und regelmäßigen Massentransport, der förderlich für die Entwicklung der Arbeitsteilung, die Standortwahl gewerblicher Betriebe und letztlich einen höheren Absatz der Produkte sei. Innovativ war Lists Art der offensiven Werbung für ein breites Publikum. Auf der Grundlage dieser Schrift wurde ein vorbereitendes Komitee gegründet, das eine überzeugende Kosten- und Rentabilitätsrechnung erarbeitete, später mit der Regierung über die nötigen Konzessionen verhandelte und schließlich zur Finanzierung der Strecke Aktienanteile ausgab. Mit der Inbetriebnahme der Leipzig-Dresdner Eisenbahn 1839 kam es zur Verwirklichung der ersten deutschen Ferneisenbahnstrecke. Die meisten übrigen folgenden Eisenbahnprojekte orientierten sich auch in der Organisation an dem von List geprägten Vorbild.
In der Folge versuchte er in weiteren deutschen Staaten vergleichbare Projekte anzustoßen oder unterstützte in der Öffentlichkeit bereits bestehende Vorhaben. So warb er 1835 in einer Denkschrift für eine Strecke von Mannheim nach Basel, eine weitere von Magdeburg nach Berlin sowie eine Verbindung von dort nach Hamburg. Zur Propagierung seiner eisenbahnpolitischen und weiteren ökonomischen Ideen gründete List 1835 das Eisenbahnjournal und National-Magazin für die Fortschritte in Handel, Gewerbe und Ackerbau. Von dieser Zeitschrift erschienen bis 1837 vierzig Ausgaben. Sein Beitrag über das Eisenbahnwesen im Staatslexikon erschien 1838 als Sonderdruck unter dem Titel Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirtschaftlicher Bedeutung.
Titelseite von Lists Schrift Über ein sächsisches Eisenbahn-System als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahn-Systems und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden, Leipzig 1833.
Trotz seiner Verdienste erfüllten sich seine Träume von einer leitenden Position im deutschen Eisenbahnwesen nicht. Er fungierte zwar als Ideengeber, außer einigen Prämien hatte er selbst von seinem eisenbahnpolitischen Engagement aber keinen materiellen Vorteil. Dies war für List desto problematischer, je geringer seine Einkünfte aus den amerikanischen Unternehmensanteilen ausfielen. Seine weitgehend ehrenamtlichen Tätigkeiten der zurückliegenden Jahre musste er aufgeben und sich nach neuen Verdienstmöglichkeiten umsehen. Hinzu kam, dass sein Versuch einer Rehabilitierung in Württemberg bereits 1836, nachdem ein entsprechendes Gnadengesuch abgelehnt worden war, gescheitert war. List entschloss sich erneut ins Ausland zu gehen, diesmal nach Frankreich.
Publizistische Tätigkeiten und Hauptwerk (1837–1841)
In Paris schrieb List als Korrespondent regelmäßig für die Allgemeine Zeitung über die französische Innenpolitik. Außerdem begann er wieder an allgemeinen nationalökonomischen Schriften zu arbeiten. So schrieb er die erste Fassung seines politökonomischen Systems (Das natürliche System der Politischen Ökonomie, 1837.), mit der er sich um den Preis der Pariser Akademie bewarb. Da er sich wie die anderen Bewerber vom eigentlichen Thema – der Frage, wie der Übergang vom Schutzzoll zum Freihandel zu bewerkstelligen sei – entfernt hatte, wurde der Preis überhaupt nicht vergeben. Allerdings verstärkte diese Schrift in Deutschland das Interesse an Lists nationalökonomischen Vorstellungen, so dass er 1839/40 zahlreiche Aufsätze zur Zollpolitik und -gesetzgebung veröffentlichen konnte. Diese Schriften bildeten die direkten Vorarbeiten für sein nationalökonomisches Hauptwerk.
List kehrte 1840 nach Deutschland zurück. Dazu beigetragen haben persönliche Gründe. Sein einziger Sohn war im Dienste der Fremdenlegion gefallen. Hinzu kamen politische Spannungen und der Wunsch, sein ökonomisches Werk in Deutschland zu verlegen. Er siedelte nach Augsburg über. Von dort aus war er zunächst wieder journalistisch tätig.
In den 1840er Jahren argumentierte List, dass es ein Fehler gewesen sei, bei Gründung des Deutschen Zollvereins die sehr liberalen preußischen Zolltarife zu übernehmen. Die deutsche Wirtschaft brauche für eine Übergangsperiode einen Erziehungszoll, der die Implementierung industrieller Fertigungsmethoden in einer Zeit ermögliche, in der England, die erste Industrienation, noch über eine überlegene Produktivität verfüge. Im Jahr 1844 setzte der deutsche Zollverein moderate Schutzzölle fest. In einem gewissen Maße erfüllte das Gesetz den Gedanken eines Erziehungszolls im Sinne Lists. Diese Zolltarifpolitik hatte zumindest in den 1840er Jahren eine fördernde Wirkung auf die industrielle Entwicklung. Die moderaten Schutzzölle v. a. auf Eisen und Garne schlossen einerseits notwendige Technologietransfers und den Import notwendiger Halb- und Fertigwaren aus England nicht aus. Andererseits führten sie dazu, dass die sich entwickelnden deutschen Industrien einen gewissen Absatzschutz erhielten.
Im Jahr 1841 erschien sein Hauptwerk Das nationale System der Politischen Ökonomie. Angeregt war diese Schrift durch das Werk von Adolphe Jérôme Blanqui „Histoire de l’economique politique en Europe“. List ging wie schon in seinen amerikanischen Schriften davon aus, dass eine Volkswirtschaft nicht nur von allgemein gültigen Gesetzmäßigkeiten bestimmt sei, sondern dass immer auch die unterschiedlichen sozialen und politischen Faktoren eine Rolle spielen würden. Während die klassische Nationalökonomie etwa von Adam Smith vor allem die Bedeutung der Produktion hervorgehoben hat, betonte List die Produktivkräfte. Er sah die Industrialisierung eines Landes als Initialzündung eines sich selbst verstärkenden Prozesses und befürwortete einen Schutzzoll nach außen („Erziehungszoll“), bis sich eine international wettbewerbsfähige Industrie gebildet hat. Nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen plädierte List für einen Nationalstaat.
Letzte Jahre (1841–1846)
List selbst erhoffte sich von der Schrift auch eine Verbesserung seiner persönlichen Position. Immerhin hatte die württembergische Regierung seine „bürgerliche Ehre“ 1841 wiederhergestellt. Hoffnungen auf eine gehobene staatliche Stellung in einem der süddeutschen Staaten erfüllten sich freilich nicht. Gleichwohl argumentierte er in verschiedenen Zeitungsbeiträgen weiterhin für den Erziehungszoll. Diesem Oberthema untergeordnet waren auch einige weitere Schriften. Dies gilt etwa für seine agrarpolitische Schrift Die Ackerverfassung, die Zwergwirtschaft und die Auswanderung. Abgesehen von der Zollfrage sprach er sich in dieser Schrift für eine Überwindung des ländlichen Kleinbesitzes zu Gunsten leistungsfähiger Einheiten aus. Daneben schilderte er eindringlich die Auswirkungen des ländlichen Pauperismus in Südwestdeutschland. Ab 1843 gab er das Zollvereinsblatt heraus. Dieses diente einmal mehr seiner These, dass für unterentwickelte nationale Wirtschaften Erziehungszoll notwendig sei. Ein Angebot, Herausgeber der Rheinischen Zeitung zu werden, lehnte er zunächst aus gesundheitlichen Gründen ab; die Stelle erhielt daraufhin Gustav Höfken. Auch das Angebot des russischen Finanzministers Graf Georg Cancrin lehnte er ab.
Innerlich von der journalistischen Tätigkeit nicht ausgefüllt, begann List 1844 eine länger dauernde Reise- und Vortragstätigkeit. Bei der belgischen Regierung etwa warb er für einen Zollvertrag mit dem Zollverein. In München sprach er vor einer Versammlung von Landwirten. Anschließend reiste er durch Ungarn. In Wien versuchte er, die Regierung vom Bau eines umfassenden Eisenbahnnetzes und den Abbau der Zollschranken in der Doppelmonarchie zu überzeugen. Die Verantwortlichen zeigten sich zwar teilweise interessiert, aber eine verantwortliche Position wurde ihm auch dort nicht angeboten. Daher kehrte er 1845 nach Augsburg zurück. Dort nahm er seine Arbeit für die Zollvereinszeitung wieder verstärkt auf. Allerdings musste List auch zur Kenntnis nehmen, dass die Politik des Zollvereins sich immer stärker hin zum Freihandel entwickelte. Auch in der interessierten Öffentlichkeit verloren die Thesen von List an Anerkennung. Bezeichnend ist, dass der Buchhändler Cotta 1846 die Herausgabe des Zollvereinsblattes aufgab. List versuchte anschließend, das Blatt auf eigene Kosten fortzuführen. Da er in Deutschland mit seinen Vorstellungen kaum noch Gehör fand, versuchte er vergeblich, in England mit einer Denkschrift Fuß zu fassen. Als dies scheiterte, kehrte er tief enttäuscht nach Augsburg zurück. Auf einer Reise nach Tirol beging er 1846 in Kufstein mit einer siebenzölligen Reisepistole Selbstmord. Da die Obduktion aber ergab, dass List „mit einem solchen Grade von Schwermut behaftet gewesen sei, welche ein freies Denken und Handeln unmöglich machte“, konnte er trotzdem christlich bestattet werden. In einem Nachruf schrieb Altvater, ein langjähriger Gegner Lists:
„List ist es gewesen, der in Deutschland allgemein einen Sinn für Nationalökonomie rege gemacht hat, ohne den keine Nation mehr ihr Schicksal genügend gestalten kann.“
– Nachruf in den Börsen-Nachrichten der Ostsee vom 1. Januar 1847.
Preußisches Zollgesetz von 1818
Wirkungsmächtiger als die beiden süddeutschen Theoretiker und Politiker waren allerdings die zollpolitischen Maßnahmen Preußens. Auch in Preußen gab es Anknüpfungspunkte an die Reformen der Rheinbundstaaten. So blieb etwa in den Preußen zugeschlagenen Gebieten des Königreichs Westphalen die Abschaffung der Binnenzölle bestehen. Das Zollgesetz dieses ehemaligen Staates wurde zum Vorbild der preußischen Zollgesetzgebung. Dafür sorgte auch Hans Graf von Bülow, der bis 1811 Finanzminister in Westfalen war und diese Position ab 1813 in Preußen einnahm. Hinzu kam wie auch in Süddeutschland die Notwendigkeit, die neugewonnenen Territorien in das Staatsgebiet zu integrieren. Die südwestdeutschen Staaten und Preußen wurden in der Folge führend bei der Modernisierung der Zollsysteme innerhalb der Staaten des Deutschen Bundes.
Wie auch die territorial gewachsenen süddeutschen Mittelstaaten hatte die Regierung Preußens angesichts des zersplitterten Staatsgebiets ein Eigeninteresse an der Abschaffung von Zollgrenzen. Nach dem Wiener Kongress war der Kontrast zwischen den gewerblich entwickelten westlichen preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen auf der einen Seite und den stark agrarisch geprägten ostelbischen Gebieten auf der anderen Seite besonders groß. Diese ungleichen Regionen galt es politisch und administrativ zusammenzufassen. Ein Aspekt dabei war die Zollpolitik. In Preußen selbst waren mit dem Zollgesetz von 1818 alle innerstaatlichen Handelsschranken gefallen. Nach außen hin wurde ein nur mäßiger Schutzzoll erhoben. Für den Durchgangsverkehr wurden allerdings hohe Zölle fällig. Damit konnten sowohl die am Freihandel interessierten Großgrundbesitzer wie auch die von der ausländischen Konkurrenz bedrohte gewerbliche Wirtschaft leben. Das preußische Zollgesetz war darüber hinaus einfach, effizient und wurde anders als in früheren Zeiten von der Verwaltung konsequent angewandt. Es gab seit 1818 nur noch Einfuhr-, Ausfuhr- und Transitzölle, die, anders als bisher, ohne Rücksicht auf Herkunfts- oder Bestimmungsland erhoben wurden. Von Zöllen ausgenommen waren Grundnahrungsmittel und Rohmaterialien. Gewerbliche Güter wurden mäßig besteuert. Eine Ausnahme bildeten recht hohe Abgaben auf Textilien. Am wichtigsten waren die Einnahmen für gehobene Lebensmittel, Genussmittel und Luxusgüter.
Preußen in den Grenzen von 1818 (dunkelblau)
Das Preußische Zollgesetz vom 26. Mai 1818 bzw. “Gesetz über den Zoll und die Verbrauchssteuer von ausländischen Waren und über den Verkehr zwischen den Provinzen des Staates” schuf einen einheitlichen Wirtschaftsraum im Königreich Preußen.[1] Es gilt als Vorläufer des Deutschen Zollvereins von 1834.[2] Wesentlichen Anteil am Gesetz hatte der preußische Finanzminister Karl Georg Maaßen. Das Zollgesetz hob alle Binnenzölle zwischen den preußischen Provinzen auf. Alle Importwaren wurden mit einem mäßigen Zoll von einem halben Taler pro Zentner belegt.
Folgen
Der in Folge des Zollgesetzes bestehende Freihandel war an die Hoffnung des preußischen Finanzministeriums geknüpft, dass auch andere Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes ihren Protektionismus aufgeben würden. Da dies jedoch nicht geschah, wurde der preußische Markt von britischen, französischen und belgischen Industriewaren überschwemmt. Gegen die maschinelle Massenproduktion dieser westeuropäischen Länder war das preußische Manufakturwesen chancenlos.[4] Aus diesem Grund folgte 1821 eine Teilrevision des Preußischen Zollgesetzes, mit dem die Außenzölle wieder erhöht wurden. Der innerpreußische Wirtschaftsraum blieb jedoch bestehen und ging 1828 schließlich in den Preußisch-Hessischen Zollverein auf.
Friedrich Christian Adolf Motz, seit 1780 von Motz (* 18. November 1775 in Kassel; † 30. Juni 1830 in Berlin) war ein preußischer Staatsmann, preußischer Finanzminister, Oberpräsident der Provinz Sachsen und Regierungspräsident von Erfurt und Magdeburg.
Er stammte aus einer bürgerlichen Beamtenfamilie. Sein Großvater war Christian Heinrich Motz (1687–1751), Herr auf Oberurff sowie hessischer Geheimer Rat und Regierungsvizekanzler in Kassel.
Seine Eltern war der kurhessische Wirkliche Geheime Rat und Präsident des Oberappellationsgerichts Justin Motz (1733–1813) und dessen Ehefrau Johanna Rieß (1744–1818), eine Tochter des Wirklichen Geheimen Rats Johann Philipp Rieß (1693–1768). Sein Vater wurde 1780 in den Reichsadelsstand erhoben.
Leben
Motz studierte zunächst von 1792 bis 1794 Rechtswissenschaften in Marburg und übernahm dann 1795 eine Funktion in preußischen Diensten als Auskultator in Halberstadt. 1801 erfolgte seine Ernennung zum Landrat von Halberstadt. Von 1803 bis 1807 bekleidete er diese Funktion im Eichsfeld.
In der Zeit der napoleonischen Herrschaft war er von 1808 bis 1813 für das Königreich Westphalen als Direktor für Steuern in Heiligenstadt tätig. 1803 bis 1807 war er Mitglied der Reichsstände des Königreichs Westphalen.
Nach der Niederlage Napoleons war Motz unter Wilhelm Anton von Klewiz in Halberstadt beim Zivilgouvernement tätig. Nach der 1816 erfolgten Gründung des Regierungsbezirks Erfurt wurde Motz dessen erster Präsident. 1821 übernahm Motz, anfangs kommissarisch parallel zu seinem Erfurter Amt und ab November 1824 definitiv, die Funktion des Oberpräsidenten der preußischen Provinz Sachsen in Magdeburg, die er bis 1825 innehatte.
In dieser Zeit engagierte sich Motz für eine Reorganisation der Justiz und die Einführung der Steinschen Städteordnung. Sein Name ist jedoch auch mit der Anlage vieler Chausseen und der Förderung der regionalen Textilindustrie verbunden.
1825 wurde er vom preußischen König zum Geheimen Staats- und Finanzminister ernannt und wechselte am 16. Juni 1825 von Magdeburg nach Berlin. Zu seiner wesentlichsten Leistung in diesem Amt wurde die Vorbereitung der Gründung des Deutschen Zollvereins, deren Vollzug 1834 er nicht mehr erlebte. Sein Wirken stand im Zeichen einer fortschrittlichen Wirtschafts- und Verwaltungspolitik.
Er verstand den Zollverein als Station auf dem Weg zu einer staatlichen Einigung Deutschlands, wobei er die kleindeutsche Lösung unter preußischer Hegemonie propagierte.
Das preußische Zollsystem wurde daher für etwa ein halbes Jahrhundert mehr oder weniger zum Vorbild für das Zollsystem in den deutschen Ländern. Trotz einiger Veränderungen und Aufweichungen im Detail blieben die Grundprinzipien bis in die Zeit des Kaiserreichs konstant. Noch 1871 stammten drei Viertel der Einnahmen aus Zoll auf Getränke (Bier, Wein, Spirituosen usw.), Nahrungs- und Genussmittel (Kaffee und einige Kolonialwaren) sowie Tabakprodukte. Insgesamt lagen die Zölle in Preußen 1818 zwar höher als die der kleineren deutschen Staaten, aber deutlich niedriger als in Österreich, Frankreich oder Russland.
Vor allem für die kleineren Nachbarstaaten, die teilweise oder ganz von preußischem Staatsgebiet umschlossen waren, führten insbesondere die Durchgangszölle zu einem Druck, sich dem preußischen System anzuschließen. Als erstes schloss sich das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen dem preußischen Zollgebiet an. Andere Kleinstaaten folgten. Die übrigen Staaten protestierten sofort gegen die Behinderung ihrer Wirtschaft. Sie kritisierten die Politik Preußens als partikularistische Aktion gegen die kleineren Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes. In den Mittelstaaten, insbesondere jenseits der Mainlinie und in Norddeutschland, führte die preußische Politik zunächst zu Bestrebungen, gegen die preußische Politik defensive regionale Zollbündnisse zu etablieren.
Johann Karl Georg Maaßen (* 23. August 1769 in Kleve; † 2. November 1834 in Berlin) war ein preußischer Jurist, Politiker und Mitinitiator des Deutschen Zollvereins.
Maaßen wuchs als Sohn eines preußischen Gerichtsschreibers in Gartrop bei Wesel auf. Er begann seine Schullaufbahn am Gymnasium Hammonense (Hamm/Westf.) und beendete sie am Weseler Gymnasium. Dann nahm Maaßen sein Jura-Studium auf und trat nach dessen Abschluss in den preußischen Staatsdienst ein. Ab 1816 arbeitete er im Finanzministerium und wurde Generaldirektor für die Verwaltung von Gewerbe und Handel in Berlin. Bereits am 16. Januar 1816 erhielt er für seine Dienste als Nichtkombattant das Eiserne Kreuz am weißen Bande. Unter anderem durch Maaßen angeregt entfielen 1819 die preußischen Binnenzölle. Gemeinsam mit dem preußischen Finanzminister Friedrich von Motz, dem er nach dessen Tod 1830 im Amt nachfolgte, führte Maaßen die Verhandlungen zur Gründung des Deutschen Zollvereins für Preußen, die 1834 einen Grundstein zur deutschen Reichsgründung 1871 legte. Maaßen starb wenige Monate nach der Gründung des Zollvereins.
Veranstaltung vom 17.10.2017
Zoll und Schmuggel im Spiegel süddeutscher Landtagsdebatten vor 1834
I. Einleitung
Die Neujahrsnacht 1833/1834 hat Heinrich von Treitschke, der engagierte und meinungsbildende Vertreter der preußisch-deutschen Geschichtsschreibung in seiner typisch plastisch-bildreichen Sprache mit folgenden Worten ausgemalt:
“Auf allen Landstraßen Mitteldeutschlands harrten die Frachtwagen hochbeladen in langen Zügen vor den Mauthäusern, umringt von fröhlich lärmenden Volkshaufen. Mit dem letzten Glockenschlage des alten Jahres hoben sich die Schlagbäume; die Rosse zogen an, unter Jubelruf und Peitschenknall ging es vorwärts durch das befreite Land”.
Wenn auch Treitschke die euphorische Stimmung wegen der Schließung der Zollbüros zwischen den Mitgliedsstaaten des Zollvereins in der Neujahrsnacht 1834 übertrieben haben mag , so ist ihm doch darin zuzustimmen, dass dieser Tag von folgenschwerer Bedeutung für die deutsche Geschichte war. Um die komplexen wirtschaftlichen und politischen Folgen des Zollvereins geht es im Folgenden jedoch nicht, sondern um den Zustand vor seiner Gründung, dessen Überwindung nach Treitschke so überschwänglich begrüßt wurde. Dabei sollen Aspekte zur Sprache kommen, die in der Forschung bisher weitgehend übergangen worden sind.
Das Urteil der Landtage der konstitutionellen deutschen Staaten über die Bildung eines Zollvereins und über das Zollwesen im allgemeinen steht im Schatten der Forschung, die sich vornehmlich mit den Kontakten auf Regierungsebene befasst. Im konstitutionellen Deutschland, das sich vornehmlich aus den Mittelstaaten Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt zusammensetzte und zu dem nach der Julirevolution Hessen-Kassel und Sachsen hinzukamen, dominierte zwar wie auch sonst im Deutschen Bund die monarchische Gewalt, aber die Kammern besaßen doch verfassungsmäßig garantierte Mitwirkungsrechte, so bei allen Angelegenheiten, die die persönlichen Eigentums- und Rechtsverhältnisse betrafen. Zollpolitik und Schmuggel berührten die Eigentums- und Rechtsverhältnisse. Zölle bildeten einen Teil der indirekten Abgaben an den Staat und griffen regulierend in das Wirtschaftsleben ein. Verordnungen mussten die Überwachung der Zollentrichtung und Gesetze die rechtliche Verfolgung von Zollhinterziehungen regeln. Das Urteil der Landtage über Zollfragen ist demnach schon aufgrund ihrer Kompetenz von Interesse.
Der zweite Aspekt, der in der Erforschung der Entstehungsgeschichte des Deutschen Zollvereins mehr Beachtung verdient, ist mit dem Begriff “Schmuggel” bezeichnet. Schmuggel ist dabei als Pars pro toto – Begriff für Zollvergehen jeder Art verstanden. Das ordnungspolitische Motiv, den Schmuggel zu beseitigen, erhält in der Forschung nicht die ihm zustehende Beachtung. Dagegen werden fiskalische, ökonomische, machtpolitische und sonstige innenpolitische Motive in ihrer Wirksamkeit gesehen.
Das Untersuchungsthema soll jedoch nicht auf die Frage nach der Beziehung von Zollpolitik und Schmuggel zur Entstehung des Zollvereins zugespitzt werden. Im Rahmen der Landtagsdebatten über die Zollverhältnisse kommen nämlich auch die ökonomischen, rechtlichen, sozialen und politischen Vorstellungen der Abgeordneten zum Ausdruck. Die Debatten vermitteln ein differenziertes Bild von der Denkweise der damaligen gesellschaftlichen Oberschicht. Um die Debatten im deutschen und europäischen Kontext zu verstehen, sind zunächst die ökonomischen und fiskalischen Rahmenbedingungen aufzuzeigen.
II. Ausgangslage/Rahmenbedingungen
Das 1815 auf dem Wiener Kongress eingerichtete Friedenswerk erreichte den Bereich der zwischenstaatlichen Wirtschaftsbeziehungen nicht. Die europäischen Mächte machten in ihrer Außenhandelspolitik keinen Unterschied zwischen ehemaligen Verbündeten oder Feinden. In Frankreich standen die Großgrund- und Manufakturbesitzer der Liberalisierung des Warenaustausches mit dem Ausland ablehnend gegenüber. Sie wollten sich den nationalen Markt sichern. Händler und Weinbauern waren hingegen an einer Liberalisierung des Außenhandels interessiert. Frankreich setzte in Deutschland vor allem Wein, Seidenfabrikate und feinere Textilien ab. Die französische Regierung richtete sich in der Außenhandelspolitik nach dem Willen der Kammermehrheit und das bedeutete nach den Großgrund- und Manufakturbesitzern. Dadurch setzte sich das Prinzip durch, dem in der Zeit des Ancien Régime der Merkantilismus gehuldigt hatte, nämlich bei anderen so wenig wie möglich zu kaufen, ihnen jedoch soviel wie möglich zu verkaufen. In den Jahren zwischen 1815 und 1834, zwischen dem Wiener Kongress und der Gründung des Deutschen Zollvereins, erhöhte Frankreich mehrmals seine Zölle auf Importartikel. Von seiner Schutzzollpolitik waren besonders die süddeutschen Staaten negativ betroffen. Die traditionellen Ausfuhrartikel Süddeutschlands nach Frankreich waren Leinwand, Wollwaren und Schlachtvieh.
Naturprodukte litten auch im übrigen Deutschland unter den Einfuhrbeschränkungen des westlichen Auslandes. Außerordentlich hoch waren die englischen Kornzölle zur Sicherung der Interessen der ländlichen Aristokratie. Nur bei schlechten Ernteergebnissen lockerte Großbritannien die Einfuhrbestimmungen. Russland , Holland und die deutschen Großmächte Österreich und Preußen folgten dem protektionistischen Trend der westeuropäischen Staaten. Dass Österreich dies tat, war für die deutschen Klein- und Mittelstaaten, für das sogenannte Dritte Deutschland, weniger gravierend. Schon aufgrund der geographischen Absonderung und territorialen Arrondierung der Habsburgermonarchie waren weit weniger deutsche Nachbarstaaten von ihrer Zollpolitik betroffen, als dies bei Preußen der Fall war.
Für Preußen waren nach 1815 zwei Aufgaben zu lösen: zum einen war der gesamte Staat in einem einzigen Zollgebiet zusammenzufassen und ein Grenzzollsystem einzurichten, zum anderen sollte die eigene Wirtschaft vor der Konkurrenz des Auslandes (einschließlich der deutschen Staaten) geschützt werden. Das preußische Zollgesetz vom Mai 1818 diente beiden Zwecken. Es stellte die Wirtschaftseinheit, soweit dies bei dem zerrissenen Territorium möglich war, her. Die Einfuhr wurde erschwert, die Ausfuhr freigegeben. Hohe Durchgangszölle sollten enklavierte Staaten zum Eintritt in das preußische Zollsystem bewegen. Die Überwachung der über 7.000 km langen Grenzlinien war schwierig. An ihnen entwickelte sich ein beträchtlicher Schmuggel, den die Regierungen einiger benachbarter Staaten unterstützten, um das ihnen unangenehme Zollsystem zu unterlaufen.
Österreich und Preußen waren an der Ausführung des Artikels 19 der Bundesakte, die Verhandlungen zwischen den Mitgliedern des Deutschen Bundes zur Erleichterung von Handel und Verkehr in Aussicht stellte, nicht interessiert. Die Beratungen am Frankfurter Bundestag über diesen Gegenstand verliefen alle im Sande. Jeder Staat gestaltete nun seine Außenhandelsbeziehungen nach eigenem Ermessen. Einige Bundesstaaten, so Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel, modernisierten ihr Zollwesen nach dem Beispiel Preußens und ersetzten Anfang der zwanziger Jahre das alte Passierzollsystem durch ein Grenzzollsystem. Durch die Modernisierung wurden die Reaktionsmöglichkeiten auf die Schutzzollpolitik der europäischen Mächte verbessert.
Die Reaktionen der Staaten des Dritten Deutschland waren nicht einheitlich. Es gab Staaten, die aufgrund ihrer geographischen Lage und ihrer Wirtschaftsstruktur den Handel begünstigten und dem Freihandelsprinzip huldigten. Dazu gehörten die vier Freien Städte, das Küstenland Hannover, aber auch Binnenländer, die am Transit von Gütern interessiert waren und deshalb keine lästigen Zollbarrieren errichten wollten. Solche Länder waren das zentral gelegene Kurfürstentum Hessen-Kassel und das für den Nord-Süd- und den West-Ost-Verkehr günstig gelegene Großherzogtum Baden. Das Königreich Sachsen befürwortete den Freihandel im Interesse seiner relativ weit fortgeschrittenen gewerblichen Wirtschaft und als Warenumschlagplatz im Ost-West-Handel, bei dem die Leipziger Messen eine herausragende Bedeutung hatten. Randstaaten wie die Königreiche Bayern und Württemberg suchten hingegen seit Mitte der zwanziger Jahre in einer protektionistischen Zollpolitik den Schutz für ihre Wirtschaftsinteressen.
III. Themenspektrum der Debatten
III.1 Freihandel und Schutzzoll
Die hohen Schutzzölle zogen den Schmuggel an die Grenzen und ins Land der protektionistisch orientierten Staaten. Aufgrund dieses Sachzusammenhangs war es ganz natürlich, dass die zentralen Kategorien, die der Beurteilung von Zoll und Schmuggel in den Landtagen zugrundelagen, gleichfalls Freihandel und Schutzzoll waren. Freihandel oder Protektionismus, an diesem Kardinalthema staatlicher Wirtschaftspolitik schieden sich nicht nur die deutschen Bundesstaaten, sondern auch die Geister der süddeutschen Abgeordneten.
Im deutschen Frühkonstitutionalismus gab es keine geschlossenen Parteien oder Fraktionen. Auch die Freihändler und die Protektionisten traten nicht fraktionell geschlossen auf. Die Spaltung der Abgeordneten in der Beurteilung aller Fragen und Fakten, die mit Zoll und Schmuggel zu tun hatten, war jedoch markant. Hier kam der quasi ideologische Charakter des Bekenntnisses zu Freihandel oder Schutzzoll zum Tragen. Das Bekenntnis lässt sich nicht gänzlich aus der jeweiligen Interessenlage der Abgeordneten ableiten.
Dass die Abgeordneten aus dem Handelsstand und aus Handelsstädten wie Nürnberg oder Augsburg zu den Freihändlern gehörten, versteht sich fast von selbst. Unter ihnen sind aber auch die Anhänger des politischen Liberalismus aus dem Bildungsbürgertum zu finden: Karl von Rotteck und Karl Theodor Welcker in Baden, Paul Pfizer in Württemberg, Sylvester Jordan in Hessen-Kassel und Ignaz von Rudhart in Bayern. Rudhart, ein führender Vertreter des liberalen Teils der bayerischen Bürokratie, artikulierte den Zusammenhang von Liberalismus und Freihandel, als er sagte: “Meine Neigung zieht mich, so wie überhaupt, so auch hier zur Freiheit und zur Hoffnung auf Hilfe durch positive Kraftentwicklung”.
Als Faktor von eigenständigem Gewicht sind aber auch die negativen Begleiterscheinungen und Folgen hoher Zölle zu werten: die Probleme der Kontrollen und Strafen, der Schaden des Schmuggels für den Staatshaushalt, die Volkswirtschaft und die Sittlichkeit. Moralische Bedenken führten Geistliche vielfach an die Seite der Freihändler. Dass sich das Bekenntnis zu Freihandel und Schutzzoll nicht in einer strengen Korrelation zum Erwerbszweig der Abgeordneten befand, macht die Haltung der Ständevertreter aus den Bereichen der Landwirtschaft und der Gewerbe deutlich, aus denen sich die Landtage hauptsächlich rekrutierten.
Schon der Vergleich zwischen Baden und den beiden Königreichen Bayern und Württemberg zeigt die Spaltung dieser Gruppe in der Beurteilung der Außenhandelspolitik. Die gesamtstaatlichen Wirtschaftsinteressen spielten dabei eine Rolle. In Baden waren die Vertreter aus Gewerbe und Landwirtschaft wie die Händler daran interessiert, den Transit im Land zu halten. Durch die Bereitstellung von Transportmitteln und die Unterhaltskosten der Fuhrleute und Reisenden profitierten auch sie von einem lebhaften Transit. In Württemberg und Baden suchten die Vertreter aus Gewerbe und Landwirtschaft durch Schutzzölle ihre Wirtschaftsinteressen zu verfolgen.
Als ökonomisches Motiv für eine protektionistische Politik war ferner die Umverteilung der Steuerlast wirksam. Eine Steigerung der indirekten Abgaben, um die es sich bei Zöllen handelt, ging zu Lasten der Verbraucher. Der Fiskus war bei dieser Steigerung weniger auf die direkten Abgaben auf Grundbesitz und Einkommen angewiesen. Die Protektionisten befürchteten von einer Zollsenkung eine Erhöhung der direkten Abgaben.
So differenziert man die Motive und Bedingungen sehen muss, die dem Bekenntnis zu Freihandel oder Schutzzoll zugrundelagen, so geschlossen waren doch die jeweiligen Argumentationsmuster von Freihändlern und Protektionisten in den Debatten über die Höhe von Zolltarifen, über Delikte und Delinquenten, über Kontrollen und Strafen sowie über die Folgen des Schmuggels für die Staatshaushalte, die Volkswirtschaften und die Sittlichkeit. Die Debatten über diese Themen sind selbst Ausdruck eines innenpolitischen Konflikts, sie spiegeln aber auch einen sozialen Konflikt zwischen den Delinquenten und der gesellschaftlichen und staatlichen Führungsschicht.
III.2 Tarife
Die Freihändler verwandten zwei Maßstäbe zur Beurteilung der Höhe von Zolltarifen. Bei den Tarifen sollte es sich um einen Finanzzoll handeln, der den Außenhandel möglichst wenig behinderte und lediglich fiskalische Bedeutung besaß. Der zweite Maßstab war die Defraudationsgrenze. Die Freihändler gingen davon aus, dass die Zollhinterziehung von einer bestimmten Tarifhöhe an (der Defraudationsgrenze) für lohnend gehalten wurde und wie nach einem Naturgesetz mit der Tarifhöhe stieg. Sie folgerten daraus, dass die Zölle diese Reizschwelle nicht überschreiten sollten. Die Protektionisten stritten die Existenz einer Defraudationsgrenze ab oder waren nicht bereit, sie als Maßstab für Tariffestsetzungen anzuerkennen. Sie glaubten an die Möglichkeit, an den Patriotismus der Bürger appellieren und diese zur Gesetzestreue erziehen zu können. So sagte 1825 der erste Sekretär der zweiten bayerischen Kammer, Franz Joseph Häcker:
“Es kommt alles darauf an, recht viele Interessen gegen die Defraudationen zu wecken und recht viele Interessen in Einklang zu bringen mit dem Interesse der Regierung <…>, und auf der anderen Seite durch die Gesetzgebung die Nation dahin zu erziehen, dass sie die Defraudationen nicht für eine erlaubte, ja vielleicht gar für eine solche Sache ansieht, wodurch man seine Klugheit bestätigen kann”.
III.3 Schmuggelgewinne
Die von Häcker formulierte staatliche Erziehungsaufgabe wurde nicht gelöst. Die Verdienstmöglichkeiten für Schmuggler waren zu verlockend. Wer z.B. einen Zentner Seide nach Württemberg einschwärzte, konnte einen Zoll von 80 Gulden sparen. Wenn man bedenkt, dass ein Drittel der württembergischen Familien mit 200 Gulden im Jahr auskommen musste, kann man sich vorstellen, welchen Reiz der Schmuggel auf die Volksschichten ausüben musste, die am Rande des Existenzminimums lebten.
Es waren aber nicht nur teure Luxusartikel, bei denen der Zoll hinterzogen wurde, sondern vor allem Artikel des täglichen Verbrauchs, die bei einer günstigen Bezugsmöglichkeit massenhaft den Zollbehörden entgingen. Dazu zählten Salz, Zucker, Kaffee und Wein. In Baden wurde 1833 eine Senkung des Salzpreises beschlossen, weil Württemberg und Hessen-Darmstadt ihren Ständen eine Senkung versprochen hatten. Die badische zweite Kammer beurteilte die Chance, dass die Badener einen höheren Preis bezahlen und keine Einschwärzung vornehmen würden, als aussichtslos. Bei Zucker und Kaffee führten die Zollerhöhungen in den süddeutschen Königreichen kurioserweise zu Preissenkungen. Durch einen massiven Schmuggel gelangten die Artikel billiger als vorher an den Verbraucher. Bayerische Landtagsabgeordnete schätzten, dass der im Land verbrauchte Zucker und Kaffee zu zwei Dritteln nicht verzollt wurde, in Württemberg vermutete man eine Einschwärzung von 7/8 des Gesamtverbrauchs.
Ein bayerischer Kommissionsbericht sprach im Jahre 1831 von einer gesamten Zollhinterziehung im Werte von 1.000.000 Gulden in drei Jahren und 14.000 aufgegriffenen Schwärzern. Der Kaffeeschmuggel machte auch in Österreich schätzungsweise zwei Drittel des Gesamtverbrauchs aus. Ein begehrtes Schmuggelgut waren die höherwertigen französischen Weine. Ihrer Einschwärzung kam die täuschende, äußerliche Ähnlichkeit mit inländischen Weinen entgegen. Ursprungszeugnissen war nicht immer zu trauen. Die Zöllner wären überfordert gewesen und hätten möglicherweise ihre Diensttauglichkeit verloren, hätten sie von allen passierenden Weinfässern Kostproben genommen. In Baden konnte in jedem Gasthaus eingeschmuggelter französischer Wein getrunken werden, obwohl er wie alle ausländischen Weine zum Schutze der einheimischen Winzer von der freihändlerischen Zollpolitik ausgeschlossen war und Verstöße gegen die Einfuhrbestimmungen für badische Verhältnisse relativ streng geahndet wurden.
III.4 Verantwortlichkeit
Die Verantwortlichkeit für die Zolldelikte beurteilten die Freihändler und die Protektionisten kontrovers. Die Freihändler hielten alle Menschen für verführbar und potentiell gefährdet, gegen Zollvorschriften zu verstoßen. Die Zeit der Kontinentalsperre diente als großes geschichtliches Beispiel für diese anthropologische Annahme. Deutschland war damals Hauptumschlagplatz englischer Schmuggelwaren. Die verbotenen waren fanden selbst in Paris Absatz.
Aufgedeckte Betrugsfälle lieferten ein differenziertes Bild von den Delinquenten. An der Ausführung des Schmuggels waren besonders ärmere Volksschichten in den Grenzregionen beteiligt. Ganze Familien siedelten sich dort an, um dem einträglichen Gewerbe nachzugehen. Selbst Kinder von zwölf Jahren wurden von Zollfahndern aufgegriffen. Das war ein neues soziales Phänomen, denn vor der Einführung von Schutzzolllinien an den Staatsgrenzen waren in der Hauptsache Kaufleute, Fuhrleute und Zollbeamte an Defraudationen beteiligt.
Die Freihändler suchten die Erklärung für dieses Phänomen in der Mentalität des ungebildeten Volkes, in Zollvergehen kein Verbrechen zu sehen. Eine drückende ökonomische Notlage erkannten sie zwar als eigengewichtigen Faktor an, zogen daraus aber keine sozialpolitischen Folgerungen. Sie hatten insofern Verständnis für die Defraudanten, als sie die Schutzzollpolitik als einen Verstoß gegen natürliches und göttliches Recht begriffen und die Verantwortung für die Vergehen letzten Endes den Protektionisten und den Regierungen, die protektionistische Wünsche berücksichtigten, zuwiesen. Tagelöhner und Erwerbslose waren jedoch meist nur Handlanger für Kaufleute, die den Absatz der Waren organisierten. Kaufleute defraudierten auch in anderen Formen, z.B. indem sie Waren, die in Niederlagen deponiert worden waren und erst bei der Entnahme zum Zwecke des Verkaufs und Verbrauchs verzollt werden sollten, ohne Abgabenentrichtung umsetzten. Der List betrügerischer Kaufleute war die Zolladministration nicht gewachsen.
Die Defraudationen wurden im Laufe der Jahre immer berufsmäßiger betrieben; oft gingen nur die kleinen Fische ins Netz und die Urheber blieben im Dunkeln. Die soziale Ungerechtigkeit in der Verfolgung der Betrügereien gefiel auch den Abgeordneten nicht. Zur Entschädigung im Falle von Betrugsaufdeckungen gab es, wie mehrmals in den Kammern vermerkt wurde, sogar Versicherungsgesellschaften.
Skandalöse Verstrickungen namhafter Firmen in Zolldefraudationen machte die bayerische Regierung im Jahre 1831 in der Ständekammer publik. Der Schmuggel war also nicht nur ein Delikt sozialer Unterschichten. Die Regierungen mussten von einem generellen Misstrauen ausgehen, nämlich dem, dass jeder, der die Grenze überquerte und Handel mit ausländischen Waren betrieb, ein Betrüger sein konnte.
Während die Freihändler für die Schmuggler und ihre Hintermänner Verständnis aufbrachten, werteten die Protektionisten die Betrüger weniger freundlich. Letztere gingen schon von einer anderen anthropologischen Grundannahme aus. Nach ihnen waren die Defraudanten moralisch schlechte, habgierige Menschen, die ihrem Handwerk nachgingen, um ihren Lastern frönen zu können. Das in den Argumentationen gern verwandte Motiv des Patriotismus und partikularistischen Nationalismus führte die Protektionisten, aber auch die Freihändler dazu, das Gros des eigenen Volkes in Schutz zu nehmen und gegen Ausländer und Minderheiten zu polemisieren. Ausländer waren für Bayern z.B. Italiener, Franzosen, Württemberger und Badener. Als soziale Gruppe wurden namentlich die Juden beschuldigt.
Je länger je mehr zeigte sich jedoch die Beteiligung der eigenen Landsleute. Nur durch gedungene, ortskundige einheimische Handlanger und durch die Verkaufsorganisation etablierter Händler waren Umfang und Erfolg des Schmuggelhandels zu erklären. Die Protektionisten verstiegen sich in den Landtagen bisweilen zur generellen Beschuldigung des Handelsstandes, dunkle Geschäfte zu betreiben. Hart verurteilten sie Kaufleute, die z.B. ein Lieferangebot von unverzollten Waren frei Haus annehmen, bei dem ein stattlicher Gewinn ohne großes Eigenrisiko zu erzielen war. Die Unterbindung der Delikte und das Dingfestmachen der Delinquenten stellten ein großes Problem dar, mit dem sich die Landtage zwangsläufig intensiv befassen mussten. Das Thema “Kontrollen und Strafen” war ein unvermeidlicher Bestandteil des Themas “Zollpolitik und Schmuggel”.
III.5 Kontrollen und Strafen
Die Frage nach der Wirksamkeit von Kontrollen und Strafen wurde von Freihändlern und Protektionisten wie eine Glaubensfrage beantwortet. Die Freihändler glaubten nicht daran, dass Kontrollen und Strafen Zollvergehen effektiv unterbinden konnten. Eine effiziente Abwehrmaßnahme war für sie nur die Senkung der Tarife unter die Defraudationsgrenze. Sie benutzten die Debatten über Kontrollen und Strafen zur Artikulation ihrer freihändlerischen Forderungen. Die Protektionisten hingegen mussten ein Schutzzollsystem für praktizierbar und damit die ordnungsgemäße Zollentrichtung für kontrollierbar halten. Sie setzten sich für eine Reihe konkreter Maßnahmen ein, die ihre Regierungen zur Unterbindung von Defraudationen ergreifen sollten. So schlugen sie vor, ausländischen Hausierern und Musterreisenden als generell verdächtigen Personen wenn überhaupt nur ein streng überwachtes Betätigungsgebiet zuzuweisen. Selbst freihändlerische Abgeordnete plädierten – von ihrer Interessenlage her verständlich – dafür, den Handel mit ausländischen Waren nur konzessionierten inländischen Kaufleuten zu erlauben.
Differenzen grundsätzlicher Art brachen zwischen Freihändlern und Protektionisten bei der Diskussion einer Kontrolle durch Haus-, Buch- und Leibesvisitationen auf. Die Freihändler stritten nicht nur die Wirksamkeit dieser Kontrollform ab, sondern sahen in ihr darüber hinaus einen Eingriff in persönliche Freiheitsräume. Das liberale Rechtsverständnis mit seinen Vorstellungen von der Freiheit der Person und des Eigentums war für die süddeutschen Abgeordneten ein starkes Argument. Einige Jahre lang war aus diesem Grund die Körpervisitation in Bayern verboten, bis Fälle bekannt wurden, in denen unter weiten Kleidern wertvolle Schmuggelwaren vor den Augen der argwöhnischen, aber zur Untätigkeit verdammten Zollbeamten unbehelligt über die Grenzen getragen wurden. Die bayerische Ständeversammlung entschied daraufhin, das allgemeine Visitationsverbot aufzuheben und Visitationen bei Verdachtsmomenten zuzulassen. Um der Effizienz der Kontrollen willen zeigten die Protektionisten in der Visitationsfrage viel weniger Skrupel als die Freihändler. Stichprobenkontrollen für Transitwaren oder der Waffengebrauch bei der Dingfestmachung verdächtiger Personen wurden ähnlich kontrovers diskutiert.
Während die Protektionisten von den europäischen Mächten den Beweis erbracht sahen, dass man ein Schutzzollsystem aufrechterhalten könne, stritten die Freihändler die Vergleichbarkeit mit dem Argument ab, kleine Länder könnten generell nicht so gut bewacht werden und insbesondere die örtlichen Gegebenheiten in der deutschen Staatenwelt würden den Schleichhandel begünstigen.
Im Laufe der Debatten blieb es nicht aus, dass auch die Zolladministration ins Schussfeld geriet. Die Freihändler hielten die Zöllner für bestechlich und die Verlockungsgefahr deshalb für sehr groß, weil diese Staatsdiener trotz ihres gefährlichen Berufes nicht so bezahlt wurden, dass sie gegen Bestechungsversuche immun waren. Für die Durchführung und den Erfolg der Kontrollen machten die Protektionisten die Regierungen verantwortlich. Die Regierungsvertreter mussten allerdings, wenn ihnen die Mängel der Zolladministration vorgeworfen wurden, bekennen, dass die List der Defraudanten mit der Verfeinerung des Kontrollsystems wuchs.
Veranstaltung vom 20.10.2017
III.6 Strafsysteme
Ein Defraudant, der im Netz der Gesetzeshüter hängen blieb, wurde nach einem abgestuften Strafsystem belangt: Begonnen wurde mit Geldstrafen, die die entgangene Abgabe um ein Mehrfaches überstiegen. Steigerungen lagen in der Konfiskation von Waren und Transportmitteln wie Pferden und Fuhrwerken. In Wiederholungsfällen drohten der Konzessionsentzug für Kaufleute und schließlich – bei Mittellosigkeit der Delinquenten und besonders bei begleitender Gewaltanwendung – Gefängnisstrafen. Die mittellosen Schwärzer, die den Schleichhandel im Auftrag ausführten und am ehesten in handgreifliche Auseinandersetzungen mit Zöllnern gerieten, nahmen also strafrechtlich die größten Risiken auf sich.
Die Protektionisten sahen in Strafverschärfungen ein Mittel zur Eindämmung der Zollvergehen. Im bayerischen Landtag von 1828 hielt ein Exponent dieser Gruppe sogar die Anwendung des Standrechts für legitim. Die Rechtswirklichkeit entsprach nicht den strengen Anforderungen der Protektionisten. Geschickte Defraudanten gingen bei den Gerichten vielfach straflos aus. Die Beweisführung war schwierig, da die Glaubwürdigkeit der denunzierenden Zollbeamten leicht anzufechten war. Ihm konnten persönliche Interessen, z.B. das Streben nach der Aufdeckungsprämie, mit der der Eifer der Beamten angestachelt werden sollte, unterstellt werden. Die süddeutschen Regierungen bemühten sich ständig, die Schwachstellen des Justizwesens, auf die sie in den Landtagsdebatten aufmerksam gemacht worden und auf die sie selbst gestoßen waren, zu beheben.
Nach Meinung der Freihändler nutzten die Verbesserungen des Strafsystems und Strafverschärfungen ebenso wenig wie die Verbesserung des Kontrollsystems. Sie glaubten vielmehr, dass Strafverschärfungen nur noch größere Verbrechen erzeugten, und befürchteten, dass bei den Delinquenten die Schwelle der Gewaltanwendung gesenkt würde, um einer entehrenden oder ökonomisch empfindlichen Strafe zu entgehen. In Verbrecherbiographien sahen die Freihändler einen Beweis für ihr Urteil. Nach ihrer Meinung erzeugten die Protektionisten mit ihrem Vertrauen auf Kontrollen und Strafen einen circulus vitiosus, bei dem die Übel des Zollsystems immer mehr eskalierten.
III.7 Fiskalische Folgen
Der Schmuggel hatte Folgen für die Staatshaushalte, die Volkswirtschaften und die Sittlichkeit. Die Zolleinnahmen fehlten selbst in den Budgets der freihändlerisch orientierten Staaten nicht. In Baden beliefen sie sich auf 7 % der Staatseinnahmen. In Staaten mit Schutzzollsystem lagen sie meist deutlich über 10 %. Die Roheinnahmen wurden jedoch in den beiden Staatengruppen durch verschieden hohe Kontrollkosten geschmälert, in Baden z.B. um 20 %, in Bayern um 44 %. Baden war für die freihändlerisch gesinnten, süddeutschen Abgeordneten ein Paradebeispiel dafür, dass niedrige Zölle, obwohl das Kontrollsystem relativ schwach ausgebildet war, entrichtet wurden. Es war jedoch kein Geheimnis, dass der Einfuhrzoll von Waren in die badische Staatskasse floss, die nicht im eigenen Land verbraucht wurden. Manche Händler machten ein Vermögen damit, dass sie die Legalität bei der Ausfuhr von Waren in Staaten mit Schutzzollsystem verließen. Die Schwarzwaldhöhen begünstigten z.B. geographisch einen massiven Schmuggel in das Bayerisch-Württembergische Vereinsgebiet. Schleichhändler, die im Jahre 1831 einen Zentner Zucker, Kaffee, feine Gewürze oder Tee von Baden nach Württemberg einschwärzten, konnten mehr als zehn Gulden sparen, bei anderen Artikeln war die Kostenersparnis noch größer.
III.8 Volkswirtschaftliche Folgen
Bewerteten die Freihändler die badischen Verhältnisse als einen Beweis dafür, dass sich niedrige Zölle im Gegensatz zu hohen Zöllen selbst für den Staatshaushalt positiv auswirkten, so zogen es die Protektionisten vor, die für ihr System sprechenden Argumente zu akzentuieren. Die Schutzzollanhänger konnten darauf hinweisen, dass die Erhöhung der Zolltarife tatsächlich von einer Erhöhung der Einnahmen begleitet war. Für das Faktum, dass die Einnahmen nicht proportional zu den Tariferhöhungen stiegen, machten sie anders als die Freihändler nicht allein den Schmuggel verantwortlich. Die Protektionisten deuteten die fehlende Proportion als einen volkswirtschaftlichen Erfolg und führten sie auf eine gelungene Abwehr der ausländischen Konkurrenz zurück. Den Bedarf der Bevölkerung sahen sie vermehrt durch die inländische Produktion befriedigt.
In Württemberg ging z.B. die Seidenwareneinfuhr nach der Erhöhung des Einfuhrzolls im Jahre 1822 merklich zurück. Hierin wird man in der Tat eine Wirkung des Schutzzolls sehen dürfen, wenn auch eine wachsende Beliebtheit von Baumwollfabrikaten und schließlich doch auch Zollhinterziehungen als weitere Erklärungsgründe herangezogen werden müssen.
Nach dem Urteil der Freihändler wurden die Interessen der eigenen Volkswirtschaft hingegen nicht geschützt, sondern besaßen sogar weniger Schutz als vorher. Der Druck der ausländischen Konkurrenz auf die inländischen Gewerbe bestand ihrer Meinung nach unvermindert fort, und der redliche Kaufmann, der mit dem Schleichhändler nicht konkurrieren konnte, drohte ruiniert oder korrumpiert zu werden. Der Bankrott einst angesehener Handelshäuser war für die Freihändler ein deutliches Warnsignal. Auch die Teilerfolge des protektionistischen Systems für die inländischen Gewerbebetriebe änderten nichts daran, dass der Schutzzoll – nicht zuletzt durch den Schleichhandel – von einem zweifelhaften Wert für die Volkswirtschaft war.
III.9 Sittliche Folgen
In den Landtagsdebatten wurden die Folgen des Schmuggels für die Sittlichkeit allgemein beklagt. Nach Pfarrberichten aus den Grenzgebieten, auf die sich Repräsentanten der Kirche bezogen und die von weltlichen Abgeordneten dieser Regionen bestätigt wurden, schlugen viele Tagelöhner redliche Erwerbsmöglichkeiten aus und vertranken und verspielten ihren meist in der Nacht erworbenen Gewinn tagsüber in Gasthäusern. Der württembergische Abgeordnete Paul Pfizer, der als einer der ersten Propagandisten einer preußisch-deutschen Vereinigung in die deutsche Geschichte eingegangen ist, bemerkte 1833 zu der Lage:
“Von allen Seiten hört man bei uns Klagen über die hohen Zollsätze und über das dadurch erzeugte und genährte Schmuggelwesen, das nicht nur auf den Handel, sondern auch auf die Sittlichkeit des Volkes den nachteiligsten Einfluss hat. Wenn auch die Hälfte dieser Klagen in der Wahrheit gegründet ist, so kann man, scheint es, nicht genug eilen, dem Strome von Demoralisation, der über unser Land in Folge der bestehenden Zollgesetze und Zolleinrichtungen hereinbricht, und ganze Ortschaften, ganze Striche unserer Bevölkerung zu ergreifen, jedem rechtlichen Erwerbe zu entfremden, und in einen fortwährenden Kriegszustand gegen Gesetz und Obrigkeit zu versetzen droht, Einhalt zu tun”. (2. B., 17. S. S. 36).
Die nach der Julirevolution 1830 eingerichtete kurhessische Ständeversammlung musste bis zur Gründung des Deutschen Zollvereins 1834 machtlos zusehen, wie die geregelte Zolleinnahme in den Provinzen Hanau und Fulda durch die mehrfache Zerstörung von Zollbüros unmöglich gemacht wurde. Hier und in anderen Landtagen kamen Abgeordnete auf den Gedanken, durch Chausseebauten erwerbslosen Bevölkerungsteilen Beschäftigung zu geben und sie vom Schmuggelgewerbe abzuziehen. Die Protektionisten konnten der Beschäftigungstherapie zustimmen, nicht jedoch der Therapie der Freihändler, durch Zollsenkungen der Demoralisation den Nährboden zu entziehen. Eine Senkung der Tarife unter dem Druck von Gesetzesbrechern werteten die Schutzzollanhänger als eine Kapitulation, als eine Untergrabung der staatlichen Autorität, zu der sie nicht die Hände reichen wollten.
Zollpolitik und Schmuggel wurden, dies macht die Analyse der Landtagsdebatten deutlich, ideologisch beurteilt. Die Gegensätze zwischen Freihändlern und Protektionisten verschärften sich mit der Ausbildung und Erweiterung des Schutzzollsystems und mit den anwachsenden sozialen, wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Problemen, die der Schmuggel aufwarf. War das, was dem Einzelstaat oder wenigen Einzelstaaten nicht gelang, nämlich aus dem Dilemma herauszukommen, durch einen größeren Zollverein zu erreichen? Welche Folgen besaß der Schmuggel für die zwischenstaatlichen Beziehungen und die Entstehung des Deutschen Zollvereins? Diesen Fragen wendet sich der zweite Teil der Untersuchung zu.
IV. Außenpolitische Konsequenzen
IV.1 Zwischenstaatliches Konfliktpotential
Zollpolitik und Schmuggel stellten in den Beziehungen der deutschen Staaten gleichzeitig ein Konfliktpotential und einen Einigungsgrund dar. Ein Konfliktpotential lag in der ungleichen strafrechtlichen Verfolgung von aktivem und passivem Schmuggel. Das Auge des Gesetzes wachte streng darüber, dass kein aktiver, d. h. gegen die Interessen des eigenen Landes gerichteter Schmuggel getrieben wurde; beim passiven Schmuggel, der vom eigenen Land ausging, die Wirtschaft des eigenen Landes belebte und “nur” die Zolleinnahmen der Nachbarstaaten verkürzte, war das Auge des Gesetzes hingegen halb oder ganz geschlossen.
Das Gefälle in den Zolltarifen zwischen protektionistischen und freihändlerischen Staaten begünstigte die Ausbildung einer Doppelmoral, unter der die Staaten mit Schutzzollsystem naturgemäß am meisten litten. Im Wetteifer, so bemerkte ein bayerischer Abgeordneter, werde der Schmuggel von Baden und von den sächsischen Staaten aus gegen das Bayerisch-Württembergische Vereinsgebiet betrieben.
Die Abgeordneten der süddeutschen Landtage waren, auch wenn ihr Land Nutzen aus dem Schmuggel zog, selbstkritisch genug, die Doppelmoral zuzugeben. In freihändlerisch orientierten Staaten kam es vereinzelt zu einer ausdrücklichen Billigung des passiven Schmuggels und zu einer Verurteilung der protektionistischen Nachbarstaaten als den wahren Schuldigen. Doch die geheimen badischen Kammerdebatten vom Oktober 1831 machen deutlich, dass auch die Freihändler Zollvergehen als moralische Übel werteten. Die Problemlösung lag für sie in der Beseitigung der Zolltarifdifferenzen, in der drastischen Senkung der Tarife durch die protektionistischen Staaten. Eine Verschärfung der Kontrollen zur Unterbindung des passiven Schmuggels, die Kosten ohne Nutzen für den eigenen Staatshaushalt gebracht hätten, war für den badischen Landtag kein Diskussionsgegenstand.
Diese nachbarliche Politik war für die protektionistischen Staaten ein Ärgernis, dessen Abstellung allein durch eine wechselseitige Rechtshilfe möglich war. Eine Rechtshilfe des Nachbarn war jedoch nur dann erfolgversprechend, wenn beide Seiten gleichermaßen ein Interesse an einer effizienten Zollkontrolle hatten. Besaßen beide Parteien ein Schutzzollsystem, so war diese Voraussetzung gegeben. Die protektionistischen Staaten wurden zu zwischenstaatlichen Vereinbarungen über gegenseitige Rechtshilfen, zu sogenannten “Kartellen”, gedrängt. Besonders ihnen musste an einem weiterreichenden vertraglichen Interessenausgleich gelegen sein. Der Interessenausgleich gipfelte im Deutschen Zollverein von 1834. Dass die Zollvereinsbewegung im wesentlichen von protektionistischen Staaten vorangetrieben wurde, kam also nicht von ungefähr.
IV.2 Impuls auf Zollvereinsbewegung
Die Zollvereinsbewegung, die im Jahre 1820 durch Verhandlungen zwischen deutschen Klein- und Mittelstaaten in Gang gebracht wurde, verlief alles andere als geradlinig auf das 1834 erreichte Ziel hin. Wirtschaftliche, fiskalische und politische Motive besaßen eine ambivalente Wirkung. Machtpolitische Hintergedanken sind bei Bayern, Württemberg und Preußen als Faktor erkennbar. Politische Befürchtungen machten Österreich zum Gegner jeder Vereinsbildung. Der Gegensatz zwischen Freihandel und Protektionismus belastete die Vereinsverhandlungen von Anfang an. Die Darmstädter und Stuttgarter Konferenzen in den Jahren 1820 bis 1825 scheiterten nicht zuletzt daran, dass Baden von der Forderung niedriger Zolltarife an den Vereinsgrenzen nicht abzubringen war.
Im Komplex der Faktoren, die in der Vorgeschichte des Deutschen Zollvereins wirksam waren, sind schon früh ordnungspolitische Fragen und Probleme auszumachen. Schutzzollanhänger misstrauten potentiellen Vereinspartnern und befürchteten, dass manche Staaten die Kontrollvorschriften nur im Eigeninteresse handhaben würden. Bis Mitte der zwanziger Jahre glaubten die Staaten des Dritten Deutschland daran, eine Zollpolitik nach eigener Regie führen zu können. Die Störungen des geordneten Warenverkehrs durch die protektionistischen Staaten ließen danach einen Verein immer wünschenswerter erscheinen.
Im Jahre 1828 wurden zwei Vereine gegründet, die den Markt nach innen jeweils ausweiteten und nach außen schützten, der Preußisch-Hessische Verein und der Bayerisch-Württembergische Verein. Um eine weitere Ausdehnung des Schutzzollsystems in Deutschland zu verhindern, wurde im gleichen Jahre 1828 der freihändlerisch orientierte Mitteldeutsche Handelsverein gegründet. Die Schutzzollvereine traten im Mai 1829, obwohl sie sich geographisch nicht berührten, durch einen Handelsvertrag in eine nähere Verbindung. Sie gestanden sich gegenseitige Erleichterungen im Warenverkehr zu und vereinbarten eine Anpassung der Tarife auf ein gleiches Niveau. Der Schmuggel förderte eine weitere Annäherung.
IV.3 Abschluss von Zollvereinen
Im Jahre 1828 wurden die Schutzzolllinien in Deutschland zwar verkleinert, ihre Überwachung gelang jedoch nicht in einem ausreichenden Maße. In den süddeutschen Landtagen war der Wegfall von Schmuggellinien ein immer häufiger gebrachtes Argument für die Bildung eines großen Zollvereins. Die Julirevolution förderte im Deutschen Bund die Unzufriedenheit mit den Zollverhältnissen.
In Kurhessen brachen chaotische Zustände aus, die eine Schlüsselfunktion in der Entstehungsgeschichte des Vereins besitzen. Das von dem Preußisch-Hessischen und dem Bayerisch-Württembergischen Schutzzollsystem eingeklammerte Kurfürstentum geriet durch die Unmöglichkeit, in seinen südlichen Provinzen eine geordnete Zollerhebung durchzusetzen, in eine Zwangslage und suchte die Rettung für seine fiskalischen, wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Probleme in einem möglichst großen Zollverein.
Im August 1831 trat Kurhessen dem Preußischen Verein bei. Die Stände sahen in diesem Beitritt von Anfang an nur eine Zwischenlösung und in der Verbindung Preußens mit Süddeutschland eine Minimalbedingung. Der kurhessischen Regierung gelang es nach dem August 1831 nicht, die chaotischen Zustände an den Außengrenzen des Vereins zu beseitigen. Erst der Zollverein von 1834 erlöste den im Zentrum Deutschlands gelegenen Staat aus seiner innenpolitisch unhaltbaren Lage, die auch im Landtag immer wieder zu Friktionen führte.
Für das an der Peripherie des Deutschen Bundes gelegene Großherzogtum Baden stellte sich die Lage anders dar. Die Übernahme des preußischen Zollsystems hätte die profitable Wareneinfuhr aus Frankreich und der Schweiz erschwert und den aktiven Schmuggel ins Land, genauer an die Grenzen zu Frankreich und der Schweiz gebracht. Grundsätzlich wollte sich Baden der nach der Julirevolution stark aufgekommenen Zollvereinsbewegung nicht entziehen. Die Kammern knüpften aber 1831 den Beitritt in einen Verein mit Preußen an die in der liberalen Öffentlichkeit populäre Bedingung, dass der Vereinstarif gesenkt würde.
Die Regierungen, die Ende 1831 die Verhandlungen über einen großen Zollverein aufnahmen, namentlich Preußen und Bayern, gingen auf die badische Bedingung nicht ein. Der südwestdeutsche Grenzstaat war deshalb an der Zollvereinsgründung nicht beteiligt. Unter starkem Widerspruch innerhalb der Ständeversammlung trat er 1835 bei, um eine politisch und wirtschaftlich fatale Isolierung zu vermeiden. In Württemberg wurde wegen der äußerst schwer zu überwachenden Grenzlinie ein Verein mit Baden sehr gewünscht, von einigen Abgeordneten sogar mehr als ein Verein mit Preußen.
Die freihändlerisch gesinnten Abgeordneten übersahen bei aller Vorliebe für niedrige Tarife nicht, dass ein großer Zollverein auch einen großen Binnenmarkt schuf, der Handel und Verkehr weitgehend die gewünschte Erleichterung brachte. Auf der anderen Seite konnten die Protektionisten den Verlust eines ohnehin fragwürdigen Schutzes für die eigene Volkswirtschaft dadurch leichter verschmerzen, dass die Chancen für eine Abwehr der Konkurrenz des westlichen Auslandes durch eine bessere Grenzbewachung für ein arrondiertes Vereinsgebiet stiegen. Bedenken und Einwände wirtschaftlicher und politischer Art gegen einen Zollverein mit Preußen blieben auf Seiten der Freihändler wie der Protektionisten bestehen. Doch alle Anstoßpunkte wurden in den Landtagen, als sie einem Vereinsbeitritt zustimmten, geringer gewichtet als der Wert eines Deutschen Zollvereins, den nicht zuletzt der Schmuggel schätzen gelernt hatte.
V. Resümee
Drei resümierende Bemerkungen sollen die Untersuchung abschließen:
1. Zoll und Schmuggel bildeten einen innenpolitischen Konfliktstoff in den süddeutschen Landtagen, der zu einer fraktionellen Spaltung in Freihändler und Protektionisten führte. Aus dem Erwerbszweig der Abgeordneten erklärte sich die jeweilige Position nur zum Teil. Als Erklärungsaspekte kamen die gesamtstaatlichen Wirtschaftsinteressen, aber auch politische und moralische Überzeugungen hinzu.
Im Urteil der beiden “Fraktionen” spiegelten sich die ökonomischen, rechtlichen, sozialen und politischen Vorstellungen und Differenzen der führenden Gesellschaftsschicht. Durch die Darstellung der ideologischen Beurteilung von Zoll und Schmuggel konnte deshalb gezeigt werden, dass sich die Konturen des deutschen Frühkonstitutionalismus erst durch die Einbeziehung inhaltlicher Analysen von Landtagsdebatten angemessen zeichnen lassen und allein durch eine Klassifizierung von Abgeordneten nach Steuern, Besitz und Beruf. In der modernen Forschung wird bisweilen der Erkenntniswert solch quantitativ gut auswertbarer Merkmale zu hoch angesetzt.
2. Eine umfassende Darstellung des Schmuggels mit allen Aspekten des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens, die er berührte, ist ein Desiderat der Forschung. Das Urteil der Landtagsabgeordneten verdient dabei Beachtung. Es zeigt, wie die führende Gesellschaftsschicht soziale Phänomene wie Arbeitslosigkeit, Armut, Kriminalität und illegal erworbenen Reichtum wertete und ob sie sich vom Gedanken einer gesamtgesellschaftlichen Solidarität oder von der Vorstellung einer markanten sozialen Abstufung leiten ließ. In den untersuchten Landtagsdebatten dominierte das letztere: ein ausgeprägtes Schichtenbewusstsein.
3. Die Zollverhältnisse vor der Gründung des Deutschen Zollvereins lassen sich durch ein Spiel mit der Begriffssprache, die Hegel zeitgenössisch verwandte, charakterisieren. Für die Zeit vor 1834 kann man sagen: “Das Wirkliche war nicht vernünftig”. Die Einsicht in die Unhaltbarkeit der einzelstaatlichen Zollpolitik und der Wille, das Zollchaos zu beseitigen, wuchsen. Der Deutsche Zollverein wurde ein Werk innenpolitischer Friedensstiftung. Im Hegelschen Sinne hob er die Differenzen zwischen Freihändlern und Protektionisten auf einer höheren Ebene auf. Die Landtagsabgeordneten ermöglichten durch ihre Zustimmung zum Zollverein, dass man das in der deutschen Geschichte herausragende Ereignis des Jahres 1834 180 Jahre später mit den Worten würdigen kann: “Das Vernünftige wurde wirklich”.
Überblick:
Die Eröffnung des ersten Landtags vollzieht sich unter großer Anteilnahme der Bevölkerung. Nachdem am Vortag in allen Pfarrkirchen und in der Hofkirche St. Michael feierliche Gottesdienste abgehalten worden sind, fährt der König in einem achtspännigen Galawagen und mit großem Gefolge durch ein Spalier von Soldaten zum Landtagsgebäude. Dort wird er von den (schon zuvor gewählten bzw. ernannten) Präsidenten beider Kammern in Begleitung von je sechs Reichsräten bzw. Abgeordneten empfangen. Sobald der König den Saal betritt, erheben sich alle von den Plätzen. Der König setzt sich auf seinen Thron; auf ein Zeichen von ihm nehmen alle Platz. Nun wird die Thronrede verlesen – von ihm oder von einem Minister. Indem der König persönlich zum Landtag kommt, erweist er ihm Ehre; das wird deutlich, als 1842 König Ludwig I. aus Verärgerung über den Landtag die Reichsräte und Abgeordneten zur Eröffnung der Sitzungsperiode in die Residenz beordert.
Nach der Verlesung der Thronrede und der Dankadressen beider Kammern erfolgt der Eid auf die Verfassung, den 1819 alle, später nur die neuen Kammermitglieder abzulegen haben. Ein Teil der katholischen Geistlichkeit und der katholischen Mitglieder in beiden Kammern werden erst mit Hilfe des päpstlichen Nuntius dazu gebracht, den Schwur auf die Verfassung abzulegen; sie hätten sonst den Landtag verlassen müssen. Später – 1821 – betont der König in seiner “Tegernseer Erklärung”, dass sich der Verfassungseid nur auf die bürgerlichen Verhältnisse, nicht auf geistliche Verpflichtungen beziehe.
Der König akzeptiert die Personen, denen die Kammer der Abgeordneten die meisten Stimmen bei der Wahl des Ersten und Zweiten Präsidenten gegeben hat: Erster Präsident wird der konservative Sebastian Frhr. Schrenck von Notzing (bis 1837 stets wieder mit diesem Amt betraut), Zweiter Präsident wird Dr. Johann Michael Seuffert, ein Vertreter des gemäßigten “Beamtenliberalismus”.
Die Verfassungsorgane müssen den Umgang miteinander lernen. Die Abgeordneten fühlen sich gekränkt, weil der König in seiner Thronrede sie als “Gehilfen der Regierung” bezeichnet und weil die Kammer der Reichsräte in ihrer Dankadresse sich selbst als “Damm” zum Schutze des Königs erklärt. Und den Reichsräten gefällt es nicht, dass der König von sich aus den Präsidenten ihrer Kammer ernennt (Feldmarschall Karl Fürst Wrede, der dieses Amt bis 1838 ausübt).
Die Abgeordneten erhalten ihren Platz durch das Los zugewiesen, um Gruppenbildungen zu unterbinden. Ihre Plenarsitzungen sind in der Regel öffentlich (die Kammer der Reichsräte folgt dem erst 1848). Die Regierung achtet daher sehr darauf, dass Plenumssitzungen an der kurzen Leine geführt werden, um unerwünschte Äußerungen zu vermeiden. Sie wehrt sich insbesondere gegen unliebsame Forderungen wie die nach Pressefreiheit oder nach Vereidigung der Armee auf die Verfassung mit dem Argument, dies überschreite die Kompetenz der Kammer. Die Ausschüsse, von denen es in jeder Kammer sechs reguläre gibt (Gesetzgebung, Steuern, innere Verwaltung, Staatsschuldentilgung, Beschwerden, Prüfung der Anträge von Mitgliedern) tagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit; daher kann dort offener gesprochen werden.
Als die Höhe der Staatsverschuldung bekanntgegeben wird, ist die Öffentlichkeit alarmiert; die Abgeordneten verlangen Sparsamkeit. Die Behandlung finanzieller Themen ist besonders konfliktreich: Soll die Ständeversammlung auch die Etatzahlen vor 1818 erfahren? Hat sie Anspruch auf Vorlage der Originalrechnungen? Bedarf der Staatsetat in allen Einzelposten der Zustimmung des Landtags oder darf dieser nur die nötigen Steuern bewilligen, um die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben zu decken? Darf der Landtag über den Heeresetat befinden? Wenn ja, muss dabei die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden? Und was ist mit den von der Regierung angeführten militärischen Verpflichtungen Bayerns gegenüber dem Deutschen Bund?
Gerade im Hinblick auf die Debatte über den Heeresetat stellt die Regierung den “Geist der Widerspenstigkeit” fest; erste Überlegungen über eine Aufhebung der Verfassung werden angestellt. Der zuständige Ausschuss der Abgeordnetenkammer lenkt insofern ein, als er für die Deckung der von ihm für überflüssig gehaltenen Militärausgaben eine Steuer auf Luxusgüter in Aussicht stellt. Die Kammermehrheit akzeptiert weitgehend die Haushaltsansätze der Regierung und kürzt auch den Militäretat nur geringfügig. Die Kammer der Reichsräte lehnt jede Kürzung im Militäretat ab. Der Knoten wird vorläufig gelöst, indem der König erklärt: er wolle prüfen lassen, ob der reduzierte Militäretat genüge, um die bayerischen Verpflichtungen gegenüber dem Deutschen Bund einzuhalten; wenn nicht, wolle er die fehlende Summe “aus dem eigenen Militärfonds” hinzufügen lassen.
Die Regierung (und ein Teil der Öffentlichkeit) ist gereizt, nicht zuletzt wegen der Detailliertheit, mit der manche Abgeordneten das Verwaltungsgebaren des Staates kritisch betrachten. Die radikalliberalen, besonders angriffslustigen Abgeordneten wie der Professor der Rechte Wilhelm Joseph Behr und der Bamberger Bürgermeister Franz Ludwig (v.) Hornthal repräsentieren jedoch keineswegs die Kammermehrheit. Ein anderer Teil der Öffentlichkeit ist enttäuscht, weil die Steuern nicht gesenkt und keine Impulse für Wirtschaftswachstum gegeben werden.
Der König verwahrt sich in seinem (Landtags-)Abschied vom 22. Juli 1819 gegen Beschlüsse der Abgeordneten, denen eine “auf die Erweiterung des durch die Verfassungsurkunde bezeichneten ständischen Wirkungskreises gerichtete Absicht zu Grunde liegt”, womit er z.B. das von der Abgeordnetenkammer beanspruchte Recht auf Gesetzesinitiative oder den Entwurf der Kammer zu einer Instruktion an die Zensurbehörde meint. Insbesondere prangert er “die verfassungswidrigen Verwahrungen” an, “welche sich einzelne Mitglieder der Zweiten Kammer gegen verfassungsmäßig zustande gekommene oder noch erst zu fassende Beschlüsse im Namen einzelner Kreise und selbst der Nation einzulegen erlaubt haben”, und “jenen unbemessenen (= maßlosen) Tadel der Regierung, worin Abgeordnete sich zu gefallen schienen”.
Schließlich tadelt er, dass die Abgeordneten die Regierungsvorlage zum Hypothekengesetz auf die lange Bank geschoben hätten. Auf der anderen Seite lobt er beide Kammern für die zustande gekommenen Gesetze und stellt als Ideal “verfassungsmäßiges, gemeinschaftliches Zusammenwirken der Stände…mit den obersten Regierungsorganen” auf.
Wie wenig die Kammer der Abgeordneten einen Konfliktkurs gegenüber dem König gesteuert hat, geht daraus hervor, dass der Antrag auf Vereidigung des Militärs auf die Verfassung im Plenum mit 100 zu 1 Stimme abgelehnt wird. Anträge der Abgeordneten zur Neuordnung des Justizwesens (Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Verfahren, Geschworenengerichte, Trennung von Justiz und Verwaltung) scheitern schon an der Kammer der Reichsräte, welche die adlige Gerichtsbarkeit bedroht sieht.
Der Landtag endet am 25. Juli in einer allgemeinen Missstimmung. Die Schließung des Landtags ist zwar ebenso ein Staatsakt wie die Eröffnung, wird aber mit geringerem protokollarischem Aufwand vollzogen. Es wird zur Tradition, dass der König sie nicht persönlich vollzieht, sondern den Thronfolger oder einen anderen Prinzen damit beauftragt.
Götschmann, S. 333-398; zu den Wahlen: S. 97-145; Weis, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, Band IV/1. S. 124 ff.; Hartmann, S. 376 ff.; Treml, in: Geschichte des modernen Bayern, S. 42 f.
Wahlergebnisse:
In der Frühzeit des Konstitutionalismus ist eine Darstellung der Wahlergebnisse nach Parteien nicht möglich. Es gibt keine festgefügten Parteien mit formeller Mitgliedschaft, Programm, Statuten und Vorstand. Politische Zusammenschlüsse dieser Art sind geradezu verboten. Es gibt auch keine festgefügten Fraktionen innerhalb des Parlaments. Die Herausbildung von Fraktionen wird absichtsvoll durch die dem Zufall überlassene Sitzordnung behindert.
Es gibt nur allgemeine Parteirichtungen wie Liberale oder Konservative mit allen Zwischenstufen, wobei man einen bestimmten Abgeordneten in der Regel nicht eindeutig einer Richtung zuordnen kann. Viele Abgeordnete lassen sich bei ihrer Stimmangabe von ihrer Einschätzung der konkreten Frage leiten, um die es gerade geht. Das Hin- und Herschwanken der Abstimmungsergebnisse zeigt deutlich, dass sie nicht auf festgefügte Stimmblöcke, sondern auf individuelle Entscheidungen (einschließlich der Abwesenheit) zurückgehen. Im Übrigen gilt allgemein bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus: aus der Sicht der jeweiligen Regierung (bzw. des jeweiligen Königs) gibt es nur zwei “Parteien”: Regierungstreue und Oppositionelle. Die Trennlinie zwischen beiden ist nicht identisch mit der zwischen Liberalen und Konservativen; Zeitgenossen erwähnen auch den Typ des “liberalen Servilen” (d.h. den Wünschen der Regierung willfährigen Liberalen) und des regierungskritischen Konservativen (aus welchen Motiven heraus auch immer). Schließen sich Abgeordnete zu einer Gruppe zusammen, dann eher informell und auf landsmannschaftlicher Basis, wobei die fränkischen und pfälzischen Abgeordneten eher auf der “linken” (liberalen bis radikalliberalen) Seite des politischen Spektrums stehen.
Veranstaltung vom 24.10.2017
Bayerisches Territorium
Nach dem Übergang fränkischer, zum kleinen Teil auch kurrheinischer und oberrheinischer Gebiete an das neue Königreich Bayern entstand am 2. Februar 1817 der Untermainkreis mit Würzburg als Hauptstadt. Seit dem 1. Januar 1838 trug der Bezirk den Namen „Unterfranken und Aschaffenburg“ in Anlehnung an das Herzogtum Franken, in dessen ehemaligem Ostteil er liegt (ausgenommen Aschaffenburg und Umgebung, die im ehemaligen Westteil liegen).
Durch die Verordnung vom 20. Mai 1938 (GVBl. 1938, 199) mit Wirkung vom 1. Juni 1938[3] wurde der Name des Bezirks dem des räumlich identischen NSDAP-Gaues Mainfranken angeglichen und die bisherige Bezeichnung „Unterfranken und Aschaffenburg“ abgelöst. Nach Ende des Dritten Reiches wurde der Name am 9. April 1946 erneut geändert (GVBl. 1946, S. 189) und der Regierungsbezirk „Unterfranken“ (ohne den Zusatz „und Aschaffenburg“) benannt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die thüringische Enklave Ostheim vor der Rhön zu Unterfranken.
Die fränkische Siedlung Ostheim vor der Rhön wurde vermutlich um 525 gegründet und 804 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Die Schenken von Großvargula besaßen um 1214 in Ostheim Eigengüter und Lehen der Abtei Fulda und der Landgrafen von Thüringen. Das Amt Lichtenberg, zu dem Ostheim und Urspringen gehörten, war ehemals ein Amt der Grafschaft Henneberg-Römhild und ab 1741 des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach. 1920 kam die Exklave Ostheim zum neu gegründeten Land Thüringen und war Bestandteil des Landkreises Meiningen. 1945 wurde Ostheim als Teil der amerikanischen Besatzungszone dem Freistaat Bayern zugeordnet und stand als thüringische Enklave unter bayerischer Verwaltung. 1947 kam Ostheim zu Bayern.
Königsberg
Wechsel nach Bayern
Nach einer Volksabstimmung 1919 wurde der Freistaat Coburg zum 1. Juli 1920 mit dem Freistaat Bayern vereinigt. Damit kamen auch die Stadt Königsberg in Franken und das Amt Königsberg zu Bayern. Die Stadt wurde dem bayerischen Bezirk Hofheim im Kreis Unterfranken und Aschaffenburg zugeteilt. Im Zuge dessen wurde der bis dahin geltende Namenszusatz „in Franken“ zu „in Bayern“ abgeändert.
Jungholz
Jungholz, funktionale österreichische Exklave, nur über Deutschland zugänglich; Besonderheit: ist nur in einem Punkt mit Österreich verbunden und damit keine Enklave in Deutschland. Jungholz ist seit 1868 bayerisches, heute deutsches Zollanschlussgebiet.
Kaulsdorf Saale
Kaulsdorf ist eine Gemeinde im thüringischen Landkreis Saalfeld-Rudolstadt.
1780 besetzte Kursachsen unter Berufung auf eine Verpfändung der Ernestiner von 1567 die Exklave, die dann 1787 nach Protest der Markgrafen beim Reichshofrat wieder an diese fiel.
Nach deren Regierungsverzicht 1791 fiel die Exklave an Preußen, das auch 1795 das Gut aufkaufte und parzelliert an Bauern und Bürger weiterverkaufte. Napoleon annektierte 1806 die Herrschaft Kaulsdorf und gab sie 1810 an Bayern weiter. Nach dem verlorenen Krieg von 1866 fiel Kaulsdorf wieder an Preußen, Provinz Sachsen, Regierungsbezirk Erfurt, Kreis Ziegenrück. 1944 kam es an Thüringen, Kreis Saalfeld. 1952 kam es zum Bezirk Gera, Kreis Saalfeld, und mit diesem 1990 zum Freistaat Thüringen.
Die Exklaven des vogtländischen Amts Plauen, d.h. die Stadt Gefell und die Gemeinden Blintendorf, Sparnberg und Blankenberg kamen 1815 ebenfalls als Exklaven zum preußischen Kreis Ziegenrück, der selbst eine Exklave der Provinz Sachsen war. Als Folge des verlorenen Deutschen Kriegs von 1866 fiel die zu dieser Zeit zum Königreich Bayern gehörende Exklave Kaulsdorf an der Saale wieder an Preußen und wurde dem Kreis Ziegenrück zugeordnet.
Kamsdorf liegt am Ostrand des Thüringer Schiefergebirges. Die Kreisstadt Saalfeld/Saale ist ca. 8 km entfernt. Nur wenige Kilometer entfernt befindet sich auch das Naherholungsgebiet des Hohenwartestausees.
Nachbargemeinden
Angrenzende Gemeinden sind Unterwellenborn im Norden, dessen Ortsteile Könitz im Osten und Goßwitz im Südosten, Kaulsdorf im Süden, sowie die Stadt Saalfeld im Westen.
Büsingen am Hochrhein ist eine Gemeinde am rechten Ufer des Rheins im baden-württembergischen Landkreis Konstanz.
Der Ort ist gänzlich vom Schweizer Staatsgebiet umgeben und grenzt rechtsrheinisch an den Kanton Schaffhausen sowie linksrheinisch – mit dem Rhein als Grenze – an die Kantone Zürich und Thurgau. Büsingen ist die einzige Gemeinde Deutschlands, die gänzlich in einer Exklave liegt. Neben Campione d’Italia ist Büsingen eine von zwei Enklaven innerhalb des Schweizer Staatsgebietes.
Gegenwart
Ober-Laudenbach hatte am 31. Dezember 2008 insgesamt 774 Einwohner.[2] Ortsvorsteherin ist Susanne Benyr (CDU)
Grenzverlauf
Der Stadtteil weist eine Kuriosität im Grenzverlauf zwischen Hessen und Baden-Württemberg auf, denn sein nördlicher Teil bildet aus historischen Gründen eine Enklave in baden-württembergischem Gebiet, die durch eine baden-württembergische Straße vom hessischen Hauptgebiet getrennt ist. Innerhalb dieser Enklave befindet sich wiederum eine baden-württembergische Exklave.
Eine zweite baden-württembergische Exklave befindet sich im südlichen Stadtteil in hessischem Gebiet, dieser Teil Ober-Laudenbachs ist zudem noch eine Exklave der Stadt Heppenheim, da er von dieser durch die hessische Gemeinde Mörlenbach getrennt ist.
Wahlrecht bayerische Ständeversammlung, zweite Kammer
Einberufung und Wahlperiode
Der bayrische König berief die Ständeversammlung ein. Er war verpflichtet sie zumindest alle drei Jahre einzuberufen. Soweit die Ständeversammlung zusammentrat erfolgte die Einberufung, Eröffnung und Schließung beider Kammern gleichzeitig. Die Dauer der Sitzung durfte in der Regel nicht länger als zwei Monate sein. Der König hatte das Recht die Versammlung zu verlängern, zu vertagen oder aufzulösen.
Die Verfassung gab vor, dass alle sechs Jahre Neuwahlen zur Kammer der Abgeordneten stattfinden sollten. Löste der König die Ständeversammlung auf, musste innerhalb von drei Monaten eine Neuwahl der Kammer der Abgeordneten vorgenommen werden.
Das Wahlrecht wurde mehrmals geändert. 1848 wurde die Wahl nach Klassen abgeschafft, 1881 die geheime und 1906 die direkte Wahl der Abgeordneten eingeführt.
1818 bis 1848
Zusammensetzung der Zweiten Kammer
Die Wahl in die Kammer der Abgeordneten erfolgte getrennt nach Wählergruppen. Die einzelnen Klassenstärken verteilten sich nach den vorgegebenen Bruchanteilen. Die Kammer setzte sich folgendermaßen zusammen:
1. Klasse – die adeligen Grundbesitzer mit gutsherrlicher Gerichtsbarkeit (ein Achtel der Abgeordneten)
2. Klasse – Abgeordnete der Universitäten
3. Klasse – die Geistlichen (ebenfalls ein weiteres Achtel)
4. Klasse – die Städte und Märkte mit mehr als 500 Familien (ein Viertel)
5. Klasse – die übrigen Grundbesitzer, unabhängig davon, ob sie adelig waren oder nicht (die Hälfte)
Für die Zahl der Abgeordneten wurde nach der Zahl der Familien im Königreiche gerechnet und ein Abgeordneter auf 7.000 Familien bestimmt. Hinzu kamen die Vertreter der Universitäten. Auf eine Universität entfiel ein Abgeordneter.
Die Wahl erfolgte teils direkt (bei den ersten beiden Gruppen), teils indirekt durch Wahlmänner. Voraussetzung für die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts war Grundbesitz. Die Wahl war daher keine gleiche Wahl.
Die Kompetenzen der Kammer wurden sukzessive erweitert. Jedoch blieb die Regierungsbildung bis zur Novemberrevolution alleinige Aufgabe des Königs ohne dass das Parlament Einfluss auf die Ernennung hätte. Allerdings wurde 1912 mit Georg von Hertling erstmals ein Vertreter der Mehrheitsfraktion, des Zentrums, zum Ministerpräsidenten berufen.
Wahltermine und Wahlverfahren 1818 bis 1848
Die erste Wahl wurde am 2. Dezember 1818 ausgeschrieben, nachdem die Wahlordnung ausgearbeitet und die Gemeindewahlen vollzogen waren.
Die Klassen I und III konnten die Abstimmung zu Hause vornehmen mit nicht festgelegtem Zeitpunkt der Stimmauszählung. Die Wahlen der Klassen IV und V Wahlen fanden in den Städten eines Regierungsbezirks als Urwahlen ebenso nicht an einem festen Zeitpunkt statt.[8] Durch den relativ großen zeitlichen Unterschied zwischen den Einzelabstimmungen eines Regierungsbezirks und zwischen den Regierungsbezirken an sich, gab es kein festen Wahltermin. Die Wahlen vollzogen sich in einem Zeitrahmen der vierwöchigen Vollzugsfrist.
Beurteilung
Gegenüber den Landständen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation hatten die Abgeordneten an Freiheit gewonnen. Sie waren dem Gemeinwohl bzw. ihrem Gewissen verpflichtet und nicht mehr an Aufträge und Weisungen ihrer Wähler gebunden. Die Rechte des Parlamentes waren jedoch verglichen mit heutigen Parlamenten gering. Die Ständeversammlung hatte kein Gesetzesinitiativrecht und konnte nur die königlichen Gesetzesvorlagen und Steuerforderungen lediglich annehmen oder ablehnen. Beide Kammern der Ständeversammlung waren dabei gleichberechtigt. Sie konnten jedoch zu den königlichen Ministern und ihrer Tätigkeit Stellung beziehen und die Steuerbewilligung mit Bedingungen verknüpfen.
Kammer der Reichsräte
In der hier zu betrachtenden Kammer der Reichsräte waren laut Verfassung folgende Gruppen vertreten: 1) die volljährigen Prinzen des königlichen Hauses; 2) die Kronbeamten des Königreichs; 3) die jeweiligen Erzbischöfe von München-Freising und Bamberg, zudem ein weiterer, vom König auszuwählender Bischof sowie der jeweilige Präsident des protestantischen Oberkonsistoriums; 4) die Häupter der ehemals reichsständischen Fürsten- und Grafenhäuser (Standesherren) mit einem auf den ältesten Familienagnaten vererbbaren Reichsratssitz; 5) eine vom König ausgewählte Gruppe adeliger Reichsräte mit in der Familie vererbbarer Mitgliedschaft aus dem Kreis der bayerischen Fideikommißbesitzer, unter der Voraussetzung, daß deren gebundener Grundbesitz ein bestimmtes Grundsteuersimplum erreichte und in dem Fideikommißverband eine agnatisch-linealische Erbfolge nach dem Rechte der männlichen Erstgeburt eingeführt war (und nicht ein Kondominium existierte wie in vielen fränkischen ehemaligen Reichsritterschaften); schließlich 6) Personen, “welche der König entweder wegen ausgezeichneter dem Staate geleisteter Dienste, oder wegen ihrer (adeligen) Geburt, oder ihres Vermögens” zu Mitgliedern auf Lebenszeit ernannt hatte3. Während der König also in seiner Ernennung bei den Gruppen der Prinzen, Kronbeamten, Erzbischöfe, Oberkonsistorialpräsidenten und Standesherren an eine ver-
fassungsmäßig vorgegebene Personengruppe gebunden war – wobei er freilich Kronämter verlieh, Erzbischöfe nominierte und Oberkonsistorialpräsidenten ernannte -, war er bei den übrigen erblichen und lebenslänglichen Reichsräten in seiner Auswahl frei. Allerdings wurde die Zahl der lebenslänglichen Reichsräte von der Verfassung auf den “dritten Theil der erblichen”, wozu Standesherren, Fideikommißbesitzer und die geistlichen Amtsträger zählten, eingeschränkt.
Die rechtlichen Kompetenzen der Reichsräte entsprachen genau denjenigen der Abgeordneten: Dies waren als politisch materielle Rechte das Mitwirkungsrecht an der Gesetzgebung des Landes, seit 1848 auch das Gesetzesinitiativrecht, sowie das Recht zur Prüfung des Staatshaushalts und zur Bewilligung der Steuern, zudem als sogenannte politisch formelle Rechte das Informations-, Petitions-, Beschwerde-, Anklage- und Legitimationsprüfungsrecht, seit 1848 das Interpellationsrecht und das Recht einer erweiterten Ministeranklage, freilich ohne parlamentarische Ministerverantwortlichkeit. Beide Kammern berieten und beschlossen entsprechende Gesetzentwürfe oder Budgetvorlagen völlig selbständig; nur die übereinstimmende Willenserklärung beider Kammern stellte dem König gegenüber den staatsrechtlich gültigen Landtagsbeschluß dar, oder anders gewendet: Jede der beiden Kammern hatte innerhalb der ihr zustehenden Befugnisse absolutes Vetorecht.
Während sich im Zeitraum von 1818 bis 1918 die Zusammensetzung der Kammer der Abgeordneten aufgrund mehrmaliger Änderung des Landtagswahlrechts (vor allem 1848 und 1906) den Anforderungen der Zeit gemäß modifizierte, blieb die Kammer der Reichsräte in Zusammensetzung wie Kompetenz völlig unverändert. Erst in dem sogenannten Abkommen zwischen Regierung und Landtagsparteien vom 2.11.1918 sollte die Institution unter dem Druck der aktuellen politischen Situation um Vertreter aus Städten, Handel und Industrie, Handwerk, Landwirtschaft, Hochschulen und Arbeiterschaft erweitert werden, die von entsprechenden Berufskörperschaften, Hochschul- und Kommunalgremien präsentiert werden sollten. Zudem war den Reichsräten künftig nur noch ein zweimaliges aufschiebendes
Gesetzesvetorecht zugestanden6, doch kam dann die Revolution der Verwirklichung dieses Abkommens zuvor.
Für ein solches System zweier rechtlich gleichgestellter, aber sehr unterschiedlich besetzter und konstituierter Kammern gab es natürlich politische Gründe. Erstens wurde durch die weitgehend aristokratische Zusammensetzung der Reichsratskammer ein Restbestand althergebrachter Adelsprivilegien über alle Reformen hinweg in den konstitutionellen Staat gerettet. Zweitens und in engem Zusammenhang damit stehend, diente die Erste Kammer als beharrendes, konservatives Gegengewicht zu dem als progressiv eingeschätzten Abgeordnetenhaus. Sie sollte diesem gegenüber Besitz, Privilegien und den politischen Status quo bewahren und übertriebene Reformbestrebungen bremsen – ganz im Sinne Montesquieus, der das englische Oberhaus als “Vertretung der Qualität und Dauer” gegen Demokratieüberflutung seitens des Unterhauses als “auf Wahl und Quantität” beruhender Vertretung ansah. Dies entsprach auch dem staatspolitischen Selbstverständnis der Reichsräte, die in ihrer ersten Dankadresse an den König im Jahr 1819 es als Ziel ihres Wirkens bezeichneten, “dem Drange nach Veränderungen und Verbesserungen”, der sich als “leitendes Prinzip in den aus dem Vertrauen des Volkes, durch seine Wahl hervorgegangenen Versammlungen äußert”, einen “Damm, dem Wandelbaren Festigkeit, der Beweglichkeit Stätigkeit entgegen zu sezen, damit der Monarch auf der erhabensten Stufe bleibe, unerreichbar und unverlezlich”8. Schließlich ermöglichte die Kammer der Reichsräte, drittens, eine gleichsam institutionelle Integration der mediatisierten Fürsten und Grafen in den neuen bayerischen Staat.
Veranstaltung vom 25.10.2017
Landtagsdebatten 1819
Regierung legt Zollgesetz vor
Lerchenfeld, Maximilian Freiherr von, Finanzminister
Lerchenfeld: Maximilian Emanuel Freiherr v. L., baierischer Staatsmann, entstammte einer altbayerischen Adelsfamilie und wurde zu Ingolstadt am 16. November 1778 als der Sohn des dortigen Pflegers <Verwalter> und Hofkastners <Hofbeamter, Verwalter des herrschaftlichen Kammerguts, so Naturalabgaben> Max Joseph Frhrn. v. L. geboren.
Er erhielt seine Erziehung im väterlichen Hause und besuchte das Gymnasium und die Universität in Ingolstadt, die er 1799 absolvierte. Lerchenfeld trat 1802 in den bayerischen Staatsdienst ein. Wichtige Kenntnisse von Land und Leuten und in der Verwaltung erwarb er durch sein erstes Beschäftigungsfeld. Der für die Besitzübernahme des bayerischen Entschädigungslandes in Schwaben zuständige Zivilkommissar Freiherr von Hertling bot ihm einen Posten für die Durchführung der Integrationsaufgaben an. Im Sommer 1803 wurde er Rat in der Landesdirection der baierischen Provinz in Schwaben mit Sitz in Ulm ein. Nach zwei Jahren erhielt er die Ernennung zum Director der staatsrechtlichen Abtheilung und ihm wurde die Regelung der Grenzverhältnisse mit Württemberg übertragen, die zu einem längeren Aufenthalt in Stuttgart im Winter 1807—1808 führte. Die näheren Beziehungen, in die er damals zu Karl August v. Wangenheim trat, beeinflussten seine spätere politische Richtung im liberalen und nationalen Sinne. Im Herbst 1808 wurde er, noch nicht 30jährig, Generalcommissär in Ansbach, 1809 in Nürnberg, 1810 in Innsbruck, wo er durch gerechte und wohlwollende Verwaltung die eben unterworfenen Tiroler mit der baierischen Herrschaft zu versöhnen strebte. Manche allzu schroff einschneidende Maßregel der Münchener Regierung hat er gemildert, wobei er in dem Kronprinzen Ludwig, der damals als Gouverneur des Inn- und Salzachkreises in Innsbruck residierte, eine Stütze fand.
Im Sommer 1814 übernahm er als Hofcommissär die Verwaltung des Großherzogthums Würzburg. Auch hier suchte er die Härten der Angleichung des neuen Gebiets durch Entgegenkommen zu mildern, bewährte Einrichtungen in der Provinz zu erhalten. So ordnete er das Würzburgische Staatsschuldenwesen und verhinderte eine Verschmelzung würzburgischen Finanzverwaltung mit dem damals in der größten Verwirrung befindlichen baierischen Schuldenwesen. Im Februar 1817 trat L. als Finanzminister mit Rechberg, Thürheim und Wrede in das nach Montgelas’ Sturz neugebildete Ministerium ein, dessen Aufgabe die Ausarbeitung der Verfassung, der Abschluß des Concordats, eine neue Organisation der Verwaltung, die Ordnung der gänzlich zerrütteten Finanzverhältnisse sein sollte.
Veranstaltung vom 25.10.2017
Zu Lerchenfeld:
Unter sehr schwierigen Umständen, da die vielen Kriege, die Getreidetheuerung der Jahre 1816 und 1817 und die darauf folgende gänzliche Entwertung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse einen wahren Notstand im Lande hervorgebracht hatten, während die fortwährenden Territorialveränderungen die Verwirrung in den Finanzen noch vermehren mussten, legte er den Grund zur Ordnung des Staatshaushalts und besonders des Staatsschuldenwesens. An der Ausarbeitung der im Mai 1818 erlassenen Verfassung hatte er wesentlichen Antheil und wirkte dabei für den Ausbau derselben in liberalem Sinn. Bei den Verhandlungen über das Concordat trat er für die Rechte des Staates ein und erreichte wenigstens, daß es als Anhang des Religionsedicts erklärt, folglich staatsrechtlich diesem und den Bestimmungen der Verfassung untergeordnet wurde.
Der Bestand der Verfassung war in den ersten Jahren ihres Bestehens mehrfach gefährdet. Metternich wandte seinen ganzen Einfluß auf, um die süddeutschen repräsentativen Verfassungen wieder zu beseitigen, jedenfalls möglichst zu beschränken, da er durch sie sein conservatives System ebenso bedroht sah, als durch die demagogischen Umtriebe. Im baierischen Ministerium bildeten sich zwei Parteien, von denen die eine zugleich mit der Verfassung auch die Selbstständigkeit des Staates gegen den übermächtigen Einfluß der Großmächte vertheidigte, die andere nur bei Metternich Schutz gegen die Gefahren der Revolution finden zu können glaubte. L. stand mit dem Fürsten Wrede und dem Generaldirector und späteren Minister v. Zentner auf der Seite der Verfassung, Graf Rechberg war der Führer der aristokratisch-klerikalen Partei. Rechberg hatte den Karlsbader Beschlüssen zugestimmt, aber L. setzte es mit Hülfe des Kronprinzen durch, daß die Bundesbeschlüsse vom 20. Sept. 1819 in Baiern nur mit einem Vorbehalt publicirt wurden, der ihre Wirkung größtentheils illusorisch machte.
Doch gewannen in den nächsten Jahren die Freunde Metternich’s in München mehr und mehr die Oberhand, da es gelungen war, den König ganz auf diese Seite zu ziehen. Selbst Wrede’s Stellung war gefährdet und L. sah sich seit dem Besuche Metternichs in München im Januar 1823 jedes politischen Einflusses beraubt und auf die Verwaltung seines Departements beschränkt. Nach dem Tode des Königs Max Joseph, October 1825, wurde L., der bis dahin im besonderen Vertrauen des Kronprinzen zu stehen schien, plötzlich aus dem Ministerium entlassen und Graf Armansperg an seiner Stelle berufen. Er wurde zum Bundestagsgesandten in Frankfurt ernannt, wo er bis zum J. 1833 blieb. Im Mai 1833 übernahm er noch einmal das Finanzministerium. Am 31. December 1834 trat er wieder aus dem Ministerium aus und ging als Gesandter nach Wien. Das Anerbieten, als Ministerpräsident in griechische Dienste zu treten, schlug er aus, brachte aber für diese Stelle Ignaz von Rudhart in Vorschlag (1836). Im J. 1842 wurde er auf eigenen Wunsch wieder nach Frankfurt an den Bundestag versetzt. Er starb am 14. October 1843 auf seinem Gute zu Heinersreuth.
Bay. LTV 1819 2. Bd. 15. Protokoll in der Sitzung am 5.3.1819.
Beilage Z. 56. Vortrag in der Stände-Versammlung, Cammer der Abgeordneten, die Vorlage des Entwurfes eines neuen Zollgesetzes betreffend. S. 37-46.
Volkswirtschaft und Staatshaushalt
Die Unmöglichkeit, alle Bedürfnisse des Staates auf dem Wege der directen Abgaben allein zu sichern, hat schon seit Jahrhunderten die Regierungen veranlasst, zu indirecten Auflagen zu schreiten. Das Verhältnis beider gegen einander, und die geeignetste Art der Erhebung sind die größten und schwierigsten Aufgaben der Staatswirthschaft.
Einschub Erläuterungen:
<direkte Abgaben = Zehnte, seit 200 Jahren Steuern auf Einkommen und Vermögen>
<Indirekte Abgaben =
Verbrauchsteuern sind Abgaben auf den Verbrauch oder Gebrauch von Waren. Sie werden vom Hersteller oder Händler bezahlt, dann aber über den Verkaufspreis an die Verbraucher weitergegeben, und zählen deshalb zu den indirekten Steuern. Mit einem Aufkommen von über 60 Milliarden Euro pro Jahr sind Verbrauchsteuern die wichtigsten Einnahmen des Zolls und ein entscheidender Beitrag zum Staatshaushalt, der damit zum Beispiel Verkehrswege, Bildung und soziale Leistungen finanziert.
Verbrauchsteuern belasten lediglich den Verbrauch bestimmter Waren wie Zigaretten, Sekt, Branntwein oder Zwischenerzeugnissen und werden zum Beispiel eingeführt, um den unbedachten Konsum von Alkopops zu reduzieren. Bis auf die Biersteuer, die den Bundesländern zusteht, fließen alle Einnahmen in den Bundeshaushalt.
Um ihren wachsenden Finanzbedarf zu decken, führten die Städte schon im 13. Jahrhundert bestimmte Abgaben auf den Verbrauch ausgewählter Produkte ein, dazu gehörten alkoholische Getränke, Genussmittel und Lebensmittel.>
Allgemein wurde die Besteuerung des Verbrauches als eine der zweckmäßigsten Erhebungsarten erkannt. In jenen Staaten, in welchen die freieste Verfassung besteht, wo das Volk durch aus seiner Mitte gewählte Repräsentanten an der finanziellen Gesetzgebung den wesentlichsten Antheil nimmt, ist die Consumtion meistens den höchsten Auflagen unterworfen.
10. Bd. S. 51-102 Vortrag in der Cammer der Abgeordneten am 3. Juni 1819 über das neue Zoll-Gesetz, durch den königl. Ministerial-Rath von P a n z e r .
Zolleinnahmen für Staatshaushalt unentbehrlich, alternativlos, da nicht durch andere Abgaben ersetzbar
S.52f. Wenn nun die Regierung dessen ungeachtet nicht auf eine gänzliche Aufhebung der Zölle und Mauten, sondern nur auf eine Verbesserung des Zollwesens angetragen hat, so können Sie, meine Herren! überzeugt seyn, daß sie hiebei nur von den wichtigsten Beweggründen geleitet worden sey.
Der erste und entscheidendste dieser Beweggründe ist der Stände-Versammlung bereits in der allgemeinen Darstellung des Fiscalzustandes des Königreichs eröffnet worden. Sie wird daraus entnommen haben, daß der Staatshaushalt das Einkommen, welches die Zölle und übrigen damit verwandten Abgaben bisher abgeworfen haben, zur Zeit nicht nur keineswegs entbehren könne, sondern vielmehr eine Verbesserung derselben höchst wünschenswerth mache. Hätte man daher diese Gefälle dennoch aufgeben wollen, so würde es unvermeidlich gewesen seyn, den hiedurch entstehenden Ausfall auf andere Weise zu decken. Allein ein reines Einkommen von dritthalb Millionen durch andere indirecte Abgaben aufzubringen, hat die Regierung geradehin unmöglich gefunden, besonders seitdem die Fleisch- und Getreide-Anschläge den Communen überlassen sind, und /S. 53 diese Summe durch Erhöhung oder Vermehrung der directen Steuern zu erzielen, hat die Regierung wenigstens nicht räthlich finden können; denn wenn auch diese Steuern im Vergleiche mit andern Staaten, noch mäßig erscheinen, so erreichen sie doch mit Einschluß der Gemeinde-Districts- und Kreis-Umlagen, bereits eine Höhe, daß ihre Vermehrung höchstens außerordentlichen Nothfällen vorbehalten werden kann.
Politik des Mittelwegs
System der Kompromisse im Abgabensystem, in den ökonomischen Interessen, gegenüber dem Ausland, Zielpunkt Freihandel
S.70 Nach sorgfältiger Prüfung aller Vorschläge und Wünsche hat die Regierung zweckmäßig befunden, ein System vorzuziehen, das einen wohl bemessenen Mittelweg einhält, ein System, das dem bereits bestehenden Systeme der übrigen directen und indirecten Auflage anpaßt; ein System, das den geographischen und politischen Verhältnissen des Staates entspricht, ein System, das den Grundsätzen einer indirecten Besteuerung huldiget, ohne die Consequenz bis zur Absurdität treiben, und auch das Unerreichbare erreichen zu wollen; ein System, das in seiner Haupttendenz finanziell ist, ohne deswegen die staatswirthschaftlichen Rücksichten auf die Seite zu setzen: ein System, das keinen, der dabei betheiligten verschiedenen und entgegengesetzten Interessen ausschlüßlich zusagt, sondern allen die mögliche und billige Schonung angedeihen läßt; ein System, das zu jeder Zeit in seinen Theilen die allenfalls nöthige Abänderung erhalten kann, ohne das Ganze zu verwirren, oder zu zerstören; ein System, das nicht verschmäht, im Wege der Reziprozität von dem Auslande die möglichen Beiträge mitzunehmen, aber gegen keinen Staat durch Ein- Aus- und Durchfuhr-Verbote eine feindselige Stellung annimmt, sondern vielmehr die nachbarlichen Verhältnisse zu befördern geeignet ist, und nur gegen besondere Beschränkungen der diesseitigen Unterthanen in ihrem Verkehre das Recht der Wiedervergeltung vorbehält; ein System endlich, welches, weit entfernt, die Lasten der Abgaben zu vermehren, vielmehr in jeder Beziehung eine bedeutende Erleichterung gewähren, und dem Übergange zu dem Systeme des freien Verkehrs vorarbeiten wird.
Protektionismus
Es ist billig, und dem Grundsatze der Gleichheit vollkommen angemessen, den Verbrauch ausländischer Erzeugnisse vorzüglich zu belegen.
Panzer: Anpassungsdruck: Protektionismus großer Staaten zwingt zur Reaktion
S. 53 Indessen selbst dann, wenn sich die Möglichkeit gezeigt hätte, das Mauteinkommen auf anderen Wegen mit wenigerem Drucke der Unterthanen aufzubringen, würde die Regierung Anstand genommen haben, die Zölle und Mauten ganz aufzuheben. So lange die übrigen größeren, nahen und fernern Staaten Europens ihre Leitungs- und Prohibitiv-Systeme verfolgen, bleibt es für einen einzelnen Staat von untergeordneter Größe und Kraft immer ein gefährliches Experiment ein ganz entgegengesetztes System zu wagen, und sich in dieser Beziehung gleichsam wehrlos zu machen; wir sehen, wie fürchterlich kleine Staaten, die in dem langen Besitze eines ausgebreiteten Gewerbfleißes sind, dabei aber des Gegendrucks der Zollanstalten ganz entbehren, durch jene feindlichen Systeme leiden, und die Regierung kann nicht die Gefahr auf sich nehmen, daß der inländliche Gewerbfleiß und Handel auch noch vom inländischen Markte vollends verdrängt werde.
Ideales Zollsystem
S. 38 Je einfacher, und mit je wenigeren Belästigungen diese Abgaben erhoben werden, jemehr der staatswirthschaftliche Zweck nebst dem bloß finanziellen erreicht wird, um so vollkommener ist das Zollsystem.
Kein Zollgesetz kann allen Ansprüchen gerecht werden.
S.82 Nur alle Wünsche wird auch dieses Zollgesetz nicht erfüllen. Allein dieses glückliche Loos wird wohl keinem Zollgesetze in der Welt jemals zu Theil werden. Die Ansprüche der Partheien, die dabei betheiligt sind, sind zu verschieden und entgegengesetzt, als daß sie alle befriedigt werden könnten.
Unterschiedliche wirtschaftspolitische Möglichkeiten großer und kleiner Staaten – Britisches Beispiel
Bei der Lösung dieser Aufgabe wirken jedoch äußere Verhältnisse mächtig ein.
Das System der Leitung des Handels und des Gewerbfleißes, welches größere, durch ihre Lage und ihre übrigen Verhältnisse zu dessen Ausführung begünstigte Staaten mit großer Festigkeit und einem beträchtlichen Aufwande von Kosten durchführen, wirkt auf die übrigen mittleren und kleinsten Staaten zurück, theils indem in jenen Staaten durch mittelbare und unmittelbare Unterstützung die Gegenstände des Kunstfleißes nicht bloß sehr wohlfeil, sondern zum Theil selbst unter dem Erzeugungs-Preise in das Ausland abgesetzt werden; theils indem sie den Gegenständen unserer Industrie, ja selbst den Erzeugnissen unsers Bodens den Eintritt entweder ganz versagen, oder ihn durch drückende Abgaben ungemein erschweren.
Erläuterung: Dumping
>Salzgitter und Dillinger Hütte im Visier der US-Regierung
Die US-Regierung hat nach eigenen Angaben eine Reihe ausländischer Stahlproduzenten des Preis-Dumpings überführt, darunter die deutschen Firmen Salzgitter AG und Dillinger Hütte. Handelsminister Ross drohte mit Konsequenzen. “Eine gesunde Stahlindustrie ist entscheidend für unsere Wirtschaft und Produktionsbasis, doch unsere Stahlindustrie steht unter Beschuss durch ausländische Produzenten, die ihre Exporte verschleudern und subventionieren lassen”, sagte Ross.
“Wir werden sicherstellen, dass US-Unternehmen und US-Arbeiter fair behandelt werden”, so der Minister weiter. Die USA würden die Handelsgesetze energisch durchsetzen und wenn nötig auch rückwirkend Zölle eintreiben. Die Regierung geht von Dumping aus, wenn Produkte unter ihrem “fairen Wert” verkauft werden. Eine gründliche Untersuchung habe ergeben, dass dies in der Vergangenheit bei Stahlproduzenten aus Österreich, Frankreich, Belgien, Deutschland, Italien, Japan, Südkorea und Taiwan der Fall gewesen sei.
Die Ergebnisse der Untersuchung erlaubten es, Abgaben zwischen 3,62 und 148,02 Prozent des Importwerts zu verhängen. Insgesamt gehe es im Untersuchungszeitraum 2015 um Einfuhren über 732 Millionen Dollar. Davon entfiele mit 196,2 Millionen der größte Anteil auf deutsche Importe.Y
Selbsteinschätzung bayerischer Zollgesetze
<Bayerns Mautgesetz „milder und billiger“ als das der Nachbarstaaten. Beschwerden über einzelne Zollsätze, über „zeitraubende beschwerliche Manipulation“, Missbrauch einzelner Handelsleute. Daher Einholen von Ansichten und Wünschen beim Handels- und Gewerbestand der vorzüglichsten Handelsstädte. Danach Entwurf eines neuen Zollgesetzes, beraten im Staatsrat.
S.39 Vorlage vor Ständeversammlung.>
Dieser Entwurf unterscheidet sich von dem dermaligen Mautgesetze durch mäßigere Zollsätze, einfachere Bestimmungen und eine minder lästige Behandlung der Waaren.
Maßvolle, dezente Kontrollen
S. 78 Nur nicht a l l e Controllen und Versicherungs-Maaßregeln werden und können beseitigt werden. Allein immer werden sie minder drückend seyn, als sie bei den meisten übrigen indirecten Auflagen seyn müssen, wenn diese mit Genauigkeit erhoben, und Unterschleife verhindert werden wollen. Die ordentliche Erhebung der Zollgefälle wird nicht in das Innere der Häuser, noch in das Geheimniß des Handels einzudringen, sondern sich immer zunächst nur an das zollbare Gut zu halten haben, und die persönliche Freiheit wird auch nicht mehr durch körperliche Visitationen gekränkt werden.
Strafe in ausgewogenem Verhältnis zur Unterschlagung
S.79 Selbst auf die Strafbestimmungen des neuen Zollgesetzes hat man zur Unterstützung jener Behauptung hinweisen wollen. Allein die Cammer der Abgeordneten wird mit der Regierung die Überzeugung theilen, daß die Defraudations-Strafen, wenn sie ihren Zweck erreichen sollen, nothwendig den Gewinn der Defraudation aufwägen müssen, und sie wird bei der flüchtigsten Vergleichung wahrgenommen haben, daß das vorgeschlagene Zollgesetz von den bisherigen sich nicht durch Strenge, sondern nur durch Bestimmtheit und Ausführlichkeit unterscheide.
Korrelation von hohen Zöllen und Schmuggel
Zu hohe Zölle erreichen selten ihre Wirkung; sie reizen zu Unterschleifen, nöthigen die Regierungen zu verwickelten und lästigen Behandlungsarten, und gewähren, wegen der kostspieligen Anstalten, die ihre Ausführung erfordert, nicht jenen Ertrag, den man erwartet.
Die Regierung hält sich überzeugt, dass eine einfache und mäßige Belegung dem Bedürfnisse des Handels und des Gewerbstandes, so wie den gerechten Forderungen der Consumenten zugleich entspreche.
Zoll auf Luxusartikel besonders gefährdet
S. 99 <Anschlag auf Luxusartikel.> Werden zur Sicherstellung der genauen Perception nicht außerordentliche Maasregeln ergriffen, so wird der größte Theil dieses Aufschlages defraudirt werden, und mit ihm nicht nur der ordentliche Eingangszoll, sondern auch die Stempel- und Waaggeld-Gebühr und selbst das Weggeld verloren gehen. Denn je höher die Eingangsgebühren an Zoll und Aufschlag steigen, desto größer ist der Gewinn des Einschwärzens, und je größer dieser Gewinn, desto günstiger sein Verhältniß zur Gefahr. Dieses kann und wird um so weniger fehlen, als bei so hoch gestellten Eingangsgebühren wenigstens den betreffenden Artikeln, die Rückvergütungen nicht mehr versagt werden können.
Freie Einfuhr ausgenommen Salz
Allen fremden Erzeugnissen der Natur und der Industrie mit einziger Ausnahme des Salzes ist der Eingang in Baiern gestattet.
<Exkurs:
Der Salzhandel war historisch eine lange Zeit ein Handelsbereich von höchster wirtschaftlicher Bedeutung. Salz diente einerseits zum Konservieren und Würzen von Lebensmitteln, zum anderen als Zahlungsmittel.
„Auf Gold kann man verzichten, nicht aber auf Salz.“
– Cassiodor, ein spätantiker römischer Staatsmann, Gelehrter und Schriftsteller.
Der Salzhandel wurde zunehmend als Regal, als herrscherliches Vorrecht betrachtet. Die Herrscher übten dieses Regal nicht über den eigentlichen Handel aus, sondern über den Ausgangspunkt der Verteilung, in dem große Salzspeicher angelegt wurden. Häufig wurde das Regal wiederum gegen entsprechende Geldleistungen an Privat- und Edelleute verpachtet.
Im 19. Jahrhundert wurden in Europa teils hohe Einfuhrzölle für Salz erhoben, um die staatlichen Salinen und Salzgruben zu schützen, so z.B. in Österreich-Ungarn. Das machte sich oft nachteilig für die Zweige der Nahrungsmittelindustrie bemerkbar, die auf Salz als Konservierungsmittel angewiesen waren. Daher wurden z. B. in Schleswig-Holstein. das zum großen Teil vom Export gesalzener Lebensmittel wie Butter, Hering, Fleisch oder Speck lebte, die Einfuhrzölle auf Salz beim Export von Lebensmitteln zurückerstattet.[8] Frankreich folgte 1868 und erstattete einen Rückzoll mit dem Ziel der Förderung des Butterexports. In England wurde die Wirkung der Salzsteuer frühzeitig als hemmend für viele Wirtschaftszweige empfunden, vor allem für die Viehzucht. Daher wurde dort die Salzsteuer 1825 ganz abgeschafft; Schweden und Norwegen folgten 1844. In anderen Ländern wurde wenigstens das Kochsalz zur Viehfütterung von der Steuer befreit, so in Preußen 1838. 1867 kam es zu einer Salzsteuerreform im Norddeutschen Bund, bei der die staatlichen Salzmonopole durch eine einheitliche Salzsteuer abgelöst wurden.
Größter Salzproduzent ist China mit 60 Millionen Tonnen, gefolgt von den USA (inklusive Puerto Rico) mit 44 Millionen und Deutschland mit 20 Millionen Tonnen Salz.
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Einfuhrzoll
Alle, ohne Unterschied, können ohne innere Besichtigung eingeführt werden, wenn hiefür der höchst Zollsatz entrichtet wird. Von jedem zum Gebrauche in Inlande eingehenden Gegenstande wird der Eingangszoll in einem einzelnen Satze erhoben.
Haftung für Zollvergehen, Strafsystem
S. 66 §. 61. Die Gefährden durch gebrödete Diener werden an dem Dienstherrn vorbehaltlich seines Regresses an jene, so bestraft, als wären sie von ihm selbst vollführt worden, jedoch sollen auch die gebrödeten Diener für ihre Person noch besonders um den viertel Theil der den Dienstherrn treffenden Strafe gestraft werden.
<Diener ¼ der Strafe, Herr ¾.>
§. 62. Eben so haftet das Familienhaupt für die Gefährden, welche für dasselbe durch die unter seiner väterlichen Gewalt stehenden Mitglieder der Familie begangen werden.
<Patriarchalisches Denken: Familienhaupt haftet für Mitglieder der Familie, Frauen, erwachsene Kinder im Haus?>
§. 63. Wer zur Vollbringung einer Defraudation auf irgend eine Weise beihülft, ohne dem Eigenthümer oder Haupturheber als gebrödeter Diener oder als Familienmitglieder untergeben zu seyn, unterliegt der Hälfte der Hauptstrafe.
<Beihilfe auf privater Basis wird höher bestraft, mit ½. >
§. 64. Vermögenslose Defraudanten werden, wenn kein Gegenstand zur Confiscation oder Execution der Strafe vorliegt, im Verhältnisse der Geldstrafe nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches mit verhältnismäßigem Arreste bestraft.
<Arrest für Vermögenslose.>
S. 66f.
§. 65. Bei der Wiederholung einer oder der andern der (S.67) §..57 Nr. 3, 4, 11, 12 und 13 bezeichneten Defraudationen soll im zweiten Falle nebst der Confiscation auf eine weitere, im vierten Theile des Werthes der verfallenen Gegenstände bestehende Strafe, und im dritten Falle nebst der Confiscation nicht nur auf die Strafe des halben Theiles vom Werthe der verfallenen Gegenstände, sondern auch auf die öffentliche Bekanntmachung des Defraudanten erkannt werden. Deswegen ist bei der Publication eines jeden Straferkenntnisses der Schuldige auf diese steigende Schärfung der Strafe aufmerksam zu machen, und dass es geschehen, in dem Publications-Protocolle ausdrücklich zu erwähnen.
Sonderfall Salz
S. 67 §. 66. Wer ausländisches Salz einschwärzt, unterliegt schon im ersten Betretungsfalle neben der Confiscation des Salzes einer Geldstrafe, die dem Werthe des verfallenen Salzes gleich kommt.
<Monopol des Salzhandels bei der Regierung>
Das confiszirte ausländische Salz ist gegen Erstattung des Fabricationspreises an das nächste Salzamt abzugeben, und dieses hat hiemit nach den besonderen Anordnungen zu verfahren.
Konzessionsverlust
§. 67. Wer sich auch durch dreymalige Bestrafung nicht abhalten lässt, die §. 65 besonders verpönten Gefährden fortzusetzen, soll als eine Person, die mit falschen verbotenen Handlungen ein Gewerbe treibt, angesehen, und der Befugniß zu dem Gewerbe, wobei das Vergehen begangen worden, verlustig erklärt, oder in Ermanglung einer einzuziehenden Gewerbs-Befugniß nebst der Confiscation und wiederholten öffentlichen Bekanntmachung, einer jedes Mal um den vierten Theil des Werthes der verfallenen Gegenstände weiter zu steigernden Geldstrafe unterworfen werden.
<Verlust einer Konzession.>
Ordentliche Gerichtsbarkeit: Strafrecht; Widerstand gegen die Staatsgewalt; Bestechlichkeit.
§. 68. Widersetzlichkeit gegen Beamte und öffentliche Diener bei Ergreifung des Zoll-Defraudanten ist neben der ordentlichen Defraudations-Strafe auch jener Strafe zu unterwerfen, welche das allgemeine Strafgesetz auf die Widersetzung gegen die Obrigkeit festgesetzt.
§. 69. Schwärzer in Rotten oder mit bewaffneter Hand unterliegen gleichfalls neben der Defraudations-Strafe den allgemeinen Strafgesetzen, es mögen Thätlichkeiten wirklich vorgefallen seyn oder nicht.
§. 70. Defraudanten, welche Zollbedienstete bestechen, oder bestechen wollen, sollen neben den verwirkten Defrauda/(S.68)tionsstrafen nach den allgemeinen Strafbestimmungen über die Bestechung der Staatsdiener behandelt werden.
S. 66 §. 71. Eben so sollen Zollbedienstete, welche sich bestechen lassen, zu Defraudationen mitwirken, die Zollpflichtigen zu Gefährden zu verleiten suchen, oder die abzulegenden Polleten ohne Verweisung der Waaren annehmen, nach den bestehenden allgemeinen Strafgesetzen bestraft werden.
<Widerstand gegen die Staatsgewalt; Bestechlichkeit.>
Verderbliche Waren
S. 69 §. 77. Die nach dem Erkenntnisse der ersten Instanz verfallenen Waaren, welche dem Verderben ausgesetzt, oder kostspielig aufzubewahren sind, werden sogleich öffentlich versteigert, und die Erlöse ad depositum genommen. Den Beklagten ist jedoch die Mitsteigerung unbenommen.
Aufteilung der Defraudations-Strafen.
S. 69 §. 83. Die Strafbeträge werden, nach Abzug der nachzuholenden Zölle und anderer Gebühren, und in Confiscationsfällen nach weiterem Abzuge der Untersuchungs- und Versteigerungs-Kosten, dergestalten vertheilt, dass
1) der Aufbringer zwei Viertheile,
S. 70
2) die Armen-Casse der Gemeinde, in welcher die Defraudation entdeckt wurde, Ein Viertheil, und
3) der besondere Unterstützungsfond für dürftige oder verunglückte Individuen des Zolldienstes ebenfalls Ein Viertheil erhält.
Wird aber eine Defraudation durch die Untersuchung des Beamten, der als Richter zu entscheiden hat, selbst ohne Anklage entdeckt, so soll von den für den Aufbringer bestimmten zwei Viertheilen Ein Viertheil dem untern Zollpersonal, und das andere gleichfalls dem gedachten Unterstützungsfonds zugewendet werden.
§. 84. Der Antheil, welcher dem Aufbringer einmal nach rechtskräftigem Erkenntnisse zukömmt, soll ihm in jedem Falle ungeschmälert verbleiben. Die Antheile hingegen, welche den Armencassen der Gemeinden und dem Unterstützungsfonds für Zollbedienstete zugedacht sind, können bei besonderen Beweggründen dem Schuldigen im Wege der Gnade zum Theile, oder auch ganz nachgelassen werden.
<Aufbringer muss vollen Anteil erhalten, Unterstützungsfonds nicht.>
Deutscher Bund Artikel XIX
Panzer S.102 Und sollte es der deutschen Bundes-Versammlung möglich werden, sich zur Erleichterung des freien Verkehrs sowohl, als zum Schutze des deutschen Gewerbsfleißes und Handels über gemeinsame Maasregeln zu vereinigen, welche mit der Souveränität, Selbstständigkeit, und dem gleichheitlichen Vortheile der einzelnen Bundesstaaten vereinbar sind: so können Sie, meine Herren! sich mit Zuversicht der Beruhigung überlassen, daß unser erhabener Monarch auch dazu gerne die Hände bieten werde.
Joseph von Utzschneider
Joseph von Utzschneider (* 2. März 1763 in Rieden, Seehausen am Staffelsee, im oberbayerischen Landkreis Garmisch-Partenkirchen; † 31. Januar 1840 in München, Konfession: römisch-katholisch) war ein für die Entwicklung Bayerns zu Beginn des 19. Jahrhunderts äußerst einflussreicher Techniker und Unternehmer. Er war als hoher bayerischer Staatsbeamter Salinenadministrator in Berchtesgaden. Daneben gründete er eine Reihe von Unternehmen, darunter eine Kunstglashütte und das seit 1809 bestehende und von Josef von Fraunhofer als Partner geleitete Mathematisch-Feinmechanische Institut als Grundlage zur Erstellung von Präzisionsinstrumenten und astronomischen Teleskopen, aus dem das Optische Institut in München hervorging. Als Vorstand der Vorgängerinstitution der Technischen Universität München hatte er an deren Ausbau maßgeblichen Anteil. Auch das bayerische Grundstückskataster geht auf ihn zurück. Von 1818 bis 1823 war er Bürgermeister von München und nach der Verfassungsgebung von 1818 Abgeordneter im Bayerischen Landtag. Für seine Verdienste wurde der Sohn eines Bauern 1808 geadelt.
Joseph von Utzschneider wurde von Herzogin Maria Anna von Bayern (aus der Linie Pfalz-Sulzbach des Hauses Wittelsbach) (1722–1790) gefördert. Ihr verdankte er, dass er das Münchner Gymnasium und die Universität Ingolstadt besuchen konnte. Dort promovierte er 1779 und erhielt eine Professorenstelle für Kameralwissenschaft. Maria Anna stellte Utzschneider als Privatsekretär an und vertraute ihm auch in heiklen Missionen. So sandte sie ihn 1778 zu Friedrich dem Großen. Er sollte verhindern, dass der regierende bayerische Kurfürst Karl Theodor (1724-1799) Bayern gegen die österreichischen Niederlande tauschte.
Utzschneider war Mitglied des Illuminatenordens. Allerdings verriet er 1783 dem bayerischen Kurfürsten Interna des Geheimbundes, da seine Ordensbrüder ihn zwingen wollten, illoyal gegen seine Gönnerin Maria Anna zu sein. Auch in diesem Fall spielten wieder die Tauschpläne Karl Theodors eine Rolle. Die Illuminaten befürworteten den Tausch und wollten sich aus der Korrespondenz der Kurfürstinwitwe über die Position der Gegner informieren. Kurfürst Karl Theodor belohnte Utzschneider 1784 für seine Aussagen mit der Stelle eines Wirklichen Hofkammerrates im Bereich der Forstverwaltung. 1789 wurde er Leiter des Oberforstkommissariats. Utzschneider verfasste eine fortschrittliche Forstordnung, richtete eine Forstschule ein und konnte bei der Kultivierung des Donaumooses Erfolge erzielen. Von 1791 bis 1799 ordnete er das Salinenwesen neu, seit 1795 als Hauptsalzadministrator in Berchtesgaden.
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Exkurs zu Salzbergwerk Berchtesgaden:
Das Salzbergwerk Berchtesgaden ist das älteste aktive Salzbergwerk Deutschlands, in dem hauptsächlich im nassen Abbau Salz gewonnen wird, und zugleich ein Schaubergwerk in der Gemarkung Salzberg in Berchtesgaden.
Gründung
Der Salzbergbau in Berchtesgaden bildete spätestens ab dem 13. Jahrhundert das wirtschaftliche Rückgrat des Klosterstifts Berchtesgaden, das nicht zuletzt auch deshalb immer größere politische Eigenständigkeit erlangen sollte – ab 1380 als Reichsprälatur und ab 1559 als Fürstpropstei. Gleichzeitig war er auch Ursache für Begehrlichkeiten des benachbarten Fürsterzbistums Salzburg, die sogar mehrfach in kriegerische Auseinandersetzungen („Salzirrungen“) mündeten.
Die Anlagen des Salzbergwerks befanden sich ab 1517 im Besitz der Reichsprälatur Berchtesgaden, die ab 1559 zur Fürstpropstei Berchtesgaden erhoben wurde. Zwischenzeitlich waren sie unter der Obhut der Kurkölnischen Administration durch die Wittelsbacher von 1594 bis 1723. Nach der Säkularisation ab 1803 gehörte das Salzbergwerk dem Kurfürstentum Salzburg, ab 1805 dem Kaiserreich Österreich, 1809 für kurze Zeit Frankreich unter Napoleon und ab 1810 dem Königreich Bayern und seinen politischen Rechtsnachfolgern. 1927 überführte der Freistaat Bayern seine bisher als staatliche Regiebetriebe geführten Bergbauaktivitäten in die BHS-Bayerische Berg-, Hütten- und Salzwerke AG, so auch das Salzbergwerk Berchtesgaden, einziger Aktionär blieb der Freistaat.
1991 verkaufte der Freistaat die Aktien an die SKW Trostberg. 1995 wurde die Südsalz GmbH gegründet und das Salzbergwerk Berchtesgaden eingebracht. Die Südsalz GmbH gehört heute zum Konzern der Südwestdeutschen Salzwerke AG.
<Die Südwestdeutsche Salzwerke AG ist einer der bedeutendsten Salzproduzenten Europas. Das Salz wird in den Bergwerken Heilbronn und Berchtesgaden sowie aus dem im Bad Reichenhaller Becken liegenden Solevorkommen gewonnen. Die Förderkapazität der beiden Schächte des Heilbronner Steinsalzbergwerks liegt bei knapp fünf Millionen Jahrestonnen. Die Weiterverarbeitung und Veredelung zu Siedesalz erfolgt in den Salinen in Bad Friedrichshall und Bad Reichenhall.>
Nach Eingliederung der Fürstpropstei Berchtesgaden in das Königreich Bayern im Jahr 1810 erhielt Georg Friedrich von Reichenbach 1816 den Auftrag, eine Soleleitung nach Reichenhall – der ältesten Saline Deutschlands – zu errichten, da aufgrund der jahrhundertelangen intensiven Waldnutzung und des eingeschränkten Einzugsgebietes in Berchtesgaden die Brennstoffversorgung schwierig war. Die Soleleitung war von 1817 bis 1927 in Betrieb und gilt aufgrund der Länge von 29 Kilometern und erheblichen Höhenunterschieden (z. B. 360 m Höhenunterschied Ilsank–Söldenköpfl) als technische Meisterleistung. Sie führte von Berchtesgaden durch Ramsau über den Pass Schwarzbachwacht nach Reichenhall. Der niedrigere Übergang nach Reichenhall am Hallthurm lag damals noch auf Österreichischem Gebiet und schied daher für die Trassenführung aus.
Der historischen Soleleitung folgte eine neue Soleleitung mit teils geänderter Streckenführung, aber ebenfalls über den Pass Schwarzbachwacht nach Bad Reichenhall führend. Die heutige dritte Soleleitung führt über den Hallthurm.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Salinenbetrieb in Berchtesgaden komplett eingestellt, seither wird die Sole aus Berchtesgaden ausschließlich in die 18 Kilometer entfernte Saline in Bad Reichenhall gepumpt und dort zu Speisesalz und Streusalz gesiedet bzw. verarbeitet.
Abbautechnik, Fördermengen, Mitarbeiter
Seit 1517 ununterbrochen in Betrieb – und damit das älteste aktive Salzbergwerk Deutschlands –, wird in Berchtesgaden seit jeher im nassen Abbau gearbeitet. Über Jahrhunderte wurde die Sole in Sinkwerken gewonnen, jetzt erfolgt der nasse Abbau in Bohrspülwerken. Der Salzgehalt des Haselgebirges beträgt durchschnittlich 50 Prozent, jährlich werden daraus ca. 850.000 m³ Sole gefördert.
Heute arbeiten ca. 100 Mitarbeiter im Bergwerk, davon 50 unter Tage. Es ist damit einer der größten Arbeitgeber in Berchtesgaden.
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Der neue bayerische Kurfürst und Nachfolger Karl Theodors, Max Joseph, berief Utzschneider 1799 in das neu gebildete Finanzministerium. Utzschneider leitete die Maut- und Kommerzdeputation und war als Geheimer Referendär für Angelegenheiten der Landstände zuständig, besonders für deren Schuldentilgung. In dieser Position geriet er zwischen die Ziele des Kurfürsten und der Landstände. Seine Verbesserungspläne missfielen einem großen Teil der Stände, so dass Utzschneider 1801 (mit nur 38 Jahren) unter der grundlosen Beschuldigung, er stehe an der Spitze der Umsturzpartei, zur Disposition gestellt wurde, die aber nur sechs Jahre dauerte.
Er errichtete nun eine Ledermanufaktur in München und 1804 mit Georg Friedrich von Reichenbach (1771-1826) und Joseph Liebherr (1767–1840) auch das Mathematisch-Feinmechanische Institut, welchem die von ihm zu Benediktbeuern angelegte Kunstglashütte das nötige Kron- und Flintglas lieferte. Aus letzterem entstand, nachdem er 1809 den jungen Joseph (seit 1824 Ritter) von Fraunhofer (1787-1826), dem Namensgeber der heutigen Fraunhofer-Gesellschaft, in seinem Institut beschäftigte, das weltberühmte Optische Institut, welches fast ganz Europa mit Teleskopen und anderen Instrumenten belieferte. Utzschneider kaufte 1805 aus Säkularisationsgut das Kloster Benediktbeuern, um daraus einen landwirtschaftlichen Musterbetrieb zu machen. Utzschneider lieferte für das Optische Institut Glas von neuartiger Qualität aus seiner in Benediktbeuern errichteten Glasschmelze.
Inzwischen war Utzschneider 1807 nach einer Berufung von Montgelas wieder als Generalsalinenadministrator und Geheimer Finanzreferendar in den Staatsdienst getreten. Unter seiner Leitung wurde der Bau der Saline zu Rosenheim mit der Solenleitung von Reichenhall dahin ausgeführt, und durch seinen Einfluss ging 1809 außer der Saline Berchtesgaden auch die zu Hallein in bayerische Administration über. Ebenso wurde unter seiner Leitung in Bayern der Grund zu dem Parzellenkataster gelegt. 1811 wurde er Vorstand der Staatsschulden-Tilgungsanstalt, verließ aber 1814 wieder, entlassen ohne Bezüge, den Staatsdienst und errichtete eine Brauerei im Gebäude des heutigen Café Luitpold und eine Tuchmanufaktur. Von 1818 bis 1823 war er Zweiter Bürgermeister von München. 1818 wurde er zum Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ernannt. 1835 wurde er Vorstand der 1827 errichteten Münchner polytechnischen Zentralschule, aus der Ende des 19. Jahrhunderts die Technische Hochschule München hervorgehen sollte (ab 1868 Kgl. Bayr. Polytechnische Schule, ab 1877 TH, heute Technische Universität München). 1819 wurde er in die Abgeordnetenkammer gewählt, in der er bis zu seinem Tod Mitglied war. Utzschneider starb 1840 bei einem Unfall.
Bayerischer Abgeordneter:Durch das öffentliche Vertrauen wurde U. als Bürgermeister von München in die erste und zweite, und als Gutsbesitzer ohne Gerichtsbarkeit in die dritte bis achte Ständeversammlung berufen; er war also von 1819 bis 1840 ununterbrochen Abgeordneter, und als solcher stets Mitglied des zweiten Ausschusses. Wenn er auch in der Kammer nur wenig sprach, so verriethen doch alle sein Referate und Anträge, daß er mit Ueberzeugung einem ruhigen gemäßigten Fortschreiten zum Besseren in allen Fragen des geistigen und materiellen Wohls huldigte. Seine Aeußerungen bezogen sich namentlich auf Gegenstände der Landwirthschaft, des Gewerbewesens und der Volksbildung; an der Steuergesetzgebung des Jahres 1828 hatte er wesentlichen Antheil.
Während Utzschneider als Landwirth und Mitglied der Ständeversammlung wirkte, erging an ihn durch den Minister Graf Armansperg eine ehrenvolle Aufforderung Königs Ludwig I., von neuem dem Staate zu dienen. U. folgte dem Rufe, ging es doch um die höchste technische Bildungsanstalt des Landes, die ehemaligen “Polytechnischen Centralschule”. Er übernahm die Stelle eines ersten Vorstandes, welche im wesentlichen dem an mehreren auswärtigen Universitäten bestehenden Amte eines Curators gleichkam, verzichtete aber wiederum auf jedes Gehalt für seine Person und vertheilte ihn unter gering besoldete Lehrer und Bedienstete der Anstalt in ähnlicher Weise wie früher den Bezug als Bürgermeister. Bay. LTV 1819 6. Bd. Protokoll der 34. Sitz. v. 15.5.1819. Zi. 225: Vortrag des zweiten Ausschusses über den den ihm zur Begutachtung zugestellten Entwurf eines neuen Maut- oder Zoll-Gesetzes. S. 365-422. Utzschneider im bayerischen Landtag 1819: <Bildung eines engeren Ausschusses im zweiten Ausschuss durch Frh v Heinitz v Utzschneider, Merkel von Nürnberg, Frh v Pelkoven. Grundsätze der Mehrheit in Voto von Utzschneider enthalten, S. 406-411, München 14. März 1819:> <Mautordnung besitzt umfassenden Wirkungsbereich> S. 406 „Bei der Maut-Ordnung sind der Bauer, der Gewerbs-Mann, der Kaufmann, der Consument, und die Staats-Casse betheiligt. S.410 Nachdem die allgemeine Handelsfreiheit nun auch in Deutschland von Staat zu Staat ganz unterbrochen ist; – nachdem Prohibitiv-Systeme und andern beschwerenden Verordnungen unsern baierischen Erzeugnissen den Eingang in die benachbarten Staaten überall hemmen: so befiehlt uns die Klugheit, doch wenigstens den inländischen Markt für unsere einheimischen Producte zu bewahren, und auf die allgemeine Handelsfreiheit so lange zu verzichten, bis die Nachbarstaaten sich wieder öffnen, und unsern Erzeugnissen den Eingang in ihre Provinzen gestatten. S. 405 Nach dem Vorschlage des Herrn Merkel, würde den ausländischen Waaren der Markt von Baiern ganz frei gegeben, während die baierischen Fabrikate und Producte bei ihrer Einfuhr ins Ausland die größten Schwierigkeiten finden. Karl Friedrich Heinrich Freiherr von Closen, altes bayerisches Adelsgeschichte, starb in männlicher Linie mit Karl Friedrich aus (* 31. Dezember 1786[1] in Zweibrücken; † 19. September 1856 in Gern, Landkreis Rottal/Inn, Niederbayern) war ein deutscher Jurist und Politiker. Abgeordneter für die adeligen Grundbesitzer (Klasse I). Einziger Sohn von Ludwig von Closen; 4 Schwestern; Jura-Studium in Wien und Landshut; 1794 floh seine Familie aus Zweibrücken nach Bayern, sie besaß Schloß Gern in Eggenfelden/Niederbayern; 1800 Umzug nach München und Tod der Mutter; sein Vater ließ seine Kinder in München zurück; 1805, auf Vermittlung seines Vaters, wurde der Sohn Beamter auf Widerruf in Bayern: Während seine Schwestern 1806 zu ihrem Vater nach Simmern in der Pfalz zogen, blieb er zur Wahrung des Erbes in München und bekam auch allen bayerischen Besitz überschrieben; 1812 Aufnahme in das bayerische Adelsmatrikel; 1814 Soldat im Befreiungskrieg gegen Napoleon (während sein Vater französischer Unterpräfekt in Simmern war); 1817 Regierungsrat; Ministerialrat im Innenministerium; Landtagsabgeordneter für die adeligen Gutsbesitzer 1819, 1825, 1828; liberaler Oppositioneller; 1831 aus Protest Austritt aus dem Staatsdienst; Ermittlungen wegen staatsfeindlicher Aktivitäten; Haft und Hausarrest in Eggenfelden; 1833 Anklage wegen Majestätsbeleidigung; 1840 Aufhebung der Vorwürfe; 1848 Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung; Bayerischer Gesandter beim Deutschen Bund; außerordentlicher Staatsrat. – Unverheiratet, kinderlos Closen kritisierte als Abgeordneter das harte Vorgehen der Regierung im Zusammenhang mit dem Münchner Studentenaufstand vom Dezember 1830, also nach der Pariser Julirevolution 1830. In der Folge wurden gegen ihn Ermittlungen wegen angeblicher staatsfeindlicher Verbreitung des revolutionären Werkes Lebewohl, Abschied des kranken Dichters von Baiern von Ernst Ludwig Große (1802-1871) eingeleitet. Er kam für vier Monate in Haft und wurde anschließend mit Meldepflichten bei der Polizei belegt. Seinen Wohnort Gern durfte er nur mit Genehmigung des Untersuchungsrichters verlassen. Die Verfolgungen wurden erst durch Entscheidung des Oberappellationsgerichts München vom 30. Dezember 1839 aufgehoben. <Als Große im Dezember seine Schrift Lebewohl! Abschied des kranken Dichters von Bayern in der Ständeversammlung verteilen ließ – eine kritisch-satirische Abrechnung mit der Regierungspolitik – wurde dieselbe umgehend beschlagnahmt und verboten. Große wurde am 26. Januar 1832 verhaftet und zwei Monate in der Frohnfeste München festgehalten. Auf Kaution, gestellt durch den Deutschen Preß- und Vaterlandsverein, kam er am 18. März frei. Große hielt sich danach in Zweibrücken und Pirmasens auf und traf sich mit Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth. Er verfasste Flugschriften, ließ sie auf eigene Kosten drucken und verbreitete Aufrufe. Auf dem Hambacher Fest hielt er eine nur in Bruchstücken überlieferte Rede, in der er einige Regenten Deutschlands schmähte, außerdem soll er zur Bürgerbewaffnung aufgerufen haben. Um sich der drohenden Verhaftung zu entziehen flüchtete er im Juni 1832 ins Elsass. Durch das Appellationsgericht in Landau wurde Große am 29. Juli 1833 wegen des “Verbrechens der erfolglosen Aufreizung der Einwohner des Königreiches zur Bewaffnung gegen die königl. Autorität” und des “gewaltsamen Umsturze der königl. Staatsregierung durch öffentliche Reden und Druckschriften” in Abwesenheit zu zehn Jahre Landesverweisung, danach zehn Jahre unter Polizeiaufsicht, sowie Entzug der staatsbürgerlichen und bürgerlichen Rechte verurteilt. In München wurde er hingegen wegen Majestätsbeleidigung und versuchten Hochverrats durch seine Schrift Lebewohl! angeklagt und mit Urteil vom 19. Oktober 1833 zu vierjähriger Gefängnisstrafe verurteilt. Beigefügt war der Zusatz, jedes Jahr zur Zeit des Verbrechens in einem finsteren Kerker bei Wasser und Brot drei Tage eingesperrt zu werden> 1848 wurde Closen zum Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung und zum Mitglied des Fünfzigerausschusses gewählt, nahm diese Mandate jedoch nur kurzzeitig wahr, da ihn König Max II. von Bayern zum Gesandten beim Deutschen Bund bestellte. Nach dem Rücktritt des Märzministeriums ernannte Max II. ihn zum Bayerischen Staatsrat in außerordentlichem Dienst. Fortan kümmerte er sich um die Förderung der Landwirtschaft in Bayern. Das Karl-von-Closen-Gymnasium in seinem Heimatort Gern bei Eggenfelden ist ihm zu Ehren benannt. Bay. LTV 1819 10. Bd. Protokoll in der 37. Allgemeinen Sitzung am 3.6.1819 – Fortsetzung, S. 205-<338>373 Protocoll der 37. Allgemeinen Sitzung der Cammer der Abgeordneten Wirtschaftskrieg zwischen den Nachbarstaaten S. 215-223 Karl Ferdinand Frh. von Closen, <Abg. der Gutsbesitzer im Isarkeis, Bern bei Eggenfelden, Niederbayern>: S.215 Nachdem gegen Baiern von den benachbarten Staaten in Ansehung des Handels der Zustand nicht des ewigen Friedens, sondern des ewigen Krieges beobachtet wird, so scheint mir das System, welches der vorgeschlagenen Maut-Ordnung zum Grunde liegt, im Allgemeinen den Verhältnissen unsers Vaterlandes angemessen, sowohl in nationalwirthschaftlicher, als finanzieller Hinsicht. Zweifel an Zweckmäßigkeit der Auflagen für Luxusgüter S.222 So erwünscht die in Antrag gebrachte Luxus-Auflage für die dermaligen landwirthschaftllchen Verhältnisse fur Baiern seyn mag, so gegründet ist doch die Besorgniß der practischen Geschäftsmänner, daß durch die hohen Zollsätze die Defraudationen zu sehr vermehrt, und daher durch die höhere Abgabe, statt einer größern, eine geringere Erträgniß erzielt werde. Belegung von Seeweinen – Defraudationsgefahr S. 633 <Zur Belegung der billigen Seeweine (= Bodenseeweine) mit gleichem Zoll wie hochwertige Weine.> Karl Ferdinand Frh. von Closen <Abg. der Gutsbesitzer im Isarkeis, Bern bei Eggenfelden, Niederbayern:> Die Defraudationen mit diesem Wein sind sehr schwer zu verhindern und zu entdecken, da man selbst gute französische Weine durch einen, in das Glas des versuchenden Maut-Aufsehers geworfenen Thaler, so verfälschen kann, daß sie auf einmal, wie See-Weine schmecken. Daher glaubte der Ausschuß den entscheidenden Grund zu einer hohen Belegung hierin gefunden zu haben. S. 633f. FMr. Lerchenfeld Gleiche Belegung von Rhein- und französischen Weinen S. 634 FMr. Lerchenfeld: Der Grund, warum Rhein- und französische Weine gleich hoch belegt wurden, war 1) weil öfters sich der Fall ereignen kann, daß französische, weiße Weine unter dem Namen der Rhein-Weine eingeführt werden. |
Paul Wolfgang Merkel
Paul Wolfgang Merkel (* 1. April 1756 in Nürnberg; † 16. Januar 1820 Nürnberg) war Kaufmann und Marktvorsteher sowie der erste Abgeordnete der Stadt Nürnberg in der Zweiten Kammer des Bayerischen Landtag 1819. Konfession: evangelisch. Gruppe: Klasse IV Städte und Märkte Rezatkreis: ¼ der Sitze. Informationen zu den Landtagen bzw. Legislaturperioden: Ausschüsse: II.Ausschuss für die Steuern (07.02.1819) Kaufmännische Ausbildung in einer Bremer Manufaktur . Übernahme des väterlichen Geschäfts, 1787 alleiniger Inhaber. 1784 Heirat mit einer Tochter des Kaufmanns Johannes Bepler, Inhaber des Handelshauses “Lödel”, daraus resultierend: Großhandelshaus “Lödel und Merkel”. Seine Frau Margarete Elisabeth, geb. Bepler, gebar 16 Kinder, von denen 13 volljährig wurden. Heute werden 1736 direkte Nachkommen mit vielen Familienmitgliedern gezählt, ein Vorbild in Familienplanung. 1786 Marktadjutant und Aufnahme in den Größeren Rat der Genannten in Nürnberg. 1807 Kgl. Finanzrat. 1809 Assessor am Handelsappellationsgericht. Gemäßigt liberal; Vertreter der Freihandelspolitik
Paul Wolfgang Merkel zählt zu den bedeutendsten Persönlichkeiten Nürnbergs um 1800: Als Kaufmann handelte er mit großem Erfolg, als Politiker setzte er Reformen durch, im Bayerischen Landtag stritt er für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg Nürnbergs, als Sammler rettete er zahlreiche Nürnberger Kunstwerke.
Der erfolgreiche Kaufmann baute in Nürnberg ein bedeutendes Handelsunternehmen auf, das durch internationale Beziehungen, sein Unternahmen stand im Brennpunkt bedeutender Handelswege. Merkel verwertete die schwierigen Verhältnisse Europas zu Zeiten der Kontinentalsperre zu Gunsten seines Handelshauses. Politische Weitsicht und gute Informationen über seine Handelskontakte ließen ihn rechtzeitig Vorräte aufbauen, die er dann günstig absetzen konnte.
Als die freie Reichsstadt Nürnberg aus Finanznot gezwungen war, einen Teil der zur Kaiserzeit angesammelten Kunstschätze zu veräußern, erwies sich Paul Wolfgang Merkel als Kunstmäzen und Retter bedeutender Kulturschätze für seine Heimatstadt. So erstand er u.a. überragende Kunstwerke wie den nach ihm benannten “Merkelschen Tafelaufsatz” des Goldschmieds Wenzel Jamnitzer, die berühmte Peltzersche Porträtsammlung “Nürnberger Bildnisse” oder die “Welsersche Bibliothek”. Seine Nachkommen brachten später die umfangreichen Sammlungsbestände in eine Stiftung ein, die heute größter privater Leihgeber des Germanischen Nationalmuseums ist. Reges Interesse hatte Merkel zeitlebens an politischen, kulturellen wie wissenschaftlichen Belangen. Er war Mitglied der Nürnberger Freimaurerloge “Zu den drei Pfeilen”. Neben seiner Logentätigkeit pflegte er umfangreiche Kontakte und Freundschaften. So war er nahe befreundet mit dem großen Philosophen Hegel. Karl Ludwig von Knebel, ein enger Freund Goethes, gehörte – neben vielen anderen zeithistorisch bedeutenden Persönlichkeiten – ebenso zu seinem Freundes- und Gesprächskreis wie Jean Paul oder der Physiker Thomas Johann Seebeck.
Als erster Nürnberger Abgeordneter im Bayerischen Landtag gelang es Paul Wolfgang Merkel durch seine umfassende Kenntnis der Handelsgesetze in intensiven Verhandlungen die Schulden Nürnbergs praktisch auf Null zurückzuführen. Damit waren die Weichen gestellt für ein Aufblühen der Stadt zur bedeutendsten Industriestadt Bayerns ab 1830.
Anlässlich des 250. Geburtstagsjubiläums am 1. April 2006 widmete die Stadt Nürnberg mit Unterstützung des Stadtarchivs und der Paul Wolfgang Merkelschen Familienstiftung dem verdienten Bürger eine Ausstellung unter dem Namen Paul Wolfgang Merkel – Kaufmann. Reformer. Patriot. im Stadtmuseum Fembohaus.
<Das Stadtmuseum Fembohaus ist das Stadtmuseum zur Geschichte Nürnbergs. 950 Jahre Stadtgeschichte werden anschaulich dargestellt. Es präsentiert in neuartiger Museumsatmosphäre mit ambitionierten Ausstellungen zu aktuellen Themen der Stadtgeschichte einen umfassenden Blick auf die Stadtgeschichte. Das Museum gehört zum Verbund der Museen der Stadt Nürnberg. Das Fembohaus ist Nürnbergs einziges erhaltenes großes Kaufmannshaus der Spätrenaissance.>
Täter
S.373 Vorlesung der Ausarbeitungen des Abg. Herrn Merkel.
S. 380 Wenn Defraudationen vorgefallen sind, so sind sie auch nur an solchen Orten vorgefallen, wo Juden und Schleich-Händler ihr Unwesen treiben, und wo man ihnen deßwegen bei ernstem Willen leicht auf die Spur kommen könnte.
Beispiel: Zollrückvergütungen
Als Beweis wird dazu dienen, dass die Rückvergütung in Fürth, einem bekannten Juden-Ort 25,000 fl., in Bamberg, wo ebenfalls die Juden ihr Wesen treiben, sogar 42,540 fl. in einem Jahre angeschlagen worden. Daß nicht die Rückvergütungen, sondern die hohen Zoll-Sätze die Defraudationen am meisten veranlassen und begünstigen, wird keines Beweises bedürfen.
Veranstaltung vom 08.11.2017
Fürther Juden
Im 17. Jahrhundert gab es in Fürth eine Gemeinde-Talmudschule, die ein hohes Ansehen genoss. 1607 wurde der erste jüdische Friedhof angelegt, 1617 eine Synagoge errichtet und 1653 das erste jüdische Krankenhaus Deutschlands eröffnet. 1670 wurden viele Juden aus Wien aufgenommen, so dass es 1716 etwa 400 jüdische Familien in der Stadt gab. 1807 betrug der Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung 19 Prozent. 1824 wurde die Talmudschule durch die bayerischen Behörden geschlossen.
1862 wurde eine jüdische Volksschule und 1882 eine Mittelschule gegründet. Die höchste Zahl jüdischer Bürger war 1880 mit ca. 3300 erreicht. Im Jahr 1938 wurde die Synagoge bei den Novemberpogromen 1938 zerstört und der trotz der Repressionen verbliebene Teil der jüdischen Bevölkerung ab 1941 überwiegend in Vernichtungslager deportiert.
Jüdisches Leben in Fürth bis 1933
Fürth galt bis Anfang des 20. Jahrhunderts als eine Stadt, die wesentlich von jüdischer Kultur und Geschäftstätigkeit mitgeprägt war, so dass bis heute von einem „Bayerischen Jerusalem“ bzw. „Fränkischen Jerusalem“ gesprochen wird, den Begriff prägte erstmals um 1830 der Satiriker Moritz Gottlieb Saphir (1795-1858, konvertierte 1832 zum evangelischen Glauben) in ursprünglich abwertendem Kontext. Der jüdische Bevölkerungsanteil lag um 1800 bei über 20 Prozent, der absolute Höchststand 1880 bei 3336 jüdischen Einwohnern. Der Zuzug von Juden war in den liberalen örtlichen Verhältnissen begründet, die durch die Einverleibung Fürths durch Bayern im Jahre 1806 zunächst wieder eingeschränkt wurden. Noch bis zum Ersten Weltkrieg war das gesellschaftliche Klima in Fürth bezüglich jüdischer Mitbürger vergleichsweise tolerant.
Hitler schätzte deswegen Fürth dementsprechend negativ ein, er verglich gerne die „deutsche“ Stadt Nürnberg mit der benachbarten „jüdischen“ Stadt Fürth. Wo immer man wie in Fürth die Juden sich selbst überlassen und in Ruhe gelassen habe, so Hitler, hätten sie als „reine Parasiten“ nur „Elend und Versagen“ hervorgebracht. Tatsächlich jedoch verlor Nürnberg von 1600 bis 1800 die Hälfte seiner Einwohner und die Bedeutung als europäische Metropole, während sich im gleichen Zeitraum die Einwohnerzahl in Fürth verzehnfachte und eine Industrie- und Gewerbestadt entstand, Ludwig Tieck prägte 1812 den Begriff „Nordamerika von Fürth“, Jakob Wassermann jenen der „Stadt der tausend Schlöte“. Diese bis etwa 1820 andauernde gegenläufige Entwicklung der beiden Städte hatte verschiedene Gründe, einen davon stellte die 1887 veröffentlichte und weitverbreitete „Fronmüller-Stadtchronik“ so dar: „Nürnberg hatte sich durch die Judenvertreibung eine tiefe Wunde selbst geschlagen. Theils fehlte ihm seitdem wenigstens die Hälfte der benöthigten Kapitalien, theils entging ihm jenes industrielle Ferment, welches aller Orten die Israeliten zur Förderung von Verkehr und Handel bilden…“
1933 betrug der Anteil der jüdischen Fürther 2,6 Prozent oder 1.990 Menschen. Am 9. März 1933 verkündete ein Nürnberger NS-Funktionär vom Fürther Rathaus vor ca. 10.000 Zuhörern: „Auch hier in Fürth, der Stadt, die einst rot und total verjudet war, wird wieder eine saubere ehrliche deutsche Stadt gemacht“.
Bis zum vollständigen Auswanderungsstopp im Jahr 1941 konnten etwa 1.400 Fürther Juden auswandern, darunter beispielsweise der „frühpensionierte“ Lehrer Louis Kissinger zusammen mit Familie und Sohn Heinz („Henry“) Alfred Kissinger. Viele Auswanderer flüchteten in später von der Wehrmacht besetzte Gebiete und Städte wie Rotterdam oder Paris und wurden später durch die SS von dort in Vernichtungslager deportiert.
Im Gau Franken bereicherten sich die Parteifunktionäre unter Julius Streicher schon vor einer reichsweit gesetzlich forcierten „Arisierung“ an jüdischem Eigentum, was ihnen mindestens 38 Millionen RM einbrachte und selbst für nationalsozialistische Verhältnisse so skandalös war, dass eine diesbezügliche Untersuchung unter Leitung von Göring zur Entmachtung von Streicher führte. Parallel zur Abwanderung und später zur Deportierung verlief die Aneignung jüdischen Vermögens durch die Behörden. Zudem kassierte die Staatskasse durch die Vertreibungspolitik von den emigrierten Juden ca. 900 Millionen RM an sogenannter „Fluchtsteuer“ und diversen Gebühren.
Zum Zeitpunkt des Novemberpogroms 1938 lebten noch 1.200 Juden in Fürth.
In der Stadtchronik vom 16. Mai 1939 heißt es: „Viele Judenfamilien von hier und allerorts verlassen Deutschland und machen sich in England, Holland, Frankreich, Amerika u. s. w. ansässig“.
1999 wurde Fürth zum Hauptstandort des Jüdischen Museums Franken ausgewählt.
Bamberger Juden
Das 19. Jahrhundert verlief für die jüdische Gemeinde in Bamberg relativ ruhig. Mit dem Edikt von 1813 wurden die Juden zwar offiziell eingebürgert, trotzdem blieben sie Bürger zweiter Klasse. Aufgrund des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 wurde das Fürstbistum Bamberg säkularisiert und die Juden aus dem Schutz des Fürstbistums entlassen. Im April 1803 wurden sie dem bayerischen König unterstellt. Ihr neuer politischer Status zeigte sich anhand bestimmter Rechte aber auch Pflichten. So galt nun auch für jüdische Männer die allgemeine Wehrpflicht.
Von nun an mussten jüdische Bürger an den Staat keine Schutzgelder mehr zahlen, die Abgaben an die Stadt Bamberg blieben jedoch bis zum November 1831 bestehen.
Am 1. Juli 1834 wurde ein Gesetz für die Höhe der Gebühren erlassen, welche die Einbürgerung für “alle, ohne Unterschied der Konfession”, festsetzte. Mit diesem Gesetz war die Einbürgerung und die Gleichberechtigung zumindest formal vollzogen.
Der oben genannte Makel “Bürger zweiter Wahl” zu sein, hat einen seiner Ursprünge im Matrikelgesetz von 1813. Im Edikt von 1813 wurden alle Juden aufgefordert ihre “urschriftlichen Schutzbriefe” und Aufnahmeurkunden den Polizeibehörden vorzulegen. Dort hatten sie die Pflicht, sich mit einem vorher gewählten deutschen Namen in eine Liste, ein Matrikel, eintragen zu lassen. Der erste bayerische Staatsbürger, der sich am 21.2.1814 eintragen ließ, war der Bamberger Bankier Josef Samuel Hesslein. Ihm folgte die gesamte jüdische Gemeinde Bambergs. 1814 gab es in Bamberg 69 ansässige, immatrikulierte Familien. Diese zufällige Zahl von 69 Familien wurde alsbald zu einer Norm erklärt und es durften sich in Bamberg nicht mehr immatrikulierte Familien ansiedeln. Dies hatte schwerwiegende Folgen, da das Recht auf Ansässigkeit immer nur an einen Nachfolger vererbt werden konnte. In dieser Zeit wanderten viele jüdische Familien nach Nordamerika aus. Faktisch bestand damit ein Verbot der Einwanderung für Juden. Außerdem wurde der Hausier-, Not- und Schacherhandel verboten. Das Matrikelgesetz wurde in Bayern erst 1861 wieder aufgehoben. Nur kurz sei erwähnt, dass 1819 von “Hep-Hep-Unruhen” berichtet wird. In ganz Franken, einschließlich Bamberg, kam es zu “pogromartigen Ausschreitungen” des bürgerlichen Mittelstandes, mit der Absicht die beginnende Emanzipation der Juden wieder rückgängig zu machen.
Eine andere Absicht des Edikts von 1813 war, die Gleichberechtigung der jüdischen Mitbürger herzustellen. So wurde es jüdischen Kindern von nun an ermöglicht, öffentliche Schulen zu besuchen. Wie ein Blick in die Katastereinträge zeigte, gehörten damals die meisten jüdischen Familien in Bamberg dem Kleinhändlerstand an. Der Ungleichheitsstatus von Juden ist auf das vierte Laterankonzil anno 1215 zurückzuführen. Währenddessen wurde beschlossen, dass Juden keine handwerklichen Berufe erlernen durften, sie ein Unterscheidungsmerkmal an ihrer Kleidung zu tragen hätten und es den Juden von nun an untersagt sei, öffentliche Ämter zu übernehmen. Den Christen wurde ein Zinsverbot auferlegt, wodurch die Juden in die Berufe der Pfandleiher, Geldwechsler und Zinsnehmer gezwungen wurden. Im Edikt von 1813 wurden ihnen nun wieder erlaubt handwerkliche Berufe zu erlernen und auszuüben. Christliche Handwerksmeister wurden ausdrücklich aufgefordert diese, wider jeglicher Vorurteile, aufzunehmen und Toleranz zu üben. Wie aus einer Statistik vom April 1821 zu lesen ist, haben diese Bestrebungen zur Gleichberechtigung der Juden in Bamberg Erfolg gehabt. Es werden unter anderem 3 Gesellen, 14 Handwerkslehrlinge und 36 schulpflichtige immatrikulierte Kinder gezählt.
Nach der Aufhebung der Matrikelgesetze 1861 waren die Bamberger Juden nun völlig gleichberechtigte Bürger. Laut Friedrich-Brettinger (1962) wurden die jüdischen Bürger Bambergs von der christlichen Bevölkerung zu dieser Zeit schon längst nicht mehr als Fremdkörper angesehen. Man tolerierte sich gegenseitig. Nach den drei Kriegen – 1864, 1866 und 1870/71 – kam es in Deutschland zum wirtschaftlichen Aufschwung, zu dem die Juden einen nicht unerheblichen Teil beitrugen. Aber auch für sie selbst hatte der Aufschwung vorteilhafte Auswirkungen. Durch Sparsamkeit und Tüchtigkeit, wie Friedrich-Brettinger schreibt, kamen viele jüdische Handeltreibende und Geschäftsinhaber zu Wohlstand. Bald spielten Juden in der Bamberger Wirtschaft wie auch in der Gesellschaft eine wichtige Rolle. Jüdische Firmen stiegen zu führenden Unternehmen auf und viele jüdische Ärzte und Juristen genossen großes Ansehen.
Zum oben genannten Ansehen und zu der Toleranz gegenüber jüdischen Mitbürgern dieser Zeit, hatten sicherlich auch die Gründung vieler Stiftungen sozialer und kultureller Art ihren Anteil. Es waren Privatleute jüdischen Glaubens, die solche Stiftungen einrichteten, welche meist für christliche wie jüdische Bedürftige gleichermaßen angelegt waren. So gab es zum Beispiel eine Weißbrotverteilung unter Armen, eine Brennholzverteilung speziell für christliche Familien, Kleiderbeschaffungen, Austeilungen zu Weihnachten an christliche Arme und vieles mehr.
Franz Ludwig von Hornthal (* 5. März 1760 in Hamburg; † 27. Juni 1833 in Bamberg), deutscher Jurist und Politiker, war der erste Bürgermeister und Ehrenbürger von Bamberg.
Leben
Franz Ludwig von Hornthal wurde (unter einem anderen Namen) als Sohn eines Rabbiners in Hamburg geboren, besuchte die berühmte Talmudschule in Fürth, um schließlich am 2. Mai 1779 in Bamberg vom Judentum zum Katholizismus zu konvertieren.[1] Der Domkapitular Johann Karl Joseph Horneck von Weinheim (1723–1791)[2] und der gerade erst zum Bischof gewählte Franz Ludwig von Erthal waren seine Taufpaten, aus deren Namen sein neuer Vor- und Familienname gebildet wurde.
Hornthal studierte in Bamberg und war am Landgericht Bamberg als geachteter Anwalt tätig. Am 17. September 1792 heiratete er Anna Maria Betz, die Tochter des Konvertiten und fürstbischöflichen Leibarztes Johann Philipp Betz, in Amlingstadt.[1] Am 4. Dezember 1794 wurde Johann Peter, sein einziger Sohn, geboren, benannt nach seinem Taufpaten, dem Kaufmann Johann Peter Raulino (1751–1795).[3] Nach dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 1814 heiratete Franz Ludwig von Hornthal 1818 die gleichfalls verwitwete Philippine Stockmann, geb. Orth (1776–1835).[4]
Nach Auflösung des Fürstbistums blieb er im Dienst des bayerischen Staates. Ab 1803 war er in Bamberg Polizeidirektor und ließ in Bamberg eine erste Stadtbeleuchtung mit 250 Öllampen installieren,[5] ab 1805 war er zunächst Generalkriegskommissar, dann ab 1806 Königlich-Bayerischer Oberster Justizrat der Obersten Justizstelle in Franken und ab 1807 leitete er die Aufnahme und Zuordnung der Nürnberger Staats- und Stadtschulden. Dafür wurde er am 23. April 1815 von König Maximilian I. Joseph in den erblichen Adelsstand erhoben.[1]
Nach Einführung der Magistratsverfassung in Bayern war er von 1818 bis 1821 der erste Bamberger Bürgermeister, seine Wiederwahl scheiterte. Von 1819 bis 1822 war er Mitglied der Abgeordnetenkammer, bis 1825 noch Mitglied verschiedener Ausschüsse des bayerischen Landtags. Dort geht die Einführung eines vergleichbar dem im Rheinland bereits eingeführten Landratswesens, dessen Einführung nach vielen Debatten erst 1828 verabschiedet wurde und aus der sich im Wesentlichen die bayerische Bezirksverwaltung abgeleitet hat, auf seinen Antrag zurück. Aufsehen erregte auch sein – nicht angenommener – Vorschlag, die Armee auf die Verfassung statt auf den König zu vereidigen. Da seine Wiederwahl in den Landtag durch das Geschick der Regierung verhindert wurde, widmete er sich in den 1820er Jahren der Schriftstellerei und veröffentlichte auch Flugblätter, deren Inhalt bei der Regierung auf Missfallen stieß. Das führte zu seinem Ausschluss aus dem Landtag per Dekret im Jahr 1831.
Von 1829 bis 1832 war er Präsident des auch nach seinen Vorschlägen geschaffenen Landrates des Obermainkreises. Er hielt beim Gaibacher Verfassungsfest im Jahr 1832 eine beachtete Rede.
Bestattet war er im sogenannten Portikus im Hauptfriedhof Bamberg (Abteilung 1, Nr. 1). Die Gruft wurde 1953 aufgelassen. Die sterblichen Überreste wurden „evakuiert“.
Merkel, Kaufmann aus Nürnberg, für Freihandel und Niedrigzoll, hohe Zölle von negativer Wirkung
S. 399f. Nach der geographischen Lage Baierns, in der Mitte von Deutschland zwischen den 2 Strömen, dem Main und der Donau, umgeben von Staaten, die strenge Mautsysteme eingeführt haben, durch welches in gerader Linie die Communication des Nordens mit dem Süden geht, das den Güter Transport durch gute Heerstraßen erleichtert, das in vieler Hinsicht zum Handel geeignet, dabei ein ackerbauender Staat ist, der mehr Nahrungsmittel und andere Producte erzeugt, als er gebraucht, und durch welche er fremde ohne Nachtheil an sich bringen kann, für diesen Staat ist in allen diesen Beziehungen, kein anderes Handels-Abgabe-System zuträglicher, als ein mit voller Freiheit des Handels verbundenes einfaches Zollwe/(S.400)sen. Alle bisherigen Mautsysteme mit hohen Belegungen haben mehr oder weniger den Handel oder Verkehr gedrückt und nur Defraudationen veranlasst; diese zu verhüten, hat man die lästigsten Formalitäten eingeführt und enorme Summen aufgewendet, und doch den Zweck verfehlt, wie die Erfahrung beweist. Wenn an den Grenzen von allen herein- und hinausgehenden Gütern ein mäßiger Zoll abgenommen wird; so kann sich der Handel auf alle Seiten hin verbreiten, sich die größte möglichste Ausdehnung geben, die Fabricate und Manufacturen können auf die wohlfeilste und freieste Weise verfertigt und ausgeführt werden, ausländische Waaren werden den inländischen einen desto größern Absatz verschaffen, die Natur-Producte auf den höchsten Werth bringen, dem Handel und Verkehr in allen benachbarten Staaten, öffentlich oder heimlich den Eingang verschaffen, und die beste Gelegenheit geben, Ausnahmen oder Begünstigungen in andern Staaten bei der Einfuhr der Waaren zu erlangen, weil der baierische Staat weder groß noch mächtig genug ist, die Reciprocität mit Erfolg anzuwenden.
Bay. LTV 1819 10. Bd. Protokoll in der 37. Allgemeinen Sitzung am 3.6.1819 Z. 282. Rede des Abgeordneten Merkel aus Nürnberg über das neue Mautgesetz, am 3. Juni 1819, S. 103-112.
Abg. Merkel zu Bayerns Stellung zum Art. XIX Bundesakte; Aufhebung des Wirtschaftskrieges zwischen Bundesstaaten; Bayern als Vorbild
S. 111f. Die allgemeine Noth, die durch die unnatürliche Isolirung der aneinander gränzenden und von einem feierlichen Band umschlungenen Staaten, und durch die feindseligen Verfügungen veranlaßt wird, und deren Folgen in alle Erwerbs- und Nahrungs-Quellen eingreifen, und mitten im Frieden einen Kriegsstand unterhalten, werden und müssen eine Änderung dieser Maasregeln bewirken. Die Urheber derselben werden selbst einsehen müssen, daß sie die Wohlfahrt ihrer Länder dadurch doch nicht begründen, und sich damit am Ende selbst schaden.
Von der Weisheit und Gerechtigkeit unserer Regirung dürfen wir hoffen, daß sie selbst kräftig mitwirken wird, daß diese auf das Staats-Wohl so mächtig einwirkende Angelegenheit von der Bundes-Versammlung in Überlegung genommen, / S. 112 und ein gemeinsamer Beschluß zum Wohl Aller durch die Herstellung des freien Handels-Verkehrs und Errichtung einer Zolllinie an den Gränzen der deutschen Bundesstaaten gesetzt werden möge, und ich mache hiemit den Antrag, daß Se. Königl. Majestät auf das Feierlichste darum gebeten werden möge.
Es ist dieses der wichtigste Grund, warum ich darauf antrage, daß vor der Hand keine solche Verfügung getroffen werde, die dem obbemeldeten feindseligen und verderblichen System theils selbst gemäß seyn, theils einem liberalern und vortheilhaftern im Wege stehen möge.
Baierns Regierung ist in so vielen und wichtigen, das Glück und das Wohl des Volks begründenden Angelegenheiten mit einem guten Beispiele vorangegangen, warum sollte sie es nicht auch in einer so wichtigen, in das tägliche Leben der Einwohner, auf deren Moralität und Wohlstand so vielfach einwirkenden Angelegenheit, als wie die Maut ist, thun wollen?
Bay. LTV 1819 13. Bd. Protokoll der 50. Allgemeinen Sitzung der Cammer der Abgeordneten am 5. Juli 1819.
S. 575 – 656 Beratung d. Komm.-berichts .
S. 586-592 Abg. Merkel (von Nürnberg)
Wirkung hoher Zollsätze, Defraudationen
S. 587 Nur seit dem letztern Mautgesetze, in welchem hohe Zollsätze bis zu 26 und 38 fl. bestimmt wurden, fingen / S. 588 die Defraudationen an, und zwar nur in den langen Waaren, welche damit belegt waren. Ein sprechender Beweis, daß nicht das System der Rückvergütung, sondern die hohen Zollsätze die Veranlassung zu den Maut-Betrügereien gegeben haben. Indessen sie sollen nun nach dem Beschlusse der hohen Cammer nicht mehr statt finden, es ist also nichts weiter darüber zu sagen.
Die Erfahrung hat bisher gelehrt, und die k. Regierung hat sich selbst als überzeugt erklärt, daß hohe Zollsätze nur den Reiz zu Unterschleifen erregen, die Unterschleife selbst befördern, der Casse großen Eintrag thun, und dem ehrlichen Kaufmanne den größten Nachtheil zufügen, und dennoch kommen in dem neuen System wieder Sätze von 10 fl., 20 fl. vor.
Sind denn aber Sätze solcher Art, welche oft der Hälfte des Werths nahe kommen, z.B. bei österreichischen Wein und Tabak, geringen Krämmerei-Waaren, Brandwein ec. nicht schon hohe Belegungen? Und muß man nicht befürchten, daß sie der Erfahrung und eignen Überzeugung gemäß zu Defraudationen veranlassen, und wenn man sie verhindern will, eine strenge und complicirte Manipulation, ein zahlreiches Mautpersonal und vielfache Sicherungs-Anstalten zur Verhütung derselben erfodern, und zwar um so mehr, da keine Rückvergütungen statt finden.
S. 589 <Für Zollmaximum von 5 fl.> Man darf nicht fürchten, daß die Einnahme der Casse geringer wird, denn auf 10 und 20 fl. läßt sich weit weniger rechnen, als auf 5 fl.
Die bisherigen hohen Sätze haben, wie die Erfahrung zeigt, wenig eingetragen, und werden künftig bei aufhörender Rückvergütung und dadurch verminderten Handel noch weniger eintragen.
Auf 5 fl. ist weit mehr zu rechnen, der Reiz zur Defraudation ist um vieles geringer, der rechtliche Kaufmann kann noch eher bei 5 fl., als bei 10 und 20 fl. bestehen.
S. 590 <Zu Handelsartikeln, die mit hohen Sätzen belegt sind:> Sie kommen also entweder gar nicht, oder blos durch den Schleichhandel ins Land. In beiden Fällen erhält die Mautkasse nichts, und die Sätze stehen blos auf dem Papier.
Johann Georg Bestelmeyer (* 22. August 1785 in Schwabach; evangelisch, † 28. September 1852 in Nürnberg) war ein Tabakfabrikant. Schwabach ist die kleinste kreisfreie Stadt Bayerns. Sie liegt im Regierungsbezirk Mittelfranken in der Städteachse Nürnberg-Fürth-Erlangen-Schwabach und gehört zur Metropolregion Nürnberg.>
Bestelmeyer galt als führender Vertreter des radikalen Flügels des fränkischen Liberalismus: Er war ab 1818 in der Kommunalpolitik in Schwabach engagiert und wurde 1819 für den Rezatkreis als Abgeordneter der Klasse IV in den ersten Bayerischen Landtag gewählt. 1825 zog er nach Nürnberg um, war dort erneut kommunalpolitisch tätig und wurde 1829 zum Zweiten Bürgermeister gewählt. Er war Anführer der liberalen Opposition gegen den 2. Bürgermeister der Stadt Nürnberg Johann Scharrer. 1829 erfolgte die Wahl zum 2. Bürgermeister in Nürnberg, die von König Ludwig I. aus politischen Gründen nicht bestätigt wurde. 1830 wurde seine Wahl in die Kammer der Abgeordneten durch König Ludwig I. aus politischen Gründen gleichfalls nicht bestätigt. Die Nürnberger Gemeindebevollmächtigten protestierten gegen die Entscheidungen des Königs mit Solidaritätsadressen zugunsten Bestelmeyers.
Von 1838 bis 1848 konnte Bestelmeyer das stellvertretende Bürgermeisteramt schließlich doch ausüben und war von 1837 bis 1848 auch wieder Mitglied der Kammer der Abgeordneten für die Klasse IV im Stimmkreis Rezatkreis bzw. Mittelfranken.
Die Beurteilung seiner Tätigkeit als Mitglied der Kammer der Abgeordneten 1845: “Früher im ‘Lager der entschiedenen Oppositionsmänner’, bewies jedoch insbesondere seit den letzten Landtagen eine ‘gute Gesinnung’“.
Bay. LTV 1819 13. Bd. Protokoll der 48. Allgemeinen Sitzung am 30.6.1819 Z. 362.
S. 498-512 Bericht über die Modificationen in den neuen Zoll-Tarifen, von der zu ihrer Prüfung gewählten Commission, erstattet durch den Abgeordneten Georg Bestelmeyer, als ihren Sekretär und Referenten, München, 1.7.1819.
Johann Georg Bestelmeyer, Nürnberg, 1. Juli 1819
Beschreibung der Defraudanten, Beschränkung der Handelskonzessionen
S. 501 <Bürgermeister Anns vertrat abweichende Meinung und führte aus: >Vom Detail-Handel lebten viele Tausend Familien, welche längst bittere Klagen über zu hohe Maut geführt hätten, und die sich vor den Schwärzervolke, als Juden, Christen, Italiänern, Ehingern und andern, nicht mehr zu retten wußten; jene Detail-Händler würden also noch mehr leiden, und sich gedrückt finden, wenn der Zoll, auf solche. Artikel, statt niedriger, wie sie erwartet hatten, noch höher gestellt werden würde.
< Diese Ansicht von Anns konnten übrige Kommissionsmitglieder nicht teilen.> Sie erwogen, daß nach dem beantragten Zusatz zu dem neuen Zollgesetze nur berechtigte Kaufleute, Waaren zum Handel im Inlande vom Auslande beziehen dürften, daß sonach allen Hausirern an und für sich der Handel mit solchen Waaren und deren Hereinbringen vom Auslande untersagt werden mußte, daß dem Einschwärzen dadurch ein kräftiger Damm entgegengesetzt wäre, und daß es den ausgesprochenen Grundsätzen gemäß sey, dem inländischen Gewerbfleiß zu Hülfe zu kommen, was nur durch höhere Belegung der vom Ausland eingehenden Fabrikate bewirkt werden könnte.
Veranstaltung vom 14.11.2017
Belegung von Weinen
S. 505 Franz Joseph Abendanz, Wallerstein, Landkreis Donau-Ries, Schwaben <für niedrige Belegung der Weine, freie Einfuhr aus Rheinkreis. Doch:> “Für eine niedrigere Belegung der Weine aus dem Rheinkreise, so wie auch der Weinmoste, konnte sich die Commission durchaus nicht erklären. Auch mit allen Controllen, mit den lästigsten Formalitäten würden bedeutende Defraudationen nicht zu verhindern seyn, und zum empfindlichsten Schaden des Zoll-Aerars sowohl, als der übrigen Kreise gereichen.
< Franz Joseph Abendanz war ein fränkischer Gutsbesitzer und Weinhändler.
Abendanz war in Wallerstein beheimatet. Als Vertreter des Rezatkreises gehörte er von 1819 bis 1827 der Kammer der Abgeordneten der bayerischen Ständeversammlung an. Für Klasse zuerst V, ab 1825 IV. Er war Mitglied der Ansbacher Freimaurerloge Alexander zu den drei Sternen. Aus dem Mitgliederverzeichnis des Jahres 1806 geht hervor, dass er zu diesem Zeitpunkt 43 Jahre alt gewesen war. Demzufolge muss er im Jahre 1762 oder 1763 geboren worden sein.
Er galt als gemäßigt liberal und setzte sich persönlich für die Einführung des Landrats in der bayerischen Pfalz ein. Nachdem die Stadt Wallerstein eine Ruralgemeinde gebildet hatte, ging seine Eigenschaft als städtischer Wahlmann und Deputierter verloren und er schied zum 24. November 1827 aus der Kammer aus.
In der Kammer war er im II.Ausschuss für Steuern (07.02.1819) Mitglied 1.WP 1819-1825, 1.LT 1819. 1822 im IV. Ausschuss für die Staatsschuldentilgung (24.01.1822) > |
Belegung von Waren wie Zucker, Kaffee
S. 509 <Meinung der Commission: Gg. höhere Belegung von Zucker, Kaffee u. a.> Die Gränzstädte würden dadurch insbesondere leiden, und der Schleichhandel mit diesen zum Bediirfniß gewordenen Waaren einen starken Reiz bekommen, wodurch ein Theil der gehofften Mehreinnahme wieder verloren gehen möchte.
<S. 512 Kommission: v. Streber/Frhr. v. Closen/Schaezler/Jänisch/Löwel/v. Poschinger/Bestelmeyer. >
Johann Lorenz Freiherr von Schaezler (* 15. September 1762 in Ansbach; † 19. März 1826 in Augsburg) war ein deutscher Unternehmer und Bankier. Er wurde 1821 zum Freiherrn erhoben und begründete das neue Adelsgeschlecht von Schaezler.
Er war der Sohn des markgräflichen Hof-, Stadt- und Landchirurgen Wilhelm Friedrich Schaezler und der Laurentia Frederike Loesch. In seiner Geburtsstadt besuchte Johann Lorenz Schaezler das evangelische Gymnasium, das er mit 15 Jahren verließ, um in Frankfurt am Main eine Kaufmannslehre zu beginnen. Ab 1781 arbeitete er in einem Frankfurter Wechsel- und Warenhaus und vier Jahre später in einer Tuchfabrik in Aachen. In Aachen baute er eine Stickereifabrik auf. 1789 übernahm er die kupfer- und silberhaltigen Bleibergwerke von Trarbach an der Mosel. Das Unternehmen blieb erfolglos und er verlor fast sein gesamtes Vermögen.
Nach dem finanziellen Fehlschlag trat Johann Lorenz Schaezler 1791 als Handlungsgehilfe in das Augsburger Bankhaus von Benedikt Adam Freiherr Liebert von Liebenhofen (1731-1810) ein, dessen Tochter Marianna Barbara er zwei Jahre später heiratete. 1795 wurde er in die Leitung des Liebertschen Bankhauses aufgenommen. Am 1. Januar 1800 gründete Johann Lorenz Schaezler sein eigenes Bankhaus, welches schnell sehr erfolgreich arbeitete. Bis 1812 verzwanzigfachte er sein Vermögen. Im Jahre 1821 kaufte er von seinem Schwiegervater das in der Augsburger Maximilianstraße erbaute Palais, das heute seinen Namen trägt.
Schaezlerpalais
Der Bankier vergab seit 1807 auch Kredite an das Bayerische Königshaus, wofür er zum königlichen Finanzrat ernannt wurde. 1821 wurde er in den erblichen Freiherrnstand erhoben und erwarb daraufhin die Hofmarken Sulzemoos bei Dachau und Scherneck bei Augsburg. Ferner kaufte er Schloss Thyrnau mit Brauhaus bei Passau.
Freiherr von Schaezler, überzeugter Vertreter der konstitutionellen Monarchie, gehörte zu einer Abordnung der Reichsstadt Augsburg und verhandelte als solcher mehrfach mit Napoleon Bonaparte. 1818 wurde er zum Vorstand der Gemeindebevollmächtigten, ferner zum Abgeordneten der Stadt Augsburg in die Abgeordnetenkammer der Bayerischen Ständeversammlung gewählt.
Johann Lorenz Freiherr von Schaezler engagierte sich auf karitativem Gebiet. Er unterstützte beispielsweise mit namhaften Summen die Augsburger Suppenanstalt, das evangelische Waisenhaus sowie das allgemeine Krankenhaus und finanzierte die unentgeltliche Behandlung in der Armenanstalt. 1822 initiierte der Freiherr die Gründung der heutigen Stadtsparkasse Augsburg.
Noch kurz vor seinem Tode hatte der Freiherr seine Söhne Ferdinand Benedikt Freiherr von Schaezler und Ludwig Karl Freiherr von Schaezler als Gesellschafter in seine Wechsel- und Warenhandlung aufgenommen.
Bay. LTV 1819 10. Bd. Protokoll in der 37. Allgemeinen Sitzung am 3.6.1819 Z. 285. Rede des Abg. Finanzrats Schaezler, über Zoll und Maut. S. 164-190.
Ausländisches Beispiel für Zollkontrolle: Französische Mautlinie dreifach, dennoch nicht ganz dicht
S. 166 Frankreich hat sich durch eine dreifache, höchst kostbare Maut-Linie, die aber dennoch von Schwärzern öfters durchbrochen wird, umgarnt.
Bayerische Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Ausland nicht durch Zollmauern zu erreichen, besser den Verkauf höherwertiger Produkte zuzulassen; gegen unwirksame Schutzmaßnahmen
S. 167 So wie aber irgend eine Waare mit mehr als 10 f l. pr. Centner, und dieß ist vielleicht schon zu viel, belegt wird, fällt solche der Contrebande in die Hände, entgeht ganz dem soliden Handel, und schadet eben dadurch den Gewerben, welche dadurch unterstützt werden sollen.
Als Grundsätze möchten wohl folgende anzusetzen seyn:
1) Gegen Waaren, welche im Auslande durch Maschinerien, auf welche zum Theil Millionen verwendet worden, die auf Absatz in alle fünf Welttheile berechnet sind, und welche eben deswegen ungeachtet ihrer höhern Vollkommenheit weit wohlfeiler, als durch Handarbeit verfertigte Waaren zu stehen kommen, wird sich Baiern nie durch Mautgesetze erwehren können, und könnte Baiern es auch, so scheint mir die Frage noch nicht entschieden: Welches Recht hat der Staat, seinen Unterthanen zu verbieten, sich dieser Waaren zu wohlfeilerem Preis zu verschaffen, und 3 ½ / S. 168 Millionen Unterthanen zu zwingen, schlechtere Waare zu theurem Preise zu kaufen, damit einige wenige Fabrikanten-Familien, deren Fabrikarbeiter, wären sie nicht in der Fabrik beschäftigt, anderweitige Beschäftigung suchen und finden würden, weniger zu raffiniren, sich weniger nach dem Bedürf des Zeitalters zu richten brauchen, und dennoch gemächlich leben können.
S. 168 Aber bekanntlich ist hohe Maut, besonders in einem Königreiche, das so viele hundert Eintrittspunkte hat, gar leicht zu umgehen.
Zollerhebung aktuell notwendig wegen Handelspolitik von Nachbarstaaten und wegen Staatshaushalt; Rückvergütung soll aufgehoben bleiben
S. 171f. <Qualitätssteigerung der bayer. Produkte hilft zur Konkurrenzfähigkeit, Maut nicht.>
Wäre es Baiern, als dem mächtigsten der Staate zweiten Ranges im deutschen Bunde vorbehalten, so wie es bereits in manch anderm Guten vorangegangen ist, auch hierin die Bahn zu brechen, ganz gewiß mehrere der kleinen Staaten, wo nicht alle, würden nicht säumen, zu Erleichterung ihrer Unterthanen, welche sämmtlich unter dem so verhaßten Mautzwang seufzen, diesem so erhabenen als wohlthätigen Beispiele zu folgen.
Leider! Ist aber diese schöne Zeit noch nicht eingetreten. Die Gewerbe, so wenig es solchen auch nutzt, bestehen noch auf geschlossenem Lande. Die Finanzen können die Maut-Abgaben nicht entbehren. Eine Zoll- und Maut-Ordnung muß also vorerst noch beibehalten werden. Es handelt sich also bloß darum, welches von beiden Übeln ist das kleinste, die neue Maut-Ordnung oder die alte?
S.172 Wollte man die Rückvergütung beibehalten, so würden auch die beschwerlichen Manipulationen beibehalten, besonders auch, um sich gegen Einschwärzen von höchst besteuerten Fabrik- und Seidenwaaren sicher zu stellen, alle Koffer der Reisenden, und namentlich der rückkehrenden Fieranten genau visitirt werden müssen; die neue Maut-Ordnung, die ohnehin schon noch Manches zu wünschen übrig läßt, würde dann vollends ein unvollständiges Flickwerk, und den bei Rückvergütungen statt findenden Betrug und Unterschleif würde dann doch nicht ganz vorgebeugt werden können.
Grundregel: Nur durchführbare Gesetze dürfen erlassen werden, daher keine hohen Maut- und Zollgesetze, die nur Schwärzern Vorteile bringen
S. 178 Als Staatsgrundsatz wird meines Erachtens hiebei angenommen werden können:
Daß kein Gesetz gegeben werden solle, dessen pünktliche Befolgung nicht gehandhabt werden könne, und daß hohe Maut- und Zollgesetze, welche nicht gehandhabt werden können, bloß den rechtlichen Handelsleuten, welche sich an ihre Pflichten gebunden glauben, auch nicht die Kniffe und Pfiffe kennen, die zu Umgehung der Gesetze erfoderlich sind, nachtheilig werden, demnach nicht dem Staate, sondern bloß einigen wenigen Schwärzern Vortheil bringen, welche, gleich solches ja auch wohl auf den Münchner- und andern Dulten bemerklich, sich des Alleinhandels bemächtigen, so daß rechtliche Kaufleute nicht mit solchen concurriren können.-”
Hoher Zoll auf Kaffee – verfehlt Zweck, führt zu Schmuggel, Beispiel Nachbarstaat
S. 180 Man hat mich versichert, was auch den hiesigen Colonial-Waaren-Händlern noch genauer bekannt seyn muß, daß in einem benachbarten Lande, woselbst der Kaffee ebenfalls mit weit höherm Consumo-Zoll, als der Zucker belegt ist, der Zucker, dessen Zollsatz die Schmuggelei nicht lohnt, ganz richtig vermautet werde; von Vermautung des Kaffee aber, obschon er in allen Läden erhaltlich, und in den Magazinen in großen Quantitäten vorräthig ist, in den Maut-Registern gar wenig ersichtlich sey.
Allzu große Mauthbelegung verfehlt demnach immer ihren Zweck, und, wie ich höre, hat die Regierung in Betreff des Bresil-Tabaks selbst die Erfahrung davon gemacht.
Verzollung nach Gewicht – problematisch bei Luxuswaren wie Seide
S. 184 Darin bestehen ja hauptsächlich die Vorzüge der neuen Mautordnung vor der alten, daß sie die Manipulation vereinfacht, und die eingehende Waare blos nach dem Gewichte belegt. Die nothwendige Folge davon würde seyn, daß vielleicht nicht ein einziges zum Wiederverkauf bestimmtes Stück Seiden-Waare, die man mit 20 Procente vom Werthe belegen will, vermautet werden könnte, und die soliden Kaufleute auf den Handel mit zu hoch belegten Waaren ganz verzichten müßten, weil sie die Concurrenz neben den Schmugglern nicht würden aushalten können. Wird ja schon mit Waaren geschmuggelt, welche mit 10 fl., ja selbst nur mit 5 fl. pr. Centner belegt sind; wie ist denn wohl auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit auf richtige Vermautung von zum Handel bestimmter Waare zurechnen, bei welcher die Schmuggelei 1000 fl. und mehr pr. Centner gewinnen kann?
“Wir wissen fast alle aus Erfahrung, wie unerträglich es ist, oft in der Nachtzeit, oder bei stürmischer Witterung seine Coffres durch gierige Mautdiener durchwühlen lassen zu müssen. Wohl mancher würde auf seinen Reisen auch Frankreich und Preußen berühren, wenn ihn die lästige Maut-Visitation nicht davon abschreckte.
Strengere Anwendung der Strafgesetze, Prinzip der Öffentlichkeit, Öffentliche Abschreckung wirksam
S. 186 Aber von wirklich strenger exemplarischer Bestrafung sowohl der Mautbeamten, so Eid und Pflicht verletzten, und sich bestechen lassen, als von Bestrafung der Defraudanten habe ich noch wenig oder nichts gehört. Kommt je zuweilen so ein Fall vor, so wird er in der Stille abgemacht.
Dieß, meine Herren! darf künftig, wenigstens bei wiederholten Betretungsfällen, nicht mehr geschehen.
Öffentlichkeit ist, wie schon öfters in unserer Cammer ausgesprochen worden, das Palladium unserer Freiheit; Öffentlichkeit ist auch das wirksamste Abschreckungsmittel gegen das Laster.
Es ist keineswegs so schwer, die Maut-Defraudationen zu entdecken, wenn man nur allerseits es ernstlich will.
Defraudation – ‚öffentliches‘ Geheimnis, Kaufleuten bekannt durch Konkurrenz und Angebote
Bei jeder Maut-Defraudation sind ihrer wenigstens zwei, wo nicht drei Contrahenten betheiligt. Nämlich der Mauthbeamte und der Defraudant, bei defraudirter Rückvergütung und Transito-Fällen öfters auch der Fuhrmann. Es wissen demnach gar viele um das Geheimniß.
Vorzüglich muß es dem rechtlichen Kaufmann öfters auffallen, wenn dieser oder jener seiner Collegen aus dieser oder jener Gegend Waaren bezieht, und solche zu Preisen verkauft, wozu solche bei gehöriger Vermautung nicht erlassen werden können. Öfters werden ihm sogar selbst Anträge von ausländischen Schmuggel-Unternehmern gemacht, zu welchen Bedingungen und durch welche Eintritts-Station sich solche erbieten, ihm die Waaren zollfrei in das Haus zu schaffen.
Schaden an Staat und Gesellschaft durch Defraudanten, Aufforderung zu anonymen Denunziationen
S. 187 Der Defraudant bestiehlt nicht blos den Staat, und mit solchem Alle, so zu den Staats-Bedürfnissen beitragen, er schadet noch weit mehr; er paralysirt auch alle Diejenigen, die in nämlicher Waare Geschäfte machen, und gegen geschmuggelte Waare nicht Concurrenz halten können. Ich halte es demnach für meine Pflicht, sämmtliche Mitglieder des Handelsstandes vom ersten Range an bis zu dem geringsten herab, indem man gerade in den kleinen, den Gränz-Zoll-Stationen näher gelegenen Orten mehr noch als in den größern Städten genauere Kentniß von den so mannigfaltigen Maut-Unterschleifen haben kann, hiemit feierlich aufzufordern, zwar Alles, was ihnen bis jetzt von der Maut-Defraudation bekannt ist, in das Meer der Vergessenheit zu begraben, aber von nun an es als heilige Verpflichtung zu erachten, Alles, was sie von neuerdings eingeleiteten Maut-Defraudationen erfahren, unter möglichst genauer Bezeichnung wenigstens der Maut-Station, des Datums, so wie der Waare (wenn sie je Bedenken tragen wollten, die Namen des Fuhrmanns oder der Defraudenten beizufügen) es sey in anonymen Briefen, oder weil Anonymität doch immer etwas Verdächtiges hat, unter ausdrücklichem Vorbehalt strengster Verschwiegenheit, mit Unterzeichnung ihres Namens, bloß zur personellen Kenntniß des sehr verehrten Hrn. Finanzministers zu/ S. 188 bringen, welcher dann schon die weiteren Verfügungen deßfalls zu treffen wissen wird.
Öffentliche Strafe für Dedraudanten eine wirksame Abschreckung
“Ich halte mich überzeugt, daß, wenn nur einmal die ersten drei Mautbeamten, welche Eid und Pflicht vergessen, amtliche Falsa unterzeichnen, und dazu geholfen haben, daß der Staat, der sie bezahlt, bestohlen werde, nebst den drei Defraudanten, gleichviel von welchem Range, Stand oder Nation unter Androhung größerer Bestrafung im Wiederbetretungsfalle durch das k. Regierungsblatt öffentlich bekannt gemacht, erstere drei aber als die größeren Verbrecher, ohne irgend einige Rücksicht auf deren Familie, welche nicht darunter leiden sollte, und allenfalls den ganzen Gehalt des Mannes und Vaters fortbeziehen könnte, dem trefflichen Baron Weveldischen moralischen Erziehungs-Institut überantwortet worden seyn werden, der Reiz des Defraudeurs (immer vorausgesetzt, daß keine höhere Mautbelastung, als die von der Regierung in Vorschlag gebrachte, statt finde) sich gewaltig abgekühlt haben, und nur Wenige oder Keiner mehr Lust bezeigen werde, wegen wenigen Gulden per Centner Schmuggelei-Gewinn sich der öffentlichen Verachtung Preis gegeben zu sehen, oder vollends gar seine Existenz aufs Spiel zu setzen.
Nationale politische und wirtschaftliche Einheit
Schaezler, S.189 Das gesamte Deutschland ist wieder zu einem Bunde vereint. Sollte je die Ehre oder der Schutz des Gesammt-Vaterlandes es zur Notwendigkeit machen (Gott gebe, daß dieser Fall erst spät eintrete), so bilden die rüstigen Schaaren / S. 190 von 30 Millionen deutscher Brüder, in Eine Seele, in Einen Körper vereint, einen unwiderstehlichen Damm gegen den Andrang jedes äußern Feindes. Wie dürfen dann im Innern 38 Mautlinien feindlich einander gegenübergestellt bestehen?
Das Wohl, die Erhaltung mehrerer Millionen Deutschen erheischt, daß sie fallen.
Sollte gegenwärtiger Antrag sich der Zustimmung einer hohen Cammer, und in Folge dessen der allerhöchsten Genehmigung eines guten Königs, der nur in Seines Volkes Glück Sein eigenes sucht und findet, zu erfreuen haben, und demnach durch weitere ministerielle Einschreitung dieser von der ganzen deutschen Nation so sehnlichst gewünschte Zeitpunkt der Beseitigung alles Mautzwanges um so schneller herbeigeführt werden; der heutige Tag würde der glücklichste meines Lebens seyn.
S. 640-642 Schaezler, Johann Lorenz Freiherr von, Augsburg
Schweizer Grenze unsicher
S. 641 Schaezler, Johann Lorenz Freiherr von, Augsburg: Man hat mich glaubwürdig versichert, daß sichere Spediteurs, jenseits der Schweizer-Gränze, folglich für diesseitige Straf-Erkenntnisse unerreichbar, es übernehmen, diese Waaren gegen Vergütung von 8 fl. pr. Zentner dem Fabrikanten franco in’s Haus zu liefern. <= rohe Cottune>. Daß ich diese Schwärzereien innigst verabscheue, darüber habe / S. 642 ich mich bereits ausgesprochen. Aber wer vermag es zu verhindern, daß solches nicht dennoch geschehe.
Michael Wilhelm Joseph Behr
Michael Wilhelm Joseph Behr (* 26. August 1775 in Sulzheim; † 1. August 1851 in Bamberg) war ein deutscher Staatsrechtslehrer und frühliberaler Politiker. Er war Professor an der Universität Würzburg und Erster Bürgermeister von Würzburg (1821–1832) sowie Mitglied der Kammer der Abgeordneten (1819) und der Frankfurter Nationalversammlung (1848).
Behr wurde 1775 als Sohn eines Justizbeamten und seiner Frau im unterfränkischen Sulzheim geboren. Nach der Gymnasialzeit studierte er ab 1790/91 Philosophie und Rechtswissenschaften an den Universitäten in Würzburg und Göttingen (u. a. bei Johann Stephan Pütter und Christian von Schlözer). 1794 wurde er an der Universität Würzburg zum Dr. phil. und 1798 zum Dr. jur. promoviert; sein Mentor war der namhafte Jurist Gallus Aloys Kleinschrod. 1799 wurde er auf Anraten Kleinschrods Extraordinarius für Lehnrecht, ab 1800 auch für Allgemeines Staatsrecht an der Würzburger Universität. Von 1803 bis 1821 war er ordinierter Professor für Öffentliches Recht (Staats-, Vöker- und Naturrecht), ab 1817 auch für deutsches Privatrecht. Von 1819 bis 1821 war er Prorektor der Universität sowie Mitglied des akademischen Senats.
Nach dem Sturz Napoleons (1812) begeisterte er sich für nationale und liberale Ideen. In dieser Zeit wurde seine Staatslehre etwa durch den eher unbekannten Würzburger Privatdozenten Franz Berks scharf angegriffen. 1819 wurde er im Untermainkreis als Vertreter der Universität Würzburg (II. Klasse) in die Kammer der Abgeordneten der Ständeversammlung des Königreichs Bayern gewählt, wo er sich von der liberal-konstitutionellen Opposition vertreten fühlte. Er war Mitglied im Ausschuss für die Dankadresse, im II. Ausschuss für die Steuern und im VI. Ausschuss zur Prüfung der Anträge der Abgeordneten. Behr sprach sich für die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung aus, womit er den Unmut der Kammer der Reichsräte auf sich zog. Auch Maximilian II. König von Bayern war alles andere als begeistert. Infolge der Karlsbader Beschlüsse wurden seine Vorlesungen 1820/21 polizeilich beobachtet. Die Thesen eines Schülers wurden ihm zugerechnet und ihm die Erlaubnis entzogen, Vorlesungen zu halten.
Die Bevölkerung schätzte ihn für seine eher liberale Gesinnung und wählte ihn am 3. April 1821 in das Amt des Ersten (rechtskundigen) Bürgermeisters von Würzburg, das er bis 1832 innehatte. Zunächst entließ ihn das Staatsministerium aus dem Universitätsdienst. Ebenso stand sein Verbleib im Landtage zur Disposition. Obwohl durch die unterfränkischen Städte 1822, 1825, 1827 und 1831 in den Landtag, dem er von 1829 bis 1831 auch vorsaß, gewählt, verwehrte ihm Ludwig I., König von Bayern den Zutritt. 1832 wurde er als Bürgermeister des Amtes enthoben.
Nach seiner Rede auf dem Gaibacher Fest (1832) und einer Denunziationen wurde er wegen hoch- und staatsverräterischer Umtriebe und Majestätsbeleidigung angeklagt; er verbrachte mehrere Jahre in Untersuchungshaft (1832–1836) in Würzburg und München. 1835 begann das Strafverfahren vor dem Appellationsgericht in Landshut. 1836 wurde er in zweiter Instanz vor dem Oberappellationsgericht in München wegen Majestätsbeleidigung und versuchten Hochverrats zu Festungshaft zweiten Grades auf unbestimmte Zeit verurteilt. Außerdem musste er Abbitte vor dem Bildnis des Königs leisten; er verlor seine Titel, Würden und Gehaltsbezüge. Behr verbrachte die darauf folgenden Jahre erst auf der Veste Oberhaus, dann unter polizeilicher Aufsicht in Passau (1836–1842) und verbannt in Regensburg (1842–1846) sowie in Bamberg (ab 1846). 1847 wurde er begnadigt und am 6. März 1848 vollständig rehabilitiert. Die Entschädigung betrug 10.000 Gulden und eine Pension. Vom 18. März bis zum 21. September 1848 war er für den Wahlkreis 5 Oberfranken (Kronach) fraktionsloser Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, die angetragene Position eines Alterspräsidenten lehnte er aus gesundheitlichen Gründen ab. Im Parlament stimmte er mit dem rechten Centrum.
Von 1829 bis 1832 war er Mitarbeiter des Bayerischen Volksblatts in Kronau, das 1832 verboten wurde. 1822 war er Begründer der städtischen Sparkasse in Würzburg. Außerdem war er im Vorstand der Harmonie-Gesellschaft-Würzburg.
Behr stand für ein durch Immanuel Kant und Johann Gottlieb Fichte geprägtes idealistisches Staatsrecht. Ferner bezog er, beeinflusst von der Französischen Revolution, den Grundsatz der Gewaltenteilung (Montesquieu) mit Grundrechten in seine Überlegungen ein. Er sprach sich für die parlamentarische Teilhabe in Form von Konstitutionalismus aus; das Volk sollte der Souverän sein.
Behr wurde Ehrenbürger von Würzburg (1819) und Volkach (1819). In der Münchner Ruhmeshalle ist Behr mit einer Büste geehrt. 1983 beschloss der Stadtrat der Stadt Würzburg einstimmig, für Persönlichkeiten, die sich in der bürgerschaftlichen Mitarbeit und für die Demokratie in Würzburg besonders eingesetzt haben, die Behr-Medaille zu schaffen. Nach Behr wurde in Würzburg die Straße, die von der Zeppelinstraße zum Frauenlandplatz führt, benannt. Auch in seinem Geburtsort Sulzheim wurde die Hauptstraße nach ihm benannt.
Bay. LTV 1819 10. Bd. Protokoll in der 37. Allgemeinen Sitzung am 3.6.1819 – Fortsetzung,
S. 205-<338>373 Protocoll abgehalten in der 37. Allgemeinen Sitzung der Cammer der Abgeordneten
S. 230-245 Hofrat Behr:
Aversion gegen Zölle in Theorie und Praxis
S.230 … nur so viel bemerke ich, daß ich mich weder einer Mautfrage auf dem Gebiete der Theorie, noch einer Maut-Station auf dem Gebiete der Praxis je ohne großen Unwillen nähern kann; ein Unwillen, nicht etwa der Ausfluß eines Vorurtheils, sondern des reifsten mehrjährigen Nachdenkens, als dessen Resultat in meinem Systeme der Staatslehre vom Jahre 1811 Bd. 3, S. 301 das Urtheil steht, welches von indirecten Steuern überhaupt ausgesprochen, im eminenten Grade von den Mauten gilt.
S.231 Jenes Urtheil ist wörtlich Folgendes: „Indirecte Steuern sind entweder von auffallender Ignoranz oder Tücke erfunden, durch Superklugheit und Sophisterei vertheidigt, von der Gemächlichkeit gepflegt, durch Noth vervielfältigt, und aus Furcht vor der Mühe der Einführung des Rechten bis zur Stunde noch nicht abgeschaft.“
Zollrückvergütungen nicht pauschal unterbinden
S. 236 Der Rückvergütung steht nur Unzulänglichkeit der Verfügung entgegen, und nur, weil der Staat sich zu schwach dazu glaubt, Defraudationen zu verhüten, soll der eigne Unterthan ohne Unterschied, wie der Fremde, bezahlen. Allerdings mag es ein Ubel seyn, daß Defraudationen schwer zu verhüten sind; aber soll denn um / S. 237 des schlechtern Menschen willen der Bessere seine Freiheit verlieren? Läßt sich dieß rechtfertigen? Daß sonst Defraudationen kaum verhütet werden können, scheint mir kein rechtmäßiger Grund zu seyn, alle Rückvergütungen auszuschließen.
Gegen Denunziation von Zollvergehen
S. 242 Daß Kaufleute sich zu anonymen Angebern von Defraudationen herabwürdigen sollten, kann ich nicht glauben (gg. Schätzler).
S. 635 Hofrath Behr
Schmuggeldurchführung steigerungsfähig mit Abgabenhöhe
S. 635 Hofrath Behr: Was die Defraudation betrifft, so kann die Abgabe auf keine Artikel in dem Grade gesteigert werden, in welchem die Kunst der Defraudation gesteigert wird. Es kann dieß wohl Veranlassung geben, die Maut-Anstalten zu schärfen, aber keinen Grund zur Einführung der Maut darbieten; denn der Luxus bleibt nach wie vor.
Bay. LTV 1819 10. Bd. Protokoll in der 37. Allgemeinen Sitzung am 3.6.1819 – Fortsetzung,
S. 205-<338>373 Protocoll abgehalten in der 37. Allgemeinen Sitzung der Cammer der Abgeordneten
S. 248-251
Anton Friedrich von Hofstetten, Regierunsdirektor, Falkenberg, Gemeinde Moosach, Kreis Ebersberg/Oberbayern:
Hofstetten, Regierunsdirektor, für deutsche Zollfreiheit, negative historische Beurteilung:
Radikalkritik an Zollsystemen
S.248 Um nicht mit dem Spruche: „Sutor ne ultra crepidam,“ <Schuster bleib bei deinen Leisten> begrüßt zu werden, will ich mich so kurz wie möglich fassen. – Es wird wohl niemand bezweifeln, daß Maut und Zollsysteme unter die infamsten Ideen gehören, welche je ein Finanzmann ausgeheckt hat; – Ehre den Deutschen, daß sie es nicht waren, die dieses Zapfenrecht am Eigenthume der Völker erfanden! – Eben so wenig ist indessen zu widersprechen, daß solche Systeme in diesem Zeitpunkte noch nothwendige, platterdings unabweisliche Übel sind. Es kann sich überhaupt für jetzt nur vor solchen Maasregeln handeln, welche dieß Übel in der Anwendung für die Mehrheit der Staatsbürger am wenigsten drückend machen. – Es ist nicht zu bestreiten, daß die geographische Lage der Länder, das Benehmen / S. 249 der Nachbarn im wesentlichen den Maasstab hiezu geben müssen.
Veranstaltung vom 15.11.2017
Die Geschichte des Zolls
Zölle von der Antike bis ins 21. Jahrhundert
Der heutige Begriff „Zoll“ leitet sich ab aus dem griechischen „telos“ (Ziel, Grenze, Zahlung) und dem spätlateinischen Wort „teloneum“ (Abgabe). Bereits im dritten Jahrtausend v. Chr., in den antiken Hochkulturen des alten Ägyptens und des Orients, dienten diese Steuereinnahmen als so genannte Finanzzölle zur Deckung des Finanzbedarfs eines Staates.
Vom Gotenreich am Schwarzen Meer breitete sich vom 4. Jahrhundert an der gotische Zollbegriff „mota“(Maut) aus, während über das Fränkische Reich vom 5./6. Jahrhundert die spätlateinische Bezeichnung in den mittel- und norddeutschen Raum vordrang und zu „toloneum“, abgekürzt „tol„, dann „tsol“ und schließlich „Zoll“ abgewandelt wurde. Zölle wurden bis ins Mittelalter an so genannten Zollerhebungsstellen als „Passierzoll“ für die Benutzung von Wegen, Brücken, Hafenanlagen bzw. Markteinrichtungen oder als Schutzgebühr für den Handelsverkehr („Geleitzoll“) erhoben. Im deutschen Mittelalter hatten die Zölle damit vorwiegend den Charakter einer Benutzungsgebühr bzw. „Maut“. Mit der Erhebung war als Gegenleistung die Erhaltung der Straßen und Brücken sowie die Gewährung eines sicheren Geleits verbunden.
Das Hoheitsrecht über diese Einnahmen stand zunächst dem König zu. Im 12./13. Jahrhundert ging dieses so genannte königliche Zollregal immer mehr zu Verleihungen und Verpfändungen an Territorialherren, Kaufleute und Städte über. Diese bauten die eigene Zollhoheit bald mit Landes- und Stadtzöllen aus; nach dem Ende des 30-jährigen Krieges war das ehemals einheitliche deutsche Zollgebiet in ca. 1.240 Einzelgebiete zersplittert.
Neben dem Finanzzollgedanken erhielten im 17./18. Jahrhundert unter dem Einfluss des Merkantilismus (Wirtschaftspolitik in der Zeit des Absolutismus) die Zölle eine immer größere Bedeutung als so genannte Schutzzölle zum Schutze der heimischen Wirtschaft vor unerwünschter Konkurrenz. Aufgrund hoher Einfuhrzölle wurden billige auswärtige Waren teurer und gleichartige heimische Waren blieben auf diese Weise wettbewerbsfähig.
Anfang des 19. Jahrhunderts gingen die deutschen Einzelstaaten unter Aufhebung ihrer innerstaatlichen Binnenzölle allgemein zum Grenzzollsystem (Erhebung von Zöllen beim Grenzübertritt) über, das den gegenseitigen Wirtschaftsverkehr jedoch stark behinderte. Die lästigen Einfuhr-, Durchfuhr- und Ausfuhrzölle zwischen den deutschen Staaten wurden Schritt für Schritt durch regionale Zollunionen und ab 01. Januar 1834 durch den Deutschen Zollverein zugunsten gemeinsamer Außenzölle abgebaut. Das einheitliche Vereinszollgesetz von 1869 wurde 1871 mit dem Übergang der Zollgesetzgebungs- und Ertragshoheit auf das Reich in Reichsrecht verwandelt.
Zitate Anton Friedrich von Hofstetten – Fortsetzung
Betrugsgefahr unabhängig von Zollhöhe, daher für hohe Belegung auf Luxusartikel
S. 250 In der – wenn auch großen – Belegung der Luxus-Artikel finde ich kein Unglück, es ist möglich, daß der Betrug bei höhern Ansätzen steigt, ich gebe aber zu bedenken, daß die schlechten Menschen betrügen, wenn sie können, der Vortheil mag nun 1/2 oder 15 Procente abwerfen.
Artikel XIX Bundesakte am Bundestag zu beraten
S.251 Auch ich schließe mit dem allgemeinen Wunsch der Cammer, daß auf dem Bundestage endlich einmal die Maut- und Zoll-Freiheit der deutschen Völker unter sich ausgesprochen, und der baierischen Regierung die Ehre werde, unter die eifrigsten Verfechter dieser großen Sache zu gehören. –
Stephani, Heinrich Erhard Karl (Pseudonym Christoph Freimund)
evangelischer Pfarrer, Schulreformer, * 1.4. 1761 Gemünda/Kreck bei Seßlach (Oberfranken), † 24. 12. 1850 Gorkau (Niederschlesien), ⚰ Gorkau (Niederschlesien).
Durch den Vater und das Erlernen der hebr. Sprache bei Rabbi Jona in Gemünda wurde S. auf das Theologiestudium in Erlangen (1771–81; 1787 Promotion zum D. theol.) vorbereitet. Hier prägten die Rationalisten den Lutheraner S. nachhaltig. 1782 übernahm er als Hofmeister in Castell die Erziehung der Grafen Albrecht Friedrich Carl (1766–1810) und Christian Friedrich von Castell (1772–1850). 1784 zog S. mit den verwaisten Grafen nach Nürnberg zu Friedrich Adolf v. Zwanziger (1745–1800), dem Leiter der Castellschen Regierung. Seit 1787 lebte er mit Gf. Christian Friedrich und Heinrich, dem jüngsten Sohn v. Zwanzigers, in dem von Abt Friedrich Gabriel Resewitz (1729–1806) geleiteten Internat „Klosterbergen“ (b. Magdeburg). 1791 begleitete er Gf. Christian Friedrich an die Univ. Jena, wo er mit Fichte, Schiller und Goethe zusammenkam. S. beschäftigte sich mit der Philosophie Kants, besuchte jur. Vorlesungen, hielt eigene über „Moralpolitik und sittliche Prinzipien der Staatslehre“ und entwarf Pläne gegen die „Kathedersteifigkeit“ und das „Duellunwesen“. 1793 traf er bei einer Bildungsreise durch die Schweiz Füssli, Fichte, Lavater und den von ihm hoch geschätzten Pestalozzi.
1794–1808 leitete S. (seit 1797 als Konsistorialrat, seit 1806 zugleich 1. Hofprediger) das Schul- und Kirchenwesen der Gfsch. Castell. In seinem Reformprogramm „Grundriss der Staats-Erziehungswissenschaft“ (1797, seit 1805 u. d. T. „System d. öff. Erziehung“) forderte er, die „Schul-Pädagogik“ als eigenständige Wissenschaft zu installieren. Sein Prinzip der „bildenden Methode“ wies Lehrern eine „Hebammenfunktion“ zu, nach der sie unter Beachtung physischer und psychosozialer Unterscheide bei den Schülern deren individuelles Lernen fördern sollten. Als bayer. Kirchen- und Kreisschulrat (seit 1809 Kreiskirchenrat) wirkte S. 1808 in Augsburg und 1811 in Eichstätt und Ansbach, wo er die Gelehrten Schulen Bayerns nach Plänen Friedrich Immanuel Niethammers umgestaltete, Fortbildungsanstalten für Volksschullehrer gründete und durch die Umwandlung von Mädchen- in Höhere Töchterschulen die weibliche Bildung förderte. Nach dem Erstarken der pietistischen Widerstände (Erweckungsbewegung) gegen den Rationalismus wuchs die Kritik an S., der 1817 nach einem Disziplinarverfahren wegen angeblicher Bestechlichkeit seinen Dienst quittierte. 1818 nahm er eine Stelle als Pfarrer und Dekan in Gunzenhausen an. 1819–26 war er Abgeordneter der Ständekammer in München. 1830 kulminierte der Streit um S.s rationalistische Haltung nach der Veröffentlichung eines Katechismus und führte 1834 zur Amtsenthebung. Seinen Ruhestand in Gunzenhausen und Gorkau nutzte S. zur Abfassung theol. und päd. Lehrbücher, mit denen er seine Position untermauerte. Viele seiner Ideen findet man in der heutigen Pädagogik wieder.
S. 271-276 Abg. Dr. Karl Heinrich Stephani, Gunzenhausen, Mittelfranken
Handelsfreiheit aus moralischen und ökonomischen Motiven
S. 272 Freiheit des Handels gehört zum eigentlichen Leben der Menschheit. Wer ihn beschränkt, sündiget gegen jene Ordnung, die uns allen heilig seyn muß, die Niemand ohne Strafe verletzten darf, und die gleichviel, Natur und Gottesordnung, heißt. Der Schöpfer hat die Erzeugnisse über die Erde verbreitet, damit dadurch ein Austausch unter den Menschen begründet, und hiedruch sowohl äußeres Wohl, als die Cultur ihres Geistes verbreitet werde.
Was könnte bei Freiheit des Handels aus Baiern werden, das durch zwei Ströme mit den östlichen und westlichen Meere, und durch solche mit allen Welttheilen in Verbindung steht.
Großherzogtum Baden
Die Entstehung des Großherzogtums aus der Markgrafschaft bzw. dem Kurfürstentum Baden während der Koalitionskriege ging mit großen Gebietszuwächsen für Baden einher. Das Land besaß seit 1818 eine konstitutionelle Verfassung. Baden galt im 19. Jahrhundert als Hochburg des Liberalismus, seine Abgeordnetenkammer als eigentliche Schule des liberalen Geistes im Vormärz. Nach dem Tod des alten Großherzogs Karl Friedrich (* 1728) folgte 1811 dessen Enkel, Großherzog Karl (1786-1818), verheiratet mit Stephanie de Beauharnais/Napoleon auf den Thron. Im Krieg Napoleons gegen Russland 1812 stellte Baden über 6.000 Mann, von denen nur wenige zurückkehrten. Baden zögerte länger als Bayern und Württemberg mit dem Ausstieg aus dem Rheinbund, da es wegen der Grenzlage zu Frankreich besonders gefährdet erschien, falls Napoleon das Kriegsglück nach der verlorenen Völkerschlacht doch noch hätte wenden können.
Die Teilnehmer des Aachener Kongresses erkannten 1818 die Thronfolgeberechtigung der Söhne des verstorbenen Großherzogs Karl Friedrich aus zweiter – unebenbürtiger – Ehe mit Luise Karoline Geyer von Geyersberg an, der späteren Reichsgräfin von Hochberg (1767-1820). Nachdem die Söhne aus erster Ehe allesamt keinen weiteren Thronerben gezeugt hatten, hielt man dies für notwendig, um die Weiterexistenz des Großherzogtums zu sichern. Die so geregelte Thronfolge, die dann 1830 eintrat, war jedoch in den dreißiger Jahren überschattet vom Fall des Kaspar Hauser (1812-1833), der am 26. Mai 1828 in Nürnberg auftauchte. Zeitgenössische Gerüchte sahen in Kaspar Hauser einen als Säugling entführten badischen Erbprinzen des verstorbenen Großherzogs Karl.
Badische Verfassung von 1818
Schon im Jahre 1808 kündigte die Regierung an, dass Baden eine Landesverfassung erhalten werde. Jedoch erst 1814 begannen auf Initiative des Freiherrn Karl Wilhelm Marschall von Bieberstein (1763-1817) konkrete Schritte zur Bildung einer Kommission, die sich mit der Ausarbeitung der Verfassung befasste. Der Inhalt stammte ganz wesentlich aus der Feder des liberalen Politikers Karl Friedrich Nebenius (1784-1857). Mit der Verfassung vom 22. August 1818 wurde Baden zur konstitutionellen Monarchie. Großherzog Karl unterzeichnete die von Nebenius ausgearbeitete Verfassung, die einen Landtag vorsah, eine Ständeversammlung mit zwei Kammern. Dieses Parlament sollte dem Zusammenwachsen der Bevölkerung des Großherzogtums Baden dienen, da das Land auf sehr unterschiedliche kulturelle und landsmannschaftliche Traditionen zurückblickte. Mit der neuen Verfassung, die damals die freiheitlichste im Deutschen Bund war, hoffte man, Eintracht und ein gemeinsames Staatsbewusstsein aller Badener zu befördern.
Die Wahlordnung für die Zweite Kammer wurde am 23. Dezember 1818 bekannt gemacht, sie beruhte auf indirekter Wahl. Wahlberechtigte durften nicht der Ersten Kammer angehören oder dort wahlberechtigt sein. Kandidaten mussten mindestens 25 Jahre alt sein. Es waren nur Männer zugelassen, die zudem in ihrer Gemeinde das Bürgerrecht besaßen oder ein öffentliches Amt bekleiden mussten. Damit waren 1819 lediglich 17 Prozent der Bevölkerung wahlberechtigt Die von den Wahlberechtigten gewählten 2500 Wahlmänner bestimmten schließlich die 63 Abgeordneten. Die badische zweite Kammer war als einzige unter den Ländern des Deutschen Bunds völlig frei von ständischen Elementen.
Monarchen
An der Spitze des badischen Staates standen die Großherzöge mit folgenden Regierungszeiten:
• Karl Friedrich (Großherzog 1806–1811)
• Enkel Karl (Großherzog 1811–1818)
• Onkel von Karl bzw. Sohn von Karl Friedrich: Ludwig Wilhelm August (Großherzog 1818–1830)
• Sohn von Karl Friedrich aus zweiter Ehe bzw. Halbbruder von Ludwig: Leopold (Großherzog 1830–1852), dessen Nachfolger wurde Friedrich, der zweite Sohn Leopolds (erster Sohn Ludwig regierungsunfähig)
Grundzüge der Verfassungsordnung von 1818
Der zweite Abschnitt mit 19 Paragraphen beschrieb die Grundrechte der Bürger des Landes, darunter die Wahrung von Freiheit und Eigentum, die Gleichheit vor dem Gesetz, eine Rechtsprechung durch unabhängige Gerichte und die Pressefreiheit im Rahmen der Vorgaben des Deutschen Bundes.
Der dritte Abschnitt bestimmte den Aufbau und die Funktionsweise der aus zwei Kammern bestehenden badischen Ständeversammlung (Landtag). In der Ersten Kammer schrieb die Verfassung die überkommenen Prinzipien einer ständisch organisierten Gesellschaftsordnung fest. Mitglieder waren die volljährigen Prinzen des Hauses Baden, die Chefs der standesherrlichen Familien, der Erzbischof von Freiburg, ein evangelischer Prälat, acht aus dem Kreis der Grundherren gewählte Vertreter sowie bis zu acht vom Großherzog ernannte Mitglieder.
Die Zweite Kammer bestand aus 63 Abgeordneten, die sich alle acht Jahre zur Wahl stellten. Alle zwei Jahre fanden Teilwahlen statt, bei denen etwa ein Vierter der Mandate betroffen war. Das passive Wahlrecht galt für Männer ab dem vollendeten 30. Lebensjahr, die ein Steuerkapital von mehr als 10.000 Gulden besaßen oder über eine jährliche Besoldung von mindestens 1500 Gulden verfügten und einer der drei christlichen Konfessionen angehörten. Somit waren in Baden lediglich etwa 6500 Männer in die Kammer wählbar. Die Haushaltsperiode umfasste zwei Jahre, so dass spätestens nach Ablauf dieser Frist der Landtag einberufen werden musste. Die Abgeordneten besaßen ein freies Mandat und genossen Immunität. Nur mit zwei Dritteln aller Anwesenden jeder der beiden Kammern konnte eine Verfassungsänderung beschlossen werden.
Grundzüge der Landesverwaltung
Die Einteilung der Ministerien blieb nicht immer konstant. Im Laufe der Zeit gab es im Großherzogtum Baden folgende Departements bzw. Fachministerien:
• Ministerium des Äußeren und des Großherzoglichen Hauses 1807–1871 und 1893–1918
• Polizeiministerium bzw. seit 1808 Innenministerium 1807–1918 (und nach dem Ende der Monarchie weiter bis 1945)
• Finanzministerium 1807–1918 (und nach dem Ende der Monarchie weiter bis 1945)
• Justizministerium 1807–1918 (und nach dem Ende der Monarchie weiter bis 1934)
• Kriegsministerium 1807–1872
• Handelsministerium 1861–1881
Verwaltungsgliederung
Am 26. November 1809 leitete der Staats- und Kabinettsminister Freiherr Sigismund Karl Johann von Reitzenstein (1766-1847) eine Regierungs- und Verwaltungsreform ein, die die Grundlage für eine landesweit einheitliche Verwaltungsorganisation schuf. Reitzenstein teilte das Staatsgebiet nach dem Vorbild der französischen Departements in neun Kreise auf, wobei er historisch gewachsene Zusammenhänge bewusst ignorierte. Es sollten lediglich die Einwohnerzahl und die Wirtschaftskraft maßgeblich sein. Der Großherzog stattete den jeweiligen Kreisdirektor mit einer großen Machtbefugnis aus, ähnlich dem eines französischen Präfekten. Zahlreiche Veränderungen seit 1810 führten zu 1830 nur noch sechs Kreisen sowie 55 landesherrlichen und 22 standesherrlichen Ämtern. Im Jahre 1849 gaben die Standesherren ihre Hoheitsrechte auf, was eine neuerliche Veränderung bei der Einteilung der Ämter nach sich zog. 1857 trennten sich die Verwaltung und Rechtspflege der unteren Instanz voneinander.
Grundzüge der Kommunalverwaltung
Trotz des Organisationsedikts von 1809 gab es in Baden durch tradierte Rechtsverhältnisse weiterhin merkliche Unterschiede von Ort zu Ort. Dies Bürgerrecht von 1808 teilte die Bürgerschaft in nur drei Gruppen ein: Ortsbürger, Schutzbürger und Hintersassen. In den Gemeinden jedoch herrschten, je nach Tradition, ganz andere Verhältnisse. So gab es etwa im Schwarzwaldort Triberg im Jahre 1820 insgesamt 116 Gemeindebürger, von denen aber nur 36 Bürger im engeren Sinne waren, 80 jedoch sogenannte „bürgerliche Gehausen“. Andere Bewohner der Gemeinde wie Frauen, Kinder und das Gesinde besaßen grundsätzlich kein Bürgerrecht. Erst das Bürgerrechtsgesetz von 1832 brachte hier eine erste Vereinheitlichung.
Wirtschaftliche Entwicklung bis 1850
Ausgangssituation nach der Gründung des Großherzogtums
Als das Großherzogtum Baden die Kriegswirren der Napoleonischen Zeit im Jahre 1815 überstanden hatte, begann für das Land die friedliche Fortsetzung des stetigen Wegs in die Moderne. Dabei erwiesen sich die Handlungsträger in Baden als meist sehr entschlussfreudige Reformer. Die ersten Jahrzehnte des neuen Staates waren jedoch noch mit erheblichen Entwicklungsproblemen belastet. Noch standen die Bewohner des neuen Landes unter dem Eindruck der von vielerlei Traditionen geprägten Ständegesellschaft des untergegangenen Heiligen Römischen Reichs und hatten die Auswirkungen der Umgestaltung durch die Politik Napoleons kaum verkraftet. Noch übte eine kleine Gruppe von Standesherren des alten Adels mancherorts einen mächtigen Einfluss aus. Über die vergangenen Jahrhunderte waren die Territorien am Oberrhein immer wieder zu einem Opfer der zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und den Habsburgern geworden.
Die Schifffahrt am Oberrhein war in vorindustrieller Zeit langsam und mit vielerlei Mühen und Gefahren verbunden, wenngleich der Fluss auch vor seiner Regulierung ein für die Anrainer wichtiger Transportweg war. Stromabwärts wurden die wenig manövrierfähigen Holzschiffe am Oberrhein meist gerudert und nur bei günstigem Wind konnten Segel gesetzt werden, stromaufwärts hingegen von Schiffsziehern oder mit Hilfe von Pferden von Land aus bewegt. Dieses so genannte Treideln war eine harte und gefährliche Arbeit. Für die Landschaft entlang des Rheins bestand zudem ständige Hochwassergefahr.
Obwohl das Elsass seit dem 17. Jahrhundert politisch zum Königreich Frankreich gehörte, blieb seine alemannische Eigenart und seine wirtschaftliche Verbundenheit mit den Territorien rechts des Rheins noch während des gesamten 18. Jahrhunderts praktisch unberührt. Durch die Ereignisse in der Folge der Französischen Revolution wurde das Elsass nun allerdings in das französische Wirtschaftsgebiet mit einbezogen, die Durchsetzung der französischen Sprache und Kultur forciert und die Zollgrenze vom Vogesenkamm an den Rhein verlegt. Somit litt Baden seit Anfang des 19. Jahrhunderts unter seiner neu entstandenen wirtschaftlichen Randlage.
Agrarstaat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
In den Jahrzehnten bis zur Revolution von 1848/49 änderte sich die Gesamtstruktur der Wirtschaft noch wenig. Nur etwa ein Viertel der Bevölkerung lebte in den Städten, der Rest auf dem Lande zumeist als Kleinbauern oder Handwerker. Die größten Städte Badens waren 1850 Karlsruhe (23.000 Einwohner), Mannheim (22.100 Einwohner), Freiburg (15.300 Einwohner), Heidelberg (13.500 Einwohner) und Pforzheim (8000 Einwohner). Als Garnisonsstadt wichtig war zudem Rastatt, als Kur- und Badeort Baden-Baden, welches damals wie das Land nur Baden hieß, sowie die am Beginn ihrer Entwicklung stehenden Industriestandorte Bruchsal, Ettlingen, Offenburg und Lahr.
Das Markgräflerland als badisches Weinanbaugebiet entwickelte schon Markgraf Karl Friedrich weiter zur Erzeugung von Qualitätsweinen. Noch zu seinen Lebzeiten wurde der Weinbau ausgedehnt auf Weinberge am Bodensee, im Kraichgau und im Taubergrund. Einen wichtigen Beitrag zur Kultur des Weinanbaus in Baden leistete Ferdinand Öchsle (1774-1852) mit der Erfindung der Weinwaage.
Ein landestypisches Erzeugnis war von jeher die Schwarzwalduhr, welche von den Uhrmachern in Kleinwerkstätten im eigenen Haus angefertigt wurde. Für die Herstellung der Einzelteile spezialisierten sich Zulieferer. Auf diese Weise entstanden zwischen 1800 und 1850 im Hochschwarzwald durch Handwerker 15 Millionen Uhren. Als die handwerkliche Erzeugung der Uhren Mitte des Jahrhunderts zunehmend in die Krise geriet, wurde 1850 in Furtwangen die Großherzoglich Badische Uhrmacherschule eröffnet. Die Papierherstellung erfolgte in Baden traditionell durch Papiermüller, die in Kleinunternehmen von 6 bis zu 20 Personen arbeiteten.
In Konkurrenz zu den im Niedergang befindlichen Zünften gelang einigen Handwerksbetrieben die Entwicklung zur Fabrik. Im Jahre 1829 fanden sich im Großherzogtum Baden an größeren Industrieanlagen sechs Baumwollspinnereien, 13 Baumwollwebereien, drei Tuchmanufakturen, eine Stoffdruckerei, zehn Papierfabriken und elf chemische Fabriken.
1843 gab es allerdings erst rund 10.000 Fabrikarbeiter in ganz Baden. Die meisten Gewerbebetriebe gehörten zum Mittelstand und beschäftigten mit Inhabern und Hilfspersonal rund 150.000 Personen im ganzen Land. Im Gewerbe und in der Industrie spielte Kinderarbeit eine Rolle.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in Karlsruhe das für die bürgerliche Gesellschaft des Biedermeierzeitalters so wichtige Verlagswesen. Wichtige Verleger in Karlsruhe waren David Marx, August Klose, Ludwig Frommel, Wilhelm Creuzbauer und Adolph Bielefeld.
Als sich 1836 die technisch fortschrittliche Schweizer Baumwollindustrie gezwungen sah, für ihre Einfuhr in den nunmehr im deutschen Zollverbund befindlichen badischen Markt Zölle zu bezahlen, entschlossen sich die Schweizer Fabrikanten und Finanziers, neue Textilfabriken in Baden zu errichten, um damit den gesamten deutschen Markt für sich zu erschließen. So errichtete zum Beispiel Wilhelm Geigy ab 1835 eine Spinnerei und Weberei in Steinen. Für die Erzeugung der Energie spielte noch nicht Dampf-, sondern Wasserkraft die entscheidende Rolle. 1844 gab es in Baden bereits 93 Baumwollfabriken mit einer Gesamtzahl der Beschäftigten von 6929.
Nach Plänen von Johann Gottfried Tulla (1770-1828) wurde von 1817 bis 1874 der Oberrhein begradigt und auf Initiative von Max Honsell (1843-1910) weiter reguliert. Der Rhein wurde dadurch zur europäischen Großwasserstraße. Im Jahre 1827 fuhr das erste Dampfschiff auf dem Rhein.
In der Wiener Punktation im Mai 1820 vereinbarten die süddeutschen Staaten die Aufnahme von Verhandlungen für eine Zollunion. Da die Zollunion jedoch 1823 an den unterschiedlichen handelspolitischen Vorstellungen der beteiligten Staaten scheiterte, dauerte es noch bis 1836, ehe Baden dem 1834 gegründeten Deutschen Zollverein beitreten konnte. In der Zeit vor 1836 beteiligte sich Baden somit nicht am Prozess der wirtschaftlichen Integration Deutschlands und pflegte stattdessen als Transitland seine Handelsbeziehungen zu Frankreich und der Schweiz.
Veranstaltung vom 21.11.2017
Erster Badischer Landtag 1819
Tagungsperioden: 22.4.-28.7.1819; 26.6.-5.9.1820.
Am 22. April 1819 trat die Zweite Kammer des badischen Landtags zum ersten Mal zusammen. Die feierliche Eröffnungszeremonie fand auf Einladung Großherzog Ludwigs im Karlsruher Schloss statt. Die Abgeordneten diskutierten in den folgenden Monaten unter Führung von Ludwig von Liebenstein, Johann Georg Duttlinger und Mathias Föhrenbach über Forderungen der liberalen Fraktion. Zum Forderungskatalog gehörte die Einführung von Geschworenengerichten, die Trennung von Justiz und Verwaltung, die Pressefreiheit, die Einführung der Ministerverantwortlichkeit, die Beseitigung der grundherrlichen Rechte des Adels und die Freigabe des innerdeutschen Handels. Damit umrissen die liberalen Parlamentarier bereits Probleme, die die Debatten der kommenden Jahrzehnte bestimmten.
<Liberale Opposition im 1. Badischen Landtag:
Ludwig August Friedrich Freiherr von Liebenstein (* 27. November 1781 in Birkenfeld, Hunsrück; † 26. März 1824 in Durlach) war ein Verwaltungsbeamter und Landtagsabgeordneter des Großherzogtums Baden.
Leben und Wirken
Grabdenkmal von Ludwig Freiherr von Liebenstein auf dem alten Friedhof in Durlach
Ludwig von Liebenstein studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Halle, Jena, Göttingen und Heidelberg. 1800 wurde er Mitglied des Corps Guestphalia Halle.[1] Nach dem Studium trat er beim Oberamt Emmendingen in den badischen Staatsdienst ein. 1807 wurde er Hofgerichtsassessor und ein Jahr später in Mannheim Hofgerichtsrat. 1809 kam er als Kreisrat nach Wertheim. Nach einer kurzen Unterbrechung des Staatsdienstes wurde er 1811 Oberamtmann in Hornberg. 1812 wechselte er als Oberamtmann nach Lahr.
1819 zog Liebenstein als Abgeordneter des Wahlbezirks Emmendingen in die Zweite Kammer der erstmals zusammentretenden Badischen Ständeversammlung in Karlsruhe ein. Von Liebenstein trat für die Trennung von Justiz und Verwaltung, für die Öffentlichkeit und Mündlichkeit gerichtlicher Verfahren sowie für Pressefreiheit und Geschworenengerichte ein.
1821 wurde er in das Innenministerium berufen, aber wegen seiner oppositionellen Haltung im Landtag 1821 auf den Posten des Direktors des Murg- und Pfinzkreises in Durlach versetzt. Die Zweite Kammer wählte ihn daraufhin zu ihrem Vizepräsidenten. Sein Grabmal steht vor der Westseite der Nikolauskapelle auf dem alten Durlacher Friedhof.
Johann Georg Duttlinger
Johann Georg Duttlinger, Stahlstich von W. Hessloehl um 1840
Johann Georg Duttlinger (* 13. April 1788 in Lembach; † 24. August 1841 in Freiburg im Breisgau; katholisch) war ein badischer Jurist und Politiker.
Duttlinger entstammte der Familie eines Landwirts in Lembach und studierte nach dem Besuch der Klosterschule in St. Blasien Rechtswissenschaften an den Universitäten in Freiburg und Heidelberg. In Besançon erwarb er sich praktische Kenntnisse im französischen Recht. Er promovierte zum Dr. iur. und trat nach dem Staatsexamen 1812 als Rechtspraktikant in Emmendingen in den badischen Staatsdienst. 1815 wurde er Hofgerichtsadvokat in Meersburg. 1817 kam er als Privatdozent nach Freiburg und wurde dort 1818 außerordentlicher Professor für Privat- und Wechselrecht. 1819 zum ordentlichen Professur ernannt, erhielt er 1821 den Titel eines Hofrats, 1828 eines Geheimen Hofrats und 1831 eines Geheimen Rats zweiter Klasse.
Von 1819 bis 1823 gehörte Duttlinger für den Amtswahlkreis 6 (Tiengen, Jestetten, St. Blasien, Waldshut) der Zweiten Kammer der Badischen Ständeversammlung an. Von 1825 bis 1828 besaß er ein Abgeordnetenmandat für den Amtswahlkreis 4 (Blumberg, Stühlingen, Bonndorf, Löffingen, Neustadt) und danach von 1831 bis 1841 für den Amtswahlkreis 13 (Freiburg (I), St. Peter). Seiner politischen Orientierung nach zählte Duttlinger am Anfang seiner Abgeordnetentätigkeit zu den Oppositionellen. Er brachte Anträge zur Verminderung der Salzsteuer ein, engagierte sich für die Frauenemanzipation und pochte auf Ministerverantwortlichkeit. Päpstlichen Ansprüchen auf Mitsprache trat Duttlinger scharf entgegen und verteidigte die Rechte des Großherzogs auch in kirchlichen Angelegenheiten. Im gouvernementalen Landtag von 1825 zeigte er sich als Verfechter eines unbeugsamen Liberalismus. Später tendierte er jedoch mehr zur politischen Mitte. Er wurde von der Regierung zum Mitglied der Gesetzgebungskommission berufen und hatte wesentlichen Anteil an den Entwürfen der Zivilprozessordnung, der Strafprozessordnung und des Strafgesetzbuches (1830–39). 1822 und 1828 bis 1840 war Duttlinger Vizepräsident und schließlich 1841 Präsident der Zweiten Kammer.
Mathias Föhrenbach
Mathias Föhrenbach (* 16. April 1766 in Siegelau; † 21. Oktober 1841 in Freiburg im Breisgau) war ein badischer Jurist und Politiker.
Mathias Föhrenbach wurde 1766 als Sohn des gleichnamigen Landwirtes Mathias Föhrenbach in Siegelau bei Emmendingen geboren.
Aufgrund seiner Begabung wurde Mathias Föhrenbach in den Klosterschulen von Tennenbach und Villingen unterrichtet. Im Anschluss studierte er von 1788 bis 1792 Rechtswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau. Zusammen mit seinem Kommilitonen Karl von Rotteck gehörte er zum engeren Kreis um den Dichter und Philosophen Johann Georg Jacobi.
Laufbahn
Mathias Föhrenbachs Laufbahn begann als Syndicus der vorderösterreichischen Stadt Waldshut. Dabei tat er sich besonders bei den Durchzügen der Französischen Truppen in den Koalitionskriegen hervor und erhielt dafür das Bürgerrecht der Stadt. 1803 nach dem Übergang des Breisgaues an den Fürsten von Modena bis 1806 wirkte Mathias Föhrenbach als erzherzoglich österreichischer Rechten-Rat in Freiburg. 1806 wurde er nach dem Übergang an Baden als kurfürstlich badischer Justizrat übernommen und versah dann das Amt eines Oberamtmannes des Kreises Säckingen, Laufenburg und Schönau. 1819 wurde Mathias Föhrenbach als Oberhofgerichtsrat nach Mannheim berufen. 1822 bis 1823 und noch einmal 1831 war Mathias Föhrenbach Präsident der Zweiten Kammer der Badischen Ständeversammlung. Nach seiner Zurruhesetzung 1835 verbrachte Mathias Föhrenbach seinen Lebensabend in Freiburg, wo er 1841 verstarb.
Familie
Mathias Föhrenbach war seit 1797 mit Nannette Brogli aus Waldshut verheiratet. Auf Empfehlung seines Freundes Philipp Jakob Nabholz ließ er seine beiden Söhne bei Pestalozzi in Yverdon erziehen.
Die weitgehende Ablehnung des Forderungskatalogs durch die konservative Regierung Wilhelm Ludwig Leopold Freiherr von Berstett drängte den Liberalismus in die Opposition. Unter den sich oppositionell verhaltenden Abgeordneten waren auch einige Beamte. Dies beunruhigte die badische Regierung und deshalb suchte sie beim Deutschen Bund um Unterstützung nach. Am 28. Juni 1819 verschob der Großherzog weitere Sitzungen des Landtags auf einen späteren Zeitpunkt.
< Wilhelm Ludwig von Berstett
Wilhelm Ludwig Leopold Freiherr von Berstett, Lithographie von Friedrich Lieder, ca. 1830
Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard Freiherr von Berstett (* 6. Juli 1769 in Berstett; † 16. Februar 1837 in Karlsruhe) war ein badischer Staatsmann und Ministerpräsident.
Seine Eltern waren der bayerische Geheime Rat Phillip Jakob Reinhard von Berstett (1744–1840) und dessen Ehefrau Caroline Christine von Dettlingen (1753–1825). Sein Vater war der letzte Stättmeister (Bürgermeister) von Straßburg.
Leben
Berstett besuchte die Universität Straßburg und war von 1785 bis 1791 im Dienste des französischen Königs tätig. Anschließend wechselte er nach Österreich, wo er bis 1804 im Militär diente. 1809 erhielt er den Posten des Kammerherrn der Großherzogin Stephanie von Baden (* Beauharnais) und wurde 1814 Mitglied der diplomatischen Corps, wo er Geheimrat und Gesandter war. 1815 nahm er als Gesandter Badens in Paris an verschiedenen Konferenzen teil und wurde 1816 zum badischen Gesandten am Bundestag ernannt. Am 15. Juli 1817 wurde er nach Karlsruhe zurückgeholt, übernahm das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und wurde 1820 Ministerpräsident Badens. 1818 wirkte er zusammen mit anderen badischen Politikern wie Nebenius maßgeblich beim Entwurf einer Verfassungsurkunde mit. Er nahm am Aachener Kongress teil, bei dem er zur Anerkennung der Hochberg-Linie in Europa beitrug. Im Jahre 1819 wurde Berstett vom badischen Großherzog zum Mitglied der Ersten Kammer der Badischen Ständeversammlung ernannt und eröffnete den ersten Landtag in Karlsruhe. Außerdem beteiligte er sich am Karlsbader Kongress und den Wiener Konferenzen von 1820.
Am 13. Februar 1831 wurde Berstett sowohl aus gesundheitlichen Gründen als auch wegen interner Streitigkeiten aus dem Staatsdienst entlassen. Er starb am 16. Februar 1837 in Karlsruhe an den Folgen eines Schlaganfalls.>
Mit der Wiener Schlussakte scheiterte ein Versuch der badischen Regierung, ein generelles Verbot von Repräsentativverfassungen durchzusetzen. Damit wäre die Revision der bestehenden Verfassung von 1818 möglich geworden, doch garantierte die Schlussakte auf Druck von Bayern und Württemberg die bereits bestehenden Verfassungen der Staaten des Deutschen Bundes.
Am 26. Juni 1820 wurde die zweite Sitzungsperiode des Landtages eröffnet. Sie wurde überschattet von Versetzungen, Urlaubsverweigerungen und sogar Verhaftungen missliebiger Abgeordneter. Die Regierung Berstett musste jedoch bald einlenken, da der Deutsche Bund ihre Politik nicht ausreichend unterstützte. Die Zweite Kammer kam der badischen Regierung nun etwas entgegen und vermied künftig eine Fundamentalopposition.
Karl Friedrich Freiherr von Fischer (* 3. Dezember 1756 in Karlsruhe; † 9. Oktober 1821 ebenda) war ein badischer Minister.
Im April 1819 wurde Fischer von Großherzog Ludwig in den erblichen Freiherrenstand erhoben und zum Finanzminister ernannt. In den Sitzungen des 1. und 2. badischen Landtags 1819 und 1820 war Fischer eines der vom Großherzog ernannten Mitglieder der ersten Kammer der badischen Ständeversammlung. Die Kritik des 1. badischen Landtages von 1819 an seinem Budgetentwurf veranlasste ihn, dem Großherzog einen Verfassungsbruch zur Entmachtung der badischen Ständeversammlung vorzuschlagen, was aber im Kabinett keine Mehrheit fand.
Karl Friedrich Nebenius
Karl Friedrich Nebenius (* 29. September 1784 in Rhodt; † 8. Juni 1857 in Karlsruhe) war ein badischer Beamter, liberaler Staatsminister und Freimaurer.
Als Sohn von Johann Wilhelm Nebenius (Hofrat, badischer Amtmann in Rhodt und Mahlberg) geboren, war Nebenius nach einem juristischen Studium in Tübingen zwischen 1807 und 1849 in verschiedenen Positionen im badischen Staatsdienst tätig.
Er war der Autor der badischen Verfassung von 1818, entwarf die badische Maßordnung von 1828 und reformierte das Bildungswesen des Großherzogtums. Unter anderem führte er im Jahr 1832 eine umfassende Reorganisation der Polytechnischen Schule in Karlsruhe durch. Die Verbesserung der Infrastruktur war ein weiteres Tätigkeitsfeld von Nebenius. Er betrieb den Beitritt Badens zum Deutschen Zollverein 1836, den staatlich finanzierten Bau der badischen Eisenbahn von Mannheim nach Basel sowie den Bau des Mannheimer Hafens.
1807 trat Nebenius als Geheimer Sekretär beim Finanzdepartement in den badischen Staatsdienst und nutzte 1809 einen längeren Urlaub zu einem Aufenthalt in Paris und Besançon, um dort den Geschäftsgang der französischen Behörden zu studieren. Nebenius lernte sozusagen in der Praxis beim Administrator der Departments Doubs und Bas-Rhin, dem früheren Abgeordneten der französischen Nationalversammlung Jean Antoine Joseph Debry. Debry, der zugleich der Provinzialgroßmeister für Burgund des französisch-schweizerischen Freimaurerordens „Chevaliers bienfaisants de la Cite Sainte“ und Meister vom Stuhl der Freimaurerloge „Sincérité et la Parfaite Union“ in Besançon war, führte Nebenius während dieser Zeit in die Freimaurerei. 1810 zum Kreisrat in Durlach ernannt, wurde er 1811 in das Finanzministerium berufen, wo er mit dem späteren Finanzminister Christian Friedrich Böckh schwierige und komplizierte Aufgaben auf dem Gebiete der Organisation und der Gesetzgebung löste.
Es gehörten dazu die umfassende Revision des Steuerkatasters, die Einleitungen zum Vollzug der Gesetzgebung über die indirekten Steuern und die Umgestaltung des gesamten Staatsrechnungswesens. Dies waren gewaltige Aufgaben, wenn man bedenkt, dass einheitliche Richtlinien für eine Vielzahl von Territorien einzuführen waren, die bisher nicht zu Baden gehörten. Dies geschah in einer Zeit, in welcher die durch die napoleonischen Kriege und ihre Folgen der Staatskasse wie den Bewohnern des Landes auferlegten Lasten sich bis zum Unerträglichen steigerten.
Die gründliche Kenntnis des Wirtschaftslebens nicht nur des eigenen Landes und der Nachbarstaaten, sondern auch – nach damaligen Begriffen – ferner Länder wie Großbritannien, belegten seine diesbezüglichen Veröffentlichungen. 1820 erschien sein klassisches Werk über den „öffentlichen Credit“, das Heinrich von Treitschke auf eine Stufe mit dem Werke David Ricardos stellt und als „eine unschätzbare Schule streng methodischen Denkens rühmt“, Wilhelm Roscher als „die beste Monographie in der volkswirthschaftlichen Literatur Deutschlands“ bezeichnete.
Als besonders herausragend gelten zudem Nebenius „Bemerkungen über den Zustand Großbritanniens in staatswirthschaftlicher Hinsicht“ (1818), eine Schrift, welche auch Deutschlands Handelsverhältnisse berührte und Verkehrsfreiheit im Innern, Grenzzölle nach Außen unter Einführung eines gemeinsamen Mauthsystemes an den Grenzen verlangte, und die (erst 1833 im Buchhandel veröffentlichte) Denkschrift über das deutsche Zollwesen.
Nebenius erschien ein deutscher Zollverein als das wirksamste Mittel zur Rettung aus dem herrschenden Notstand, unter dem Handel und Industrie Deutschlands zu erliegen drohten. Nebenius schwebte ein kleindeutscher Zollverein unter Ausschluss Österreich-Ungarns vor, wobei dieses Kaiserreich dem Zollverein per Handelsvertrag assoziiert werden sollte. Indem Nebenius in seiner Denkschrift die Notwendigkeit der Zollgemeinschaft betonte, wies er auch die Möglichkeit und die Bedingungen der Ausführung als erster deutscher Staatsmann nach.
Wenn auch später die Gestaltung des späteren großen Deutschen Zollvereins von den Gedanken, denen Nebenius in jener Denkschrift Ausdruck gab, mannigfach abwich, so durfte ihr Urheber sich doch nach Abschluss des preußisch-hessischen Zollbundes der Anerkennung seiner Arbeit durch keinen Geringeren als Friedrich Eichhorn erfreuen, welcher am 28. November 1833 schrieb: „Zur großen Genugthuung wird es dem Verfasser gereichen, wenn er aus den Verträgen der jetzt zu einem gemeinsamen Zoll- und Handelssystem verbundenen Staaten ersehen wird, wie vollständig nunmehr die Ideen ins Leben getreten sind, welche von ihm schon im J. 1819 über die Bedingungen eines deutschen Zollvereins gehegt und bekannt gemacht worden sind.“
1838-39 und 1845-46 leitete er als Staatsminister (heute würde man sagen: Ministerpräsident) die badischen Regierungsgeschäfte. Im Oktober 1839 musste er auf Grund von Meinungsverschiedenheiten mit seinem konservativen Gegenspieler, Außenminister Friedrich Landolin Karl von Blittersdorf zurücktreten.
Im Rahmen der Revolution von 1848/1849 wurde Nebenius aus dem Staatsdienst entlassen. Er war Mitglied der Freimaurerloge Carl zur Eintracht in Mannheim und Leopold zur Treue in Karlsruhe. Nebenius hatte maßgeblichen Anteil daran, dass Freimaurerlogen im Großherzogtum Baden wieder öffentlich zugelassen wurden.
Zweites Heft, Karlsruhe 1819:
Verh.d.Stände-Vers.d.Gh.Baden, Prot.2.Kammer
S. 149 7.5.1819 Nebenius legt Entwurf eines neuen Zollgesetzes mit Entwicklung der Motive vor; Beilage 42a, b, 43
S. 151-212 Entwurf einer Zollordnung 42 a, b
S. 213-226 Beil.43 zum Protocoll vom 7. Mai 1819: Motive
Kostenaufwand für badische Zollgrenze
S. 220 Welche Meynung man auch über die Frage im Allgemeinen haben mag, so ist wenigstens für einen Staat von der Lage und der Ausdehnung des Großherzogthums, die Herstellung eines strengen, sogenannten vollkommenen Mauthsystems ebenso verwerflich als unausführbar. Ein Land, wie das Großherzogthum, dessen Grenzen auf 272 Quadratmeilen nicht weniger als ungefähr 340 Stunden betragen, kann die Kosten, die ein wirksames Prohibitivsystem erfordert, nimmermehr aufwenden.
Veranstaltung vom 22.11.2017
Zweites Heft, Karlsruhe 1819:
Verh.d.Stände-Vers.d.Gh.Baden, Prot.2.Kammer
2.Heft, Karlsruhe 1819
S. 149 7.5.1819 Nebenius legt Entwurf eines neuen Zollgesetzes mit Entwicklung der Motive vor; Beilage 42a, b, 43
S. 151-212 Entwurf einer Zollordnung 42 a, b
S. 213-226 Bei1.43 zum Protocoll vom 7. Mai 1819: Motive
Kostenaufwand für badische Zollgrenze
S. 220 Welche Meynung man auch über die Frage im Allgemeinen haben mag, so ist wenigstens für einen Staat von der Lage und der Ausdehnung des Großherzogthums, die Herstellung eines strengen, sogenannten vollkommenen Mauthsystems ebenso verwerflich als unausführbar. Ein Land, wie das Großherzogthum, dessen Grenzen auf 272 Quadratmeilen nicht weniger als ungefähr 340 Stunden betragen, kann die Kosten, die ein wirksames Prohibitivsystem erfordert, nimmermehr aufwenden.
Kritik an Kontrollanstalten
S. 221 Gutachten des “Handelsstand{es) der vorzüglichsten Städte des Landes gehört”. “Eine der vorzüglichsten Rücksichten, die man nehmen zu müssen glaubte, ist die Verhütung der Defraudationen, durch Einrichtungen, die, indem sie den Reiz dazu schwächen, den Mangel der Kontrollanstalten weniger fühlbar machen, den nachtheiligen Einfluß dieser Auflagen auf die Moralität und für den redlichen Gewerbsmann die Gefahr entfernen, daß er durch den unredlichen in der Concurrenz verdrängt werde.
Die bestehenden Kontrollanstalten sind mangelhaft, aber die Vervielfältigung und Schärfung derselben würden dem Handel lästiger fallen, als selbst die Abgaben, und die Administrations- und Aufsichtskosten bedeutend erhöhen.
Diese betragen 11 bis 12 Prozent der Bruttoeinnahmen.
Zollunterschlagung nicht beherrschbar
Ob nun durch schärfere Kontrolle ein höherer Ertrag erzielt werde, ist ungewiß, da die List und Verschmiztheit der Contravenienten der Ausbildung und Verfeinerung der Kontrollen nachrücket; gewiß aber ist, daß die Mehreinnahme, die vielleicht dadurch bezweckt werden könnte , in unfruchtbarem Aufwand für das vermehrte Personale wieder aufgehen würde.
S. 222 Auch aus diesen Gründen mußten überspannte Abgabensätze vermieden werden so sehr sie auch von einzelnen Gewerben reklamirt wurden; damit nicht der erhöhte Reiz zu Unterschleifen, zur Nothwendigkeit kostbarer Sicherungsanstalten führe.
Drittes Heft, Karlsruhe 1819:
- S. 8 13.5.1819 Abg. Griesbach erstattet Kommissionsbericht über Lotzbecks Antrag zur Freiheit des Handelverkehrs im Innern Deutschlands.
Wilhelm Christian Griesbach (* 8. April 1772 in Karlsruhe; † 16. April 1838 ebenda) war der erste Oberbürgermeisterder Stadt Karlsruhe.
Griesbach war Inhaber von Tabakfabriken in Karlsruhe und Ettlingen sowie einer Lederfabrik in Rüppurr. Er war 1812 einer der Mitbegründer der ersten Karlsruher Musikschule und 1813 der späteren Handelskammer. Griesbach wurde 1818 Vorstandsmitglied des neugeschaffenenBadischen Kunstvereins und wurde 1819 Mitglied der Badischen Ständeversammlung, des ersten badischen Landtags. Im Jahr 1833 wurde auf seine Initiative hin ein Pfründnerhaus eröffnet, welches Alten und Armen Hilfe bot. Griesbach wurde 1809 erst als zweiter Karlsruher Bürgermeister überhaupt, nach Johannes Sembach, direkt gewählt. Die wachsenden Aufgaben der Stadtverwaltung brachten diese dazu ab 1812 einen zweiten Bürgermeister einzustellen. Griesbach trug daher ab 1812 die Bezeichnung Oberbürgermeister und wurde damit der erste Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe.
Karl Ludwig Freiherr von Lotzbeck, Kaufmann, Politiker, Ehrenbürger, * 20. Februar 1786 Lahr, † 18. Januar 1873 München, ev., verh., 1 Sohn.
Lotzbeck trat 1809 als Gesellschafter in das vom Vater 1774 in Lahr gegründete Tabakunternehmen „Lotzbeck, Gebrüder“ ein. Als sich der Vater 1818 zur Ruhe setzte, übernahm er mit dem Bruder Ferdinand Freiherr von Lotzbeckdie Geschäftsführung. Schon nach kurzer Zeit zog er sich aus dem Unternehmen zurück, um sich verstärkt der Politik zuzuwenden. Als Abgeordneter der Zweiten Kammer für den Stadtkreis Lahr stellte er in der ersten Legislaturperiode der Badischen Ständeversammlung 1819 den Antrag auf Handelsfreiheit innerhalb Deutschlands und Schaffung eines deutschen Zollvereins. Bald übersiedelte er nach Augsburg und später nach München. 1826 erwarb er das Schloss Weyhern im oberbayerischen Egenhofen. Gemeinsam mit dem Bruder Ferdinand unterstützte er in den 1830er-Jahren großzügig die Errichtung einer Gewerbeschule in Karlsruhe, wofür ihm am 1. März 1834 das Ehrenbürgerrecht der Stadt Karlsruhe verliehen wurde. Von 1834-1848 gehörte er als erblicher Reichsrat der Krone Bayern der Ersten bayerischen Kammer an. Vor allem als Förderer der Kunst und Wissenschaft machte er sich einen Namen. Seit 1962 erinnert im Stadtteil Grünwinkel die Lotzbeckstraße an das Wirken der beiden Brüder.
Zollerhebung in alter Zeit
S. 40-45 13.5.1819 Beilage Nro. 66 zum Protocoll vom 13. May 1819. Kommissionsbericht.
Es gab in unserm deutschen Vaterlande eine Zeit, und wir erinnern uns ihrer, wo die große Mehrzahl der Nation, von Mauthen und Zollsystem nur durch Hörensagen wußte. Man zahlte wohl ein mäßiges Weggeld unter dem Namen Landzoll, meist nach dem Gewicht der Waare oder Anzahl der Pferde, man hatte wohl Kauf-Häuser und Krahnen zur Bequemlichkeit des Handels, aber keine Waarengefängnisse, man hatte Weggeldeinnehmer: aber keine spürende Diener gewaltiger Zollbeamten.
Übergang größerer Staaten zum Protektionismus
Die größeren Staaten: Österreich und Preußen, ahmten zuerst den Eingriffen Englands und Frankreichs in die natürliche Freiheit des menschlichen Verkehrs nach, und die einfachen Grundsätze: daß eine Nation nicht stets kaufen kann, sondern auch verkaufen muß, daß die Natur ihre Gaben theilweise gespendet hat, und daß eine Menge einzelner Ereignisse und Bestimmungen die vortheilhafte Hervorbringung der Tausenden von Bedürfnissen eines Europäers an verschiedene Gegenden geknüpft hat, / S. 41 wurden eben so sehr vergessen als die Lehre, daß gegenseitige Beschränkungen Feinde einer wohlberechneten Staatswirthschaft sind.
Übel der Zollschranken nach Wiener Kongress evident
… erst jetzt, nach dem mit gemeinsamer Anstrengung errungenen Frieden, überzeugt uns eine in diesem Bezug nicht erfreuliche Gegenwart von der Größe dieses Übels, herbeigeführt durch den ehemaligen Einfluß fremder Gewalt.
Wenn ein großer Staat im Besitz verschiedenartiger zusammenhängender Provinzen bey verhältnißmäßig wenigem Gränzland, den größten Theil derjenigen Bedürfnisse hervorbringt, welche in Europa für seinen viel bedürfenden Bewohner erzeugt werden können, so ist die Vertheidigung eines Douanensystems wenigstens thunlich; zu Deutschland zählt sich nur ein Staat dieser Art mit einem Theil seiner Provinzen – Österreich.
Gemeinsame deutsche Außenhandelspolitik
S.43 Ein Staatskörper, welcher gegen fremde Mächte bestehen will, muß in sich seine Kräfte nicht schwächen. Unser gemeinsames deutsches Vaterland ist durch eine schöne Übereinstimmung des deutschen Volkes frei von fremder Übergewalt geworden; und diese Einigkeit soll durch Fortbestand gehässiger Beschränkungen nur in der Geschichte fortleben?
Freiheit um Freiheit, Zwang gegen Zwang müßte die Wahl seyn, welche der deutsche Staatenbund dem Ausland anböte; wird das letztere vorgezogen, so können gegen alle Staaten, welche uns ihren Douanengesetzen unterwerfen wollen, gemeinschaftliche Gegenanstalten an Deutschlands Grenzen getroffen werden…
S. 90-96 17.5.1819 Beilage Nro. 81 zum Protocoll vom 17. May 1819. Rede Liebensteins zum Antrag von Lotzbeck.
Ruf nach Freiheit und Handelsfreiheit im Deutschen Bund nach Sturz Napoleons
S.92 Als es <das deutsche Volk> vor 6 Jahren aus einem langen schweren Traum fremder Knechtschaft zu dem Bewußtseyn seines Werthes, zu dem Gefühl seiner innern Stärke erwacht war, da richtete es an seine Herrscher laute einstimmige Wünsche für die Gründung eines politischen Zustandes, worin die gesammte Volkskraft sich im Innern frei entwickeln und nach Außen gegen jeden die National-Unabhängigkeit bedrohenden Feind fest zusammenschließen könne. Laut und einstimmig erscholl der Ruf der deutschen Nation nach / S. 93 Herstellung eines völlig freien Verkehrs zwischen den Staaten des Bundes, nach Vertilgung jener unwürdigen Schranken, welche bisher alle Bewegung der Volkskraft gelähmt, und die gemeinschaftlichen Söhne einer edeln Mutter sich gegenseitig entfremdet, und oft feindselig gegenüber gestellt hatten.
Fünftes Heft, Karlruhe 1819:
- S. 41 11.6.1819 Bekanntmachung des Erlasses der 1. Kammer zur Motion von Lotzbeck. Beilage 175 (nicht gedruckt).
Sechstes Heft, Karlsruhe 1819:
- S. 113 26.6.1819 Reskript des gh. Ministerium zur Freiheit des Handels. Beilage 272.
S. 141f. 26.6.1819 Beilage Nro. 272. Zum Protocoll vom 26. Juny 1819.
Siebentes Heft, Karlsruhe 1819:
Badisch-bayerische Handelsbeziehungen
S. 129 10.7.1819 Abg. Schlundt entwickelt Motion die Handelsverhältnisse des Main- und Tauberkreises insbesondere gegen das Kgr Baiern betr. Beil. Nr. 382
S. 144-148 10.7.1819 Beilage Nro. 382. Zum Protocoll vom 10. Juli 1819
Zehntes Heft, Karlsruhe 1819:
S. 116 27.7.1819 Abg. Griesbach namens der Kommission, Bericht über Teile der Zollordnung. Beil. 488.
S. 133-136 27.7.1819 Beilage Nro. 488. Zum Protocoll vom 27. Juli 1819.
Verhandlungen … <1820>
Zweites Heft, Karlsruhe 1820:
S. 124-129 10.7.1820 Gesetzesvorschläge und Anträge der I. Kammer <zum Zollgesetz> Diskussion
Handelsfreiheit in Süddeutschland soll mit Einheit von Maß und Gewicht verbunden sein
S.124 Das was hauptsächlich wünschenswerth sey, nemlich, daß die Bundesstaaten, welche wegen der Handelsfreyheit einen Verein abzuschließen bereit seyen, auch sich über ein in ihren Staaten einzuführendes gleiches Maas und Gewicht vereinbaren möchten, werde hoffentlich auf dem Congreß in Darmstadt zur Sprache kommen.
Regierungsbemühungen um deutsche Handelsfreiheit
S. 111-113 17.8.1820 Dankadresse an gh Regierung betr. Herstellung des freien Verkehrs in Dt.
Verhandlungen der Stände-Versammlung des Großherzogthums Baden. Enthaltend die Protokolle der Zweyten Kammer mit deren Beylagen von ihr selbst amtlich herausgegeben.
Erstes Heft, Karlsruhe 1819:
Freier Handelsverkehr zwischen einigen Bundesstaaten
- S. 92 30.4.1819 Antrag Lotzbeck auf freien Handelsverkehr im Kern der deutschen Bundesstaaten; Beilage 14
S. 96 30.4.1819 Beil. 14
S. 104-106 3.5.1819 Rede Lotzbecks
S. 116-118 3.5.1819 Beil. 27
Deutscher Handels- und Gewerbeverein
S. 67f. 14.5.1819: Vortrag, Diskussion und Beschluss über die Petition des Deutschen Handels- und Gewerbevereins.
2. Heft, 1819:
S. 175f. 29.5.1819 Handels- und Gewerbeverein.
Zollerhöhung auf französischen Wein
S. 127 5.5.1819 Kommission zu Antrag auf freien Handelsverkehr; Antrag Blankenhorn auf Erhöhung des Eingangszolles von frz Weinen
S. 49f. 17.5.1819 Diskussion über Lotzbecks Motion.
Kritik an Hausierhandel
S. 143-172 14.7.1820 Disskussion über Bericht des Abg. Witzemann wg. Hausierhandel.
Christoph Friedrich Witzenmann (1778–1856) in Pforzheim. Dieser betrieb seit 1803 eine Handelsgesellschaft und wurde 1829 Mitgründer der Handelsvereins, einem Vorläufer der Handelskammer. Zudem war Christoph Friedrich Witzenmann erster Abgeordneter Pforzheims im badischen Landtag.
Weiter schreibt er (Oechsle): „Auf mein Guthaben von 136 Gulden 57 Kreuzer werde ich eine Anweisung 1 Monat nach Dato auf dem Kassier des dortigen Gewerbeverein, Ordre des Herrn C. F. Witzenmann abgeben“. Hier bezieht sich Oechsle auf Christoph Friedrich Witzenmann (1778–1836), Kaufmann in Pforzheim, der als Mitglied der 2. Kammer des Badischen Landtages von 1819 bis 1823 und von 1831 bis 1833 den Wahlkreis Stadt Pforzheim vertrat.
S.146 Griesbach, <Hausieren überholt, hoher Grad der Selbstversorgung> Es bleibe daher dem Hausirer nichts übrig, als entweder die Kaufleute zu betrügen, von welchen er auf Credit kaufte, oder aber die Abnehmer; beydes geschehe, wie die tägliche Erfahrung lehrte, und besonders letzteres mit allen Kniffen einer feinen Jaunerey – die Gewohnheit der Unredlichkeit, das öftere Zusammentreffen mit Vaganten und lüderlichem Gesindel, und zuweilen die Noth – so oft das Grab der Moralität – bilde den Hausirer häufig zum Diebshehler und Verkäufer gestohlener Sachen oder zum Bettler.
Sechstes Heft, Karlsruhe 1820:
Einfuhr französische Weine
S. 54-66 16.8.1820 Abg. Adrians erstattet Kommissionsbericht zu Antrag des Abg. Blankenhorn betr. Abgaben auf frz Weine.
Siebentes Heft, Karlsruhe 1820:
Einfuhr französischer Weine
S. 41-72 19.8.1820 Diskussion über den Kommissionsbericht des Abg. Adrians wg Erhöhung des Einfuhrzolls auf frz Weine
Johann Josef Adrians
Johann Josef Adrians (* 1756; † 24. Mai 1827 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Politiker und von 1806 bis 1824 der erste Oberbürgermeister Freiburgs.
Politische Tätigkeit
Viele Freiburger konnten sich mit dem Übergang des Breisgaus an Baden nicht abfinden und trauerten der „milden Hand“ des Hauses Österreich nach. Schließlich mussten die zähringischen Wurzeln des Hauses Baden herhalten, wie Johann Georg Jacobi dichtete: „Die seit Jahrhunderten getrennten Schilde vereinen wieder sich“, um den protestantischen Norden Badens mit dem katholischen Breisgau zu vermählen. Es waren diese gemeinsamen Wurzeln die Oberbürgermeister Andrians in seiner Schlussansprache am 30. Juni 1806 auf dem Münsterplatz anlässlich der Vereidigung der Stadt auf den Kurfürsten Karl Friedrich wieder einmal bemühte: “Wir, die Freyburger, haben Anhänglichkeit dem würdigsten Abkömmling jenes hohen Zähringer Stammes gelobt, dem unsere alte Gemeinde ihre Gründung, ihre Ausstattung, ihre seither dauernde Munizipalverfassung, den bisher ehrenvoll behaupteten Namen der Breisgauischen Hauptstadt, und dieses ewig sprechende Denkmal der Fürstengröße und Liebe, den Tempel (das Münster), vor dem wir hier versammelt stehen, zu verdanken hat.” Ein Jahr später wurde als Zeichen der Treue in Freiburg der Bertoldsbrunnen eingeweiht.
Als sich Napoleons Niederlage abzeichnete und die alliierten Truppen mit ihren gekrönten Häuptern durch die Stadt zogen, empfingen die Freiburger den österreichischen Kaiser Franz I. überschwänglich. Karl von Rotteck schürte das Feuer in einem anonymen Flugblatt: ” Männer und Weiber, Kinder und Greise weinten, Unbekannte umarmten sich wie Freunde, Fremde wurden Brüder!” In froher Erwartung der Wiedervereinigung prägte die Freiburger Münze bereits eine Medaille mit den Inschriften: “Zum Andenken der Wiedervereinig: Breisgaus mit Oestreich. Freyburg 1815″ mit einer auf einem Sockel stehenden Büste Franz I. “Treue und Liebe”. Im Sockel ist eingemeißelt: “Unsre Wünsche sind erfüllt.”
Nun zeigt sich, dass Adrians Rede im Jahre 1806 ein politisches, und kein Herzensbekenntnis gewesen war. Als der Kaiser auf seiner Rückreise von Paris nach Wien Anfang Juni 1814 in Basel Station machte, reisten Oberbürgermeister Adrians und fünf weitere städtische Abgeordnete dorthin, um Franz I. untertänigst um die Wiedervereinigung Freiburgs und des Breisgaus mit Österreich zu bitten. Der Kaiser entließ die Delegation nicht ohne Hoffnung, doch „möge man unterdessen für Ruhe, Ordnung, Unterwürfigkeit sorgen und alle voreilige Spektakel verhüten“. Nur durch persönliche Intervention Franz I. bei der badischen Regierung entging Adrians seiner Absetzung als Bürgermeister.
Bei den ersten und zweiten Wahlen zur Badischen Ständeversammlung wurde Adrians in die zweite Kammer, die Volkskammer, gewählt.
Rechtfertigung einer Retorsion gegenüber Frankreich
S.62 von Liebenstein: In Beziehung auf Frankreichs feindseliges Zollsystem sey jede Retorsion erlaubt, die unser eigenes Interesse nicht untersage.
Badischer Weinhandel
Ignaz von Gleichenstein
Ignaz von Gleichenstein, Lithographie von Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld, 1809
Ignaz Freiherr Gleichauf von Gleichenstein (* 24. Mai 1778 in Staufen im Breisgau; † 3. August 1828 in Heiligenstadt bei Wien) war ein deutscher Jurist und Beamter und einer der engsten Freunde von Ludwig van Beethoven.
Gleichenstein war ein Sohn des Juristen Carl Benedict Freiherr Gleichauf von Gleichenstein (1725–1813), der als Oberamtmann in Staufen und Freiburg tätig war. Von 1794 bis 1798 studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Freiburg und ließ sich im August 1800 in Wien nieder, wo er im November 1801 eine Stelle als Konzipist im k. k. Hofkriegsrat erhielt. Zu seinen Kollegen gehörte Beethovens Freund Stephan von Breuning. Etwa 1807 lernte er Beethoven ebenfalls kennen und wurde einer der wenigen Freunde des Komponisten, die dieser duzte. Gleichenstein unterzeichnete neben Beethoven den Verlagsvertrag, den dieser am 20. April 1807 mit Muzio Clementi schloss. Daneben setzte er für Beethoven den Vertrag auf, der diesem ab März 1809 eine lebenslange Pension durch die drei Gönner Erzherzog Rudolph, Fürst Joseph Lobkowitz und Fürst Ferdinand von Kinsky garantierte.
Zeichen der engen Freundschaft ist die 1808 vollendete Sonate A-Dur op. 69 für Violoncello und Klavier, die Gleichenstein gewidmet wurde. Wie durch Julius Schneller, einen Freund der Familie überliefert ist, versah Beethoven das für Gleichenstein bestimmte Exemplar der Erstausgabe mit der Aufschrift: „Inter Lacrimas et Luctum“ (Unter Tränen und Trauer).
Durch Gleichenstein lernte Beethoven Ende 1809 auch Therese Malfatti kennen, da Gleichenstein häufig in der Familie Malfatti verkehrte und am 28. Mai 1811 Thereses Schwester Anna Malfatti (1792–1869) heiratete.
Im Sommer desselben Jahres zog das Paar nach Freiburg und Oberrotweil ins heutige Weingut Freiherr von Gleichenstein, um die Verwaltung der elterlichen Güter zu übernehmen. Beide kehrten aber häufig nach Wien zurück. Anfang 1827 reiste Ignaz von Gleichenstein erneut nach Wien, um Beethoven auf seinem letzten Krankenlager zu besuchen. Zuletzt suchte er selbst noch Hilfe bei Beethovens langjährigem Arzt Johann Malfatti.
Gleichenstein besaß eine Replik des zweiten Beethoven-Porträts von Willibrord Joseph Mähler aus dem Jahre 1815.
Ignaz von Gleichenstein betätigte sich auch politisch und besaß von 1819 bis 1823 ein Mandat in der Zweiten Kammer der Badischen Ständeversammlung.
Von Gleichenstein: Um ein solches Zollsystem zu halten, sey unser Land zu klein und seine Lage gar nicht geeignet. Auch würde es keinen anderen Erfolg haben, als daß der Weinhandel sich in andre Länder ziehe und von uns verschwinde, und doch werde in unserem Lande jährlich eine ungeheure Quantität Wein gewonnen, den zum Vortheil der Producenten der Weinhandel an auswärtige Consumenten speditiren müsse.
Achtes Heft, Karlsruhe 1820:
S. 92-97 28.8.1820 Abg. Griesbach, Kommissionsbericht über den Entwurf der neuen Zollordnung.
Verhandlungen der Ständeversammlung des Großherzogthums Baden. Enthaltend die Protokolle der Ersten Kammer mit deren Beylagen von ihr selbst amtlich herausgegeben,
Karlsruhe 1819.
1. Heft, 1819:
5. Heft, Karlsruhe 1820:
Zoll auf französische Weine
Ignaz Heinrich Karl, Freiherr von Wessenberg (* 4. November 1774 in Dresden; † 9. August 1860 in Konstanz) war ein aufgeklärter römisch-katholischer Theologe aus schwäbischem Adel. Sein Bruder war der österreichische Minister Johann von Wessenberg.
Leben und Werk
Wessenberg studierte Theologie in Augsburg, Dillingen, Würzburg und Wien. 1801 wurde er von Fürstbischof Karl Theodor von Dalberg zum Generalvikar des Bistums Konstanz ernannt, doch erst 1812 empfing er die Priesterweihe. Auf dem Wiener Kongress bemühte er sich in Dalbergs Auftrag um die Herstellung einer deutsch-katholischen Nationalkirche unter deutschem Primas. Infolgedessen versagte der Papst sowohl seiner Wahl zum Koadjutor 1814 wie zum Bistumsverweser 1817 die Bestätigung. Bis zur Auflösung des Bistums Konstanz 1821 schützte ihn die badische Regierung in der Ausübung seines Amtes. In der Folge gelang es nicht, ihn zum Erzbischof von Freiburg zu machen, da er vom Papst abgelehnt wurde.
Seitdem lebte er in Konstanz als Privatmann und erhielt am 28. Juli 1832 die Ehrenbürgerrechte der Stadt Konstanz verliehen.
Seine Gemäldesammlung stiftete er dem Großherzog Friedrich von Baden, der im Gegenzug 20.000 Gulden für wohltätige Zwecke gab. Der Großherzog bewilligte den Verbleib der Sammlung in Konstanz. Heute werden etwa 80 Gemälde zu dem der Zähringer Stiftung unterstehenden Bestand der Städtischen Wessenberg-Galerie gerechnet.
Wessenberg verfasste insgesamt rund 470 Publikationen und war Mitarbeiter der Freymüthigen Blätter über Theologie und Kirchenthum.[5] Seine umfangreiche Privatbibliothek von über 20.000 Bänden vererbte er der Stadt Konstanz, die sie pflegte und erweiterte. Zudem stiftete er die Wessenberganstalt. Seit dem Jahr 2000 ist die Wessenberg-Bibliothek als geschlossener Buchbestand in der Bibliothek der Universität Konstanz für Forschungszwecke zugänglich.
In Erinnerung an seine Person sind in Konstanz die Straße an dem ehemaligen Wohnhaus sowie eine Schule in Konstanz nach Wessenberg benannt.
Vertreter der katholischen Kirche in der Ersten Kammer 1819
S. 790-796 30.8.1820 Wessenberg, Kommissionsbericht wg Aufhebung des hohen Eingangszoll auf frz Weine.
S. 857-867 31.8.1820 Diskussion über Eingangszölle.
6. Heft, Karlsruhe 1820:
S. 915f. 1.9.1820 Beilage Nr. 91. Eingangszoll auf frz. Weine
Veranstaltung vom 28.11.2017
Das Großherzogtum Hessen, auch Großherzogtum Hessen-Darmstadt genannt, bestand von 1806 bis 1919. Es ging 1806 aus dem Reichsfürstentum der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt hervor. Die regierenden Fürsten entstammten dem Haus Hessen und führten nach der Erweiterung ihres Herrschaftsgebietes um die linksrheinischen Gebiete in Anlehnung an die ehemalige Pfalzgrafschaft bei Rhein den Titel Großherzog von Hessen und bei Rhein. Haupt- und Residenzstadt war Darmstadt; andere wichtige Städte waren Mainz, Offenbach, Worms und Gießen.
Das Großherzogtum war von 1815 bis 1866 ein Mitgliedstaat des Deutschen Bundes. Mit seinen nördlich des Mains gelegenen Gebieten gehörte es von 1867 bis 1870 dem Norddeutschen Bund an und war von 1871 bis 1919 ein Bundesstaat des Deutschen Kaiserreichs. Bei Entstehung der Weimarer Republik wurde es in den Volksstaat Hessen umgewandelt, einen Vorläufer des heutigen Landes Hessen.
Der rechtsrheinische Teil des Großherzogtums erstreckte sich vom Süden und der Mitte des heutigen Landes Hessen bis fast nach Frankenberg in Nordhessen, der linksrheinische im heutigen Land Rheinland-Pfalz. Neben den großen Ebenen von Rhein (Hessisches Ried), Main und Wetterau gehörten auch Mittelgebirge wie der Vogelsberg, das sogenannte Hessische Hinterland und der Odenwald zum Staatsgebiet.
Das Staatsgebiet grenzte
• im Westen an die preußische Rheinprovinz, an das Herzogtum Nassau, ab 1866 zum Königreich Preußen und die Provinz Westfalen,
• im Norden und Nordosten an das Kurfürstentum Hessen, ab 1866 zum Königreich Preußen,
• mit Exklaven im Norden: Kreis Vöhl gelegen zwischen dem Kurfürstentum Hessen und dem Fürstentum Waldeck und
• Eimelrod und Höringhausen, umschlossen vom Fürstentum Waldeck
• im Osten an das Königreich Bayern,
• an die kurhessische Exklave Amt Dorheim, die 1866 an das Großherzogtum angegliedert wurde.
• im Süden an Baden,
• mit der Exklave Wimpfen an Württemberg und Baden,
• mit einer Exklave, die aus der Hälfte des Dorfes Helmhof bestand, an Baden,
• sowie den ebenfalls zum Königreich Bayern gehörenden Rheinkreis.
• Zwischen den mittleren und südlichen Gebietsteilen lagen die Freie Stadt Frankfurt und das Kurfürstentum Hessen, beide ab 1866 zum Königreich Preußen.
• Das nördliche (Landkreis Biedenkopf, genannt Hessisches Hinterland) und mittlere Gebiet (das Hessen-darmstädtische Oberhessen) waren nur durch einen ca. 500 m breiten hessischen Gebietskorridor bei Heuchelheim mit dem Raum Gießen verbunden, umgeben von dem Kreis Wetzlar, einer Exklave der preußischen Rheinprovinz.
Hessen-Homburg fiel 1866 als Erbe an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt, musste aber noch im gleichen Jahr an Preußen abgetreten werden. Ebenso wurden der Kreis Biedenkopf, das Hessische Hinterland, Kurhessen, Nassau und Frankfurt 1866 von Preußen annektiert. All diese Gebiete bildeten ab 1868 die neue preußische Provinz Hessen-Nassau.
Verfassung
Mit der am 17. Dezember 1820 eingeführten Verfassung des Großherzogtums Hessen beendete Großherzog Ludwig I. den Absolutismus in seinem Staat zugunsten einer konstitutionellen Monarchie. Die Position des Großherzogs blieb aber stark.
Die Landstände
Der Großherzog war ein überzeugter Anhänger des Monarchischen Prinzips und stand Forderungen nach einer Einschränkung seiner Macht kritisch gegenüber. Andererseits war eine Verfassung dringend erforderlich, da die divergierenden, neuen und alten Landesteile integriert werden mussten und § 13 der Deutschen Bundesakte eine entsprechende Vorgabe enthielt.
Im Winter 1818/1819 wählten eine Reihe von Städten und Gemeinden des Großherzogtums ohne Zustimmung der Regierung „wilde“ Landtage. Diese tagten in Grünberg und Zwingenberg.
Im März 1820 veröffentlichte Staatsminister Karl Ludwig Wilhelm von Grolman (1775-1829) eine vorläufige „Landständische Verfassung“, der als großherzogliches Edikt veröffentlicht wurde und aufgrund dessen der erste Landtag gewählt wurde. Am 17. Dezember 1820 wurde die Verfassung des Großherzogtums Hessens erlassen, die auch die Einrichtung von Landständen mit einem Zweikammersystem vorsah. Die Abgeordneten waren keinen Weisungen unterworfen.
Erste Kammer
Die Verfassung des Großherzogtums Hessen sah ein Zweikammersystem vor: Die Erste Kammer bestand aus den Prinzen des regierenden Hauses, den Häuptern standesherrlicher Familien, dem Erbmarschall – in Hessen war das seit 1432 der jeweilige Senior der Familie Riedesel Freiherren zu Eisenbach –, dem örtlich zuständigen römisch-katholischen Bischof, also in der Regel dem Bischof von Mainz, einem vom Großherzog auf Lebenszeit in das Amt eines Prälaten erhobenen Geistlichen der Evangelischen Landeskirche in Hessen, dem Kanzler der Landes-Universität Gießen oder dessen Stellvertreter sowie bis zu zehn Staatsbürgern, denen der Großherzog aufgrund besonderer Verdienste einen Sitz in der Kammer verlieh. Voraussetzung, um den Sitz in der ersten Kammer einnehmen zu können, war die Vollendung des 25. Lebensjahres.
Zweite Kammer
Die Zweite Kammer bestand aus gewählten Abgeordneten. Das Wahlgesetz wurde im Laufe der Zeit mehrfach geändert. Ein wichtiger Schritt war dabei im Zuge der Märzrevolution, dass im Oktober 1850 ein Dreiklassenwahlrecht nach preußischem Vorbild eingeführt wurde, was das Wahlsystem zugunsten des Großbürgertums änderte. Im Laufe des knappen Jahrhunderts, in dem das Großherzogtum als konstitutioneller Staat bestand, zeichnete sich im Wahlrecht eine Tendenz zur Verbürgerlichung und – in den letzten Jahrzehnten seines Bestehens – ein Abrücken vom Zensuswahlrecht ab.
Die zweite Kammer bestand aus 50 gewählten Abgeordneten:
• 6 Abgeordnete durch den Adel;
• 10 Abgeordnete in den Städten (je 2 für Darmstadt und Mainz, jeweils einer für Gießen, Offenbach, Friedberg, Alsfeld, Worms und Bingen);
• 34 Abgeordnete im restlichen Land.
Liste der Abgeordneten der Landstände des Großherzogtums Hessen (1. Wahlperiode)
Diese Liste stellt die Abgeordneten des ersten Landtags des Großherzogtums Hessen im Jahr 1820 dar.
Inhaltsverzeichnis
• 1 Der 1. Landtag
• 2 Erste Kammer
• 3 Zweite Kammer
• 4 Das Staatsministerium
• 5 Siehe auch
• 6 Quellen
• 7 Einzelnachweise
Der 1. Landtag
Der Landtag bestand aus 2 Kammern. Er wurde zu einer Landtagssession vom 27. Mai 1820 bis zum 6. Juni 1820 zusammengerufen. Er endete mit einem Landtagsabschied.
Das Präsidium der beiden Kammern wurde gebildet durch:
Kammer Präsident 2. Präsident 1. Sekretär 2. Sekretär
1 Kammer Friedrich Graf zu Solms-Laubach Jeanot Riedesel Franz Joseph Freihher von Arens Carl Joseph von Wreden
1 Kammer Eigenbrod Breidenbach Knapp erst Maubuisson dann J.M. Keller
[1]
Erste Kammer
Vorbemerkung: Teilweise nahmen die Standesherren ihr Mandat nicht wahr. In der Liste sind die teilnahmeberechtigten Standesherren ohne Berücksichtung der tatsächlichen Teilnahme am Landtag aufgeführt.
Titel und Name Mandat Anmerkung
Groß- und Erbprinz Ludwig
Prinzen des großherzoglichen Hauses
Prinz Emil von Hessen-Darmstadt
Prinzen des großherzoglichen Hauses
Landgraf Christian
Prinzen des großherzoglichen Hauses
Friedrich I. zu Leiningen-Westerburg-Altleiningen
Standesherren Fürstentum Leiningen
August (Friedrich Botho) Graf von Stolberg-Ortenberg
Standesherren Stolberg (Adelsgeschlecht)
Friedrich zu Solms-Laubach
Standesherren Solms-Laubach
Christian Friedrich Graf zu Stolberg-Wernigerode
Standesherren Stolberg-Wernigerode
Nicht vertreten Standesherren Isenburg-Birstein
Graf Ernst Casimir I. zu Ysenburg und Büdingen
Standesherren Ysenburg und Büdingen, Präsident der ersten Kammer
Albrecht Graf zu Erbach-Fürstenau
Standesherren Erbach-Fürstenau
Franz I. zu Erbach-Erbach
Standesherren Erbach-Erbach
Wilhelm Graf zu Solms-Braunfels
Standesherren Solms-Braunfels
Maximilian Graf zu Erbach-Schönberg
Standesherren Erbach-Schönberg
Karl zu Solms-Rödelheim
Standesherren Solms-Rödelheim
Friedrich Magnus II. von Solms-Wildenfels
Standesherren Solms-Wildenfels
Carl Ludwig Johann Hermann Riedesel Freiherr zu Eisenbach (genannt Jeannot) Standesherren Riedesel – 2. Präsident der ersten Kammer
Karl Thomas zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg
Standesherren Löwenstein-Wertheim-Rosenberg
Carl Heinrich Graf von Schlitz genannt von Görtz
Standesherren Schlitz genannt von Görtz
Geheimer Staatsrat Carl Joseph von Wreden
Katholische Bischöfe und Geistliche als Vertreter des katholischen Landesbischofs
Geistlicher Geheimrat Johann Ernst Christian Schmidt
Protestantische Prälaten
Oberappelations-Gerichtsrat Franz Joseph Freiherr von Arens
Landesuniversität Gießen Kanzler der Universität Gießen
Staatsminister Freiherr Karl du Thil
Berufene Mitglieder auf Lebenszeit
Geheimrat Franz Wilhelm Freiherr von Wiesenhütten
Berufene Mitglieder auf Lebenszeit
Baron Heinrich von Mappes
Berufene Mitglieder auf Lebenszeit
Zweite Kammer
Name Wahlbezirk Ausschuss Anmerkung
Franz Philipp Aull
Rheinhessen 4/Wörrstadt II, III
Wilhelm Balser
Oberhessen/Stadt Gießen I, II
Edmund Bläss
Starkenburg 6/Lorsch
Franz Christoph Braun
Rheinhessen 6/Oppenheim
Carl Breidenbach zu Breidenstein
Grundherrlicher Adel I (2. Präsident)
Karl Philipp Wilhelm von Buseck
Oberhessen9/Okarben-Vilbel
Karl Christian Eigenbrodt
Starkenburg 10/Breuberg-Höchst (Präsident)
Johann Peter Engeroff
Starkenburg 2/Groß-Gerau
Johannes Fächer
Starkenburg 4/Seligenstadt-Babenhausen
Johann Conrad Freiherr von Firnhaber von Eberstein
Grundherrlicher Adel
Peter Joseph Floret
Oberhessen 11/Hungen I, II
Hans Christoph Ernst Freiherr von Gagern
Rheinhessen 7/ Pfeddersheim II
Johann Konrad Geißel
Oberhessen 5/Romrod
Theodor Gilmer
Oberhessen 2/Gladenbach I, II
Friedrich von Grolman(n)
Oberhessen 13/Gedern-Ortenberg II
Johannes Groth
Oberhessen 12/Bingenheim-Nidda II
Philipp Hax
Starkenburg 5/Pfungstadt
Georg Wilhelm Friedrich Heyer
Oberhessen 4/Lauterbach
Karl Kekulé
Oberhessen 10/Butzbach II
Johannes Martin Keller
Oberhessen 14/Büdingen II
Johann Maria Kertell
Rheinhessen/Stadt Mainz I, II
Georg Christoph Kick
Oberhessen/Stadt Alsfeld
Johann Friedrich Knapp
Starkenburg 7/Heppenheim-Fürth I, II, III
Philipp Casimir Krafft
Starkenburg/Stadt Offenbach I
Claus Kröncke
Starkenburg/Stadt Darmstadt III
Christian Lauteren
Rheinhessen/Stadt Mainz
Ludwig Lenz
Oberhessen 3/Heuchelheim
Johann Martin Lochmann
Starkenburg 8/Wald-Michelbach
Heinrich Philipp Ludwig
Starkenburg 9/Erbach
Peter Made
Starkenburg 12/Groß-Bieberau
Franz Ludwig Freiherr von Maubuisson
Rheinhessen/Stadt Worms
Johann Meyer
Oberhessen 8/Grünberg (Grünberg)
Peter Mayer
Rheinhessen/Stadt Bingen I, III (Mainz)
Franz Merkel
Starkenburg 1/Heusenstamm
Wilhelm Metternich
Rheinhessen 2/Ober-Ingelheim-Gau Algesheim
Joseph Neeb (Niedersaulheim)
Rheinhessen 3/Wöllstein III
Johannes Caspar Neeb
Oberhessen 7/Schotten (Felda)
Franz Joseph Perrot
Rheinhessen 1/Alzey I
Jakob Pistorius
Rheinhessen 8/Osthofen
Daniel Prinz
Oberhessen 1/Battenberg
Friedrich von Nordeck zur Rabenau
Grundherrlicher Adel III
Johannes Reuter
Oberhessen 6/Homberg (Ohm)
Heinrich von Rodenstein
Grundherrlicher Adel III
Ernst Schenk
Starkenburg 11/Umstadt
Friedrich von Schenk
Grundherrlicher Adel I (Waldershausen)
Ludwig von Schenk
Grundherrlicher Adel I, II (Sorge)
Christoph Jacob Weber
Starkenburg 3/Langen
Heinrich Wieger
Rheinhessen 5/Nieder-Olm.Bretzenheim I, II
Andreas Zöppritz
Starkenburg/Stadt Darmstadt
Das Staatsministerium
• Staatsminister Karl Ludwig Wilhelm von Grolman
• Geheimer Staatsrat Heinrich Karl Jaup
• Geheimer Staatsrat Peter Joseph Freiherr von Gruben
• Geheimer Staatsrat Johann Matthäus Freiherr von Lehmann
• Geheimer Staatsrat Johann Wilhelm Wernher
• Geheimer Staatsrat Karl Wilhelm von Kopp
• Geheimer Staatsrat August Conrad Hofmann
• Geheimer Staatsrat Carl Joseph von Wreden
• Geheimer Staatsrat Ernst Wilhelm Zimmermann
Die Abgeordneten wurden auf sechs Jahre gewählt. Innerhalb dieser Zeit fanden jeweils zwei Parlamentsperioden statt. Jedoch konnte der Großherzog das Parlament auflösen, was eine Neuwahl zur Folge hatte. Die Mandate ausscheidender Abgeordneten (durch Nichtbestätigung, Tod oder Rücktritt) wurden in Nachwahlen wiederbesetzt. Diese Regelungen galten (von den Revolutionsjahren 1848 bis 1852 abgesehen) bis 1875. Es handelte sich um eine indirekte Wahl über zwei Stufen. Die Wahlberechtigten der jeweiligen Gruppe wählten Bevollmächtigte, diese Wahlmänner und diese die Abgeordneten.
Die Vertreter der Städte und des restlichen Landes wurden in Ein-Personen-Wahlkreisen gewählt. Die Wahlbezirkseinteilung orientierte sich zunächst am Schnitt der Ämter.
Das Wahlrecht war beschränkt. Wahlberechtigt waren grundsätzlich nur steuerpflichtige Männer. In der ersten Stufe (der Wahl der Bevollmächtigten) war die Wahlberechtigung an die Vollendung des 25. Lebensjahres und an eine Steuerzahlung von mindestens 25 Gulden im Jahr geknüpft. In der zweiten Stufe wählten die Bevollmächtigten jeweils maximal 25 Wahlmänner, die (wie auch die Abgeordneten selbst) mindestens 100 Gulden (Adlige 300 Gulden) direkter Steuern zahlten. Wahlmänner mussten 30 Jahre alt sein und zu den 60 Höchstbesteuerten im jeweiligen Wahlkreis gehörten.
Damit war die Mitwirkung faktisch auf eine kleine Zahl wohlhabenden Adeligen und Bürgern beschränkt. Es wurden auch keine Diäten gezahlt. Die Kosten der Mandatsausübung mussten von den Abgeordneten selbst getragen werden. Es handelte sich so um ein ehrenamtliches Honoratiorenparlament.
Aufgaben
Zentral war das traditionelle Recht der Stände, der Erhebung von Steuern zustimmen zu müssen.[16] Auch bestanden erste Ansätze eines Budgetrechts. Die (dreijährigen) Haushaltspläne mussten zunächst der 2. Kammer vorgelegt werden. Im Gegensatz zu modernen Parlamenten waren die Landstände aber nicht Träger staatlicher Souveränität. Es war den Landständen unter Strafandrohung verboten, sich mit Gegenständen zu beschäftigen, die nicht explizit zu ihrem Aufgabenfeld gehörten. Die Rechtsetzung lag beim Großherzog, nicht beim Parlament. Auch hatte der Großherzog allein und jederzeit das Recht, die Landstände einzuberufen, zu vertagen, aufzulösen oder zu schließen.
Wahlen und Politik
Aufgrund des Edikts vom März 1820 wurde im Frühsommer 1820 der erste Landtag gewählt. Die Debatte im Landtag wurde zunächst von der Verfassungsdiskussion bestimmt. Die meisten Abgeordneten verweigerten den Eid auf den Verfassungsentwurf. Sie setzten damit eine Reihe von Änderungen in dem Entwurf durch.
In den zwanziger Jahren konnte die Regierung regelmäßig auf Mehrheiten in den Landständen vertrauen. Mit der Julirevolution in Frankreich 1830 änderte sich das jedoch. Deutlich verstärkten sich die Aktivitäten der liberal gesinnten Bürger in ganz Europa. Die Zensur der Karlsbader Beschlüsse verlor ihre Wirkung und die Restauration schien ihr Ende gefunden zu haben. Im Herbst 1830 kam es zu Bauernunruhen in Oberhessen, die militärisch niedergeschlagen wurden.
In dieser politischen brisanten Situation starb Großherzog Ludwig I. und sein reaktionär gesinnter Sohn Ludwig II. trat am 6. April seine Nachfolge an. Er erneuerte die Zensurbestimmungen, verschärfte die Polizeimaßnahmen gegen liberal und demokratisch Gesinnte und brachte den Landtag zusätzlich mit der Forderung gegen sich auf, die Privatschulden aus seiner Zeit als Erbgroßherzog in Höhe von 2 Millionen Gulden dem Staat aufzuerlegen. Mit deutlicher Mehrheit widersetzen sich die Kammern diesem Anliegen und vertraten Forderungen nach weiterer Liberalisierung. Im Dezember 1832, nach Abklingen der revolutionären Ereignisse, löste Ludwig II. die Landstände auf und entließ liberale Regierungsmitglieder (u. a. Heinrich Karl Jaup) und Beamte (u. a. Heinrich von Gagern).
Nach den nun folgenden Neuwahlen kam wieder eine konservative, monarchietreue Mehrheit in den Landständen zusammen. Die liberale Opposition, geführt durch von Gagern, erreichte jedoch bereits im 6. Landtag, der am 26. April 1834 eröffnet wurde, wieder eine Mehrheit. Erneut löste Ludwig II. im Oktober 1834 die Landstände auf. Ab dem 7. Landtag (1835) konnte Ludwig II. dann wieder auf geneigte Mehrheiten in den Kammern zählen. Die liberale Opposition war marginalisiert.
Standesherrliche Rechte
In dem Edikt vom 17. Februar 1820 wurden die Rechte der mediatisierten Standesherren auf dem Gebiet des Großherzogtums Hessen geregelt. Dieses behielt auch nach dem Inkrafttreten der Verfassung am 7. Dezember des gleichen Jahres seine Gültigkeit. Erst mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ vom 15. April 1848, das infolge Märzrevolution 1848 erlassen wurde und am 9. August 1848 in Kraft trat, wurden das Edikt endgültig aufgehoben.
Die folgenden Standesherren wurden anerkannt und genossen eine Vorrangstellung:
• Die Fürsten und Grafen von Isenburg. Die gräflich Isenburgischen-Linien benannten sich von Meerholz, Büdingen und Wächtersbach. Dabei hatten die Häuser Isenburg und Stollberg eine Gesamt-Justizkanzlei in Büdingen, die für ein Gebiet zuständig war, in dem 27.883 Einwohner lebten.
• Die Fürsten und Grafen von Solms. Die Fürsten nannten sich zu Braunfels und Lich. Die Grafen nannten sich zu Laubach, Rödelheim und Wildenfels. Dieses Gebiet umfasste 23.000 Einwohner.
• Die Fürsten von Löwenstein-Wertheim hatten eine gemeinschaftliche Justizkanzlei in Hungen. Dieses Gebiet umfasste 8231 Einwohner.
• Die Grafen von Erbach in den Linien Erbach, Fürstenau und Schönberg. Die Häuser Löwenstein-Wertheim und Erbach hatten eine Gesamt-Justizkanzlei in Michelstadt für ein Gebiet mit 30.954 Einwohnern.
• Die Grafen Stolberg mit einem Gebiet, das 10.013 Einwohner umfasste.
• Der Graf von Leiningen-Westerburg mit einem Gebiet, das 74 Einwohner umfasste.
• Die Freiherren von Riedesel mit einem Gebiet, das 19.505 Einwohner umfasste.
• Die Grafen von Görtz-Schlitz mit einem Gebiet, das 6898 Einwohner umfasste.
• Die Grafen Schönborn mit einem Gebiet, das 1519 Einwohner umfasste.
Dazu kamen die Freiherren von Albini, von Gemmingen, von Harthausen, von Frankenstein, von Wambold, von Löw, von Rau, von Venningen, von Wetzel, die Grafen von Lerchenfeld, von Lehrbach, von Eltz, Ingelheim, die Familien von Breitenstein, von Günderrode, von Krug, von Rabenau, von Schenk und schließlich von Seebach mit ihren Gerichten.
In dem Edikt wurden den Standesherren folgenden Rechte zuerkannt:
• Erwähnung der Standesherren und ihrer Familien im Kirchengebet nach dem Großherzog.
• Das Prädikat Herr in allen Erlassen der Landeskollegien an die Standesherren.
• Mit großherzoglicher Erlaubnis durften die Standesherren in fremde Kriegsdienste treten.
• Persönliche Angelegenheiten der Standesherren wurden vor dem Oberappalletionsgericht in erster Instanz verhandelt.
• Die Niedere Gerichtsbarkeit blieb in der Kompetenz der Standesherren und wurde in deren Bezirken in erster und zweiter Instanz durch ihre eigenen Beamten ausgeübt. Die Fälle der Hohen Gerichtsbarkeit wurden hingegen vor den Provinzial Hofgerichten verhandelt.
Der Großherzog sicherte sich zur Bestreitung des landeshoheitlichen Aufgaben die folgenden früheren Einkünfte der Standesherren zu:
• Die Dispensations- und Concessionsgelder, welche wegen Handlungen aus gesetzgebender Macht entrichtet werden.
• Die Sporteln, Taxen und Strafen, welche Kraft der Obergerichtsbarkeit oder Oberpolizei verfügt worden sind oder künftig verfügt werden.
• Die Abgaben zu allgemeinen Territorialanstalten, z. B. Chaussee-, Weg-, Brückengelder und Nutzungsverfügung.
• Die ordentlichen und außerordentlichen, jetzigen und künftigen direkten und indirekten Abgaben.
• Das Salpeterregal
• Das Judengeleite
• Den Neubruchzehnten aller künftig Rodungen
• Die Landes- und Militärfrohnden (Dienste für das Land oder für das Militär)
Es verblieben den Standesherren dagegen:
• Alle ihre Besitzungen, auch wenn sie vor der Medialisation diese nur für die Dauer ihres männlichen Geschlechts von Kaiser und Reich als Lehen besaßen.
• Alle bisher bezogenen Zehnten, Grundzinsen und Gülten
• Alle aus der Hörigkeit fließenden Einkünfte
• Alle bisherigen Gefälle von Bergwerken, Forsten, Jagten und Fischereien
• Die Taxen und Gebühren welche die standesherrlichen Diener bisher bezogen
• Die Weg- und Brückengelder von öffentlichen Wegen für deren Instandhaltung
• Die herrschaftlichen Frohnden und bestfälligen Loskaufgelder
• Die Zollbefreiung von allen Hausbedürfnissen
• Die Befreiung von den Weg- und Chausseegeldern in ihren Standesherrschaften.
Veranstaltung vom 29.11.2017
Karl Wilhelm Heinrich Freiherr du Bos du Thil
Karl Wilhelm Heinrich Freiherr du Bos du Thil (* 22. April 1777 in Braunfels; † 17. Mai 1859 in Darmstadt) war Politiker des Großherzogtums Hessen und langjähriger Präsident des Gesamtministeriums.
Familie und Ausbildung
Karl du Thil stammt aus dem Adelsgeschlecht du Bos aus der Normandie. Der Zweig „du Bos du Thil“ dieses Geschlechtes war Inhaber der Herrschaft le Thil bei Dieppe. Anfang des 18. Jahrhunderts wanderte der Großvater Karl du Thils aufgrund seines evangelisch-reformierten Glaubens aus Frankreich aus und zog zunächst nach Holland, dann nach Deutschland. Karl du Thil war der älteste Sohn von Ferdinand du Thil, einem Offizier in herzoglich Braunschweigischen Diensten und Friederike Luise Albertine Röder von Diersberg.
Karl du Thil wurde zunächst auf dem väterlichen Gut Hof Graß bei Hungen unterrichtet und besuchte dann die Schule in Neuchâtel und die Karlsschule in Stuttgart. 1793 begann er mit 16 Jahren ein Studium der Rechtswissenschaft in Tübingen und Göttingen. Nach dem Studium arbeitete er beim Reichskammergericht in Wetzlar. 1799 wurde er Assessor im Fürstlich Solms-Braunfelser Regierungskollegium und später dort Regierungsrat.
Politische Karriere
Karl du Thil trat 1802 als Kammerherr in die Dienste von Hessen-Darmstadt. Nach der Entlassung von Karl Ludwig von Barkhaus wurde du Thil 1806 als Sachverständiger für die Provinz Starkenburg in das Außenministerium versetzt. Karl du Thil wurde 1821 Außen- und Finanzminister des Großherzogtums Hessen. Nach dem Tode Grolmans 1829 war Karl du Thil Präsident des Gesamtministeriums (Ministerpräsident).
Politische Positionen
Du Thil unterstützte die Restaurationspolitik Metternichs. Er unterschrieb 1820 für das Großherzogtum Hessen die Wiener Schlussakte. 1821 war er großherzoglich Hessischer Verhandlungsführer bei den Gesprächen zur Einrichtung des Süddeutschen Zollvereins. Auch wenn er diese Verhandlungen am 3. Juli 1823 scheitern ließ, war du Thil dem Gedanken einer Zollunion grundsätzlich nicht abgeneigt. Er betrieb 1824 eine Handelsunion mit Baden und 1828 den Preußisch-Hessischen Zollverein mit Preußen.
Märzrevolution
Du Thil galt als eine Symbolfigur der Reaktion. Die liberale Opposition sprach von dem “System du Thil”. Im Rahmen der Märzrevolution musste ihn Großherzog Ludwig II. von Hessen am 5. März 1848 entlassen. Er ist auf dem Alten Friedhof in Darmstadt begraben.
August Konrad Hofmann
Johann August Konrad Hofmann, ab 1827 Freiherr von Hofmann (* 28. April 1776 in Nidda; † 9. August 1841 in Darmstadt) war ein hessischer Verwaltungsbeamter und Politiker.
Familie
August Konrad Hofmann stammte von bürgerlichen Eltern. Sein Vater Conrad Hofmann (1743–1799), war Justiz-Amtmann in Nidda und Sohn des Groß-Gerauer Pfarrers Konrad Hofmann. Die Mutter, Susanne geborene Schneider (1753–1826) war Tochter des hessischen Wildmeister in Kranichstein Johann Ludwig Schneider.
August Konrad Hofmann wurde am 25. August 1827 geadelt und als Freiherr in den Großherzoglich-Hessischen Adel aufgenommen.
Er heiratete am 15. Juli 1799 Sophie Henriette geborene Metzler (* 13. August 1772, † 15. Juni 1825 in Darmstadt), die Tochter des fürstlich Hessischen Majors Johann Gottlieb Metzler und dessen Frau Johanna Katharina geborene Moter. In zweiter Ehe heiratete er am 9. Juni 1816 in Rimbach Johannette Charlotte Friederike Jakobine geborene Pagenstecher (* 15. Dezember 1779 in Reichenbach, † 3. Januar 1854 in Darmstadt), die Tochter des Pfarrers in Reichenbach, Heinrich Christian Pagenstecher und dessen Frau Charlotte Polyxena Eleonore geborene Moter.
Seine Tochter Charlotte Franziska Auguste Marianne (1802–1834) heiratete am 16. Oktober 1820 in Jugenheim den späteren Präsidenten des Großherzoglich hessischen Ober-Appellations- und Kassationsgerichts Dr. jur. Friedrich Johann August Hahn (1789–1867). Sein Sohn Ernst Christian Gottlieb Freiherr von Hofmann (1803–1868) wurde Oberforstrat. Seine Tochter Marie heiratete den Hessen-Homburger Medizinalrat Eduard Trapp (1804–1854). Seine Tochter Charlotte Johannette Auguste (* 19. April 1817 in Darmstadt) heiratete am 4. Dezember 1838 Eduard Eugen Aegid Friedrich von Grolman (1812–1890) den künftigen hessischen General und Kriegsminister. Seine Tochter Sophie Helene (* 23. Januar 1820 in Darmstadt, † 4. Dezember 1870) heiratete am 9. Juni 1841 in Darmstadt den Gutsbesitzer und Stallmeister Albert Wilhelm von Grolman (* 22. April 1815 in Gießen, † 10. Oktober 1870 in Darmstadt).
Beamtenkarriere
Hofmann studierte in Erlangen und Gießen Rechts- und Kameralwissenschaften und trat 1797 als Regierungs-Advokat in das Sekretariat der großherzoglich hessischen Regierung ein. 1803 wurde er Hofkammerrat und Kammeranwalt in der Rentkammer des Fürstums Starkenburg. 1813 Leiter der Regierungskommission bei der Übernahme von Wimpfen und 1816 der Generalkommission zur Besitznahme und Verwaltung Rheinhessens und Oberappellationsgerichtsrat.
Minister
1819 wird er Geheimer Referendär und 1820 Geheimer Staatsrat im Departement der Finanzen. Nach Karl Ludwig Wilhelm von Grolmans Tod (1829) wurde er Präsident des Finanzministeriums mit dem Charakter eines Wirklichen Geheimen Rats, Präsident des Staatsrats und im Dezember 1837 Finanzminister.
1820 leitete er die Verhandlungen über die Rechtsverhältnisse der Standesherren. 1824 brachte er den Abschluss des Zollvertrags mit Baden und 1828 die Übereinkunft mit Preußen als Leiter der Verhandlungskommission zustande.
Sehr tätig war er bei Einrichtung des Abgabensystems und des Finanzwesens überhaupt, bei Herabsetzung des Zinsfußes der Staatsschuld und bei der Ordnung des ganzen Staatsschuldenwesens.
Viel Widerspruch fand er auf dem Landtag von 1838 auf 1839, wo er das Recht der Stände, nicht bewilligte Ausgaben zu prüfen und unter Umständen zu streichen, lebhaft bestritt.
Er war Mitbegründer des Darmstädter Musikvereins.
Seine Beiträge zur nähern Kenntnis der Gesetzgebung und Verwaltung des Großherzogtums Hessen (Gießen 1832) wurden in der Schrift Freimuethiges Sendschreiben an Se. Excellenz Herrn Präsidenten Freiherrn A. C. von Hofmann (Offenbach: Brede, 1832) von Johann Christian Hundeshagen kräftig erwidert.
Staatsrat August Konrad Freiherr von Hofmann: Hohe Zölle erreichen Vermehrung der Defraudationen
S. 194 Geh. Staatsrat Hofmann: Allein da in Beziehung auf die Besteuerung der Tabaksblätter an den Grenzen hinreichende Mittel nicht vorhanden seyen, um gegen Unterschleife zu sichern, da durch einen sehr hohen Zoll die Defraudationen wahrscheinlich sich in einem so hohen Grade vermehren dürften, daß unsere Sicherheitsanstalten nicht mehr hinreichen würden, um sie zu verhindern, so sey es gerade der finanzielle Gesichtspunkt, welcher die Staatsregierung wünschen lasse, daß man nicht zu weit gehen möge. Es müsse hier ein Mittelweg gefunden werden, und darüber sey zu berathen. Ein Extrem werde den Erwartungen in finanzieller Hinsicht nicht entsprechen, und eben so wenig die Landeskultur befördern, denn beiden, den Finanzen und der Landeskultur schadeten die Defraudationen auf gleiche Weise.
Staatsrat Hofmann: oHoVorsorge gegen Schmuggel von Tüchern getroffen
Geh. Staatsrat Hofmann: Es sey dies allerdings schon bei dem jetzigen Zoll durchaus nothwendig, und es seyen bereits die nöthigen Einleitungen getroffen worden, um den Detailverkauf der Tücher so zu controliren, daß künftig Defraudationen so leicht nicht mehr würden möglich seyn.
Staatsrat Hofmann: Sicherung von Transitgebühren durch Eingangsabgaben
S. 225 Geh. Staatsrat Hofmann <zur rohen Wolle>: Es sey so leicht, die Durchgangsgebühr von denjenigen Artikeln, welche Eingangsfrei seyen, zu defraudiren, daß einige Sicherheit gegen diese Defraudation wünschenswerth erscheine.
Zu Du Thil Geschichte des Gh.
Staatsminister du Thil: Kontrolle des Salzhandels nicht durchsetzbar
A.B.II. 1. Abt. S. 94-100 Vortrag du Thil bei Übergabe des Hauptvoranschlags der Staatsausgaben und Einnahmen und des Finanzgesetzes.
S. 96 < zur Salzregie>: Eine verstärkte Aufsicht gegen den Schleichhandel würde nicht nur mit bedeutenden Kosten verbunden, sondern auch, da solcher durch die Örtlichkeiten so sehr begünstigt ist, höchst wahrscheinlich ohne Erfolg seyn.
Ludwig Karl Kuder
Ludwig Karl Kuder (ab 1820: von Kuder) (* 1. Januar 1787 in Buchsweiler; † 17. Mai 1851 in Darmstadt) war ein hessischer Beamter und Politiker und ehemaliger Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Familie
Karl von Kuder war der Sohn des Geheimen Archivrates Christian Carl von Kuder (1757–1820). Der Vater war 1820 nobilitiert worden. Karl von Kuder trug daher ab 1820 das Adelsprädikat von im Namen. Die Mutter war Caroline Agathe geborene Jäglin.
Karl von Kuder heiratete am 2. Oktober 1813 in Auerbach in erster Ehe seine Frau Friederike Henriette geborene Hahn (1791–1829) und am 4. September 1830 in Darmstadt in zweiter Ehe Henriette Louise Auguste Friederike geborene Schleiermacher.
Ausbildung und Beruf
Karl von Kuder wurde 1810 Regierungsassessor, 1814 Regierungsrat und 1825 Geheimer Regierungsrat jeweils in Darmstadt. 1829 wurde er Ministerialrat im großherzoglich hessischen Ministerium des Inneren und der Justiz und Mitglied der Oberpostdirektion. 1841 wurde er zum Geheimrat ernannt und 1847 Spezialdirektor der Feuerversicherungsgesellschaft Colonia. 1848 wurde er pensioniert.
Politik
1823 bis 1824 wurde Kuder für den Wahlbezirk Starkenburg 4/Seligenstadt-Babenhausen und anschließend 1826 bis 1827 für den Wahlbezirk Starkenburg 11/Umstadt in die Zweite Kammer der Landstände gewählt.
Abg. Kuder: Schutzzollsystem für Großherzogtum nicht praktikabel
4. Band 1827:
Heft X, S. 140-180: 19.3.1827 Protokoll Verbrauchssteuer.
S. 147 v. Kuder: Er glaube, wir könnten nach der geographischen Lage unseres Staates unmöglich ein Prohibitivsystem aufstellen, denn dies würde eine Masse von Grenzaufsehern und Verwaltungsdienern erfordern, die der Staat nicht zu ernähren vermöge.
Ernst Philipp Engel Schenck
Ernst Philipp Engel Schenck (* 15. Juli 1782 in Darmstadt; † 15. September 1846 ebenda) war ein hessischer Beamter und Politiker und ehemaliger Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Familie
Ernst Schenck war der Sohn des Präsidenten des Oberappellations- und Kassationsgerichts (Johann) August Schenck (1744–1806) und dessen Frau Johannette Margarethe Reinhardine geborene Schleiermacher (1747–1813). Sein Bruder Friedrich Schenck wurde ebenfalls Landtagsabgeordneter.
Ernst Schenck heiratete am 28. August 1806 in Gießen seine Frau Dorothea Wilhelmine Johannette geborene von Schmalkalder (* 6. Dezember 1780 in Gießen, † 2. April 1855 in Darmstadt),der Tochter des Großherzoglich Hessischen Hofrats und Rentamtmann in Gießen, Georg Christian Philipp von Schmalkalder und der Charlotte Ludowika Philippine Krebs.
Ausbildung und Beruf
Ernst Schenck wurde 1813 Oberkriegsrat, 1821 Geheimer Oberkriegsrat, 1822 Mitglied des Oberkriegsgerichtes, 1826 Geheimer Rat und 1833 Mitglied der Staatsschuldentilgungskasse.
Politik
1820 bis 1824 wurde Schenck für den Wahlbezirk Starkenburg 11/Umstadt und anschließend 1826 bis 1834 für den Wahlbezirk der Stadt Darmstadt in die Zweite Kammer der Landstände gewählt. 1826 bis 1833 stand er der Kammer als Präsident vor. 1835 bis 1846 war er erneut (diesmal für den Wahlbezirk Starkenburg 2/Groß-Gerau) Abgeordneter der zweiten Kammer. Dort vertrat er liberal-konservative Positionen. Nach seinem Tod wurde Christian Zöppritz als sein Nachfolger in einer Nachwahl in die Kammer gewählt.
Kammerpräsident Schenck: Grundsätzlich gegen Erhöhung der Verbrauchsteuer, da Schmuggel erhöht würde
S. 244-292, 21.3.1827: Fortsetzung der Beratung.
S. 269 Präsident Schenck: Die Verbrauchsteuer habe in der verflossenen Finanzperiode einen sehr bedeutenden Ertrag geliefert, was vorzüglich dem Umstande zuzuschreiben sey, daß sie von den meisten Gegenständen wenigstens gering gegriffen sey. Erhöhe man die Ansätze, so vermindere man die Einnahme, ohne daß der Eingang verhältnißmäßig abnehme. Defraudationen würden häufiger werden, weil der Reitz zu ihnen, der Gewinn so viel grösser werde. Dies, und da seinen Einsichten nach nicht allein die Producenten und Fabrikanten, sondern auch der Handelsstand und die Consumenten Rücksicht verdienten, werde ihn bewegen, gegen Erhöhung der Verbrauchsteuer in allen Fällen zu stimmen, in welchen nicht sehr erhebliche Gründe dafür sprächen.
Georg Philipp Gail
Georg Philipp Gail (* 7. Dezember 1785 in Dillenburg; † 30. August 1865 in Gießen) war ein hessischer Tabakfabrikant und liberaler Politiker und Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Leben
Philipp Gail war der Sohn des Buchbinders und Kaufmanns Georg Christian Gail (1756−1834) und dessen Ehefrau Christiane Katharina, geborene Pfitzer (1760−1834). Gail, der evangelischen Glaubens war, heiratete am 8. Juli 1812 in Gießen in erster Ehe Marie Susanne Johanette geborene Busch (1791−1841). Nach dem Tod der ersten Ehefrau heiratete er am 15. September 1842 in zweiter Ehe ihre Schwester Marie Christiane (1789−1882). Die Schwester von Philipp Gail, Magdalena, heiratete Karl Friedrich Silbereisen (1794−1854), ab 1825 Bürgermeister von Gießen.
Gail war der Gründer der Gail’schen Zigarrenfabrik in Gießen und leitete das Unternehmen bis zu seinem Tod. Sein Sohn Georg Karl Gail (1819−1882) übernahm das Unternehmen und wurde 1872−1874 der erste Präsident der neu gebildeten Handelskammer Gießen. Ein anderer Sohn, Ferdinand Gail wurde Teilhaber des Unternehmens und ebenfalls Abgeordneter.
Von 1826 bis 1830 gehörte er der Zweiten Kammer der Landstände an. Er wurde für den Wahlbezirk Oberhessen 13/Heuchelheim gewählt. 1822 bis 1865 war er Stadtrat in Gießen, wo er auch Bürgermeister war.
Philipp Gail legte den heute unter dem Namen Gail’scher Park bekannten und unter Denkmalschutz stehenden Landschaftspark im Biebertaler Ortsteil Rodheim an. Die Georg-Philipp-Gail-Straße in Gießen ist nach ihm benannt.
Abg. Gail: Schutzmaßnahme gegen Betrug Kennzeichnung durch Anhängen eines Blei
Gail: Dem von dem Abg. Tromler befürchteten Nachtheil, daß durch Erhöhung des Zollsatzes das Schmuggeln eintreten würde, ließe sich leicht dadurch vorbeugen, wenn, wie bei den Tüchern in Antrag gebracht worden, auch hier an jedes im Land fabricirte Stück ein Blei gehängt würde.
Jonathan Hellmann
Thomas Jonathan Hellmann (* 21. Dezember 1788 in Ludwigsburg; † 25. März 1855 in Neckarsteinach) war ein hessischer Lederfabrikant und liberaler Politiker und Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Jonathan Hellmann war der Sohn des Rotgerbermeisters Jonathan Hellmann und dessen Ehefrau Eva Maria. Hellmann, der evangelischen Glaubens war, war Lederfabrikant in Neckarsteinach und heiratete Johanna Wilhelmina Philippina. Er erfand ein Verfahren zur Ledergerbung mit Birken- statt mit Eichenrinde.
Er war überzeugter Liberaler und gehörte in der Verfassungsdiskussion der 1810er Jahre im Großherzogtum zu den Vorbereitern des “schwarzen” Landtags in Zwingenberg. Von 1826 bis 1841 gehörte er der Zweiten Kammer der Landstände an. Er wurde zunächst für den Wahlbezirk Starkenburg 9/Erbach, dann für Oberhessen 2/Gladenbach und zuletzt für Starkenburg 8/Wald-Michelbach gewählt.
Abg. Hellmann: Sicherung der Zollabgabe durch Stempel auf Waren
S. 270 Hellmann: da man fürchte, es würde durch jede Zollerhöhung die Einnahme vermindert werden, so müsse er auf diesen Theil seines Antrags aufmerksam machen, worin er gezeigt habe, daß eine solche Sicherung bei allen Waaren, wo ein Stempel anwendbar sey, namentlich also auch bei allen Ledern, am sichersten angelegt werden könne, und daß diese Sicherungsmethode zuverlässig den Ertrag der Zollkasse noch erhöhen werde; denn wenn bis jetzt Defraudationen möglich gewesen seyen, so würden sie in den meisten Fällen dadurch verhindert werden können.
Abg. Hellmann: Stempelung von Einfuhrwaren als Kontrollmittel
3. Abt. S. 174-183 Beil. 8. Finanzgesetzentwurf.
S. 177 3. Abt. d. Außerord.Beil. Antrag Hellmann zur Verbrauchsteuer:
zuverlässigste Sicherungsmaßregel gegen den Schmuggel zollbarer Waaren möchte bei allen Artikeln, wo der Stempel anwendbar ist, die von den 0denwälder Tuchmachern vorgeschlagene Stempelung seyn.
Ochsenmetzger: Freigabe der Einfuhr von Schlachtvieh
Heft IX, S. 117-120 Beil. CCLV. Vorstellung sämtl. Ochsenmetzger Da wg Aufhebung der Maut auf ausländ Schlachtvieh
Franz Josef Brunck
Franz Josef Brunck (auch: Brunk) (* 7. März 1787 in Winterborn; † 21. Oktober 1848 in Frankfurt am Main) war ein liberaler hessischer Politiker und Teilnehmer der Heidelberger Versammlung, Mitglied des Vorparlaments und der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Familie
Josef Brunck war der Sohn des Bürgermeisters Ulrich Brunck und dessen Frau Anna Maria geborene Wegehenkel (auch: Wehenkel). Josef Brunck heiratete am 3. März 1812 Eleonore Johanetta geborene Librich (1792–1873). Die gemeinsame Tochter Maria Anna heiratete Bernhard Hembes in Ober-Olm. Josef Brunck war Landwirt in Fürfeld.
Bruncks Neffen sind die Reichstagsabgeordneten Moritz Bolza und Ulrich Brunck, sowie der Unternehmer Heinrich von Brunck.
Politik
Josef Brunck war Bürgermeister in Fürfeld. 1818 wurde er Mitglied des rheinhessischen Provinzialrates. Ab 1837 amtierte er als Vizepräsident des Landwirtschaftlichen Vereins für Rheinhessen. in der Märzrevolution war er Teilnehmer der Heidelberger Versammlung und Mitglied des Vorparlaments und des Fünfzigerausschusses (Fraktion Deutscher Hof).
In der 3. bis 11. Wahlperiode (1826–1848) war er Abgeordneter der zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen. In den Landständen vertrat er den Wahlbezirk Rheinhessen 3/Wöllstein. Vom 18. Mai 1848 bis zu seinem Tode am 21. Oktober 1848 als Abgeordneter des 12. Wahlkreises Hessen-Darmstadt in Bingen Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung; schloss sich der linksliberalen Fraktion Donnersberg an.
Sein Nachfolger in der Paulskirchenversammlung wurde Friedrich Jacob Schütz.
Abg. Brunck: Abgaben für Schlachtvieh
S. 221 Brunck: Dem etwaigen Schmuggeln könnte auch durch die Bestimmung vorgebeugt werden, daß das als mager eingeführte Vieh, wenn es nicht eine gewisse Zeit, etwa 2 Monate, eingestellt werde, als Schlachtvieh versteuert werden müsse, und außerdem der Einführende mit der Strafe der Defraudation belegt werde.
Georg Karl Küchler (* 15. Oktober 1773 in Darmstadt; † 13. April 1854 ebenda) war ein hessischer Beamter und Landtagsabgeordneter.
Familie
Karl Küchler war der Sohn des Friseurs und Kammerdieners Johann Peter Küchler (1729–1790) und dessen Frau Anna Elisabethe geborene Jankowski (aus Prag). Er heiratete in erster Ehe Sybille Philippine geborene Lehmann (1779–1819). Nach dem Tod der ersten Frau heiratete er am 26. Juni 1820 in Offenbach am Main seine zweite Frau Johanna geborene Friedrich. Der Sohn aus erster Ehe Friedrich (1799–1866) wurde Staatsrat und Landtagsabgeordneter. Aus der zweiten Ehe stammt der Provinzialdirektor der Provinz Rheinhessen und Ehrenbürger von Mainz, Friedrich Küchler und Ernst Ludwig, der Großherzoglicher Steuerrat wurde.
Leben
Karl Küchler wurde 1819 Regierungsassessor für Gemeinde-Kultur-Angelegenheiten in Darmstadt. 1815 wurde er Landesökonomierat, 1817 Landkammerrat und 1819 Regierungsrat. 1824 war er Mitglied der Kommission für Torfstecherein und Entwässerungsarbeiten. 1832 wurde er vorläufig pensioniert.
1848 wurde er Mitglied der Regierungskommission der Regierungsbezirk Darmstadt. 1852 erhielt er die Ernennung zum Geheimen Rat. Er war mit der Verwaltung der Angelegenheiten des Hospitals Hofheim beim Kreisamt Darmstadt betraut.
1826 bis 1830 war er Mitglied der zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen. Er wurde im Wahlbezirk Starkenburg 4/Seligenstadt-Babenhausen gewählt und vertrat in der Kammer konservative Positionen.
Abg. Küchler: Beurteilung von Schlachtvieh
S. 223 Küchler: Es möge wohl der FalI seyn, daß unter dem Namen Zuchtvieh, vieles gemästete Vieh bisher eingeschmuggelt worden, allein dem könne man begegnen, denn da das schlachtbare Vieh sich von dem / S. 224 andern sehr wesentlich unterscheide, so dürften die Zollbeamten nur, wenn sie bei eingehendem Vieh in Zweifel seyen, ob es Zug- oder Schlachtvieh sey, das Vieh anhalten und es auf eine Expertise ankommen lassen. Den Verkehr durch erhöhte Zollansätze zu stören, halte er nicht für zweckmäßig.
Ochsenmetzger: Eingangszoll auf Schlachtvieh
S. 25 Gesuch der Ochsenmetzger zu Eingangszoll auf Schlachtvieh.
Abg. Kuder: Zoll auf Einfuhr von Baumwolle
S. 154 v. Kuder <Zu roher Baumwolle Geh. Staatsrat Hofmann:> Die Befreiung der Baumwolle von den Einfuhrabgaben sey zur Umgehung der Transitgebühren benutzt und bei der bisherigen Einrichtung der Staat immer hintergangen worden, die Baumwolle habe mögen ein- oder durchgeführt werden. Die vorgeschlagene Bestimmung werde einem solchen Betrug vorbeugen und die angetragene Abgabe sey so mäßig, daß sie selbst der Fabrikant recht gut tragen könne.
Abg. Hellmann: Gefährdung des Transitzolls für Baumwolle leicht möglich
Abg. Hellmann: Er finde dies auch für zweckmäßig, da offenbar eine Umgehung des Transitzolls leicht möglich und ausführbar werde, und auch Statt gefunden habe. Ein solcher kleiner Zoll auf die Baumwolle könne auch unmöglich für irgend einen Fabrikanten ein Hinderniß seyn, und er glaube daher, daß wir den gemachten Vorschlag ohne Anstand annehmen dürften.
Abg. Kuder: Einfuhrzoll auf Baumwolle
von Kuder: Es sey allerdings den angenommenen Grundsätzen nicht gemäß, daß wir ein Produkt besteuerten, das wir gar nicht hätten. Dasselbe sey auch bei der rohen Wolle der Fall, die wir bei weitem nicht in dem Maas zögen, wie sie die Fabriken nöthig hätten; allein als ein durchaus nothwendiges Mittel gegen die Defraudation der Transitgebühren habe der Ausschuß diesen Antrag gemacht.
Heinrich Johann Trommler (getauft 12. Juni 1782 in Bonn; † nach 1833) war ein hessischer Gutsbesitzer, Politiker und Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Heinrich Trommler war der Sohn des Handelsmanns Heinrich Trommler und dessen Ehefrau Maria Margaretha, geborene Ohligschläger. Trommler, der katholischen Glaubens war, war Gutsbesitzer und Handelsmann in Mainz und verheiratet.
Von 1826 bis 1834 gehörte er der Zweiten Kammer der Landstände an. Er wurde zunächst für den Wahlbezirk Rheinhessen 5/Nieder-Olm-Bretzenheim und dann im Wahlbezirk der Stadt Mainz gewählt.
Abgeordnete 1826-1827
Abg. Trommler: Niedriger Eingangszoll auf Barchent (Baumwolle/Leinen), um Betrug zu vermeiden
S. 155 Trommler: Nach den Bemerkungen des Herrn Regierungscommissärs scheine die Fabrikation der Baumwolle sehr nieder zu stehen, und deßwegen sey auch die Handelskammer in Mainz der Meinung, daß eine Erhöhung des Eingangszolls auf ausländischen Bettbarchent, den Verbrauch des letzteren nicht mindern, sondern nur Defraudationen veranlassen werde, indem der Gewinn immer bedeutend wäre; man sollte es deshalb bei dem bisherigen Ansatze von 10fl. belassen.
Abg. Gail: Schmuggel von Wolltüchern
S.202 Gail <zu Wolltüchern>: Wenn der Ausschuß glaube, daß durch einen erhöheten Zollansatz das Einschmuggeln befördert würde, so müsse er sich nur wundern, warum derselbe das in dem Antrag des Abg. Hellmann angedeutete Mittel, diesem Schmuggel zu begegnen, gar nicht berücksicht habe.
Wilhelm Justus Ferdinand Carl Müller
Wilhelm Justus Ferdinand Carl Müller (* 4. April 1790 in Gießen; † 6. September 1844 in Darmstadt) war ein hessischer Richter und Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Wilhelm Müller war der Sohn des Stabsauditors und Oberamtmanns Georg Friedrich Anton Müller (1760–1811) und dessen Ehefrau Johanette Eleonore Wilhelmine Sophie geborene Pfaff. Müller, der evangelischen Glaubens war, heiratete am 19. November 1818 in Darmstadt Amalie geborene Follenius (1797–1882).
Müller studierte ab 1806 Rechtswissenschaften an der Universität Gießen und wurde später Hofgerichtsrat am Hofgericht Darmstadt und ab 1834 Oberappellations- und Kassationsgerichtsrat am Oberappellationsgericht Darmstadt.
Von 1826 bis 1830 und erneut 1841 bis 1842 gehörte er der Zweiten Kammer der Landstände an. Er wurde für den Wahlbezirk Stadt Alsfeld bzw. Oberhessen 6/Homberg gewählt.
Abg. Müller: Unterbindung von Schmuggel mit Tüchern
S. 217 Müller: Er wünsche jedenfalls, daß, wenn es nicht bereits geschehen seyn sollte, wirksamere Maasregeln gegen den Schmuggelhandel mit Tüchern getroffen würden, was z.B. sehr leicht durch das Siegeln derselben geschehen könnte.
Freiherr Friedrich Wilhelm Carl Heinrich von Dörnberg
Freiherr Friedrich Wilhelm Carl Heinrich von Dörnberg (* 5. Juli 1781 in Mansbach; † 21. Januar 1877 in Darmstadt) war ein hessischer Oberforstmeister und Politiker und Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Leben
Wilhelm von Dörnberg war der Sohn des Hauptmanns in niederländischen Diensten Ferdinand Freiherr von Dörnberg (1752–1788) und dessen Ehefrau Wilhelmine, geborene von Mansfeld (1753–170). Dörnberg, der evangelischen Glaubens war, heiratete am 5. April 1808 in Frankfurt am Main Marie geborene Freiin von Malapert genannt von Neufville (1785–1871), die Tochter des Schöffen, Senators und Bürgermeisters in Frankfurt am Main Friedrich Wilhelm Freiherr von Malapert gen. von Neufville (1755–1818).
Von Dörnberg besuchte 1796 das Gymnasium Philippinum Weilburg und erhielt dort dann den ersten forst-praktischen Unterricht beim Oberförster Rauch. Er wurde 1801 durch Landgraf Ludwig X. zum Jagdjunker ernannt. Er machte eine forstwissenschaftliche Ausbildung an der Privatforstlehranstalt von Heinrich Cotta in Zillbach. 1802 wurde er Oberforstassessor und 1804 Assessor beim Oberforstkolleg in Darmstadt. Ab 1814 war er Oberforstmeister in Lorsch, 1824 Forstinspektor des Forstes Heppenheim, 1847 Landesjägermeister und 1852 Oberstforstmeister. 1864 trat er in den Ruhestand. Er war Begründer des Waldfeldbaubetriebs in Hessen-Darmstadt. 1834 wurde er Mitglied der hessischen landwirtschaftlichen Vereine und 1855 Vizepräsident des landwirtschaftlichen Vereins der Provinz Starkenburg. 1870 wurde er zum Ehren-Vizepräsident ernannt.
Er war Fideikommißbesitzer und Erbküchenmeister in Hessen.
Von 1826 bis 1830 und erneut 1840 bis 1847 gehörte er der Zweiten Kammer der Landstände an. Er wurde für den Wahlbezirk Starkenburg 6/Lorsch gewählt.
Abg. Dörnberg: Zollerhöhung auf Tabak nicht ratsam wegen Einschwärzungsgefahr
S. 181-243, 20.3.1827: Fortsetzung der Beratung.
S. 187 von Dörnberg: Wenn man übrigens glauben sollte, daß dem inländischen Tabaksfabrikanten durch die angeführte Besteuerung seines rohen Materials kein Schaden zugefügt werde, indem er durch die Zollerhöhung des ausIändischen fabricirten Tabaks eine vollkommene Entschädigung finde, so könne er damit nicht übereinstimmen. Je höher ausländischer fabricirter Tabak mit Zöllen belegt werde, desto mehr werde dadurch dessen Einschwärzung veranlaßt, und je mehr man den rohen Tabak mit Zöllen belege, desto mehr verhindere man den in1ändischen Fabrikanten, seinen Tabak so wohlfeil liefern zu können, als der ausländische geschmuggelt werde.
Heinrich Jakob Schwarz
Heinrich Jakob Schwarz (* 10. März 1787 in Alsfeld; † unbekannt) war ein hessischer Fabrikant und konservativer Politiker und Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Heinrich Jakob Schwarz war der Sohn des Fabrikanten Johann Heinrich Schwarz und dessen Ehefrau Barbara Katharina, geborene Haas. Schwarz, der evangelischen Glaubens war, war Leinweber und Fabrikant in Alsfeld und heiratete 1812 Christiane geborene Müller, die Tochter des großherzoglichen Hofkammerrates Karl Müller aus Darmstadt.
Von 1826 bis 1827 gehörte er der Zweiten Kammer der Landstände an. Er wurde für den Wahlbezirk Oberhessen 5/Romrod gewählt.
Abg. Schwarz: Zollerhöhung auf amerikanischen Tabak
S. 190 Schwarz: Hier komme nur die Frage zur Sprache, ob dadurch, daß der amerikanische Tabak einer höheren Besteuerung unterworfen werde, die Fabrikation geschwächt, und die Defraudationen begünstigt würden? Er glaube nicht, daß das erstere der Fall sey, wenn die vorgeschlagene Erhöhung des fabricirten Tabaks von der Kammer angenommen werde.
Abg. Küchler: Zurückhaltung bei Abgaben für Tabakprodukte
S. 191 Küchler: Es verdiene allerdings die innere Production eine große Berücksichtigung, a11ein es sey nicht allein diese, worauf wir Rücksicht nehmen müßten, sondern auch das Bedürfniß der bestehenden Fabriken. Die zu hohe Besteuerung dieses Bedürfnisses werde die Folge haben, daß man dem Schmuggel eine zu große Prämie geben würde, und der Tabak würde doch zu kaufen seyn , ohne daß die Finanzen davon Nutzen hätten. Er glaube deßwegen, daß man es, was die rohen Blätter betreffe, bei dem Tarif belassen könnte, ohne Rückvergütung, und daß man den fabricirten Tabak / S. 192 auch nicht höher besteuern dürfe, als er bereits besteuert sey, wenn wir uns nicht der Gefahr aussetzen wollten, daß in unserm Lande, das beinahe aus lauter Grenzen bestehe, der Schmuggelhandel einen wesentlichen Vortheil dadurch erlangen würde.
Wilhelm Christian Georg Goldmann
Wilhelm Christian Georg Goldmann (* 19. Mai 1792 in Grünberg; † 23. Januar 1873 in Darmstadt) war ein hessischer Verwaltungsbeamter und Politiker und Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Wilhelm Goldmann war der Sohn des fürstlichen Amtmanns und Amtsschultheiß Philipp Theodor Goldmann (1747–1812) und dessen Ehefrau Susanne Elisabethe, geborene Menzler (1755–1818). Goldmann, der evangelischen Glaubens war, heiratete Wilhelmine Luise geborene von Zangen (1794–1872). Der gemeinsame Sohn Theodor Goldmann wurde Provinzialdirektor.
Goldmann wurde 1823 Oberfinanzkammer-Assistent, 1827 Oberfinanzrat. 1833 wechselte er als 2. Geheimer Sekretär mit dem Titel Regierungsrat in das Ministerium des Inneren und der Justiz der Regierung des Großherzogtums Hessen. 1838 wurde er zum geheimen Regierungsrat befördert. Ab 1841 war er Direktor am Administrationshof, dem Justiz- und Lehnhof. 1853 wurde er geheimer Rat und 1. Rat im Finanzministerium und 1861 Obermedizinaldirektor bevor er 1873 pensioniert wurde.
Von 1826 bis 1841, 1851 bis 1856 und erneut 1863 bis 1866 gehörte er der Zweiten Kammer der Landstände an. Er wurde zunächst für den Wahlbezirk Oberhessen 8/Grünberg, dann für den Wahlbezirk Starkenburg 10/Köng und zuletzt im Wahlbezirk Starkenburg 5/Dieburg gewählt. In den Ständen vertrat er zunächst konservative, dann liberal-konservative Positionen.
Abg. Goldmann: Für niedrige Besteuerung des Rohtabaks
S. 192 Goldmann: Außerdem schließe er sich der Meinung derjenigen an, welche die rohen Tabaksblätter höher besteuern wollten, als bisher. Der Grund, der hiergegen von der Defraudation hergenommen werde, sey seines / S. 193 Erachtens hier nicht relevant, indem bei dem rohen Tabak die wenigsten Defraudationen Statt fänden und Statt finden könnten.
Abg. Küchler: Gegen Abgabenerhöhung auf Tabakprodukte
S. 198 Küchler: Die Prüfung dieses Artikels werde sich auf wenige Sätze zurück führen lassen. Er habe nicht im Auge gehabt, daß die rohen Blätter geschmuggelt werden könnten, sondern habe blos sein Augenmerk auf den Schmuggelhandel gerichtet, der mit fabricirtem Tabak getrieben werden könne, und daß das Letztere möglich sey, werde niemand in Abrede stellen. Wenn wir die Fabrikanten nicht in den Stand setzten, mit den Ausländern Preis zu halten, so sey dieser Schmuggelhandel, wenn wir die rohen Waaren zu sehr belegten, indirect auch wieder begünstigt, und er frage, ob wir den inländischen Producenten dadurch einen Dienst erzeugen würden, wenn wir dieses Resultat herbeiführten? Er glaube daher, daß man es bei den bisherigen Ansätzen belassen solle.
Abg. Hellmann: Unsicherheit im Transit von Tabak
S. 200 Hellmann: Wenigstens werde die Verwaltung niemals Sicherheit erhalten können, ob und daß der eingeführte fremde Tabak auch wirklich wieder ausgeführt, oder ob blos inländischer Tabak in’s Ausland versandt und darauf die Vergütung erstattet werde.
Abg. Hellmann: Zollhöhe bei Gold keine Gefahr
Hellmann <für hohe Zölle auf Goldfabrikate>: So hoch werde der Zoll nie werden, daß die Einfuhr vermindert werde, eine Prämie auf den Schmuggel könne es auch nicht seyn, da der, der 1 Pfund Gold unverzollt einführe, schon einen zu hohen Werth für eine Kleinigkeit wage.
Abg. Hellmann: Einfuhr von Fässern zu hoch belegt
S. 229 HelImann <zu Binder-Faßbinder oder Küblerarbeit>: Ihm selbst seyen in seinem Bezirke schon sehr häufig Klagen zu Ohren gekommen, und er könne versichern, daß die Leute in der größten Verlegenheit seyen, wo sie Züber bekommen sollten. Der Zoll stehe gar nicht im Verhältniß mit dem Werthe, und/ S. 230 die Leute seyen daher gezwungen, die Waaren einzuschmuggeln. Es wäre deßwegen gut, wenn man diesen Artikel wenigstens auf 3 fl. 20 kr. herabsetzte.
Zollverein mit Bayern und Württemberg
4. Band 1827:
Heft XII, S. 72-76, 25.4.1827: Protokoll zu ZV.
S. 114-116 Anträge Hellmann und Kuder
S.114f. Beilage 337. Antrag des Abg. Hellmann, den Beitritt des Großherzogthums zu dem zwischen den Königreichen Baiern und Würtemberg abgeschlossenen Zollvereinigungsvertrage betreffend.
Bei meinem Antrage vom 24. Januar, die Erhöhung der Verbrauchsteuer von ausländischen Produkten und Fabrikaten betreffend, gieng ich von der Ueberzeugung aus, daß nur auf diesem von dem Königreich Baiern so weißlich eingeschlagenen Wege die durch vieljährige kostspielige Unterhandlungen umsonst versuchte Vereinigung zu gegenseitig freiem Handel und zu einer gemeinschaftlichen Zolllinie nach Außen endlich erreicht werden kann.
Der zwischen den beiden Königreichen Baiern und Würtemberg nun wirklich abgeschlossene Vereinigungsvertrag hat bereits diese Ansicht bestätigt und ich zweifle nicht, daß diese ganze hohe Kammer mit mir den innigen Wunsch theilen wird, daß auch unsere höchste Staatsregierung baldmöglichst diesem Vereinigungsvertrage beitreten, dadurch die verschiedenartigen Interessen des Handels und der inländischen Industrie versöhnen, eine freundschaftlichere Zukunft für sämmtliche Staatsbürger und ein neues freieres Leben für alle Gewerbe des Landes herbeiführen möge.
Nach dem Vereinigungsvertrage zwischen Baiern und Würtemberg fällt auf den 1. October d.J., wenn bis dahin die nöthigen Einrichtungen fertig werden, die zwischen beiden Staaten bestehende Zolllinie weg, eine gemeinschaftliche Linie wird die beiden Königreiche umschließen, gleicher Tarif, gleiches Zollgesetz, gemeinschaftliche Zollämter und eine gemeinschaftliche Centralverwaltung wird bestehen. Sobald der Vertrag, der bereits ratificirt / S.115 und ausgewechselt worden, öffentlich bekannt gemacht seyn wird, treten auch schon mit dem Tage der Bekanntwerdung einige Verkehrserleichterungen ein; so wird z.B. der Eimer Wein, der bisher 17 fl. 30 kr. bezahlte, mit 6 fl. eingehen.
Der erste Artikel des Vertrages enthält, daß auch andere süddeutsche Staaten in den Verband aufgenommen werden können. Ich trage daher darauf an:
„die höchste Staatsregierung so dringend als ehrfurchtsvoll zu ersuchen, den im Interesse des Landes begründeten Beitritt zu diesem Vereinigungsvertrage baldmöglichst zu erwirken, zugleich aber auch Höchstdieselbe zu ermächtigen, den aus solchem Beitritte sich etwa ergebenden Ausfall entweder auf directem Wege auszuschlagen, oder vorläufig, bis zum nächsten Landtage, durch einen zu eröffnenden Credit zu decken.
S. 115-117 Beilage 338. Vortrag des ersten Ausschusses über den Antrag des Abg. Hellmann auf Beitritt des Großherzogthums zu dem zwischen den Königreichen Baiern und Württemberg abgeschlossenen Zollvereinigungsvertrage; erstattet von dem Abg. von Kuder.
(die Motion zu verlesen.)
<Zu vorangegangenen Zollvereinsverhandlungen:>
S.116 Gewiß wird daher nach allem dem unsere Staatsregierung schon an und für sich selbst, ohne weitere Aufforderung von Seiten der Stände, nach ihrer in Frage begriffener Beziehung bisher so rühmlich bewiesenen Tendenz und Handlungsweise, nicht einen Augenblick säumen, sich einer Vereinbarung anzuschließen, die längst in ihrem, ich darf es wohl mit allem Bestand behaupten, mit dem gesammten deutschen Volke, der ganzen deutschen Nation gemeinsamen heißen Wünsche und Willen liegt.
Indessen ist der nach öffentlichen Blättern zwischen Baiern und Würtemberg abgeschlossene Vertrag bis jetzt nur im Allgemeinen, in groben Umrissen bekannt und deshalb nicht mit Sicherheit zu beurtheilen, ob und in wie fern etwa dabei nur die besonderen, individuellen Verhältnisse dieser beiden Staaten berücksichtigt und beachtet sind. Deßhalb dürfte denn auch vorliegender Antrag, nach dem Ermessen des Ausschusses, Großherzogl. Staatsregierung nur in so fern zur Berücksichtigung empfohlen werden, als sie jenen Ve3rtrag noch den Interessen unseres Staates, zu den erkennen gegebenen Wünschen und Erwartungen zusagend erachtet, zumalen sie dieses, von ihrem Standpunkte aus, am ersten, besten und sichersten zu beurtheilen vermag und zumal sie allen Anspruch auf unser Vollstes Vertrauen hat, daß sie nicht kleinliches Interesse dem höheren, dem allgemeinen vorziehen werde.
<Für Ausfall von Staatseinnahmen keine weiteren Regelungen erforderlich, Sache der Regierung.>
<Würde der Vertrag zwischen Bayern und Württemberg den großherzlich-hessischen Vorstellungen entsprechen>, so wäre dieses wahrlich eine höchst erfreulich Erscheinung, würde die Hoffnung beleben, ja die höchst reizende Aussicht beinahe mit Gewißheit eröffnen, daß die deutsche Industrie, der deutsche Gewerbs- und Erwerbsfleiß bald seinen unnatürlichen Fesseln werde entledigt, nicht lange mehr mit sich selbst in einem, den Nationalwohlstand, so wie den Wohlstand des Einzelnen zerstörenden Kampfe gelassen und damit auch der Zweck des Vereins der deutschen Staaten in einem weiteren wesentlichen, ihre Kraft und Selbstständigkeit erhaltenden und stärkenden Theile werde beabsichtigt und sicher erreicht werden.
5. Band, 1827:
Heft XV, S. 122-132 Protokoll 90, 18.6.1827 ZV mit Bayern und Württemberg
S.122 Der Präsident eröffnet hierauf
V. die Berathung über den Bericht des ersten Ausschusses, wegen des Antrags des Abg. Hellmann, den Beitritt des Großherzogthums zu dem zwischen den Königreichen Baiern und Würtemberg abgeschlossenen Zollvereinigungsvertrage betr.
<Hellmann beleuchtet die beiden Fragen:>
1) Liegt ein Zollverein mit Süddeutschland, oder nur ein solcher mit Norddeutschland im Interesse unseres Staates?
und im ersteren Falle:
2) ist der Beitritt zu dem Vereine jetzt schon, ehe und bevor das Großherzogthum Baden beigetreten ist, räthlich und nützlich?
S.123 <Erste Frage scheint nach langen Verhandlungen gelöst. Daher Übergang zur 2. Frage.>
Daß der Beitritt von Baden sehr nützlich und erwünscht für unser ganzes Land seye, und neues Leben und Wohlstand demselben bringen würde, habe unsere hohe Staatsregierung im Laufe der Verhandlungen zu Stuttgardt selbst anerkannt. Sey dies aber wirklich der Fall, so liege es auch offenbar im Interesse unseres Landes, ein solches Ziel möglichst schnell zu erreichen, den Beitritt Badens auf dem kürzesten Wege zu erwirken.
Dieser kürzeste Weg aber sey und könne kein anderer seyn, als unser eigener, unverzögerter Beitritt, indem dann Baden, dadurch fast von allen Seiten von den Vereinsstaaten umschlossen, diesen um so mehr ebenfalls und unbedingt beitreten müsse, als ihm durchaus keine Möglichkeit bleiben würde, von seinem bisherigen System ferner Nutzen ziehen zu können, während es dagegen ohne unsern früheren Beitritt immer noch hoffen könne, durch Separatverträge mit unseren und anderen Nachbarstaaten sich diejenigen größeren Vortheile zuzuwenden, auf die sein ganzes bisheriges System berechnet scheine.
S.123-125 Abg. Schwarz:
Bei einem Handelsvertrage zwischen dem Großherzogthum Hessen und den Königreichen Baiern und Würtemberg, würden allerdings unsere Fabrikanten einen vermehrten Absatz ihrer Fabrikate fin/S.124den, und werde dieser Vortheil vorzüglich denjenigen zu Staaten kommen, die sich mit Verfertigung von Leder, wollenen Tüchern, Wollenwaaren, Leinwand und Bettbarchent beschäftigten.
Ob aber der vermehrte Verkauf dieser Kunstprodukte im Verhältnisse mit dem Nachtheile stehe, welchen andern Theils eine zollfreie Einführung des Schlachtviehes und des Getreides aus jenen Staaten veranlassen könnte, hierüber wage er so lange noch kein Urtheil zu fällen, so lange noch durch keine Controle das Quantum der ausgeführten Producte ausgemittelt werden könne. Durch die Controle des Eingehenden hättenm wir aber kennen gelernt, daß im Jahre 1825, wo der Handelsvertrag mit dem Großherzogthum Baden bestanden, 24.175 Malter Getreide, 2.240 Malter Mehl, 10.423 Stück Rindvieh und 63.477 Stück Schweine in das Großherzogthum eingeführt worden seyen. Hiernach könne man wohl schließen, daß bei einem freien Verkehr mit jenen Staaten, aus der deutschen Kornkammer, aus Franken, eine große Masse von Getreide, an den Ufern des Mains und Rheins, und eine sehr bedeutende Anzahl von Schlachtvieh aus dem Königreich Würtemberg, eingeführt, und auf den Märkten durch die herbeigeführte Concurrenz, die Preiße herabgedrückt werden müßten, zum größten Schaden der kaum wieder in das Leben getretenen Viehmastung.
Es sey daher der Antrag des Abg. Hellmann der hohen Staatsregierung nur in der Art zu empfehlen, wie ihn der Ausschuss vorgeschlagen habe <gegen neue Abgabenerhebung>.
S.125 <Vereinigung muss Vorteile bringen.> Nicht allein die Vereinigung mit mehreren südlich gelegenen Staaten könne eine völlige Verkehrsfreiheit auf gemeinschaftliches Interesse gestützt herbeiführen; es sey daher sehr zu wünschen, daß es der hohen Staatsregierung gelingen möchte, die gleichzeitige Vereinigung mit dem Herzogthum Nassau und dem Churfürstentum Hessen zu bewirken.
S. 126 Abg. Schwarz: Wenn der Abgeordnete Hellmann die Perspective gezeigt habe, daß der zollfreie Verkehr unseres Landes mit Baiern und Württemberg die Ausfuhr der rheinhessischen Weine vermehren werde, so habe er wohl vergessen, daß aus Rheinbaiern und Frankren in das Großherzogthum ebenfalls die Weine zollfrei eingehen würden.
S.127 Er fürchte aber sehr, daß noch ein anderer Umstand die Staatsregierung abhalten werde, diesem Vereine beizutreten; es scheine nämlich, daß jenen Staaten wirklich dadurch in den indirecten Einnahmen ein Ausfall entstünde, den man durch die sehr erhöhten Eingangszölle auf Colonialwaaren zu decken beabsichtige. Die Kammer aber werde sich noch erinnern, wie gelegentlich der Berathung über die Verbrauchsteuer der Herr Regierungscommissär ausdrücklich erklärt habe, daß sein, Redners, Vorschlag, den Eingangszoll von Kaffee und Zucker von 5 fl. auf 10 fl. zu erhöhen, nicht ausführbar sey, indem bei der geographischen Lage unseres Landes die Defraudationen, wozu jede Erhöhung der Abgaben den Reitz vermehre, nicht vollständig verhütet werden könnten.
S.128 Daß übrigens der Beitritt sehr nützlich sey, werde man daraus erkennen, daß von Baiern und Würtemberg bereits mit den Schweizer Cantonen unterhandelt werde, und daß man keinen Augenblick über den erwünschtesten Ausgang und Abschluß zweifelhaft sey. Endlich aber könne er dieser hohen Kammer auch noch die wichtige Nachricht mittheilen, daß Sachsen sich in München bereits zum Beitritte gemeldet habe.
Abg. Trommler: Die Bemerkung des Abgeordneten Schwarz hinsichtlich der Fabrikanten scheine ihm mit dem bei der Bera/S.129thung über die indirecten Abgaben Geäußerten in Widerspruch zu stehen. Damals sey behauptet worden, die Fabrikanten müßten durch Eingangszölle geschützt werden, da ihre Waaren in das Ausland nicht eingehen könnten, und so viel er sich erinnere, habe man namentlich behauptet, daß in das Königreich Würtemberg ehemals aus unserm Lande viel eingegangen sey, und dieses, durch die4 Würtembergischen Zölle zum großen Schaden unserer, Fabriken aufhöre; sey dieses wahr, so zerfalle die Behauptung des Abgeordneten Schwarz in sich selbst.
<Zustimmung zum Antrag Hellmanns>
Carl (auch: Karl) Christian Eigenbrodt
Carl (auch: Karl) Christian Eigenbrodt (* 26. November[1] 1769 auf Hof Lauterbach bei Vöhl; † 11. Mai 1839 in Darmstadt) war Jurist und Politiker im Großherzogtum Hessen.
Familie
Eigenbrodt war Sohn des Leutnants und Landwirts Wilhelm Ernst Eigenbrodt und Elisabeth Dorothea Eigenbrodt, geborene Henry. Er heiratete 1796 in erster Ehe Marianne (Friederike Jacobina), geborene Langsdorff (1771–1808). Ihr gemeinsamer Sohn, Reinhard Eigenbrodt war ebenfalls Jurist, Abgeordneter und Minister im Großherzogtum Hessen. Die Tochter Julie heiratete den Pfarrer und Politiker Karl Philipp Wilhelm Köhler. Nach dem Tod seiner Frau heiratete Eigenbrodt 1814 erneut. Seine zweite Frau war Louise (Friederike), geborene Bojanus (1789–1880). Eigenbrodt war Protestant.
Seit 1795 arbeitete Eigenbrodt als Verwalter der Besitzungen des Herren von Hammerstein. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft wurde Eigenbrodt 1803 Kammerrat im zu Hessen-Darmstadt gehörenden Herzogtum Westfalen. 1806 wurde er Mitglied der Regierung im Herzogtum Westfalen in Arnsberg welches für einige Zeit zu Hessen-Darmstadt gehörte. 1809 leitete er das Oberforstcollegium in Darmstadt im Range eines Oberforstrates. 1818 wurde er Mitglied der Appellations-Commission der Provinz Rheinhessen. Ab 1819 leitete er diese als Direktor.
1820 wurde er für den Wahlkreis Breuberg-Höchst in die zweite Kammer der neugeschaffenen Landstände des Großherzogtums Hessen gewählt. Im Parlament wurde er Präsident der zweiten Kammer. 1821 rückte er als Geheimer Staatsrat im Finanzministerium in die Regierung des Großherzogtums auf und schied aus dem Parlament aus. Seine Wiederwahl zum zweiten Landtag im gleichen Wahlkreis führte zu einer intensiven Debatte in den Landständen, ob sein Amt mit dem Mandat in der Zweiten Kammer vereinbar sei. Die Mehrheit der Zweiten Kammer sah keine Vereinbarkeit und erkannte ihm das Mandat ab.
1827 wurde er zum Dr. jur. promoviert. 1831 wurde er Präsident der Landwirtschaftlichen Zentralbehörde.
1835 bis 1839 war er erneut (diesmal für den Wahlkreis Erbach) Mitglied der Zweiten Kammer
Der Präsident <Karl Christian Eigenbrodt>: Ob der Beitritt den wahren Interessen des Großherzogthums entspricht, sey zweifelhaft, wenigstens sey die Kammer nicht in den Grund gesetzt, mit Bestand hierüber urtheilen zu können.
<Erwartung eines Vertrauens in Staatsregierung>
Abg. Gail: So sach- und zeitgemäß ihm zwar der Antrg des Abgeordneten Hellmann erscheine, so halte er es doch, so wie der Ausschuß vorgeschlagen habe, für rathsamer, denselben bloß dem Ermessen und der Weisheit der hohen Staatsregierung anheim zu stellen. Sollte die Staatsregierung Anstand nehmen, demselben Folge zu geben, so könne derselben nicht der Vorwurf der Inconsequenz gemacht werden.
S. 130 Abg. Hellmann: Er verkenne in keiner Weise, daß der Verein mit Würtemberg und Baiern nicht so große Vortheile darbieten könne, die ein Verein mit allen süddeutschen Staaten zur Folge haben würde. Er habe sich nur erlaubt, darauf aufmerksam zu machen, daß Badebn durch unsern Beitritt ebenfalls zum Beitritte bewogen werden könnte, und wir also das gewünschte Ziel auf diesem Wege unfehlbar und ganz erreichen würden.
Abg. Schwarz: Er habe bei der Berathung über die Verbrauchsteuer stets den Grundsatz im Auge /S.131 behalten, durch erhöhte Eingangszölle der Industrieproducte den inländischen Producten einen sicheren Schutz zu gewähren, und habe es ihn herzlich gefreut, wie die großherzogliche Staatsregierung hierauf eingegangen sey, wodurch zwei wesentliche Vortheile erreicht worden seyen, nämlich Hebung der Industrie, und Verhützung, daß das Geld für diese Waaren ins Ausland gehe. Diese Grunssätze stünden aber keineswegs im Widerspruche mit dem, was er vorhin zu bemerken sich berufen gefühlt habe.
S.132 Abstimmungen, zu B) über den Antrag des Abg. Hellmann, den Beitritt des Großherzogthums zu dem, zwischen den Königreichen Baiern und Würtemberg abgeschlossenen Zollvereinigungsvertrags betreffend.
Die Frage:
1) Will die Kammer dem Antrage so, wie er gestellt ist, Folge geben?
Wird mit 36 gegen 5 Stimmen verneint. (Beil. 13).
2) Will die Kammer dem Antrage nach dem Vorscjhlage des Ausschusses Folge geben?
Wird einstimmig bejaht. (Beil. 14)
Zollverein mit Bayern und Württemberg
Erste Kammer
5. Heft, S. 203: 20.6.1827: ZV mit Bay u Württ.
S. 218-222 22.6.1827: Beitritt zu ZV
Carl Ludwig Johann Hermann (genannt Jeannot) Riedesel Freiherr zu Eisenbach
Carl Ludwig Johann Hermann (genannt Jeannot) Riedesel Freiherr zu Eisenbach (* 20. Januar 1782 in Wien; † 14. Oktober 1842 in Lauterbach) war Freiherr aus dem Hause Riedesel, großherzoglich-hessischer Kammerherr und Vizepräsident der Ersten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Seine Eltern waren der Diplomat und Schriftsteller Johann Hermann Riedesel zu Eisenbach (1740–1784) und dessen Frau Charlotte Marianne von Beeren († 1817).
Jeannot Riedesel gehörte von ihrer Gründung 1820 bis zu seinem Tod 1842 der Ersten Kammer der Landstände an, nachdem Carl Philipp Ferdinand Hermann Riedesel zu Eisenbach, Ludwig Georg Friedrich Hermann Carl Riedesel zu Eisenbach und August Riedesel zu Eisenbach verzichtet hatten.[1] 1820/21, 1826/27 und 1838 bis 1841 war er zweiter Präsident der Kammer.
Ehe und Nachkommen
Er war mit Karoline Wilhelmine, geborene von Steube, verheiratet. Aus der Ehe gingen drei Söhne Georg (1812−1881), Giesebert (1813−1885) und Volprecht Hermann Gustav August Erdmann (1817-1877) sowie die Tochter Wilhelmiene Caroline Sophie Erdmuthe (1821-1902) hervor; die beiden Erstgeborenen wurden ebenfalls Standesherren und hessische Abgeordnete.
S.222 <Freiherr Riedesel referiert im Namen des ersten Ausschusses über den Antrag des Abg. Hellmann zum Beitritt Hessens zu dem Zollverein Bayern und Würtemberg.>
<Inhalt der Motion soll zu den Akten genommen werden>
Präsidium lässt abstimmen über die Frage:
Will die Kammer, nach dem Antrage ihres Ausschusses, die Motion des Herrn Proponenten auf sich beruhen lassen?
Welche einstimmig mit Ja beantwortet wird.
Veranstaltung vom 05.12. 2017
Zollverein Hessen-Darmstadt mit Preußen am 14. Februar 1828 abgeschlossen.
Zollverein zwischen Bayern und Württemberg am 18. Januar 1828 abgeschlossen.
Mitteldeutscher Handelsverein 24. September 1828
Eine Präliminarübereinkunft zwischen Bayern und Württemberg wurde an 12.4.1827 geschlossen. Die beiden Regierungen waren bereit, die angrenzenden Staaten aufzunehmen, doch Baden, Darmstadt und Nassau leisteten der Einladung keine Folge.
Für den Beitritt zur Präliminarübereinkunft warb der Verleger Johann Friedrich Cotta vergeblich in Nassau. Der nassauische Minister Marschall von Biberstein wertete die Übernahme des bayerischen Zollsystems durch Württemberg als Souveränitätsverzicht. Ferner verwies er auf die wirtschaftlichen Strukturunterschiede zwischen den Rheinuferstaaten (die Marktvorteile der Wasserstraße) und den rückwärts gelegenen Ländern. Der badische Minister Berstett stimmte Mit Marschalls Ansichten überein. In Wien wurde der Präliminarvertrag missbilligt, man erwartete aber keine lange Lebensdauer. In Hessen-Darmstadt zögerte die Regierung, der Empfehlung der Zweiten Kammer zum Vereinsbeitritt, falls er im Interesse des Landes stünde, Folge zu leisten.
Die ablehnende bzw. zögernde Haltung der potentiellen Vereinspartner ließ in der bayerischen und der württembergischen Regierung die Überzeugung aufkommen, daß nicht von der Präliminarübereinkunft, sondern erst von dem definitiven Verein eine Signalwirkung ausgehen würde. Darmstadt stand im Sommer 1827 im Mittelpunkt des Werbens. Im Juli 1827 berichtete Maximilian von Lerchenfeld, damals Bundestagsgesandter, von einem Gespräche mit Staatsrat August Konrad Hoffmann, in dem dieser erklärte für Darmstadt sei ein Handelsvertrag mit Preußen wünschenswert sei, doch auch der süddeutsche Verein sei diskutabel. Auch Grolmann schien der bayerischen Regierung einem süddeutschen Verein gewogen. Nur Außen- und Finanzministerr du Thil versprach sich von einem Anschluss an Süddeutschland keinen Vorteil, da der darmstädtischer Absatzmarkt im Norden Deutschlands liege. Auch du Thil schloss einen Vereinsbeitritt nicht aus, falls Kurhessen dafür gewonnen werden könnte. Während sich die bayerische Regierung aufgrund eines Rats von Lerchenfeld in der Werbung zurückhaltend verhielt, entschied sich Darmstadt unter größter Verschwiegenheit für die Integration in das preußische Zollsystem.
Anfang Oktober meldete die württembergische Gesandtschaft aus Berlin, in Preußen begünstige besonders Finanzminister Friedrich von Motz die Vereinsidee. Die württembergische wie die bayerische Regierung ahnten nicht, daß Preußen bereit war, selbst an der Vereinsbewegung zu partizipieren. Die preußische Regierung musste befürchten, dass Darmstadt und Kassel in den Bayerisch-Württembergischen Verein eintreten würden. Das brachte sie in einen Zugzwang. Als der hessische Unterhändler Hoffmann in geheimer Mission Ende 1827 nach Berlin reiste, wurde er mit offenen Armen empfangen. Österreich gegenüber rechtfertige die darmstädtische Regierung die Verbindung mit Preußen, Darmstadt könne ein isoliertes Zollsystem nicht mehr aufrechterhalten. Der Anschluss an Preußen sei im Unterschied zu einer Verbindung mit Preußen aus nationalökonomischer und aus politischer Sicht unbedenklich.
Quellenzitate
Dank für Zollverein an Großherzog
S. 206-209 Dankadresse an Gh wg Zollverein.
Wirkung eines Zollvereins deutscher Staaten
2. Band 1830:
S. 318-341 2. Bd., Sitzung vom 9. 3. 1830: Zur Bemerkung des Ausschußberichts über den Zollverein mit Preußen:
S. 318 Kertell: <Zollinien mit Nachbarn notwendiges Übel.> “Auch er habe anders gedacht und denke noch anders; er betrachte es als die Vernichtung bürgerlicher Freiheit, und da er diese höher als Alles halte, so erscheine ihm das Zoll- und Mauthwesen das Schrecklichste, was auf einem Grenzlande haften könne, immer als ein Werk der Hölle und der Finsterniß. – Indessen sey es einmal vorhanden, und unser / S. 319 Bestreben müsse nun dahin gehen, auf Erweiterung des Zollverbandes zu denken, indem nur hierin augenblickliche Erleichterung und Hoffnung künftiger Erlösung zu finden sey. Man werde ihm einwenden: je größer der Verband, desto größer der Druck, je größer und schärfer die Formalitäten, desto größer und gebieterischer die Macht der Angestellten; er gebe dieß zu, antworte aber auch: jeder Druck erzeuge einen heftigern Gegendruck, je stärker und schwerer er auf Jemanden laste; je stärker dieser Druck in Deutschland, desto mehr verbinde er die deutschen Interessen und die deutsche Nation, denn diese wisse, was bürgerliche Freiheit sey, und könne sie nie vergessen. Napoleon habe gesagt: das unselige Mauthwesen sey seine Nothwehr gegen EngIand, es werde sich immer weiter verbreiten, und nicht eher aufhören, bis es alle Staaten empfänden.
Kritik an Übernahme preußischer Strafgesetze ohne ständische Mitwirkung
4. Band, 1830:
S. 6-20 Sitzung v. 6. 9. 1830: Beratung des Gesetzentwurfs in “Contraventionssachen gegen die Gesetze über indirekte Auflagen in der Provinz Rheinhessen betr.“
S. 8 Trommler: Welches auch die Grundsätze seyen, die dem bestehenden Strafgesetze über die Zolldefraudationen zu Grunde lägen, so werde Niemand verkennen, daß diese Grundsätze nach dem bisher beobachteten Verfahren jeden Augenblick abgeändert werden könnten. Das Land habe dieses Gesetz von einem fremden Staate, ohne alle Mitwirkung der Stände, annehmen müssen. Der Gesetzesentwurf, welcher heute zur Berathung vorliege, solle sich nicht blos auf alle Contraventionen gegen die Zollgesetze, sondern auch auf die Contraventionen gegen die Gesetze über alle sonstige indirekte Abgaben, mit Ausnahme der speciell angeführten Fälle, erstrecken; aber auch die Strafbestimmungen, welche bei anderen, als Zolldefraudationen, eintreten sollten, seyen, und zwar seiner Ansicht nach mit Unrecht, ohne Zuziehung und Zustimmung der Stände erlassen, und bisher gehandhabt worden.
Es könnte indessen, seiner Überzeugung nach, der Staatsregierung nicht zustehen, derartige Strafgesetze, welche so schwere Strafen verhängten, und die in das Leben und in alle bürgerliche Verhältnisse so tief eingriffen, ohne die verfassungsmäßige Mitwirkung der Stände zu erlassen. Er wiederhole: welches auch die Grundsätze seyn möchten, welche gegenwärtig, sowohl in den Zollstrafgesetzen, als auch in den übrigen Gesetzen über die Contraventionen in Bezug auf indirekte Abgaben enthalten seyen, so liege doch für keinen Augenblick Sicherheit vor, daß diese nicht geändert werden könnten ••• Die verehrliche Kammer wisse aber, wie /S. 9 wenig es, selbst dem rechtlichsten Manne, möglich sey, einer Contravention in Bezug auf die Zollgesetze und auch andere indirekte Auflagen, in allen Fällen zu entgehen, sie habe vernommen, welche schwere schreckliche Strafen oft nur für die Übertretung einer blos formellen Bestimmung festgesetzt seyen, so daß die vorliegende Zollordnung, in dieser Hinsicht, füglich den ehemaligen berüchtigten französischen Zollgesetzen an die Seite gesetzt werden könne.
Folge für Kammermitgliedschaft
S. 16 Ministerialrat Dr. Linde: Er habe sich überzeugt, daß mehrere ihrer Mitglieder die allerdings nicht ganz ungegründete Besorgniß hegten, es könne durch das Nichtvorhandenseyn einer solchen Bestimmung leicht der Fall herbeigeführt werden, daß irgend ein Individuum, dessen Eintritt in ihre Mitte die Kammer wünsche, blos einer Defraudation wegen, an der Ausbüung dieses so wichtigen staatsbürgerlichen Rechtes verhindert werde. / S. 17 <Vorschlag eines Zusatzartikels dazu; Grenze = Gefängnis von 1 Jahr.>
Salzregie in Oberhessen nicht durchsetzbar, Salzwerk nicht zur Provinz gehörig
S. 206-253 Sitzung vom 28.9.1830: Beratung über Salzsteuer und Salzregie.
S. 207 Präsident des Staatsrats Freiherr von Hofmann:
S. 210 <zur Salzregie in der Provinz Oberhessen:>
Schon die geographische Lage dieser Provinz, das Bestehen eines reichen Salzwerks in ihrer Mitte, welches nicht zum Lande gehöre und den Schleichhandel begünstige, mache es der Verwaltung unmöglich, dort die Salzregie durchzuführen, und die Erfahrung der vorletzten Finanzperiode habe die Überzeugung begründet, daß diese Einrichtung in der Provinz Oberhessen unzweckmäßig sey. Man habe sich also auf dem letzten Landtage entschlossen, die Provinz Oberhessen eine Summe von 70,000 fl. zur Ausgleichung und als Ersatz für die nicht bestehende Salzregie bezahlen zu lassen, und auch darin wirklich eine Ausgleichung gefunden.
Ernst Emil Hoffmann
Ernst Emil Hoffmann (* 17. Januar 1785 in Darmstadt; † 22. Mai 1847 ebenda) war ein deutscher Unternehmer und Politiker.
Leben
Ernst Emil Hoffmann[1], Sohn des Darmstädter Oberkriegsrats Hans Wilhelm Hoffmann (1754–1813) und der Elisabeth Friederike Dorothea, geb. Stürtz (1753–1805), absolvierte von 1795 bis 1800 das Gymnasium seiner Heimatstadt, erlernte anschließend das Kaufmannshandwerk und errichtete 1806 in Darmstadt ein Spezereigeschäft, das er aber bald wieder aufgab. Er trieb nun ausgedehnten Handel mit den verschiedenartigsten Waren, lieferte Gewehre für das Militär und spekulierte glücklich mit Staatspapieren. So kam er rasch zu einem großen Vermögen, das ihm das Betreten der politischen Laufbahn ermöglichte, während derer er sich durch seinen Einsatz für Volksfreiheit und die Förderung der öffentlichen Wohlfahrt auszeichnete. 1809 verheiratete er sich mit der acht Jahre jüngeren Karoline, geb. Leusler, mit der er zwölf Kinder hatte. Seine Tochter Emma Johanette heiratete den Lehrer und Landtagsabgeordneten Gottlieb Wilhelm Soldan.
Im Verlaufe des deutschen Freiheitskampfes gegen Napoleon beteiligte sich Hoffmann 1813 an der allgemeinen Landesbewaffnung Hessens sowie der Errichtung eines freiwilligen Jägerkorps, von dessen Mitgliedern er sechs Mann auf eigene Kosten ausrüstete und ihnen für Unglücksfälle lebenslange Pensionen zusicherte. Ferner wurde er Befehlshaber des ersten darmstädtischen Landwehrbataillons. 1817 trug er viel zur Milderung der Hungersnot in Hessen bei, indem er bedeutende bare Kapitalien verschenkte, Kollekten veranstaltete und Lebensmittel unentgeltlich oder zu ermäßigten Preisen an Notleidende vergab.
Politisch freiheitlich gesinnt, unterstützte Hoffmann 1820 die Verabschiedung einer hessischen Verfassung. Beim Ausbruch des griechischen Unabhängigkeitskrieges gegen die osmanische Herrschaft war er sehr zugunsten der Griechen tätig. So begab er sich 1822 als Bevollmächtigter sämtlicher deutscher Philhellenen-Vereine nach Marseille, um dort die Einschiffung der nach Griechenland reisenden Freiwilligen in die Wege zu leiten Für seinen Einsatz erhielt er das erbliche griechische Ehrenbürgerrecht. 1823 gründete er eine Militärvertretungsgesellschaft für das Großherzogtum Hessen, die bis 1835 bestand.
1826 wurde Hoffmann auf dem hessen-darmstädtischen Landtag zum Abgeordneten der zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen gewählt. Weil er aber in großer Zahl lithographierte Schreiben herausgab, in denen er den Wählern riet, nur unabhängige und liberal gesinnte Männer zu Deputierten zu wählen, wurde er auf Betreiben von Minister Grolmann wegen Einmischung in die Wahlen und Majestätsbeleidigung gerichtlich belangt und so daran gehindert, in die Kammer einzutreten. Erst nach drei Jahren wurde er am 29. August 1829 völlig freigesprochen und konnte nun Mitglied der Ständeversammlung werden. Dort war er äußerst aktiv und stellte u. a. mehrere liberale Anträge, etwa die Pressefreiheit in inländischen Angelegenheiten und die Aufhebung des Zölibats für katholische Geistliche. Bald erwarb er sich die nötigen Kenntnisse in der Administration und im Gesetzwesen, wusste auch bei seinen Reden die Zuhörer zu fesseln.
In den Landtag von 1832 wurde Hoffmann abermals, und zwar nach und nach von sechs Bezirken, gewählt, obgleich er mit der exaltierten liberalen Partei zerstritten war. Kurz nach dessen Eröffnung brachte er einen Antrag wegen der Bundesbeschlüsse vom 28. Juni 1832 ein, stellte wiederholte Anträge für Pressefreiheit und wegen Abänderung mehrerer unzweckmäßiger Verfassungsparagraphen und sprach sich gegen den Schlossbau aus. Als Helfer der Armen und Bedrängten war er bei den Darmstädtern sehr beliebt, den Regierungsverantwortlichen jedoch aufgrund seiner liberalen Gesinnung und rastlosen Tätigkeit zunehmend unangenehm.
1834 wurde Hoffmann erneut in die Kammer gewählt, aber der Wahlbestechung angeklagt; allerdings erklärte ihn die Kammer mit 35 gegen zwei Stimmen für definitiv zulässig. Auch diesmal entwickelte er eine große Aktivität, trat in Finanzfragen mehrmals den Interessen des Hofes entschieden entgegen, bekämpfte besonders die Theorien des Regierungskommissars August Konrad Freiherrn von Hofmann wegen des Steuerbewilligungsrechts der Stände und drang darauf, das Ausgabebudget deutlich zu kürzen. Zum folgenden Landtag wurde er nicht wieder gewählt. In der gegen ihn geführten Untersuchung wurde er beschuldigt, dass er einem Diener namens Wesp eine Anzahl ausgefüllter Stimmzettel zur Bevollmächtigtenwahl zur Verteilung gegeben habe, dass Wesp vier Wählern aus seinem Bekanntenkreis 17 Kreuzer bezahlt habe, um diese zur Annahme solcher Stimmzettel zu bewegen, und dass Wesp dafür von Hoffmann zwei Taler erhalten habe. Nach eineinhalbjähriger Untersuchung dieser unbewiesenen Bestechungsaffäre wurde Hoffmann 1836 nur ab instantia entbunden. Trotz der Bemühungen seines Anwalts, einen definitiven Freispruch zu erwirken, sah das Darmstadter Hofgericht den Prozess endgültig für erledigt an, so dass Hoffmann nicht mehr Abgeordneter werden konnte. Die Regierung hatte so mit Hilfe der Justiz die Beendigung seiner parlamentarischen Laufbahn erreicht.
Durch das auf dem Landtag von 1835 zustande gekommene Gesetz, das allein dem Staat das Geschäft der Militärvertretung zueignete, erlitt Hoffmann einen großen materiellen Schaden, weshalb er sich im November 1838 an die zweite Kammer wendete und daraufhin zumindest teilweise entschädigt wurde. 1836 gab er die erste Anregung zum einige Jahre später auf Staatskosten erfolgten Bau der Main-Neckar-Eisenbahn. Für seine Vaterstadt zeigte er sich als langjähriges Mitglied des Gemeinderats (1828-42) sehr tätig. In der Sache der Göttinger Sieben war er ebenfalls aktiv. Für die Betroffenen des schweren Brandes in Hamburg 1842 trieb er durch Sammelaktionen finanzielle Mittel auf. Er starb am 22. Mai 1847 im Alter von 62 Jahren in Darmstadt. 1852 wurde auf dem Friedhof in Darmstadt seine Marmorbüste aufgestellt.
Salzschmuggel in Nachbarstaaten
S. 226 E. E. Hoffmann: <Für Herabsetzung des Salzpreises in Da.> “er hoffe, daß alsdann die Nachbarstaaten unserem Beispiele hierin nachfolgen würden, denn, wenn sie es nicht thun wollten, dann werde das Einschwärzen des Salzes bei ihnen nicht aufhören. Thäten sie es aber, dann höre jede Defraudation auf, und er sey überzeugt, daß in diesen Staaten eben so wie bei uns die Herabsetzung des Salzregiepreises eine allgemeine sehr große Freude erregen werde.
Friedrich Ernst Koch
Friedrich Ernst Koch (* 1774 (errechnet); † 25. April 1844 in Alsfeld) war ein hessischer Fabrikant und Politiker und Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Ernst Koch war der Sohn von Johann Jacob Koch und dessen Ehefrau einer geborenen Cachelm. Koch, der evangelischen Glaubens war, war Fabrikant in Alsfeld und heiratete am 5. September 1820 Charlotte Regina geborene Boy.
Von 1829 bis 1834 gehörte er der Zweiten Kammer der Landstände an. Er wurde zunächst für den Wahlbezirk Oberhessen 5/Romrod, dann für Starkenburg 12/Groß-Bieberau und zuletzt im Wahlbezirk der stadt Alsfeld gewählt.
Salzschmuggel in Oberhessen
Koch: Es sey ihm sehr unangenehm gewesen, vorhin von allzuhäufigen Defraudationen, welche in Oberhessen vorgekommen seyn sollten, gehört zu haben, da doch die dortige Salzsteuer von dem wohlfeilern oder theuerern Einkaufe des Salzes und der größeren oder geringeren Consumtion unabhängig sey.
Präsident Freiherr von Hofmann: Es sey nur von Defrautionen (sic!) vor Einführung der Salzsteuer die Rede gewesen.
Johann Baptist Jakob Adolf Pittschaft
Johann Baptist Jakob Adolf Pittschaft (* 18. März 1783 in Mainz; † 12. August 1870) war ein hessischer Richter und liberaler Politiker und Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Johann Baptist Jakob Adolf Pittschaft war der Sohn des kurmainzerischen Hofkammerrates Georg Joseph Pittschaft und dessen Ehefrau Kundigunde, geborene Fritsch. Pittschaft, der katholischen Glaubens war, blieb unverheiratet.
Pittschaft studierte Rechtswissenschaften und wurde Richter am Obergericht Mainz. 1827 wurde er Vizepräsident und 1840 Präsident des Obergerichtes. 1848 trat er in Pension.
Von 1829 bis 1830 gehörte er der Zweiten Kammer der Landstände an. Er wurde für den Wahlbezirk Stadt Worms gewählt.
S. 233 Pittschaft: Allein diese Betrachtung könne gewiß dem Herabsetzen des Preises in der Salzregie nicht nachtheilig seyn, weil es alsdann dem Staate, als alleinigen Debitanten, immer noch nicht schwer seyn würde, die Verkäufe so zu controlliren, daß der Schmuggel nicht statt finde.
Saline der Exklave Wimpfen
S. 234 Präsident Frh. v. Hofmann: Die Saline Wimpfen oder Ludwigshalle habe gegen Entrichtung einer Aversionalsumme das Recht gehabt, in der Stadt Wimpfen das Salz aus freier Hand um jeden beliebigen Preis zu verkaufen. Im Gefolge dieses freien Verkaufs an die Bewohner der Stadt Wimpfen seyen die Nachbarländer Würtemberg und Baden in ihren Salzregieintraden so benachtheiligt worden, daß die Regierungen beider Staaten sich genöthigt gesehen hätten, einen Militärcordon um Wimpfen herumzuziehen. Dieser habe Jahre lang bestanden, er habe beiden Regierungen große Kosten verur sacht, und dessenungeachtet sey der Zweck nicht erreicht worden; denn obgleich die Saline Wimpfen selbst und die Verwaltung derselben sich enthalte habe, den Schleichhandel zu begünstigen, so habe sich derselbe doch nicht verhüten lassen, weil die Badischen und Würtembergischen Unterthanen von den Wimpfener Einwohnern das Salz um geringere als die Regiepreise hätten erhalten können.
Dieß habe so lange fortgedauert, bis diese beiden Regierungen mit der Saline Ludwigshalle einen Vertrag, den auch die hiesige Regierung genehmigt habe, abgeschlossen hätten, dahin gehend: daß diese Saline dem Handverkauf in der Stadt Wimpfen entsagt habe und ihr dagegen in Beziehung auf den Salzdebit sämmtlicher Nekarsalinen in das Ausland bedeutende Vortheile eingeräumt worden seyen. Daraus gehe hervor, daß, wenn irgendwo ein Ort bestehe, wo das Salz wohlfeiler sey, als in dem angrenzenden Lande , der Schleichhandel in das letztere unmöglich verhütet werden könne, selbst wenn man den größten Aufwand an Geld nicht scheue, um sich gegen einen solchen Schleichhandel zu schützen. Es sey daher bei dem Abschluß des Ver/S.235trags mit der Krone Preußen ein wesentlicher Anstand gewesen, daß er – Redner – auf deßfallsige Anfrage habe erklären müssen, es bestehe in der Provinz Oberhessen ein freier Salzhandel, und es liege nicht in der Macht der Regierung, denselben aufzuheben und die Regie in dieser Provinz wieder einzuführen. Um diesen Nachtheil zu entfernen, seyen nun mancherlei, mitunter sehr lästige, Maßregeln ergriffen worden, und es sey blos der eigenthümlichen geographischen Lage der an das Preußische Gebiet grenzenden Theile der Provinz Oberhessen zu danken, daß alles Salz, welches in die Bezirke Gladenbach und Biedenkopf gebracht werde, bei Gießen die Lahn passieren müsse, wodurch es möglich sey, den dortigen Salzhandel zu überwachen und dafür zu sorgen, daß nicht mehr, als das wahre Consumtionsbedürfnis betrage, in diesen Landestheil eingeführt werde. Dessenungeachtet hätten hier über die Salzeinschwärzungen schon einige ernsthafte Auftrl tte Statt gehabt, und es sey sogar schon ein Preußischer Unterthan, der sich mit Salzeinschwärzen in‘s Preußische abgegeben, von einem Grenzaufseher deßhalb erschossen worden. Dieß alles werde beweisen, daß, wenn an den durch keine Zolllinien beschützten Grenzen des Großherzogthums das Salz wohlfeiler zu haben sey, als in dem eigenen Staate, die Defraudationen nicht verhütet werden könnten, besonders wenn man erwäge, welchen großen Gefahren sich oft Leute um eines unbedeutenden Nutzens willen aussetzten. Kein Staat werde daher in einem solchen Falle seine Grenzen unbewacht lassen können, noch weniger aber sich dazu verstehen, der Salzregie allein wegen eine Grenzbewachung Statt finden zu lassen, deren Entfernung der Hauptzweck der Zollvereine seye.
Differenzen von Nachbarstaaten in Bezug auf Salzregie
S. 247 Präsident Hofmann: Der Hauptzweck der Zollvereine sey Herstellung des freien Verkehrs zwischen den betreffenden Staaten.
S. 248 Dieser Zweck werde vereitelt werden, wenn ein Nach/ S. 248 barstaat die Salzregie aufhebe, oder den Salzpreis bedeutend ermäßige, während dies von dem andern Staate nicht geschehe. Denn nun müsse dieser zum Schutze der Abgabe wieder Grenzbewachung eintreten lassen und andere den freien Verkehr störende Maßregeln ergreifen. …
Es sey aber kein Artikel leichter einzuschwärzen als das Salz. Die Kammer habe vorhin gehört, daß in Oberhessen dies wirklich eintrete und daß dort, der größten Controle und Aufmerksamkeit ungeachtet, noch viele Salzeinschwärzungen in’s Preußische vorfielen.
S. 252 Seitz: Zum Schlusse erlaube er sich nur nlch zu bemerken, daß er sich der Wiedereinführung der Salzregie in Oberhessen durchaus widersetzen müsse, und zwar
1) weil es weder dem Staate, noch der Provinz von Nutzen sey würde; denn er sey fest überzeugt, daß bei Einführung der Regie die Überwachung gar nicht so geschehen könne, wie es doch nöthig wäre, um die Abgabe zu sichern.
Zollstrafsystem
S. 460f. Vortrag Ministerialrat Linde über Gesetzentwurf für die Provinz Rheinhessen, Schutz vor Defraudation und Zollvergehen.
S. 460 <1825> bestanden die Strafen, welche das Einkommen von den indirekten Abgaben sichern sollten, nur in Geldstrafen, Confiskationen und Entziehung der Gewerbe; als aber, in Gemäßheit der Zollvereinigung mit der Krone Preußen, die neue Zollordnung vom 23. Juni 1828 erschien, welche gegen die Defraudanten, in gewissen Fällen, nicht nur Gefängniß und Zuchthausstrafe bis zu 10 Jahren, sondern letztere auch auf Lebenszeit und sogar die Todesstrafe verhängte, zeigten sich, hinsichtlich des Verfahrens, in der Provinz Rheinhessen abermals die bedeutendsten Anstände und Schwierigkeiten.
S. 461 <Gesetzentwurf auf folgenden Grundsätzen:>
Es wird dadurch das Verfahren in Defraudationssachen wieder mit den in Rheinhessen für das Verfahren in Strafsachen bestehenden allgemeinen gesetzlichen Vorschriften in Einklang gebracht, ohne daß der Rheinhesse, welcher sich wegen einer Contravention gegen die Gesetze und Verordnungen in Betreff der indirekten Abgaben eine Geld- oder Confiscationsstrrafe zugezogen hat, befürchten müßte, dadurch das Recht zu verlieren, als Mitglied der Stände erscheinen zu können.
Johann Maria Kertell
Johann Maria Kertell (* 18. Mai 1771 in Mainz; † 24. Mai 1839) war ein deutscher Unternehmer und Politiker.
Leben und Werk
Er war Sohn des Seifensieders Johannes Kertell und dessen Ehefrau Klara. Der Großkaufmann Kertell, war durch kaiserliches Dekret vom März 1804 als Mitglied des Stadtrates (conseil municipal) in Mainz aktiv [1] und seit 1805 Mitglied der Handelskammer in Mainz, deren Präsident er von 1823 bis 1830 war. Er war Präsident im Komitee zum Bau der Taunus-Eisenbahn und wurde darüber hinaus von der Stadt Mainz als Abgeordneter in die zweite Kammer des Landtages im damaligen Großherzogtum Hessen entsandt. Kertell erwarb die Königsklinger Aue, die sodann Kertellaue genannt wurde.[2][3]
Kertell trat im Landtag in der politischen Opposition rheinhessischer Abgeordneter vor allem für die rheinische Gesetzgebung ein. Auch fand man bei Kertell deutliche Anklänge an die typischen Gedanken und Reformbestrebungen des vormärzlichen Liberalismus.
Folgen des Zollvereins mit Preußen für Zöllner
Kertell: Wenn ein Zollbeamter, denn von diesen handele es sich hauptsächlich, in seinem Dienste das Leben verliere, so müsse dessen Witwe von dem Staate erhalten werden. Dieß sey richtig und wahr. Auch dagegen, daß, wenn ein Zollbeamter durch den Dienst unfähig gemacht werde, der Staat seine Versorgung übernehmen solle, wolle er nichts sagen. Allein es frage sich, ob wir die Mittel in Händen hätten, hier zu helfen, ohne gerade neue Lasten für den Unterthanen zu schaffen? Die Zollbeamten seyen bei der Vereinigung mit Preußen in der Besoldung im Ganzen gewiß um 1/3 verbessert worden. Seines Erachtens sey dies recht und billig gewesen. Aber in unserm Lande lebe man auch um 1/3 wohlfeiler, als in Preußen.
S. 106 Brunck: Wenn nun der Ausschuß in seinem Berichte frage, ob es nicht grausam genannt werden müsse, einem Grenzaufseher eine Pension zu verweigern, welcher durch Verwundung dienstunfähig geworden sey, so finde er diesen Ausdruck hart und wirklich unpassend. Gar Mancher werde durch ein Unglück verdienstunfähig gemacht, den man, so sehr man es wünsche, nicht unterstützen könne, wie es jetzt für eine große Anzahl von Angestellten verlangt werde.
Personal der Grenzaufseher
Man müsse annehmen, daß die Grenzaufseher vor ihrer Anstellung in der Regel zur ärmeren Classe im Staate, welche sich durch ihre Händearbeit oder Taglohn ernähre, gehört hätten. Stelle man der ganzen Anzahl der Grenzaufseher eine gleiche Zahl von Leuten dieser ärmeren Classe gegenüber, die sich oft gefahrvollen Arbeiten unterziehen müßten, so glaube er die Behauptung aussprechen zu können, daß von letzteren in ihren Berufsgeschäften eine größere Zahl untauglich werde, als von jenen. – Könne ein solcher Mann nicht von einem Scheuergerüst, von einem Baume fallen, könne er nicht von einem Pferde geschlagen, nicht von einen Thiere gestoßen, nicht von einem Wagen überfahren werden? Man bedauere ihn in diesem Falle, helfen könne man ihm nicht. Der Staat habe für die Angestellten der Zollverwaltung durch die Bewilligung ihrer hohen Gehalte, außer welchen sie noch Strafantheile bezögen, genug gethan; es seyen ihm Beispiele sehr auffallender Verbesserungen solcher Beamten gegen ihre früheren Verhältnisse bekannt.
Philipp Eugen Erwein Graf von Lehrbach
Philipp Eugen Erwein Graf von Lehrbach (* 7. November 1789 in Kassel; † 15. Mai 1857 in Gießen) war ein Großherzoglich-hessischer Offizier und Politiker. Er war Kriegsminister und Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Philipp von Lehrbach war der Sohn des Generalmajors Joseph Georg Benedikt von Lehrbach (1750−1812), der am 10. September 1790 in den Reichsfreiherrenstand erhoben wurde, und dessen Frau Christine Philippine geborene Ries. Philipp von Lehrbach, der evangelischer Konfession war, heiratete am 16. September 1817 Juliane Friederike Wilhelmine geborene Freiin Riedesel zu Eisenbach (1786−1820), der Tochter von Johann Conrad Riedesel zu Eisenbach und dessen Ehefrau, Reichsgräfin Louise Charlotte von Hompesch-Heyden. In zweiter Ehe heiratete er Ernestine geborene von Herff (1803−1832)
Philipp von Lehrbach wurde 1820 Major und Flügeladjutant und ging 1833 als Oberst und Hofmarschall in den Ruhestand. 1843 wurde er Generalmajor und 1847 Oberhofmarschall.
1837 bis 1839 und 1848 bis 1849 war er Intendant des Hoftheaters Darmstadt. Er war Mitglied der Darmstädter Freimaurerloge Johannes der Evangelist zur Eintracht.
In der 3. bis 10. Wahlperiode (1826−1847) war er Mitglied des Landtags als Abgeordneter des grundherrlichen Adels. 1850 war er Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlamentes.
In den Ständen vertrat er konservative Positionen. 1848 bis 1849 war er Kriegsminister im Märzministerium.
Pensionierung von Staatsdienern, insbesondere Zollbeamten
1. Band 1829:
S. 87 – 115 Bd.1, Sitzung vom 1.12.1829, Beratung d. Gesetzes ü. Pensionierung der auf Wiederruf eingestellten Staatsdiener
S. 97 Graf Lehrbach, Abgeordneter des grundherrlichen Adels: Der Ausschuß habe, wie aus den Motiven zur Abfassung des von ihm vorgeschlagenen ersten Artikels hervorgehe, hauptsächlich die Zollbeamten, namentlich die Grenzbeamten im Auge gehabt, als welche vorzugsweise der Gefahr, im Dienste unglücklich zu werden, ausgesetzt seyen.
S. 98 Sollte es aber der Staatsregie/S.98 rung an Mittel fehlen, bei solchen, doch immer nur sehr seltenen Fällen, z.B. durch Ertheilung eines anderen Staatsamtes u.d.g., einen treuen Diener zu entschädigen, oder zu belohnen? Im Falle der Lebensberaubung aber, und der Hinterlassung von Familie, sehe er nicht ein, warum, bei der durchgängig guten Bezahlung dieser Beamten, nicht auch für sie durch monatliche Beiträge eine Wittwenkasse errichtet werden könnte, wie für viele Branchen anderer Staatsdiener geschehen, die lebend ungleich schwerer jeden Gehaltsabzug ertragen könnten.
Salzpreis und Schmuggel
S. 217 Hellmann: Ob aber selbst die Herabsetzung des Salzpreises auf 3 kr. per Pfd., in Starkenburg und Rheinhessen dieselben Nachtheile herbeiführen würde, welche uns Se. Excellenz (= Hofmann) vorhin geschildert hätten, müsse er in der That doch sehr hezweifeln, da er nicht glauben könne, daß eine / S. 218 solche unwesentliche Minderung des Preises eine Veranlassung zum Schmuggeln, zur Gefahr für die Nachbarstaaten, geben dürfte. Wohl sei es denkbar, und also nicht zu bestreiten, daß bei Aufhebung der Salzregie die angeführten Folgen wirklich eintreten könnten, weil auf der einen Seite der Ausfall an dem Staatseinkommen für uns sowohl, wie für die Nachbarstaaten, sehr groß, und weil auf der andern Seite bei dem Regieverkaufspreis des Salzes in Vergleichung mit dem Produktionspreise desselben ein allzu großer Reitz zur Defraudation in den Nachbarstaaten vorhanden seyn würde.
S. 219 Oder sollte wohl der Satz aufgestellt werden, daß aus dem Grunde, weil die geographische Lage von Oberhessen es durchaus den Bewohnern möglich mache, alle desfallsige besondere Gesetze zu umgehen, sich den gesetzlichen Abgaben zu entziehen, den größten Theil des Salzbedarfs einzuschmuggeln,- sollte die Kammer, sage er, den Grundsatz anerkennen, daß gerade durch diese Defraudationen, diese Umgehung der Gesetze, sie ein Recht erworben hätten, nun für die Zukunft sich auf die Hälfte der Steuer heruntergesetzt zu sehen, gegen die beiden übrigen Provinzen.
Salzschmuggel in Nachbarstaaten
S. 226 E. E. Hoffmann: <Für Herabsetzung des Salzpreises in Da.> “er hoffe, daß alsdann die Nachbarstaaten unserem Beispiele hierin nachfolgen würden, denn, wenn sie es nicht thun wollten, dann werde das Einschwärzen des Salzes bei ihnen nicht aufhören. Thäten sie es aber, dann höre jede Defraudation auf, und er sey überzeugt, daß in diesen Staaten eben so wie bei uns die Herabsetzung des Salzregiepreises eine allgemeine sehr große Freude erregen werde.
Salzschmuggel in Oberhessen
Koch: Es sey ihm sehr unangenehm gewesen, vorhin von allzuhäufigen Defraudationen, welche in Oberhessen vorgekommen seyn sollten, gehört zu haben, da doch die dortige Salzsteuer von dem wohlfeilern oder theuerern Einkaufe des Salzes und der größeren oder geringeren Consumtion unabhängig sey.
Präsident Freiherr von Hofmann: Es sey nur von Defrautionen (sic!) vor Einführung der Salzsteuer die Rede gewesen.
S. 233 Pittschaft: Allein diese Betrachtung könne gewiß dem Herabsetzen des Preises in der Salzregie nicht nachtheilig seyn, weil es alsdann dem Staate, als alleinigen Debitanten, immer noch nicht schwer seyn würde, die Verkäufe so zu controlliren, daß der Schmuggel nicht statt finde.
Angriff auf Zollerhebungsstelle
S. 534 Zollgefälle.
S. 618 Antrag des Abg. Schenck zur Sorge, den Ersatz des Schadens betreffend, welchen mehrere Einwohner zu Heldenbergen durch Brand, bei Vertheidigung der dortigen, von ausländischen Insurgenten angegriffenen Zollstätte, erlitten haben.
Die Ereignisse zu Heldenbergen, wo ein verbrecherisches, der dortigen Zollstätte Vernichtung drohendes Unternehmen einer Rotte von ausländischen Meuterern, durch die Unerschrockenheit des wackeren Bürgermeisters und seiner Gemeinde vereitelt wurde, sind bekannt. Leider waren diese ruhmwürdigen Handlungen der Bewohner zu Heldenbergen mit eigenen Opfern verbunden. Mehrere Scheunen, gefüllt mit den Produkten des Fleißes und des Landmannes, wurden ein Raub der von den Meuterern angelegten Flammen.
Die braven Bewohner von Heldenbergen, dem Rufe ihres würdigen Bürgermeisters folgend, ließen durch das angelegte Feuer in ihrer Pflicht sich nicht ablenken, sie gaben ihr Eigenthum der Vernichtung Preiß, um das Eigenthum des Staates zu schützen und zu retten.
S. 691-703 Abschied für Ständeversammlung 1829/30. Darin S. 696f. zur Finanzverwaltung.
Johann Jakob Parcus
Johann Jakob Parcus (* 23. August 1790 in Grünstadt; † 21. Januar 1854 in Mainz) war ein hessischer Jurist und Politiker und Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Johann Jakob Parcus war der Sohn des Advokaten und Gutsbesitzers Karl Christian Parcus (1761–1819) und dessen Ehefrau Rosina, geborene Jacobi (1755–1844). Parcus, der evangelischen Glaubens war, heiratete in Mainz am 10. Oktober 1813 bzw. in Worms am 6. Mai 1814 Louise Katharina Adelaide geborene Köler (* 30. Dezember 1793 in Wörrstadt; † 19. September 1875 in Darmstadt), die Tochter des Professors und Botanikers Georg Ludwig Koeler (1764–1807) und dessen Ehefrau Elisabeth Friederike geborene Amelung (1773–1832) aus Grünenplan.
Johann Jakob Parcus studierte Rechtswissenschaften und wurde 1836 Generalstaatsprokurator in Mainz. 1853 wurde er pensioniert.
Von 1826 bis 1830 und erneut von 1835 bis 1841 gehörte er der Zweiten Kammer der Landstände an. Er wurde zunächst für den Wahlbezirk Rheinhessen 1/Alzey und dann für den Wahlbezirk der Stadt Worms gewählt. 1826 bis 1830 war er Vizepräsident der Kammer.
Schmuggler und Kammermitgliedschaft
S. 12 2. Präsident Parcus: Ausschuß der Ansicht, … sich bei dem von ihm angenommenen Strafmaas von 1 Jahr beruhigen zu können, denn nach der Zollordnung hänge die Anwendung ihrer Strafverfügungen einestheils von dem Werthe der defraudirten Gegenstände ab, und anderntheils komme es in Betracht, daß eine solche Strafe, welche das Maas eines Jahres übersteige, nicht häufig eintrete, Fälle eines bloßen Versehens aber nur selten sich ereignen könnten. Es könne aber die Meinung von Niemanden seyn, einen wahren Schmuggler würdig zu halten, in die Kammer einzutreten.
Ungerechtfertigte Anschuldigung wegen eines Vergehens
S. 15 Abg. E. E. Hoffmann: Er wisse einen Fall, in welchem über ein Wort des erwähnten Artikels der Verfassungsurkunde sich große Streitigkeiten in der Kammer erhoben hätten; und er würde sich es, namentlich bei dem vorliegenden Gegenstande, wo ein rechtlicher Mann oft in den Verdacht kommen könne, in betrügerischer Absicht / S. 16 eine Zolldefraudation begangen zu haben, zu einer Gewissenssache rechnen, wenn dieser Mann durch die unterlassene Aufnahme einer gesetzlichen Bestimmung, so wie sie der Ausschuß beabsichtigt habe, in Schaden gebracht würde.
Karl Matthäus Johannes Mohr
Karl Matthäus Johannes Mohr (getauft 6. Februar 1769 in Pfeddersheim; † 15. Januar 1842 in Darmstadt) war ein hessischer Pfarrer und Politiker und ehemaliger Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen.
Familie
Karl Mohr war der Sohn des kurpfälzer Kollektors Philipp Ludwig Mohr und dessen Frau Katharina Margaretha. Karl Mohr war verheiratet und evangelischer Konfession.
Ausbildung und Beruf
Karl Mohr wurde 1792 Vikar in Heidelsheim. 1797 bis 1807 war er zweiter Pfarrer an der Katharinenkirche Oppenheim, später war er dort Hospitalschaffner.
Politik
1826 bis 1842 wurde Mohr für den Wahlbezirk Rheinhessen 6/Oppenheim bzw. für den Wahlbezirk Starkenburg 11/Umstadt in die Zweite Kammer der Landstände gewählt.
Wunsch der Herstellung eines Deutschen Zollvereins
S. 331 Mohr: Indem er unbefangen mit dem ganzen Ausschusse die Gefühle der dankbarsten Anerkennung theile, daß unsere Staatsregierung die Ehre und den Dank verdiene, – eine Sache, worauf wir Hessen stolz seyn dürften -, vor allen andern Staaten, ja zuerst, sich auf’s Angelegentlichste bestrebt zu haben, durch ihre Mitwirkung die schmachvollen Fesseln zerbrechen zu helfen, womit das schreckliche Wort: Mauthdouane – abstammend aus den barbarischen Zeiten des Mittelalters, des Faust- und Ausplünderungsrechtes – , das liebe deutsche Vaterland im Allgemeinen umstrickt, und welche unser Großherzogthum, wegen seiner geographischen Lage und seiner Produktionskraft in die unglücklichste Lage versetzt hätten; indem und so sehr seine ganze Seele den Wunsch ausspreche, die Mauthlinie soweit nur eine deutsche Zunge rede, soweit als nur möglich und selbst bis an die Pforten des Orkus von uns entfernt zu sehen, so könne er es doch auch jetzt noch nicht für berathen, und dem wahren Interesse unsers Landes, das uns doch zunächst am Herzen liegen müsse, angemessen finden, den Wunsch auszusprechen, und ihn der Staatsregierung unbedingt zur Berücksichtigung und Realisirung zu empfehlen:/ S. 332 baldigste Umwandlung des Zollvertrags mit B/W.V. in ZVerein.
Charakteristik der deutschen Zollverhältnisse
S. 333 Goldmann: Ein bekannter ausländischer Schriftsteller schildert die Deutschen und ihre Handelsverhältnisse mit den sehr kurzen, aber leider zu wahren Worten: ‘Die Deutschen verkehren miteinander durch Gitter.
Christian Ernst Heinrich Freiherr von Bibra
Christian Ernst Heinrich Freiherr von Bibra (* 6. September 1772 in Oberlind bei Sonneberg in Thüringen; † 4. November 1844 in Romrod in Oberhessen) war Landjägermeister, Wirklicher Geheimrat und erhielt 1841 für seine Verdienste das Großkreuz vom hessischen Orden Philip des Großmütigen verliehen.
Herkunft
Christian Freiherr von Bibra stammt aus dem thüringisch-fränkischen Adelsgeschlecht der von Bibra. Er war ein Sohn des herzoglich sächsisch-meiningenschen Oberjägermeisters Eugen Georg August von Bibra. Er war verheiratet mit Luise Charlotte Henriette Freiin von Riedesel (1781–1855), aus dieser Ehe stammen zwei Söhne (August von Bibra (1808–1894) und Bertold von Bibra (1804–1894)) und zwei Töchter. Er war evangelischen Glaubens.
Verdienste in der Forstwirtschaft
Er machte Karriere in der Forstwirtschaft: Er trat 1791 als Jagdjunker in landgräflich hessische Dienste. 1801 wurde er Oberforstmeister in Romrod und erhielt 1824 als Revisionsbeamter den Titel des Landjägermeisters zugesprochen. Sein Verdienst liegt in der Einführung und Aufforstung mit Nadelholzbeständen im oberhessischen Raum. Er wurde in Romrod begraben.
Politik
In der 3., 4., 6., 9., 15. und 16. Wahlperiode (1826–1830 und 1834) war er Abgeordneter der zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen. In den Landständen vertrat er den grundherrlichen Adel. Er vertrat liberale Positionen.
Moralisches Argument für Deutschen Zollverein
S. 337 Abg. von Bibra: Auch er spreche sich für eine möglichst ausgedehnte Zolllinie, und zwar ganz besonders aus dem Grunde aus, weil diese für die Moralität des Volks weniger nachtheilig wirke. Die Gelegenheit und die Veranlassung, das immerhin verhaßt bleibende Mauthgesetz zu umgehen, werde mit der Erweiterung der Zolllinie verschwinden, und so würden die verderblichen Defraudationen immer seltener werden.
S. 404f. 11.3.1830 Straßen und Zolllinien
S. 550f. 27.3.1830 Handelsverhältnisse mit Preußen.
Veranstaltung vom 06.12.2017
Kurhessen als Staat des Deutschen Bundes
Nach dem Untergang des napoleonischen Reiches wurde Kurhessen restituiert. Kurfürst Wilhelm I. versuchte auf dem Wiener Kongress vergeblich, den nach dem germanischen Stammesnamen der Urhessen benannten Titel eines „Königs der Chatten“ zu erhalten.
<Die Chatten, auch (lateinisch: Chatti), auch Katten geschrieben, waren ein germanischer Volksstamm, der im Bereich der Täler von Eder, Fulda und des Oberlaufes der Lahn seinen Siedlungsschwerpunkt hatte, was zu großen Teilen dem heutigen Niederhessen und Oberhessen bzw. Nordhessen und z. T. Mittelhessen entspricht. Die Bezeichnung Hessen ist möglicherweise eine spätere Abwandlung des Stammesnamens der Chatten, dann wären sie auch Namensgeber des heutigen Hessen.>
Wilhelm I. behielt den Titel „Kurfürst“, durfte sich aber nunmehr „königliche Hoheit“ nennen lassen (wie fast jeder Souverän im neuen Deutschen Bund). Zum Gesamtstaat Kurhessen gehörten neben der Landgrafschaft Hessen und der ehemaligen Grafschaft Ziegenhain das Großherzogtum Fulda, hervorgegangen aus dem Fürstbistum Fulda, ferner die Fürstentümer Fritzlar, Hanau und Hersfeld. Weiterhin zählten mehrere Exklaven zum Territorium von Kurhessen, so die Grafschaft Schaumburg (um Rinteln) an der Weser (seit 1640) und die Herrschaft Schmalkalden (seit 1360/1583) im heutigen Thüringen.
1816 kam das Territorium des vormaligen Fürstbistums Fulda als Großherzogtum Fulda zum kurhessischen Staat. Die Titulatur des regierenden Fürsten lautete nunmehr: Kurfürst und souveräner Landgraf von Hessen, Großherzog von Fulda, Fürst zu Hersfeld, Fürst zu Hanau, Fürst zu Fritzlar und Fürst zu Isenburg. Mitte 1816 trat Österreich das 1815 erworbene Fürstentum Isenburg an das Großherzogtum Hessen ab, das sich noch am selben Tag mit Kurhessen über eine Teilung dieses Fürstentums zwischen den beiden hessischen Staaten einigte. Kurhessen gewann dabei etwa die Hälfte des nördlich des Mains gelegenen Teils des bis 1806 bestehenden (Reichs-)Fürstentums Isenburg (Isenburg-Birstein), danach des souveränen Rheinbund-Staates Fürstentum Isenburg.
Innenpolitik
Das Ständehaus in Kassel war ab 1836 Tagungsort der Landstände
Kurfürst Wilhelm I. betrieb eine Revisionspolitik, die darauf abzielte, vieles von dem, was in napoleonischer Zeit eingeführt worden war, rückgängig zu machen. Äußeres formales Zeichen dafür war, dass beim Militär und bei Hofe die Perücke mit Zopf wieder eingeführt wurde.
Sowohl Wilhelm I., vor allem aber seine beiden Nachfolger, Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm, gerieten mit dem wirtschaftlich erstarkten Bürgertum wiederholt in Auseinandersetzungen. Es kam sowohl 1830 als auch 1848 zu heftigen revolutionären Ausbrüchen – und im Zuge der Julirevolution von 1830 – unter federführender Mitwirkung des Marburger Staatsrechtlers Sylvester Jordan (1792-1861) – zur Kurhessischen Verfassung von 1831: eine der fortschrittlichsten konstitutionellen Verfassungen Europas. Ein Kernpunkt war die Schaffung der kurhessischen Ständeversammlung. Beide Male schlugen nach Abklingen der Revolution die Kurfürsten und die von ihnen eingesetzten konservativen Regierungen mit einer reaktionären Politik zurück. Der bekannteste Regierungschef war der zweimal (1832–1837, 1850–1855) als Innen- und Justizminister tätige Ludwig Hassenpflug (1794-1862). Die Verfassung wurde gebrochen und außer Kraft gesetzt.
Wilhelm I. unterhielt eine für die Verhältnisse bürgerlicher Moral untragbare „Maitressenwirtschaft“ und geriet in scharfe Generationenkonflikte, die das Ansehen der Monarchie beschädigten. Wilhelm I. hatte mit mindestens drei Maitressen zahlreiche Kinder. Wilhelm II. hatte seine Frau, die preußische Prinzessin Auguste, verlassen und lebte mit der Bürgerlichen Emilie Ortlöpp (später von ihm zur Gräfin von Reichenbach-Lessonitz erhoben) zusammen. Friedrich Wilhelm hatte Gertrude Lehmann geheiratet, die sich seinetwegen von einem Offizier hatte scheiden lassen; sie wurde später Gräfin von Schaumburg und Fürstin Hanau von und zu Hořowitz.
Wirtschaft
Die Wirtschaft des Kurstaates war landwirtschaftlich geprägt. Der einzige Bereich, der eine frühe Industrialisierung erlebte, war der südlichste Landesteil, das Fürstentum Hanau, seit 1821 die Provinz Hanau mit den beiden Städten Bockenheim (ab 1886 zum Stadtkreis Frankfurt a. M. gehörig) und Hanau. Die unterschiedliche wirtschaftliche Dynamik, die andersartige Ausrichtung, eher auf Frankfurt am Main und auf Süddeutschland (bis hin zu der dort – im Gegensatz zum restlichen Staat – gültigen Gulden-Währung), führte dazu, dass dort in jeder der zahlreichen Krisen des Kurstaats ausgeprägt oppositionelle Tendenzen bestanden. Hinzu kam die verfehlte Strukturpolitik der Regierung in Kassel. So erfolgte z. B. die Entwicklung des Eisenbahnwesens viel zu spät und zögerlich. Zudem entschied die Regierung, die erste Nord-Süd-Verbindung der Eisenbahn von Kassel nach Frankfurt über die großherzoglich hessische Provinz Oberhessen zu favorisieren, die Main-Weser-Bahn, statt sich für die Route über Fulda und Hanau zu entscheiden (die spätere Frankfurt-Bebraer Eisenbahn). So blieb Fulda bis in die Zeit der preußischen Annexion ohne Eisenbahnanschluss.
Kurfürsten von Hessen-Kassel
Wilhelm I. von Hessen-Kassel (* 3. Juni 1743 in Kassel; † 27. Februar 1821 ebenda) aus dem Haus Hessen war als Wilhelm IX. ab 1760 Graf von Hanau, ab 1764 dort Regent und ab 1785 regierender Landgraf von Hessen-Kassel. Aufgrund der im Reichsdeputationshauptschluss (1803) erfolgten Erhebung zum Kurfürsten nannte er sich Wilhelm I.
Politik
Wilhelm war ein Landesherr, der zeit seines Lebens den Maßstäben des fürstlichen „Absolutismus“ des Ancien Régime verhaftet blieb – in seiner Politik, in seiner „Mätressenwirtschaft“ und in seinem umstrittenen Soldatenhandel, der finanziell sehr ertragreich war und auch von anderen Fürsten betrieben wurde. Wilhelm galt als einer der reichsten deutschen Fürsten seiner Zeit, und es gelang ihm mit Hilfe des Frankfurter Bankiers Mayer Amschel Rothschild, dieses Vermögen auch über die napoleonische Zeit hinweg zu retten. 1803 gelang es Wilhelm, seine Erhebung zum Kurfürsten zu erreichen. Die Landgrafschaft Hessen-Kassel wurde in der Folge zumeist, wenn auch nur inoffiziell, als „Kurfürstentum Hessen“ bezeichnet. Die Kurwürde wurde aber schon 1806 mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches bedeutungslos.
Weil Wilhelm nicht dem Rheinbund beitrat und zu Beginn des preußisch-französischen Kriegs 1806 seine Armee teilmobilisierte und sein Land für neutral erklärte, besetzte Napoleon Kurhessen. Am 1. November 1806 marschierte französisches Militär in Kassel ein. Der Kurfürst floh rechtzeitig und ging ins Exil, zuerst nach Holstein, wo er im Itzehoer Prinzesshof residierte, und später nach Prag. Die Stammlande von Hessen-Kassel wurden dem von Napoleon neu geschaffenen Königreich Westphalen zugeschlagen, die südlichen Landesteile, also die Grafschaft Hanau-Münzenberg, unterstanden ab 1806 zunächst der französischen Militärregierung und gehörten von 1810 bis 1813 zum Großherzogtum Frankfurt.
1813 wurde Hessen-Kassel restituiert, und Wilhelm I. zog am 21. November 1813 wieder in seine Residenzstadt ein. Auf dem Wiener Kongress versuchte er vergeblich, auch durch Zahlung erheblicher Bestechungsgelder, den nach dem germanischen Stammesnamen der Hessen benannten Titel eines „Königs der Chatten“ zu erhalten, behielt aber den Titel „Kurfürst“, mit dem persönlichen Prädikat „königliche Hoheit“. Wilhelm I. verfolgte einen restaurativen Kurs, machte die Reformen, die in der Zeit seines Exils stattgefunden hatten, rückgängig (so wurden z. B. die gepuderten Perücken bei Militär und Hof wieder eingeführt), und verprellte mit dieser Politik das aufstrebende Bürgertum.
In Kassel ließ er umfangreiche Erweiterungen im Bergpark Wilhelmshöhe ausführen und die Löwenburg erbauen. Wilhelm starb 1821 und wurde in einer Gruft unter der Burgkapelle der Löwenburg bestattet.
Ehe
Am 1. September 1764 heiratete Wilhelm in Kopenhagen Prinzessin Wilhelmine Karoline von Dänemark (1747–1820). Mit ihr hatte er zwei Söhne und zwei Töchter:
Darunter Wilhelm II. (1777–1847), Kurfürst von Hessen
Diese Ehe war allerdings bald zerrüttet. Wilhelm hatte neben seiner Ehe mehrere Mätressen und mehr als zwei Dutzend weitere Kinder.
Mätresse Karoline von Schlotheim, ab 1788, am 14. Mai 1788 in den Reichsgrafenstand erhoben, am 2. Mai 1811 Namensänderung in Gräfin von Hessenstein, einen Titel, den auch alle Kinder aus ihrer Verbindung mit dem Kurfürsten erhielten; 13 Kinder.
Kurfürst Wilhelm II. von Hessen
Wilhelm II. (* 28. Juli 1777 in Hanau; † 20. November 1847 in Frankfurt am Main), aus dem Haus Hessen, war von 1821 bis zu seinem Tode Landgraf und Kurfürst von Hessen-Kassel.
Wilhelm erhielt eine vorwiegend militärische Erziehung, studierte aber auch, noch im Knabenalter, einige Zeit in Leipzig und Marburg und unternahm dann einige größere Bildungsreisen.
Am 13. Februar 1797 heiratete Wilhelm Prinzessin Auguste (1780–1841), Tochter des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II. Aus dieser Ehe gingen 6 Kinder hervor, darunter Friedrich Wilhelm (1802–1875) ∞ Gertrude Lehmann (1806–1882)
Als Napoleons Franzosen im November 1806 Kurhessen besetzten, folgte Wilhelm seinem Vater ins Exil nach Holstein und Prag. 1809 ging er für längere Zeit nach Berlin, wo er 1812 seine bis an ihr Lebensende anhaltende Liebesbeziehung mit Emilie Ortlöpp (1791–1843) begann. 1813 nahm er, schon seit 1804 ehrenhalber mit dem Rang eines preußischen Generalleutnants ausgestattet, im Korps des preußischen Generals Yorck an den Kämpfen gegen Napoleon teil, wobei er jedoch keine gute Figur abgab. Nachdem die französische Besatzung im Oktober 1813 durch russische Truppen aus Kassel vertrieben worden war, zog Kurprinz Wilhelm am 30. Oktober 1813 nach Kassel ein und erließ den Aufruf an die Hessen zum Kampf gegen Frankreich. Nach der Rückkehr seines Vaters an die Spitze des restituierten Kurfürstentums übernahm Wilhelm im März 1814, im Range eines Generals der Infanterie, den Oberbefehl über die kurhessischen Truppen. Aber bei der von ihm befehligten Belagerung der Festungen Metz und Luxemburg agierte er wenig ruhmreich, so dass er und die kurhessische Armee im Feldzug von 1815 nicht mehr verwendet wurden.
Nach dem Zweiten Pariser Frieden lebte Wilhelm zunächst im Schloss Philippsruhe in Hanau, während in Kassel das ihm von den Landständen überlassene Weiße Palais nach seinen Wünschen um- und ausgebaut wurde. (Das daran anschließende Rote Palais ließ er erst nach seinem Regierungsantritt erbauen.) Seine Ehe war inzwischen zerrüttet. Wilhelm II. hatte schon 1813 seine Mätresse Emilie Ortlöpp nach Kassel mitgebracht, und 1815 trennte sich das prinzliche Paar mit einem zunächst geheim gehaltenen Vertrag, stritt sich aber weiter in der Öffentlichkeit, bis die Kurfürstin 1826 das Land verließ; erst 1831 kehrte sie zurück. Eine Scheidung wurde aus politischen Gründen verweigert. Erst nach Augustes Tod heiratete Wilhelm die von ihm 1821 zur Gräfin Reichenbach erhobene Emilie.
Die drei letzten regierenden Generationen des Kurhauses waren in heftige Generations- und Familienkonflikte verwickelt. Nach dem Tod des reaktionären Wilhelm I. am 27. Februar 1821, der eine Politik der Rückkehr in die Verhältnisse am Ende des 18. Jahrhunderts verfolgt hatte, leitete Wilhelm II., nachdem er die Regierung angetreten hatte, sofort zeitgemäße Reformen in der Verwaltung ein. Jedoch verfolgte er insgesamt eine konservative Politik. Er berief – entgegen den Erwartungen des Bürgertums – weder die Landstände ein, noch konnte er sich seinen Staat mit einer zeitgemäßen Verfassung im Sinne einer konstitutionellen Monarchie vorstellen.
Familienleben
Auch Wilhelms Familienleben war durch massive Konflikte bestimmt – ähnlich wie bei seinem Vater und später auch seinem Sohn Friedrich Wilhelm. 1821 erhob Wilhelm II. seine Geliebte, Emilie Ortlöpp, zur Gräfin von Reichenbach und später, nachdem er ihr und ihren Kindern die mährischen Güter Lessonitz, Bisenz und Unter Moschtienitz gekauft hatte, zur Gräfin von Lessonitz. Für sie erwarb er bereits 1821 das 1772 an der Königsstraße in Kassel erbaute Palais Gohr, ließ es umbauen, durch ein Treppenhaus und einen Seitenflügel mit Festsaal erweitern und durch Türen mit seinem Weißen Palais verbinden. Emilie hatte erheblichen, wenn nicht entscheidenden Einfluss auf Wilhelm während seiner zehn Jahre währenden Alleinregentschaft. Das Paar hatte acht Kinder.
Kurfürstin Auguste und der Kurprinz Friedrich Wilhelm zogen sich vom Hof zurück und sammelten die Opposition aus Adel und Bürgertum im sogenannten Schönfelder Kreis um sich. Da der Kurfürst sich mit seiner „offiziellen“ Geliebten völlig außerhalb der auch den Adel inzwischen teilweise prägenden bürgerlichen Moral gestellt hatte, stand er nun familiär und politisch völlig isoliert da. Die Bevölkerung nahm offen gegen die Mätresse und für die Kurfürstin Partei. Die Feindseligkeit gegen den autokratischen Regenten zeigte sich schon in der Drohbriefaffäre des Jahres 1823, als Wilhelm in einem anonymen Brief mit dem Tod gedroht wurde, falls er nicht drei ultimativ gestellte Forderungen erfülle: Gewährung einer Verfassung, Ausschluss seiner Mätresse von allen Regierungsgeschäften und Unterlassen der persönlichen körperlichen Züchtigung von Untergebenen. 1826 waren die Verhältnisse in Kassel so zerrüttet, dass Kurfürstin Auguste mit dem Kurprinzen das Land verließ, zunächst in die Niederlande, dann nach Berlin und schließlich nach Bonn ging. Wilhelm sperrte ihnen daraufhin allen Unterhalt, so dass Augustes Bruder, König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, dafür aufkommen musste. Alle Bemühungen des preußischen Königs, eine Einigung der kurfürstlichen Familie herbeizuführen, scheiterten. Weder der Finanzminister Friedrich von Motz noch der General Oldwig von Natzmer, die zu diesem Zweck nach Kassel geschickt wurden, vermochten etwas auszurichten.
Regierung
Wilhelm II. regierte als absolutistischer Autokrat ohne die Mitwirkung der Landstände. Seine ersten Amtshandlungen versprachen noch Fortschritt. So reduzierte er die Stärke der kurhessischen Armee von 20.000 Mann auf die der Größe seines Landes eher angemessene Zahl von 7.000, zweigte allerdings die dadurch erzielten Ersparnisse teilweise für seine persönlichen Zwecke ab. Auch ließ er, am 29. Juni 1821, die Staatsverwaltung nach preußischem Muster reformieren, wobei das Land in vier Provinzen geteilt und die Justiz von der Verwaltung getrennt wurde. Die bisherigen Ämter wurden zu größeren Kreisen zusammengelegt, und die erstinstanzliche Rechtsprechung wurde in die neuen Justizämter ausgegliedert, die in der Regel für die bisher bestehenden Amtsbezirke zuständig waren.
Ansonsten betrieb Wilhelm II. eine Politik, die in ihrem Konservatismus, ihrer Kurzsichtigkeit und ihrer Willkür dem Wohlergehen seines Landes und dessen Bevölkerung nicht zuträglich war. So war er lange Zeit einer der eifrigsten Anhänger der von den deutschen Mittel- und Kleinstaaten verfolgten „Triaspolitik“ zwischen Österreich und Preußen; erst als ihm Fürst Metternich im Herbst 1823 klarmachte, dass diese Haltung einer österreichischen Zustimmung zum Kauf der mährischen Güter für seine Geliebte im Wege stünde, ließ er von dieser Politik ab.
Auch Preußen verstand Wilhelm II., nicht nur durch sein Verhalten gegenüber seiner Frau, sondern auch durch seine Politik zu provozieren, indem er sich den preußischen Bestrebungen zur Schaffung eines Deutschen Zollvereins beharrlich widersetzte. Nachdem das Großherzogtum Hessen-Darmstadt und Preußen im Februar 1828 den Preußisch-Hessischen Zollverein gegründet hatten, schloss er im September 1828 in Kassel als Gegenmaßnahme mit dem Königreich Sachsen, dem Königreich Hannover, dem Herzogtum Nassau, der Freien Stadt Frankfurt und 13 weiteren nord- und mitteldeutschen Kleinstaaten den Vertrag zur Gründung des bis 1834 befristeten Mitteldeutschen Handelsvereins, womit der Anschluss weiterer Staaten an das preußisch-darmstädtische System verhindert werden sollte. Dieses Unterfangen wurde von Großbritannien und Österreich unterstützt, denen es ebenfalls darum ging, den preußischen Einfluss zu begrenzen. Der Verein war allerdings eine ziemliche Fehlkonstruktion, denn weder wurden gemeinsame Zolltarife eingeführt noch ein einheitliches Gebiet für den Binnenhandel geschaffen. Einzig wirksame Maßnahme war die Einführung einer Transitsteuer für Güter ins preußisch-darmstädtische Gebiet. Die Unzuträglichkeiten dieses Abkommens führten am 27. März 1830 zum Abschluss des Einbecker Vertrags mit Hannover, Oldenburg und Braunschweig, der Grundlage des späteren norddeutschen Steuervereins, einer gleichfalls dem allgemeinen Zollverein hinderlichen Maßnahme. Diese Schritte waren für Handel und Wirtschaft Kurhessens schwer schädigend. Es kam an vielen Orten zu Hungersnöten und Aufruhr und an den Landesgrenzen zu oftmals gewalttätigen Auseinandersetzungen wegen Schleichhandel, Schmuggel und Schwarzmarkt. (Schon im August 1831 verließ Kurhessen den Mitteldeutschen Handelsverein und schloss sich dem Preußisch-Hessischen Zollverein an.)
Rückzug aus dem Amt
Die Revolution von 1830 brach so in Kurhessen mit besonderer Vehemenz aus. Zunächst kam es jedoch nahezu unvermittelt zu einem, zumindest temporären Ausgleich zwischen Wilhelm und seinem Sohn sowie zwischen Kurfürst und Volk. Im Juli 1830 reiste Wilhelm nach Wien, um für seine Mätresse den Reichsfürstenstand zu erlangen. Da ihm Metternich jedoch aus dem Weg ging, kehrte Wilhelm unverrichteter Dinge zu seiner Geliebten nach Karlsbad zurück. Dort erkrankte er schwer. Kurprinz Friedrich Wilhelm eilte ans Krankenbett und versöhnte sich mit dem Vater, die Kasseler schickten eine Abordnung nach Karlsbad. Am 6. September brachen Unruhen in Kassel aus, die sich auf andere kurhessische Städte und ländliche Regionen ausweiteten. Am 12. September 1830 zogen Vater und Sohn gemeinsam in Kassel ein.
Am 15. September 1830 empfing Wilhelm II., unter dem massiven Druck der Straße, eine Abordnung, angeführt von Oberbürgermeister Karl Schomburg (1791-1841), bestehend aus dem Kasseler Stadtrat und einigen Deputierten der Bürgerschaft. Sie überreichten ihm eine Petition, in der sie unter Hinweis auf die Notlage des Landes um Einberufung der Landstände ersuchten. Der Kurfürst stimmte der Einberufung und der Ausarbeitung einer Verfassung zu. Die Einberufung erfolgte am 19. September, und nachdem auch die bisher nicht in den Landständen vertretenen Landesteile wie die ehemalige Grafschaft Hanau Abgeordnete entsenden durften, trat der Landtag am 16. Oktober zusammen. Die von ihm ausgearbeitete Kurhessische Verfassung von 1831 wurde am 5. Januar 1831 erlassen und am 8. Januar verkündet. Sie galt als freiheitlichste innerhalb des Deutschen Bundes und sogar als fortschrittlichste in Europa – mit einem Einkammerparlament und der Möglichkeit einer Ministeranklage, einem Vorläufer der parlamentarischen Verantwortlichkeit der vom Monarchen ernannten Minister.
Wilhelm II. schätzte allerdings, nachdem er in der Verfassungsfrage nachgegeben hatte, die Lage hinsichtlich seiner Stellung in der Öffentlichkeit falsch ein. Er gestattete der Gräfin Lessonitz, nach Kassel zurückzukehren. Ihre Ankunft fiel mitten in den öffentlichen Jubel über die neue Verfassung und hatte am 11. Januar erneut Unruhen zur Folge, bei denen lautstark ihre Abreise verlangt wurde. Die Gräfin reiste daraufhin fluchtartig ab, und der Kurfürst mitsamt seinem Hof folgte ihr im März nach Hanau, wo er Residenz im Schloss Philippsruhe und in Wilhelmsbad vor den Toren Hanaus nahm. Da sich bei den damaligen Kommunikationsmöglichkeiten ein Regieren von Hanau aus (die Minister waren in Kassel geblieben) als technisch schwer möglich erwies, übertrug der Kurfürst am 15. September 1831 für die Dauer seiner Abwesenheit aus der Hauptstadt seinem Sohn Friedrich Wilhelm mit dem Titel eines Mitregenten die Regierungsgeschäfte. Da er nie wieder nach Kassel zurückkehrte, war dies faktisch eine Abdankung.
Wilhelm II. lebte nun von seinen reichlichen Einkünften zusammen mit der Gräfin Reichenbach-Lessonitz zunächst in Schloss Philippsruhe, später in Frankfurt am Main. Nach dem Tod der Kurfürstin Auguste am 19. Februar 1841 heiratete er am 8. Juli 1841 in Bisenz in Mähren die Gräfin. Als auch sie am 12. Februar 1843 starb, heiratete er am 28. August 1843 Karoline von Berlepsch (1820-1877), die er zur Baronin und später zur Gräfin von Bergen erhob. Diese dritte und letzte Ehe blieb kinderlos.
Nach seinem Tod wurde Wilhelm II. in der Gruft der Marienkirche in Hanau bestattet. Da im Zweiten Weltkrieg die Grabstätte bei einem Bombenangriff schwer beschädigt wurde, wurden deren Reste in den 1990er Jahren in einem neuen Sarg beigesetzt.
Kurhessische Verfassung
Die Kurhessische Verfassung von 1831 gilt als eine der außergewöhnlichsten, weil relativ liberalen Verfassungen des deutschen Konstitutionalismus. Bereits von den Zeitgenossen erfuhr sie große Anerkennung. Karl Marx lobte sie 1859 als „das liberalste Grundgesetz [...] das je in Europa verkündet wurde“.
Altständische Verfassung
Nachdem in den Jahren 1815/16 die Verhandlungen zwischen Kurfürst Wilhelm I. und den althessischen Landständen über eine moderne Verfassung gescheitert waren, verzichtete der Kurfürst – entgegen den Vorgaben des Artikel XIII der Deutschen Bundesakte aus dem Jahr 1815 – auf eine Verfassung und regierte formal nach der altständischen Verfassung weiter, faktisch allerdings absolutistisch ohne die Landstände, da er sie nicht einberief. Auch der Thronwechsel 1821 zu Kurfürst Wilhelm II. brachte – trotz einiger Reformansätze in der Anfangszeit seiner Regierung – keine Änderung dieser Politik.
Verfassungsbewegung der Revolution von 1831
Erst die französische Julirevolution von 1830, ausgelöst durch die aufgestauten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme, erzeugte den nötigen Druck, damit auch das Kurfürstentum Hessen eine kodifizierte, moderne Verfassung erhielt. Am Anfang standen am 6. September Unruhen in Kassel, die sich auf andere kurhessische Städte und ländliche Regionen ausweiteten. Kurfürst Wilhelm II. empfing unter dem massiven Druck der Straße am 15. September eine Bürgerdeputation unter dem Kasseler Bürgermeister Karl Schomburg und sicherte ihr die Einberufung der Landstände und die Ausarbeitung einer Verfassung zu. Die Einberufung erfolgte am 19. September 1830. Die Landstände waren in ihrer Zusammensetzung dabei noch die der überkommen altständischen Verfassung Alt-Hessens, was auch bedeutete, dass ein Teil der Deputierten durch den Kurfürsten berufen wurde. Am 21. September 1830 traf eine Delegation aus Hanau ein, die forderte, dass auch die Landesteile in den Landständen repräsentiert sein sollten, die bisher dort nicht vertreten waren – so auch die Grafschaft Hanau, die „erst“ 1736 an die damalige Landgrafschaft Hessen gelangt war. Die Zusage, dass auch die Landesteile in den Landständen vertreten sein sollten, die bisher dort nicht repräsentiert waren, gab der Kurfürst. Die Zölle, die Hanau besonders belasteten, und die aufzuheben die Delegation ebenfalls gefordert hatte, aber hob er nicht auf. Als die Delegation am 24. September mit diesem Ergebnis nach Hanau zurückkehrte, brach auch hier die Revolution aus. Dabei wurden zwei Zollämter (Hanau und Mainkur) und das Geschäft eines Verkäufers von Stempelpapieren zerstört.
Verhandlung über die Verfassung
Der Landtag trat am 16. Oktober zusammen. Für die Verhandlungen über die Verfassung ernannte der Kurfürst zwei Landtagskommissare, Otto von Porbeck (1764-1841) und Karl Michael Eggena (1789-1840), als Verbindungsbeamte zwischen Regierung und Landständen. Anfang Oktober 1830 legten sie den Landständen einen ersten Entwurf vor, die so genannte Landesherrliche Proposition. Diese lehnte sich stark an den Entwurf von 1816 an. Zu der seitens der Regierung erhofften schnellen Annahme der Proposition kam es aber nicht. Vielmehr wollten die Landstände darüber beraten.
Bei den Diskussionen hatte die „kurfürstliche Partei“ innerhalb der Stände keine Fürsprecher, wurde dort aber durch die zwei Landtagskommissare vertreten. Der Adel – vier Standesherren und die Ritterschaft – entsandten zwar insgesamt 7 Vertreter in den Landtag, konnten ihre Standes-Interessen aber nur sehr begrenzt in der Verfassung verankern, da ihre Privilegien von allen anderen Beteiligten abgelehnt wurden. Nicht einmal die sonst zu dieser Zeit übliche, im Wesentlichen für den Adel reservierte, erste Kammer konnten sie durchsetzen. Die Vertreter der Bauern waren – aufgrund des Wahlrechtes – vor allem Großbauern und nicht-adelige Gutsbesitzer. Deren Interessen stimmten weitgehend mit denen des Bürgertums überein. So konnte das Bürgertum den Inhalt der Verfassung wesentlichen bestimmen. Dessen Vertreter waren zu einem erheblichen Teil Juristen. Sylvester Jordan, Staatsrechtslehrer an der Universität Marburg, wurde Vorsitzender des Verfassungsausschusses der Landstände und bestimmte mit seiner liberalen Einstellung ganz wesentlich den Inhalt der Verfassung. Ergebnis des Ausschusses waren die Gutachtlichen Bemerkungen, über die von den Landständen nun diskutiert wurde. Hier allerdings waren die Landtagskommissare wieder beteiligt. Beide Seiten drängten auf einen Verhandlungsabschluss, der Kurfürst, weil er glaubte, dann seine Mätresse, die Gräfin Emilie von Reichenbach, wieder nach Kassel holen zu können, das bürgerliche Lager, weil die unteren gesellschaftlichen Schichten weiterhin Unruhen auslösten, und beide Seiten, weil sie eine Bundesexekution fürchteten. So kam ein Kompromiss zustande. Im Dezember beriet das Gesamtstaatsministerium über den vom Landtag eingereichten Entwurf, der Anfang Januar vom Geheimen Kabinettsrat Carl Rivalier von Meysenbug (1779-1847) redaktionell bearbeitet wurde. Am 5. Januar 1831 unterzeichnete der Kurfürst die Verfassungsurkunde, die am 8. Januar 1831 feierlich verkündet wurde. Der Bundestag des Deutschen Bundes sah sich nicht in der Lage, einen Beschluss zu der kurhessischen Verfassung herbeizuführen. Fürst Metternich und der badische Gesandte Friedrich Landolin Karl Freiherr von Blittersdorf (1792-1862) waren strikt dagegen, Preußen befürwortete die Verfassung aus Opposition gegen Österreich und die deutschen Mittelstaaten waren mehrheitlich dafür, um ihre eigenen Verfassungen vor Eingriffen des Deutschen Bundes zu schützen. Ohne ein Veto des Deutschen Bundes galt eine entsprechende Landesverfassung.
Regierung
Formal hielt die Verfassung am monarchischen Prinzip fest, wenn auch überdurchschnittlich umfangreich Beteiligungsrechte der Landstände verankert wurden. Die Exekutive, insbesondere in Heer, Diplomatie und Verwaltung, blieben weitgehend in der Hand des Fürsten.
Wahlrecht
Das Wahlrecht wurde als Zensuswahlrecht über ein Wahlgesetz festgeschrieben, das gemäß § 72 der Verfassung einen Teil von ihr darstellte. Damit sicherte sich das Bürgertum gegen die „unteren“ sozialen Schichten ab.
Landstände
Landständisch-parlamentarische Mitwirkung war bei der Verabschiedung des Etats, insbesondere bei der Bewilligung von Steuern erforderlich. Das bewegte sich im Rahmen des damals Üblichen. Darüber hinaus ging allerdings das Recht der Landstände auf Gesetzesinitiative.
Zwischen den Sitzungsperioden bestand ein „Ständiger Ausschuss“ des Landtages, der aber zu wenig Rechte hatte, um die Landstände in dieser Zeit wirklich zu ersetzen. Der Kurfürst alleine besaß das Recht, die Landstände einzuberufen und aufzulösen Er war allerdings verpflichtet, nach einer Auflösung der Landstände neu wählen zu lassen und die Landstände dann einzuberufen.
Grundrechte
Zahlreiche Grundrechte waren in der Verfassung festgeschrieben: Gleichheit vor dem Gesetz (§ 26), Religionsfreiheit (§§ 29, 30), Freiheit der Person und Eigentumsgarantie (§§ 31, 32), Berufsfreiheit (§ 36), Briefgeheimnis (§ 38), Petitionsrecht (§ 99), Rechtsweggarantie und das Verbot von Ausnahmegerichten (§§ 112ff). Die Meinungsfreiheit und Pressefreiheit (§§ 37, 39) wurden zwar garantiert, standen aber unter Gesetzesvorbehalt und wurden bis 1848 nicht in die Praxis umgesetzt.
Bewertung
Unter den Verfassungen der damaligen Zeit war sie eine der fortschrittlichsten, weil sie in einigen Punkten über die bis dahin in anderen Staaten den Landständen gewährten Rechte hinausging:
• Die Kurhessische Ständeversammlung war ein Einkammerlandtag.
• Sie besaß das Recht zu Gesetzesinitiative und
• hatte die Pflicht zur Ministeranklage, wenn ein Regierungsmitglied gegen Bestimmungen der Verfassung verstieß.
• Die Eidesleistungen des Landesherrn, der Beamten, Offiziere (§§ 46, 60) und Abgeordneten erfolgte auf die Verfassung. Insbesondere im Hinblick auf die Offiziere war das sensationell und sollte 1850 dem Landesherrn noch erhebliche Probleme bereiten.
Damit war die Kurhessische Verfassung von 1831 zu ihrem Entstehungszeitpunkt wohl die liberalste in Deutschland. Übertroffen wurde sie nur durch die nahezu zeitgleich entstandene Verfassung des Königreichs Belgien von 1831, die allerdings aufgrund der kurz zuvor erfolgten Sezession Belgiens vom Königreich der Niederlande ohne jede obrigkeitliche Einwirkung zustande kommen konnte.
Praxis
In der Praxis funktionierte das in der Kurhessischen Verfassung von 1831 Niedergelegte nur begrenzt. Die Verfassung traf in Friedrich Wilhelm (Prinzregent von 1831 bis 1847, dann Kurfürst) auf einen extrem rückwärts gewandten, uneinsichtigen und politisch unfähigen Landesherren. Dieser versuchte sofort alles, um die Verfassung auszuhebeln. Das spiegelt sich in einer entsprechenden Personalpolitik, wie etwa der Berufung des ultra-konservativen Ludwig Hassenpflug zum leitenden Minister, der die anti-konstitutionelle Politik anleitete, wider. Er überstand vier Ministeranklagen des Landtags. Dies belegte im Nachhinein die Unbrauchbarkeit der Ministeranklage als Instrument, die Regierung zu kontrollieren. Der Landtag wurde nun durch den Kurfürsten immer aufgelöst, wenn Beschlüsse drohten, die unangenehm waren. Auch wurde die Zusammensetzung des Landtages bei Neuwahlen manipuliert.
Kurfürst Friedrich Wilhelm schreckte auch nicht vor Rechtsbruch zurück, was zum Kurhessischen Verfassungskonflikt 1850 führte, und dem anschließenden Einsatz ausländischen Militärs, der sogenannten Strafbayern. 1852 wurde die Verfassung seitens des Kurfürsten einseitig geändert. Nach folgenden langen Auseinandersetzungen wurde die Verfassung von 1830 im Jahr 1860 teilweise und 1862 vollständig wiederhergestellt. Die sich hier widerspiegelnden Konflikte zwischen Kurfürst und Bürgertum führten dazu, dass das Königreich Preußen nach dem Krieg von 1866 das Kurfürstentum problemlos annektieren konnte, weil das Bürgertum froh war, den ungeliebten Landesherrn loszuwerden und in eine wirtschaftlich viel leistungsfähigere, größere Einheit integriert zu sein.
Struktur im Vormärz
Die neue Verfassung war eine der fortschrittlichsten ihrer Zeit. Außergewöhnlich war das Einkammer- statt des sonst üblichen Zweikammer-Parlaments. Auch das Wahlrecht war bemerkenswert: für sechzehn Abgeordnete aus Stadt und Landgemeinden bestand das völlig freie Männerwahlrecht. Für diese bestanden keine Zensusschranken. Das passive Wahlrecht blieb allerdings beschränkt. Dienstboten, Gesellen, Arbeiter und vergleichbare Berufsstände blieben von der Wählbarkeit ausgeschlossen.
Insgesamt bestand das Parlament aus 53 Abgeordneten. Davon entfielen 20 Sitze auf die Prinzen des Herrscherhauses, die Standesherren, die Prälaten und Ritter oder deren Vertreter. 17 Mandate standen den Städten und der Universität Marburg zu. Hinzu kamen 16 Mandate für Vertreter der Bauern.
Die Kammer bestand gemäß § 63 der Verfassung im Detail aus
• den Prinzen des kurfürstlichen Hauses
• den Oberhäuptern der standesherrlichen Familien
• dem Erbmarschall, also dem Senior der Familie Riedesel
• einem der ritterschaftlichen Obervorsteher des Stiftes Kaufungen und Wetter
• einem Abgeordneten des Landesuniversität Marburg
• je einem Abgeordneten der fünf Bezirke der althessischen Ritterschaft (Diemel, Fulda, Schwalm, Werra und Lahn)
• einem Abgeordneten der Ritterschaft der Grafschaft Schaumburg
• einem Abgeordneten aus dem ehemals reichsunmittelbaren Adel in den Kreisen Fulda und Hünfeld
• einem Abgeordneten aus dem ehemals reichsunmittelbaren und sonst stark begüterten Adel in der Provinz Hanau
• 16 Abgeordneten der Städte nämlich
o je zwei aus Kassel und Hanau
o je einer aus Marburg, Fulda und Schmalkalden
o Hersfeld und Melsungen teilen sich einen Abgeordneten. Für jeweils zwei Landtage durfte Hersfeld, dann für einen Landtag Melsungen den Abgeordneten wählen
o ein weiterer Abgeordneter wurde in gleicher Weise von Hersfeld und Melsungen sowie den Städten Lichtenau, Rotenburg, Sontra, Spangenberg und Waldkappel bestimmt
o Jeweils einen Abgeordneten wählen
- § Rinteln, Obernkirchen, Oldendorf, Rodenberg und Sachsenhagen
- § Hofgeismar, Karlshafen, Grebenstein, Helmarshausen, Immenhausen, Liebenau, Naumburg, Trendelburg, Volkmarsen, Wolfhagen und Zierenberg
- § Homberg, Borken, Felsberg, Fritzlar, Gudensberg, Neukirchen, Niedenstein, Schwarzenborn, Treysa und Ziegenhain
- § Eschwege, Allendorf, Großalmerode, Wanfried und Witzenhausen
- § Frankenberg, Amöneburg, Frankenau, Gemünden, Kirchhain, Neustadt, Rauschenberg, Rosenthal, Schweinsberg und Wetter
- § Hünfeld, Salmünster, Schlüchtern, und Steinau
- § Gelnhausen, Bockenheim, Wächtersbach und Windecken
• 16 Vertretern der Landbezirke
Direktoren des Gesamtstaaatsministeriums
Georg von Schmerfeld (* 18. März 1759 in Kassel; † 21. Dezember 1823 ebenda) war ein 1817 in den Adelsstand erhobener Jurist, Verwaltungsbeamter und Staatsmann im Dienste der Landgrafen bzw. Kurfürsten von Hessen-Kassel.
Friedrich Ludwig von Witzleben (* 9. Mai 1755 in Wohlmirstedt; † 16. März 1830 in Cassel) war ein deutscher Forstmeister, Staatsrat und Generaldirektor der Domänen, Forste und Gewässer in Hessen, Verfasser forstlicher Fachliteratur und Gründer der Forstlehranstalt zu Waldau.
Johann Friedrich Christoph Schmincke (* 1. Dezember 1775 in Kassel; † 10. Mai 1845 in Kassel) war ein kurhessischer Minister.
Freiherr Ferdinand Carl Wilhelm Heinrich Schenck zu Schweinsberg (* 28. November 1765 in Hanau; † 29. Dezember 1842 auf Burg Schweinsberg) war Justizminister der ersten Regierung, die nach dem Erlass der Verfassung von 1831 in Kurhessen tätig wurde.
Johann Christian Wiederhold (1831–1832)
Der bekannteste Regierungschef war der zweimal (1832–1837, 1850–1855) als Innen- und Justizminister tätige Ludwig Hassenpflug. Die Verfassung wurde gebrochen und außer Kraft gesetzt.
Verwaltungsgliederung
Am 21. August 1821 wurde Kurhessen zum Zwecke der Verwaltung in vier Provinzen und 22 Kreise eingeteilt. Die beiden althessischen Provinzen Niederhessen (Hauptstadt: Kassel) und Oberhessen (Marburg) lagen im Nordwesten des Landes. Im Südosten lag die aus dem Fürstbistum Fulda hervorgegangene Provinz Fulda mit der ehemals zur Grafschaft Henneberg gehörigen Exklave, dem Landkreis Herrschaft Schmalkalden, wiederum südlich an diese anschließend die aus dem ehemaligen Fürstentum Hanau gebildete Provinz Hanau. Die Kreise der vier Provinzen waren:
• Provinz Niederhessen
o Kreis Eschwege
o Kreis Fritzlar
o Kreis Hofgeismar
o Kreis Homberg
o Kreis Kassel
o Kreis Melsungen
o Kreis Rotenburg
o Kreis Schaumburg
o Kreis Witzenhausen
o Kreis Wolfhagen
• Provinz Oberhessen
o Kreis Frankenberg
o Kreis Marburg
o Kreis Kirchhain
o Kreis Ziegenhain
• Provinz Fulda
o Kreis Fulda
o Kreis Hersfeld
o Kreis Hünfeld
o Kreis Schmalkalden
• Provinz Hanau
o Kreis Hanau
o Kreis Gelnhausen
o Kreis Salmünster (bis 1829)
o Kreis Schlüchtern
Veranstaltung vom 12.12.2017
2. Zollchaos und Zollvereinspolitik im Kurfürstentum Hessen-Kassel nach der Julirevolution (1830/31)
Die einige Kilometer östlich von Frankfurt am Zusammenfluß von Kinzig und Main gelegene Stadt Hanau war am 24. September 1830 Schauplatz von Krawallen, die die Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit auf sich zogen. Hanau war die Hauptstadt einer kurhessischen Provinz gleichen Namens, die langgestreckt mit mäanderförmigen Grenzlinien zwischen dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt, der freien Stadt Frankfurt am Main und dem Königreich Bayern lag. Auch die sich im Norden anschließende Provinz Fulda war größtenteils ein schmaler Landstreifen zwischen den benachbarten Flächenstaaten Hessen-Darmstadt und Bayern. In der ganz im Süden der stiefelähnlichen Ländermasse gelegenen Stadt Hanau kam es also an dem genannten Septembertag zu Gewaltausbrüchen einer wütenden Volksmenge. Abends wurden die Zollgebäude, das Lizentamt und das Mainzollamt, ausgeräumt und Einrichtung und Akten verbrannt. “Letzte Hemd-Amt” hieß das verhaßte Lizentamt im Volksmund. Polizei und Militär gingen nicht gegen die aufgebrachte Menge vor. Am nächsten Tag wurde das Zollbüro bzw. Mautamt an der Mainkur von ihr zerstört. Die Unruhen griffen weiter um sich. Im nordöstlich von Hanau gelegenen Grenzort Gelnhausen kam es gleichfalls zu einer Stürmung des Zollamts. Die Erhebung der Zölle mußte infolge der Unruhen in den Provinzen Hanau und Fulda eingestellt werden. In der Provinz Fulda resignierten die Mautbeamten und übten ihren undankbaren Dienst von sich aus nicht mehr aus. Die gesetzliche Ordnung war auf dem Gebiet des Zollwesens aufgelöst. An die Stelle der Ordnung trat ein Zollchaos.
Wie kam es zu den Krawallen und den chaotischen Zollverhältnissen? An dem Tag, an dem in Hanau die Gewaltausbrüche stattfanden, war eine Deputation der Stadt, die sich aus Vertretern des Adels, der Bürger und der Bauern zusammensetzte, mit unbefriedigenden Nachrichten aus der Hauptstadt Kassel zurückgekehrt. Sie hatte von der Regierung die Aufhebung der Zölle oder “Mauten” – ein damals ebenso gebräuchliches Wort – gefordert. Eine so weitgehende Forderung, die einen einschneidenden Verlust für die Staatskasse gebracht hätte, genehmigte der Kurfürst Wilhelm II. nicht. Er versprach in einer unverbindlichen Form, für eine Abhilfe der begründeten Beschwerden zu sorgen. Das wiederum war der Deputation und der Bevölkerung Hanaus zu wenig. Was freiwillig nicht zugestanden wurde, suchte eine aufgebrachte Volksmenge auf dem Wege der Gewalt und durch Aufhebung der gesetzlichen Ordnung zu erreichen.
Um den Unmut der in den südlichen Provinzen lebenden Kurhessen über die Zollverhältnisse besser zu verstehen, muß man berücksichtigen, daß ihre Beschwernisse nur zum Teil von den Abgaben herrührten, die an die eigene Regierung zu entrichten waren. Für den Außenhandelsverkehr war die Zollpolitik der benachbarten Flächenstaaten noch belastender. Diese Politik verschlechterte seit Jahren die wirtschaftlichen Verhältnisse in Kurhessen. Bayern hatte sich im zurückliegenden Jahrzehnt mit einer Schutzzollmauer umgeben, d.h., es belastete durch hohe Zölle die Wareneinfuhren, um den im eigenen Land erzeugten und hergestellten Produkten einen sicheren Markt zu verschaffen. Um diesen Markt weiter auszudehnen, bildete es im Januar 1828 mit Württemberg einen Zollverein. Die Werbung zur Gewinnung weiterer Staaten für den Verein, insbesondere die Werbung um Kurhessen, war erfolglos. Der kurhessische Handel mit Bayern blieb erschwert. Gegenüber dem Nachbarn Hessen-Darmstadt gestalteten sich die Zollverhältnisse in ähnlicher Weise. Das Jahr 1828 bildete hier einen scharfen Einschnitt, denn im Februar dieses Jahres übernahm Darmstadt das preußische Zollsystem. Die Übernahme des Systems bescherte Kurhessen gleichfalls eine Erschwerung des Außenhandels. Für die Ausfuhr von Waren stiegen die Tarife. Doch auch hier folgte die kurhessische Regierung nicht der Einladung zum Vereinsbeitritt. Sie schloß sich statt dessen 1828 mit anderen Staaten zum Mitteldeutschen Handelsverein zusammen, der sich das Ziel setzte, Handel und Verkehr möglichst zu erleichtern und sich nicht mit Schutzzöllen zu umgeben. Von der Erleichterung des Warenverkehrs sollte der Durchfuhrhandel profitieren. Wegen seiner zentralen Lage besaß der Kurstaat für den Transit zwischen West- und Ost- und zwischen Nord- und Süddeutschland natürliche Vorteile. Für den Kurfürsten kamen weitere Beweggründe beim Beitritt zum Mitteldeutschen Verein hinzu: die Zollverwaltung blieb ungeschmälert und ungeteilt in der eigenen Kompetenz; es gab wegen der Ehe zur linken Hand mit der Gräfin Reichenbach heftige familiäre Spannungen zwischen ihm und dem preußischen Herrscherhaus, aus dem seine Gattin stammte; aus politischen und wirtschaftlichen Gründen begrüßte der österreichische Staatskanzler Fürst Metternich den Mitteldeutschen Verein und mißbilligte die beiden anderen Vereine, Österreich aber übte großen Einfluß auf die kurhessische Politik.
Kurhessen und seinen Vereinspartnern gelang es nicht, mit den beiden anderen Vereinen eine Senkung der Zolltarife auszuhandeln. Der Preußische und der Bayerische Verein betrachteten vielmehr den dritten Bund als ihren Gegner, der die Ausbreitung ihres Systems verhindern wollte. Die beiden Schutzzollvereine kamen sich gegenseitig näher. Im Mai 1829 schlossen sie einen Vertrag zur gegenseitigen Erleichterung des Handelsverkehrs und sagten einander zu, sich in der Ausdehnung ihres jeweiligen Systems zu unterstützen. Verhandlungen mit sächsischen Kleinstaaten, die Mitglieder des Mitteldeutschen Vereins waren, führten im Jahre 1829 zur Bewilligung einer von Durchfuhrzöllen freigestellten Straßenverbindung zwischen Preußen und Bayern. Der Nord-Süd-Transit sollte an Kurhessen vorbeigehen. Im Jahre 1830 bemühte sich Kurhessen noch mit einigen norddeutschen Küstenstaaten einen engeren Zollverband zu errichten, um die Abwehrposition gegen Preußen zu stärken. Es kam aber in der Frage der Zolltarifhöhe nicht zu einer Einigung. Die Zollvereinsbewegung gereichte demnach Kurhessen bis zum September 1830, als die Krawalle in Hanau ausbrachen, nur zum Nachteil. Es gab nur illegale Mittel, die Nachteile der Zollmauern zu überwinden. Schleichhandel und Schmuggel blühten an den Grenzen zu den Staaten, die sich mit hohen Tarifen umgeben hatten. Blutige Kämpfe zwischen Schmugglern und Ordnungshütern, aber auch von Schmugglerbanden untereinander fanden an der kurhessischen Grenze (und nicht nur hier) statt. Die Polizei erhielt die Befugnis, zur Abstellung des Schleichhandels von den Waffen Gebrauch zu machen. Für die Bevölkerung wurde der Besitz von Gewehren von einer polizeilichen Erlaubnis abhängig gemacht. Das Auge des Gesetzes wachte dort schärfer, wo der eigene Staat Schaden erleiden konnte, d.h. vor allem beim Einschwärzen von Waren, für die die Erhebung eines Zolls vorgeschrieben war. Die Augen wurden bisweilen mit Absicht geschlossen, wenn von dem illegalen Warenverkehr nur die Interessen des Nachbarstaats berührt waren. In der deutschen Staatenwelt verhielt sich dies nicht anders als in Kurhessen. Zum Zollchaos im Kurfürstentum gehörte auch dieser Zustand an den Grenzen. Die langgestreckten südlichen Provinzen boten dem Schleichhandel besonders gute Möglichkeiten, seine Geschäfte zu betreiben.
Die Zollverhältnisse griffen tief in das kurhessische Wirtschaftsleben ein. Der Verkehr auf den Transitstraßen zwischen Frankfurt und Sachsen und von Norddeutschland nach Bayern ging zurück. Die Bevölkerung war auf die Verdienstmöglichkeit eingestellt und angewiesen, die der Transit seit Jahrhunderten gebracht hatte. Geht man durch, was die Bevölkerung damals bedrückte und bewegte, so stößt man noch auf weitere Fakten. Das Salz, einer der wichtigsten Handelsartikel, war ein einträgliches Staatsmonopol. Es wurde im Ausland billiger verkauft als an die kurhessische Bevölkerung. Hohe Steuern belasteten die Einwohner. Der Kurfürst stürzte sich jedoch für militärische Zwecke und die Ausstattung der Mätresse Gräfin Reichenbach in große Ausgaben. Die Arbeitslosigkeit stieg, und die Preise für Grundnahrungsmittel, die Getreidepreise und damit verbunden die Brotpreise, kletterten infolge von Mißernten in die Höhe. Das Hanauer Land war zusätzlich noch von einer starken Mainüberschwemmung heimgesucht worden. Die wirtschaftliche Notlage in Kurhessen führte nicht nur zu gewalttätigen Ausschreitungen auf Zolleinrichtungen. Am 6. September 1830 kam es in Kassel, nachdem die Bäcker die Brotpreise erhöht hatten, zu einer Stürmung der Bäckerläden. Erst in der Nacht konnte das Militär die Ruhe in der Hauptstadt wieder herstellen. In Hanau wurden am gleichen Tag, an dem die Zollbüros zerstört wurden, die Getriedespeicher jüdischer Händler gestürmt. Der Impuls, der von ähnlich motivierten Gewaltausbrüchen ausging, muß in die Beschreibung der gereizten Stimmung jener Tage miteinbezogen werden. Vor allem darf die Ausstrahlung der französischen Julirevolution nicht unerwähnt bleiben. Sie inspirierte die gewaltsame Artikulation vielfältiger sozialer, wirtschaftlicher und politischer Konflikte, nicht zuletzt in Hessen-Kassel, wo das Zollchaos nicht die einzige Folge dieser Artikulation blieb. Gleichfalls im September wurde in einer Bittschrift, die mehr als 1500 Unterschriften trug, die Einberufung von Landständen in dem absolutistisch regierten Staat gefordert. Als eine Delegation an den Kurfürsten am 14. September nicht vorgelassen und auf den folgenden Tag vertröstet wurde, kam in Kassel eine gefährliche Stimmung auf. Eine dichte Menschenmenge umstellte am 15. September den Regierungspalast und wartete gespannt auf das Ergebnis. Der Kurfürst gab, sein Nachgeben als “Opfer” bezeichnend, den Wünschen nach. Daraufhin entspannte sich die Lage in Kassel und in Althessen. In der Provinz Hanau kam hingegen die Befürchtung auf, bei der Einberufung der Landstände nicht berücksichtigt zu werden. Die Deputation, die den Antrag auf Abschaffung der Maut stellte, sollte in Kassel einen Bescheid auf diese Frage einholen. Daß sie auf die Frage keine zufriedenstellende Antwort bekam, war gleichfalls ein Motiv für die Hanauer Krawalle.
Zur Beruhigung der aufgebrachten Bevölkerung sandte der Kurfürst seinen Sohn, den Kurprinzen Friedrich Wilhelm, nach Hanau. Friedrich Wilhelm, ein gebürtiger Hanauer, traf dort am 27. September ein. Er versprach in einer Proklamation die Aufhebung der Maut. Zur Beschwichtigung der Gemüter trug die in diesen Tagen eingelaufene Information bei, daß in dem einberufenen Landtag auch Abgeordnete der jüngst auf dem Wiener Kongreß (1814/15) erworbenen Landesteile, so auch die Provinz Hanau, vertreten sein sollten. Beschwichtigung und Nachgeben blieben nicht die einzige Reaktion des Kurfürsten auf die Krawalle. Hinzu kam die Androhung staatlicher Gegengewalt. Der Landesherr rief die beurlaubten hessischen Soldaten ein und versammelte ein beträchtliches Korps in der Umgebung von Kassel. Truppen eilten in die Provinzen Hanau und Fulda. Die Besatzung der Stadt Hanau wurde verstärkt. Das im Truppenaufgebot sichtbare Mißtrauen reizte die Bevölkerung, die in der neuen Bürgergarde einen genügenden Schutz gegen alle Ausschreitungen erblickte. Der Kurfürst hatte diese Garde nur mit Sträuben genehmigt, doch die Bürger des Landes waren sehr stolz auf sie. Für Zwecke, die den Bürgerinteressen zuwiderliefen, war diese Garde natürlich schwer einzusetzen. Bei den Zollkonflikten in den südlichen Provinzen ging es aber um wichtige bürgerliche Interessen. Ein militärischer Einsatz ließ nicht lange auf sich warten. Als Mitte November 1830 in Hanau das Brot um zwei Kreuzer teurer wurde, wurden die Hanauer Bäckerläden gestürmt. Das Militär stellte die Ruhe wieder her und verhaftete die Rädelsführer. Auf dem Weg nach Fulda, wohin die Verhafteten gebracht werden sollten, kam es zu Straßenkämpfen. Ein bewaffneter Haufen suchte die Gefangenen zu befreien. Der Anschlag wurde abgewehrt, forderte aber drei Tote und mehrere Verwundete.
Geht man den Folgen und Reaktionen nach, die sich an die Hanauer Krawalle vom 24. September anschlossen, so muß man den Blick auch über die kurhessischen Grenzen hinaus richten, insbesondere auf die Grenzverhältnisse im Nachbarstaat Hessen-Darmstadt. Unruhen und Aufstände flammten nämlich auch hier auf. Aufrührer verwüsteten eine Reihe von Zollämtern, nahmen angesehene Personen als Geisel und stachelten in Offenbach und Seligenstadt zum Aufstand an. Die darmstädtische Regierung sah nicht nur den Geist der Unruhe von Kurhessen ausgehen, sondern machte Bewohner des Nachbarstaates für sie verantwortlich. Die Zurechnung war einseitig, denn man muß in Rechnung stellen, daß auch die darmstädtischen Bürger ein Interesse daran hatten, die Wareneinfuhr von hohen Zöllen zu befreien. Den kurhessischen Behörden wurde von Darmstadt vorgeworfen, nicht energisch genug gegen die aufständischen Rotten vorgegangen zu sein. Darmstadt selbst verstärkte seine Truppen in Oberhessen und insbesondere an der unruhigen Grenze zu Kurhessen hin. Die Bewohner der Provinz wurden in Proklamationen zur Bewahrung von Ruhe und Ordnung angehalten. Der Erlaß des Standrechts sollte Gewalttaten vorbeugen. Die Wurzel des Übels, so glaubte die darmstädtische Regierung, mußte jedoch in Kurhessen ausgerottet werden.
Die Wellen, die die Hanauer Krawalle schlugen, gelangten bis zum Frankfurter Bundestag. In Gerüchten wurden die Unruhen übertrieben dargestellt. Ein Frankfurter Pfarrturmwächter gab vor, ganz Hanau in Flammen gesehen zu haben. Die unmittelbare Nähe des Unruheherdes zum Sitz der Bundesversammlung führte zu einer raschen Beschäftigung mit der Frage, ob die Unruhen mit militärischen Mitteln von Bundes wegen unterdrückt werden sollten. Zum 30. September 1830 berief der Bundestagspräsident Joachim von Münch-Bellinghausen eine Sitzung ein, um über Maßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung des Gefahrenherdes zu beratschlagen. In der Sitzung wurde die kurhessische Regierung gerügt, daß sie die Ereignisse nicht verhütet und unterdrückt hatte, und ermahnt, alle nötigen Vorbereitungen zur Unterbindung weiterer Exzesse zu treffen. Ausdrücklich wurde mißbilligt, daß die Zivil- und Militärbehörden in Hanau während der Ausschreitungen am 24. September tatenlos geblieben waren. Das sei eine Ermunterung zu weiteren Exzessen gewesen, die nun die innere Ruhe und Sicherheit Deutschlands ernstlich bedrohen würden. Am folgenden Tag, dem 1. Oktober, gab der kurhessische Gesandte Meyerfeld die Erklärung ab, nach einem Bericht des Hanauer Regierungsdirektors sei die Ruhe in der Stadt und in der Provinz überall wieder hergestellt. Seine Mitteilungen wurden jedoch von darmstädtischen Gesandten angezweifelt. Er stellte die Unruhen in seinem Land drastisch vor Augen und wies die Schuld daran ausschließlich dem Nachbarstaat zu. Die Bundesversammlung ließ sich von dem Bericht überzeugen. Sie nahm die Vorschläge der Bundesmilitärkommission, die sie tags zuvor angefordert hatte, an und beschloß, ein Bundeskorps an den Grenzen zu Kurhessen aufstellen zu lassen, um eventuelle Angriffe der Aufständischen abzuwehren. Truppen in der Stärke von 7000 Mann sollten um das Hanauer Land herum zusammengezogen werden. In Reserve sollte ein württembergisches Korps von 4000 bis 6000 Mann bei Heilbronn stehen, ein bayerisches von 4000 Mann in der Rhön und ein preußisches von 6000 Mann bei Wetzlar. Nassau, das das größte Bundeskontingent zu stellen hatte, erhielt den Oberbefehl. Die Zahlen machen deutlich, wie groß die Gefahr und das Sicherheitsbedürfnis beurteilt wurden. Ob das Aufgebot nötig war, läßt sich anzweifeln und wurde von dem betroffenen Staat selbst in der Tat bezweifelt. Kurfürst Wilhelm II. verbat sich entschieden jede auswärtige Hilfe. Die Aufrechterhaltung der Ordnung sah er durch die durchaus für zuverlässig gehaltenen eigenen Truppen gewährleistet. Sein Flügeladjutant brachte, als die Bundeshilfe im Gespräch mit dem Kurfürsten erörtert wurde, die Befürchtungen zum Ausdruck, die mit einer Besetzung des Landes durch fremde Truppen, vor allem, wenn es sich um preußische handelte, verbunden war. Er meinte, man könne die Preußen zwar sehr leicht ins Land bekommen, aber wie man sie wieder herausbekommen werde, das wisse er nicht.
Der kurhessische Gesandte erklärte am 7. Oktober wiederum, die militärischen Vorkehrungen in seinem Land seien ausreichend, um jede Ruhestörung zu unterdrücken. Er verwahrte sich gegen Beschuldigungen in der darmstädtischen Presse, daß seine Landsleute an den Unruhen in Oberhessen beteiligt oder schuld seien. Die Bundesversammlung bat ihn um ausführliche Informationen darüber, ob die Landes- und Ortsbehörden im Kurfürstentum wieder ihre gesetzlichen Funktionen ausüben könnten. Am 14. Oktober war der Deutsche Bund genügend beruhigt, um die militärischen Vorsichtsmaßnahmen schrittweise abzubauen. Er erwartete aber weitere Erklärungen über die kurhessischen Vorkehrungen und detaillierte Urteile über die Lage. Erst am 14. Dezember 1830 gab der Bevollmächtigte Meyerfeld einen Bericht, der die vorgefallenen Krawalle nach Ursachen und Beteiligten analysierte. Danach waren keine politischen Gründe für den Ausbruch der Erhebung vorhanden, sondern soziale: die Preissteigerungen für Grundnahrungsmittel. Träger der Unruhen war nach dem Bericht der Pöbel. Die Tatsache, daß die Zollerhebung in den Provinzen aufgegeben wurde, zeigt hingegen, daß hinter den Unruhen breite Teile der Bevölkerung standen. Meyerfeld überging das Faktum, das gegen die Aufhebung des ungeliebten militärischen Drucks durch den Deutschen Bund gesprochen hätte. Der Präsidialbevollmächtigte nahm die Darstellung zwar skeptisch auf, aber er gab sich mit ihr zufrieden. Der Alarmzustand wurde endgültig für beendet erklärt. Als dem Kurfürsten die Rechnung über die Bundeshilfe präsentiert wurde, verweigerte er die Begleichung. Das Bundesaufgebot diente nach seiner Meinung nicht der Sicherung seines Landes, sondern des Deutschen Bundes. Er habe, so erklärte er zutreffend, den Bundestag nicht um Hilfe angerufen, sondern sogar gegen dessen Vorgehen protestiert.
Wie verlief die Entwicklung der Zollangelegenheiten in Kurhessen weiter? Von der Regierung wurde eine Kommission eingesetzt, die die Beschwerden der Gemeinden und Ortschaften in der Provinz Hanau entgegennahm. Die Zollordnung war ein Gegenstand der allgemeinen Klage. Sie wurde für die Einengung von Handel und Gewerbe verantwortlich gemacht. Die Hanauer wünschten eine Abhilfe der Beschwerden durch einen Anschluß an den Bayerisch-Württembergischen Verein, denn die Grenzen zu Bayern störten sie in ihrer wirtschaftlichen Interessenlage am meisten. Zur Belebung des Transits sollten die Chausseegelder ermäßigt und von den Provinzen in eigener Regie verwaltet werden. Mit der Abschaffung der von Kurhessen vorgeschriebenen Zölle allein war es nach Meinung der Hanauer also nicht getan. Diesen Zustand hatten sie Ende 1830 faktisch erreicht, obwohl dadurch das gesamte kurhessische Zollwesen in Unordnung geriet. Die Lösung des Dilemmas lag für sie in der Zollvereinspolitik. Zollchaos und Zollvereinsbildung traten in einen Beziehungszusammenhang.
Es konnte nicht ausbleiben, daß die kurhessischen Zollverhältnisse das Interesse der öffentlichen Meinung in Anspruch nahmen. Mehrere Flugschriften widmeten sich Ende 1830 der Thematik. Sie hatten außer dem Kurfürsten und der Regierung einen neuen, viel beachteten Adressaten: die Landstände, die am 16. Oktober erstmals im Bellevueschloß in Kassel zusammengetreten waren. Die in der Publizistik formulierten Ansichten unterschieden sich je nach der Interessenlage, denen sie Rechnung trugen. Für die Bildung von Zollvereinen wurden folgende vier Zusammenschlüsse erwogen: 1. Kaufleute aus dem Norden Kurhessens, z.B. aus Karlshafen, schlugen eine Vereinigung mit dem Königreich Hannover vor. 2. In den Provinzen Hanau und Fulda wurde für den Anschluß an den Bayerisch-Württembergischen Verein plädiert. 3. Von einer Zollverbindung mit Preußen erwartete man beträchtliche Vorteile, namentlich durch die Eröffnung eines Wirtschaftsgebietes mit einer Bevölkerung von 13 Millionen Menschen. Gleichzeitig wurde jedoch das Bedenken laut, daß dann der heimische Markt mit preußischen Waren überflutet werden könnte. Ferner tauchte der Argwohn auf, daß die junge konstitutionelle Verfassung durch den Verein mit dem absolutistischen Preußen gefährdet werden könnte. 4. Ein weiterer Vorschlag zielte auf den freien Verkehr für den Deutschen Bund insgesamt und einen Schutzzoll für den Binnenmarkt gegenüber dem Ausland. Regierung und Landtag, die Träger der politischen Entscheidung, mußten eine Wahl zwischen den verschiedenen Möglichkeiten treffen und konnten nicht jedem spezifischen Interesse entsprechen.
Neben den Vorstellungen von geordneten Zollverhältnissen interessiert hier die Resonanz der Hanauer Krawalle und des Zollchaos in der Publizistik. Eine den kurhessischen Landständen gewidmete, anonyme Schrift mit dem Titel “Die Zollverhältnisse Kurhessens” (Leipzig 1830) lieferte eine soziale Beschreibung der Hanauer Gewalttäter. Das Bild dieser Gruppe malte sie in den schwärzesten Farben aus. Danach handelte es sich um arbeitsscheue Landstreicher, die alle Schlupfwinkel kannten, keine Gefahr scheuten und jederzeit zur Störung von Ruhe und Ordnung bereit waren. Daß Verletzungen staatlichen und privaten Eigentums von “achtbaren Bewohnern”, von “wirklichen Staatsbürgern” der Provinz Hanau ausgegangen sein könnten, das dürfe man nicht annehmen. Schmugglerbanden, die sich wegen der übermäßig hohen Abgaben der Nachbarstaaten gebildet hatten, verübten nach Meinung des Verfassers die strafbaren Handlungen. Mit dieser sozialen Beschreibung war die Flugschrift “Noch Etwas über die Hessischen, besonders Hanauischen Zollverhältnisse” (Frankfurt 1830) nicht ganz einverstanden. Sie räumte ein, daß die Zerstörung der Zollämter von der niederen Klasse ausgegangen sei, hielt es aber für falsch, sich die Augen davor zu verschließen, daß das ganze gewerbetreibende Publikum die Zerstörung gerne gesehen hatte. Die Herstellung geordneter Verhältnisse war bei dieser Sachlage nicht leicht. Die politischen Kräfte des Landes mußten die Aufgabe aber anpacken.
Der Kurfürst, das Staatsministerium und der Landtag waren die maßgeblichen politischen Kräfte, die seit Jahresbeginn 1831 den Kampf um die Neuordnung des Zollwesens aufnahmen. Auch die neue Verfassung, die das Staatsoberhaupt am 6. Januar 1831 unterzeichnet hatte, gestattete dem Kurfürsten, die Richtlinien für die Verhandlungsführung mit anderen Staaten aufzustellen. Er machte von seinem Recht Gebrauch, erschwerte aber durch seine ständige Abwesenheit von der Landeshauptstadt die Zusammenarbeit mit den beiden anderen Gremien. Der Kurfürst hatte sich in Hanau niedergelassen, und um wichtige Direktiven einzuholen, mußten sich die Regierungsmitglieder von Kassel nach Hanau begeben. Erst am 30. September 1831 änderte sich der Zustand, als dem Kurprinzen Friedrich Wilhelm die Mitregentschaft übertragen wurde und sich der Kurfürst von den Staatsgeschäften zurückzog. Das Staatsministerium gewann durch die Abwesenheit des Oberhaupts einen größeren Handlungsspielraum. Es erlebte die Grenzen des politisch Machbaren bei den Verhandlungen mit den Nachbarstaaten in Zollangelegenheiten viel unmittelbarer als der Kurfürst. Seinen Informationsvorsprung nutzte es dazu, die Verhandlungen zu dem von ihm für vertretbar gehaltenen Ergebnis zu führen und das Ergebnis als das allein realisierbare auszugeben. Der Landtag oder genauer eine Landtagsmehrheit gaben dem Staatsministerium gleichfalls Richtlinien an die Hand. Die von den Richtlinien abweichenden Resultate mußten von der Regierung erläutert und begründet und vom Landtag gebilligt werden. Die ständischen Vertreter setzten der Bewegungsfreiheit der Regierung damit Grenzen. Sie waren ja schließlich neben dem Staatsoberhaupt an der Ratifikation von Verträgen beteiligt.
Seit Januar 1831 wurde auf den genannten drei politischen Ebenen über die Bildung eines großen Zollvereins unter den deutschen Staaten nachgedacht und diplomatische Schritte zu seiner Errichtung wurden unternommen. Das Ergebnis sei vorweggenommen. Im Verhältnis zu den Zollvereinsverhandlungen, die im vorangegangenen Jahrzehnt zwischen den deutschen Staaten stattgefunden hatten, kam es relativ rasch, am 25. August 1831, zum Abschluß eines Vertrages. Kurhessen trat mit Wirkung vom 1. Januar 1832 dem Preußischen Zollverein bei. Es kam in den Genuß der Begünstigungen, die im Mai 1829 zwischen dem Preußischen und dem Bayerisch-Württembergischen Verein vereinbart worden waren. Darüberhinaus stellten beide Vereine Verhandlungen über eine Verschmelzung in einen einzigen großen Verein in Aussicht. Stellt man die Ziele der kurhessischen Politik vom Anfang des Jahres 1831 dem im August erreichten Ergebnis gegenüber, so ist das Ergebnis als ein kümmerlicher Rest viel weiter gesteckter Pläne zu sehen. Wie kam es dazu, daß die größeren Ziele zertrümmert wurden? Wie sahen die Stationen auf dem Weg zum Vertrag vom 25. August 1831 aus?
Die erste Präferenz besaß die Ausführung des Artikels 19 der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815, der der Bundesversammlung in Frankfurt Beratungen über den Handel und Verkehr zwischen den Bundesstaaten zur Auflage gemacht hatte. Die kurhessische Ständeversammlung verstand den Artikel als eine Verpflichtung der Mitglieder des Deutschen Bundes, einen freien Verkehr im Innern Deutschlands herzustellen. Sie ersuchte am 21. Januar 1831 die Regierung dringend, am Bundestag auf die Ausführung der Bestimmung zu dringen. Der Bundestagsgesandte Meyerfeld erhielt von der Regierung den Auftrag, die Möglichkeit einer Erfüllung des Artikels 19 am Bundestag zu erkunden. Nach seiner Auskunft war auf eine baldige Änderung der deutschen Zollverhältnisse von Bundes wegen nicht zu hoffen. Die Ausbreitung des preußischen Zollsystems über Deutschland wurde als der erfolgversprechendere Weg vorgestellt. Diplomatische Berichte aus anderen deutschen Hauptstädten bestätigten Meyerfelds Lagebeurteilung. Die erste Präferenz wurde von der Regierung rasch fallengelassen, nach Auffassung der Landstände zu rasch. Sie rügten einige Monate später die Regierung, beharrten aber nicht auf der Verfolgung des Weges, dessen Beschreitung sie am liebsten gesehen hätten.
Die zweite Präferenz besaß in der kurhessischen Politik ein Zollverband aus möglichst vielen deutschen Staaten, namentlich aus dem Preußisch-Hessischen Verein, dem Bayerisch-Württembergischen Verein und aus Hannover. Der Verband sollte einem allgemeinen deutschen Zollverein möglichst nahe kommen. Für diese Politik suchte Kurhessen zunächst Hannover zu gewinnen. Beide Staaten waren Mitglieder des Mitteldeutschen Vereins und waren sich in Verhandlungen über einen engeren Zollverband fast bis zum Abschluß eines Vertrages (des Einbecker Vertrages) nahegekommen. Die Neuordnung der Zollverhältnisse sollte die eingegangenen vertraglichen Bindungen möglichst schonen. Darauf legte Wilhelm II. ausdrücklich Wert. Hannover versagte sich aber den kurhessischen Wünschen. Die alleinige Annäherung Hessen-Kassels an die beiden Schutzzollvereine drohte zum Vertragsbruch und zur Auflösung des Mitteldeutschen Vereins zu führen. Die Regierung begab sich auf diesen Weg.
Im Rahmen der zweiten Präferenz bewegte sich auch noch die gleichzeitige Vereinigung Kurhessens mit dem preußischen und dem süddeutschen Zollverein, die eine Verschmelzung der beiden Schutzzollvereine voraussetzte. Im Wunsch dieser Lösung waren sich alle kurhessischen Politiker einig. Der Kurfürst erhob diese Lösung in der Schlußphase der Verhandlungen zur unverzichtbaren Bedingung, zur conditio sine qua non. Darin stimmte er mit den ständischen Vertretern aus Hanau überein. Wilhelm II. rückte nicht mehr von seiner Position ab. An der Ratifikation des späteren Vertrages, der die Bedingung nicht erfüllte, nahm er keinen Anteil mehr. Als es soweit war, übte schon sein Sohn die Regentschaft aus. Die Regierung erkannte, daß die Verschmelzung der beiden Zollvereine bei gleichzeitigem Beitritt Kurhessens in Berlin verhandelt und gebilligt werden mußte. Sie wünschte und erreichte die Zuziehung bayerischer Bevollmächtigter. In Berlin zeigte sich, daß das gewünschte Ziel so schnell nicht erreichbar war. Als politisch machbar erwies sich fürs erste und ohne größere Komplikationen lediglich der Beitritt Kurhessens in den Preußisch-Hessischen Verein. Eine Lösung der Zollvereinsfrage in diesem Rahmen besaß für Kurhessen nur die Qualität einer dritten Präferenz.
In dritter Präferenz wurde nicht von vornherein der Beitritt Kurhessens in den Preußischen Zollverein erwogen. Vielmehr gab die Ständeversammlung im Januar 1831 einer Verbindung mit Bayern und Württemberg den Vorzug, falls es nur eine Option zwischen den beiden Vereinen geben sollte. Der Finanzminister Kopp neigte dem süddeutschen Zollsystem zu. Der Kurfürst stand ohnehin in gespannten Beziehungen zu Preußen. Die Lage in der Regierung änderte sich, als am 18. April 1831 an die Stelle von Kopp Gerhard von Motz, ein Vetter des im vergangenen Jahr verstorbenen preußischen Finanzminister Friedrich von Motz, trat. Der preußische Minister hatte zu seinen Lebzeiten die Zollvereinsbewegung maßgeblich vorangetrieben. Mit Gerhard von Motz wurde im Finanzministerium die Vorliebe für Bayern durch die Neigung zu Preußen ersetzt. Vor der Schwenkung zu Preußen brachte der Kurfürst für eine kurze Zeit den Vorschlag ins Spiel, die Provinzen des Landes nach ihrer geographischen Lage und nach ihren wirtschaftlichen Interessen auf die beiden Zollvereine aufzuteilen. Die Nahtstelle und Verbindungslinie zwischen den Vereinen hätte dann mitten in Kurhessen gelegen. Der Vorschlag wurde schnell fallengelassen. Die Landstände wandten sich einhellig und entschieden gegen eine Spaltung der Provinzen. Noch hofften ja alle Deputierten, ob sie aus dem Norden oder aus dem Süden kamen, auf ihre Kosten zu kommen und durch den Zusammenschluß von Nord- und Süddeutschland den Interessen aller Provinzen entsprechen zu können. Die zweite Präferenz in der Neuordnung des Zollwesens war für sie viel länger im Spiel als für die Regierung.
Seit Mitte Mai 1831 befürwortete das Staatsministerium, den Anschluß Kurhessens an Preußen nicht von einer Bedingung abhängig zu machen. Der Mitteldeutsche Handelsverein war nach seiner Auffassung faktisch aufgelöst, das Ausscheren aus ihm kein Vertragsbruch und der geplante Anschluß eine Lebensnotwendigkeit für den wirtschaftlich ruinierten Staat. Gerhard von Motz drohte sein Amt als Finanzminister niederzulegen, falls die Verbindung mit Preußen an derzeit unüberwindliche Bedingungen geknüpft würde. Als die Regierung im Juni 1831 in Berlin die Anschlußverhandlungen führte, wurde die Vereinigung mit Preußen als die erste Stufe eines allgemeineren deutschen Vereins betrachtet. Das Resultat der Verhandlungen wurde oben vorgestellt. Die Spannung zwischen dem erstrebten und dem erreichten Ziel blieb über den Tag der Vertragsunterzeichnung, den 25. August 1831, hinaus bestehen. Die Ständeversammlung drängte nach der Ratifikation des Vertrages auf eine baldige Aufnahme der Verhandlungen mit Bayern und Württemberg. Fünf Abgeordnete aus Hanau wollten die Vollziehung des Vertrages solange ausgesetzt sehen, bis der Zollverein Bayern und Württemberg einbezog. Der abdankende Kurfürst unterstützte diese Position. Die Zollvereinsfrage war demnach für Kurhessen mit dem 25. August keineswegs befriedigend gelöst. Für den Fall, daß die süddeutschen Staaten nicht schnell die Hand zur allgemeinen Verbindung reichten, waren schon Konflikte in Kurhessen vorprogrammiert. Die Impulse für einen größeren deutschen Zollverein blieben gerade durch das Bewußtsein, nur eine Zwischenlösung erreicht zu haben, erhalten. Erst der 1. Januar 1834, der Tag, an dem der Deutsche Zollverein ins Leben trat, brachte die sehnlich gewünschte Beruhigung und Bereinigung der verworrenen Zollverhältnisse des Kurfürstentums.
Als treibende Kraft stand außer den wirtschaftlichen Interessen das Zollchaos hinter der Zollvereinspolitik, das ein geordnetes Wirtschaftsleben im Kurstaat unmöglich machte. Der junge Landtag befaßte sich ausgiebig und mehr als einmal mit diesem Zustand. Die Moralität der Grenzbewohner sank, wie er feststellte, immer mehr, die Achtung vor dem Gesetz und die Vaterlandsliebe gingen verloren. Das Heer von Aufpassern und Schmugglern lebte auf Kosten der fleißigen und redlichen Bürger, die die zusätzlichen Abgaben entrichten mußten, die für die Überwachung der Grenzen und für die durch den Schleichhandel entgangenen Staatseinnahmen nötig waren. In der Gewährung von Prämien an Denunzianten, die vorgefallene oder geplante Zollvergehen meldeten, wurde kein gutes Abwehrmittel gegen die Ungesetzlichkeit gesehen. Ein Beispiel dafür, daß der Schmuggel nicht zu unterbinden war, war für Duysing, den Abgeordneten der Stadt Marburg, das Salz. Die kurhessische Provinz Oberhessen bezog nach ihm das im Inland gewonnene Salz vom Ausland, und zwar aus folgendem Grund: Das inländische Salz wurde preisgünstig an das Ausland verkauft und gelangte von dort als Schmuggelware wieder zurück. Der Verkaufspreis war dann immer noch niedriger als der legale, von der Regierung festgesetzte Inlandspreis. So leistete die Regierung selbst dem Schleichhandel Vorschub. Ohne die Mithilfe der Nachbarstaaten war nach Duysing schon gar nichts gegen den Schwarzhandel auszurichten. Die Nachbarstaaten sollten sich gegenseitig versprechen, jeglichen Schmuggel, er mochte für ein Land wirtschaftlich von Vorteil oder von Nachteil sein, mit Strafen zu belegen. Als Bedingung dafür wurde jedoch die gegenseitige Gewährung von Verkehrserleichterungen gesehen. War die Bedingung nicht erfüllt, so sollte Kurhessen Verstöße seiner Untertanen, die gegen Gesetze von Nachbarstaaten gerichtet waren, nicht strafrechtlich verfolgen.
Zum Verhältnis von Zoll und Schmuggel äußerten sich die Abgeordneten in grundsätzlichen Stellungnahmen. Die Unbeliebtheit der Zölle führte sie dazu, in ihnen die eigentlichen Ursachen für den Schmuggel und dessen negative Folgen zu sehen. Duysing stimmte ein Loblied auf den Wert des freien Handels für die menschliche Zivilisation an und charakterisierte die Maut als dessen Gegenprinzip. Wohlstand und Glück wurden dem ersteren, Armut und Elend der letzteren zugeordnet. Die Aufhebung der Maut in den Provinzen Hanau und Fulda veranschaulichte seiner Meinung nach die wohltätigen Folgen des freien Handels. Die ins Land kommenden Fuhrleute mußten nicht mehr halbe Tage an den Grenzen verbringen, bis ihre Waren verschnürt und verbleit waren, und die Reisenden brauchten nicht mehr vor Visitationen zu bangen. Die Zollanstalten an den Grenzen erinnerten den Marburger Abgeordneten an die mittelalterlichen Raubritter. Er bezeichnete sie als eine “neue Art der Wegelagerung”.
Der namhafte Marburger StaatsrechtIer Sylvester Jordan, der Führer der liberalen Mehrheit im konstituierenden Landtag, erklärte zu dem Thema: Vom allgemeinen, theoretischen Gesichtspunkt des Rechts und der Politik werde niemand die Mauten in Schutz nehmen wollen. Sie seien, was die Erfahrung genügend bestätige, eine Hauptquelle der Sittenverderbnis und der Zerstörung der bürgerlichen Ordnung. Ein Abgeordneter namens von Warnsdorf charakterisierte die Folgen der Maut mit einem Zitat aus Friedrich Schillers “Wallenstein”, in dem Max Piccolomini einmal sagt: “Das eben ist der Fluch der bösen Tat, daß sie fortzeugend ewig Böses muß gebären!” Die Maut erzeuge zwischen den Grenznachbarn eine gespannte bis feindselige Stimmung. Eben daher rühre die häufig zu machende Erfahrung, daß die Behörden ihr Augenmerk darauf richteten, daß nichts eingeschmuggelt werde, während sie dem Herausschmuggeln nicht nur nicht abhold, sondern sogar mit Rat und Tat behilflich seien. Die Doppelmoral wurde von ihm durchaus nicht gutgeheißen.
Zu heftigen Kontroversen kam es im kurhessischen Landtag nicht in grundsätzlichen Fragen der Wertung von Zoll und Schmuggel, sondern in den Debatten über konkrete politische Maßnahmen, die in den Provinzen Hanau und Fulda ergriffen werden sollten. Die Provinzen des Kurfürstentums konnten nicht ungleich behandelt und belastet werden. Eine ersatzlose Aufhebung der Mauten im Süden des Landes war ein unhaltbarer Zustand. Im Januar 1831 wurde im Landtag vorgeschlagen, die Provinz Hanau vor die Wahl zwischen der Wiedereinführung der Zollinien oder der Entrichtung einer Abfindung, einer “Aversionalsumme”, zu stellen. In der Provinz Fulda sollten die Zolllinien sofort wieder errichtet werden. Von einem Wechsel des Personals der Provinzbehörden wurde gleichfalls die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung erwartet. Die Südprovinzen waren entschieden gegen die Errichtung der alten Zolllinie, der Kurfürst unterstützte sie. Im April kam die Frage wieder im Landtag zur Sprache. Ein hanauischer Abgeordneter protestierte gegen eine Wiederherstellung der Maut mit dem Argument, Handel, Wohlstand und Moralität würden durch sie untergraben. Andere Redner schlugen daraufhin die Aversionalzahlung vor. In Hanau war die Stimmung wieder gereizt. Als ein Bevollmächtigter der Regierung am 30. April den Kurfürsten in Hanau aufsuchen wollte, um bei ihm Entschließungen in der Zollvereinsfrage einzuholen, kam es zu Unruhen in der Bevölkerung. Sie befürchtete eine Änderung in den jetzigen Zollverhältnissen. Der Kurfürst trug der Stimmung in seinem Domizil Rechnung und ließ den Bevollmächtigten unverrichteter Dinge abreisen. Nach heftigen Debatten kam in der Landtagssitzung vom 11. Mai ein Majoritätsbeschluß zustande, daß die Regierung Vorschläge zur Aversionierung der Provinzen Hanau und Fulda ausarbeiten und vorlegen solle.
Bei der Einigung auf eine Aversionalzahlung blieb es letzten Endes, aber das Thema war so brisant, daß es so schnell noch nicht zur Ruhe kam. Die Diskussion der Thematik wurde erneut beantragt und die Gegensätze brachen wieder auf. Ein Befürworter der Zolllinien erklärte in der Sitzung vom 11. Juli 1831, Hanauer Einwohner würden den derzeitigen Zustand selbst unerträglich finden und von einer empörenden Pöbelherrschaft reden. Für unverantwortlich hielt er die Verletzung der verfassungsmäßig garantierten Gleichheit vor dem Gesetz. Die Hanauer würden versuchen, sich der gesetzlichen Lasten und Abgaben zu entziehen. Die Einführung der Maut war, wie er meinte, kein Unheil und durchsetzbar. Die Hanauer Deputierten widersprachen diesem Urteil lebhaft und entschieden. Ohne Gewalt und ohne Blutvergießen hielten sie eine Änderung der jetzigen Zollverhältnisse nicht für möglich. Sylvester Jordan unterstützte die Hanauer mit dem Argument, die Maut sei ein Übel und die gewaltsame Wiedereinführung eines Übels könne die Regierung schwerlich auf sich nehmen.
Die Ersatzzahlung für die Aufhebung der Maut beschäftigte den Landtag noch Ende 1833, kurz bevor die Mitglieder des Deutschen Zollvereins ihre Grenzen öffneten. Strittig war die Höhe des Betrages und die Verantwortlichkeit für den ehemaligen Zustand. Schließlich wurden Nachlässe von den auferlegten Summen beantragt. Das Thema der Zolllinien wurde durch den Anschlußvertrag vom 25. August 1831 wieder akut. Mit dem Vereinsbeitritt war zwar die Aufhebung der Zollgrenzen zu Hessen-Darmstadt verbunden, nicht aber zu Bayern hin. Bei Inkrafttreten des Vereins am 1. Januar 1832 sollten in den Provinzen Hanau und Fulda die Zolllinien zum süddeutschen Nachbarn wieder eingeführt werden. Daran hielten die Regierung und der Kurprinz gegen den Willen des Kurfürsten und gegen die Anträge von Hanauer Deputierten fest. Die Hanauer waren enttäuscht und empört. Die Stadträte und Bürgermeister weigerten sich, die neuen Verordnungen zu veröffentlichen. Das Hanauer Hauptzollamt erklärte beschwichtigend, Bayern werde dem Zollverein in Kürze beitreten. Doch das bewahrte das Amt nicht davor, schon am 5. Januar 1832, kurz nach seiner Fertigstellung, von einer aufgebrachten Volksmenge wieder zerstört zu werden. Grenzaufseher wurden tätlich angegriffen. Die aus preußischen und kurhessischen Beamten bestehende Zolldirektion mußte die Stadt verlassen. Die Polizei versagte. Das Militär reichte nicht aus, die Empörung niederzuschlagen. An der Mainkur kam es zu einer Straßenschlacht mit dreißig Toten. Das Zollchaos brach wieder aus, aber diesmal hielt die Regierung unnachgiebig an der Errichtung der Zolllinien fest. Sie wollte den Verein mit Preußen vertragsgemäß wirksam werden lassen. Der Schleichhandel an der bayerisc-hkurhessischen Grenze blühte allerdings außerordentlich stark. Die Bereitschaft eines bedenklich großen Bevölkerungsteils zur Ungesetzlichkeit blieb für die kurhessischen Politiker ein Motiv, die Bildung eines größeren Zollvereins nach Kräften anzustreben. Daß sie mit diesem Motiv in Deutschland nicht allein dastanden, kam der Entstehung des Deutschen Zollvereins zugute. Der 1. Januar 1834 beendete im Kurfürstentum Hessen-Kassel den aufreibenden, für die Regierung mit vielen Niederlagen verbundenen Kampf um eine stabile Ordnung der Zollverhältnisse.
Zitate Zoll und Schmuggel aus Kurhessischem Landtag
Dep. d. Stadt Marburg (= Duysing) trägt an,
2) die Staatsregierung zu veranlassen, mit allen Nachbarländern Unterhandlungen auf Gestattung des abgabenfreyen Einbringens aller hessischen Fabrikate und Produkte gegen gehörige Ursprung-Scheine thätigst anzuknüpfen , und sich zu Erreichung dieses Zwecks insbesondere des Versprechens gegen die Nachbarländer zu bedienen, daß man allen Schmuggelhandel gegen dieselben von diesseitigen Unterthanen nicht dulden, sondern mit gesetzlichen Strafen belegen wolle.
Begründung, Kassel 28. 4. 1831:
Die Geschichte aller Völker lehrt uns, wie der HandeI es war, welcher Gesittung und Kenntnisse unter den Völkern verbreitete ; wie der Handel es war, welcher einzelne Staaten zu einer erstaunlichen Höhe des Wohlstandes und des Glückes führte. Die Mauth ist der direkte Gegensatz des freien Handels, und so wie das Entgegengesetzte einer Sache nothwendig entgegengesetzte Wirkungen haben muß, so denn auch die Mauth im VerhäItniß zur Handelsfreiheit. Wo diese Wohlstand und Glück bringt, weil bei ihr alle Kräfte nur zu nützlichen Zwecken angewendet werden, da bringt die Mauth Armuth und Elend, nicht allein, weil sie jene Thätigkeit lähmt, sondern auch, weil ein Heer von Aufpassern und von Schmugglern auf Kosten der fleißigen Mitbürger unterhal ten werden muß. Wo der rege Verkehr Sittlichkeit und Bildung, und mit ihr Achtung vor dem Gesetz, Zufriedenheit und Vaterlandsliebe verbreitet, da bringt die Mauth Entsittlichung und Rohheit, dumpfe Unzufriedenheit und Mißachtung des Gesetzes und der Obrigkeiten hervor.
S. 42 Wir liegen in der Mitte Deutschlands, und wollen daher allen deutschen Völkern den freien Verkehr bei uns gestatten, aber wir wollen auch bei unsern Nachbarn die freie Einführung unserer Fabrikate und Produkte verlangen, worauf wir ein Recht haben. – Sie werden es uns, wie ich hoffe und glaube, nicht verweigern, besonders dann nicht, wen wir versprechen, ihre Gesetze auch von diesseitigen Unterthanen achten und allen Schleichhandel gegen sie in unserm Lande unterdrücken zu lassen. Achten sie unser Recht auf Gegensei tigkeit des freien Verkehrs aber nicht, dann sind auch wir nicht schuldig, ihre Gesetze achten zu lassen.
<Rätlichkeit der Aufhebung der Maut.> Hanau und Fulda kann uns Iehren, welche Wohlthat sie sei. Wie würden unsere Straßen wieder belebt werden, wenn der fremde Fuhrmann nicht mehr an der Gränze halbe Tage warten muß, um sich verschnuren und verbleien zu lassen? wenn der Reisende ohne Furcht, untersucht und vielleicht in aller Unschuld gestraft zu werden, bei uns einkehren kann! Wahrlich, wenn man diese Zollanstalten überall an den Gränzen sieht, so kommt man unwillkürlich auf den Gedanken, es seien die alten Raubritter des Mittelalters von ihren Burgen herabgestiegen, um diese neue Art der Wegelagerung zu treiben.
Bericht Duysing zu Straßenbau, Kassel 16.3. J 832:
S. 1616 Der Durchgangszoll ist an sich eine höchst feindselige Einrichtung, und sollte unter kultivirten Völkern wohl nur zur Retorsion stattfinden. Er hat indessen in Deutschland eine geschichtliche Unterlage, die ihm aber freilich nicht zur Ehre gereicht. Als nemIich das Faustrecht galt und Straßenraub privilegiert war, da nahm man dem ruhigen Kaufmanne dafür, daß man ihn sicher wandern ließ, wie auch dafür, daß man ihn gegen solche Angriffe Anderer schützte, einen Zoll ab, und so entstand die Einrichtung, daß von Amt zu Amt ein Zoll erhoben wurde. In neuerer Zeit fand man diese Einrichtung sehr unpassend, da man aber die Einnahme davon nicht schwinden lassen wollte, so führte man nach dem Grundsatze, daß man vermöge der Territorialhoheit den Ausländer für das Betreten des Territoriums mit seinen Waaren jeder Bedingung unterwerfen könne, die Durchgangszölle ein.
S. 1617 <Zu Straßenverbindungen. > Alle diese Verbindungen sind höchst nothwendig und dringend, und die Stände-Versammlung wird dazu selbst außerordentliche Mittel um so weniger versagen, als die durch den aufhörenden Schmugge1 erwerblos gewordene, sowie überhaupt im ganzen Lande einer solchen Unterstützung äußerst bedürftige Klasse der Taglöhner nothwendig beschäftigt werden muß.
XXIV. S. 1-6 16.10.1831: Bericht Duysing namens des Handelsausschusses über den Beitritt Kurhessens zum preußisch-hessischen Verein.
24. Beil. zu den kurh. Landtags-Verhandlungen
Bericht Duysing über Beitritt Kurh. zum Pr/H.V. v. 16.lo.l831.
S. 1 In trauriger Verblendung über die Natur der Dinge glaubten nun diese kleineren Staaten dem Beispiele der größeren folgen zu können; auch sie sperrten die Grenzen den Nachbarn selbst für die ersten Bodenerzeugnisse, und so ward denn der Krebsschaden vollendet, der das Mark des deutschen Volkes verzehrte. Wo sonst fleißige Menschen zum Nutzen des Ganzen arbeiteten, da verzehrten jetzt Aufpasser und Schmuggler den Schwei ß des Volkes; aller Handel war gelähmt, und die Industrie in einzeInen Fabriken zu einer Treibhauspflanze geworden. Während sonst das fleißige Deutschland in einer langen Friedensperiode sich stets zu hohem Wohlstande erhob, wurde es jetzt nach 16 Friedensjahren an den Rand des Abgrundes geführt, die Verarmung machte furchtbare Fortschritte, die Sittlichkeit und das Rechtsgefühl, das durch die Mauthgesetze selbst verhöhnt wurde, gingen immer mehr unter, und der Vaterlandsfreund sah mit Wehmuth in die Zukunft.
S. 3 <Versprechung der Vertragspartner> alle Unterstützung, wie solches die wegfallende strenge Grenzaufsicht nöthig mache.
7) Zur Unterdrückung des Schleichhandels soll ein förmliches Zoll-Kartel abgeschlossen werden.
<Erwartung von Handelsfreiheit:> Dann würden alle die mit den Mauthen verbundenen großen Nachtheile, die Hemmung des Verkehrs, die Beschränkung der Freihei t der Person und des Eigenthums, die Entsittlichung der Grenzbewohner, die Vergeudung der Volkskräfte durch ein Heer von Beamten nicht stattfinden.
S. 6 durch den Zutritt Kurhessens ein großer Theil von Grenzlinien wegfällt, und folglich eine bedeutende Ersparniß an Verwaltungskosten eintritt, während durch den sich vermindernden Schmuggelhandel die Einnahme gewinnen muß.
Sitz. v. 16. 1. 1832: Beratung der Ordnung zu Zollvergehen.
S. 1198 Hr. Dep. Eckhard: <Zu §. 17.> Er glaube, es müsse noch jedenfalls der Beweis zugelassen werden, daß es die Absicht gewesen sey, die Waaren durchzuführen.
Hr. Dep. Fuchs: Das werde aber jedenfalls zu weit gehen, und Milde in einem Zollstrafgesetze hieße der Schmuggelei Thür und Thor öffnen; Nachsicht gegen sie sey Gift für alle ehrliche Handelsleute. Schmuggler verdienten die strengste Bestrafung, sie seyen Erzbetrüger; sie betrögen die Staatskasse, ihre Nebenmenschen und endlich sich selbst; denn es nehme in den meisten Fällen ein klägliches Ende mit ihnen. Wenn er nun auch zugebe, / S. 1199 daß ein in dieser Betrügerei ergrauter Zolldefraudant auch durch die strengsten Maßregeln sich nicht abhalten lasse, in seinem Elemente, der Schmuggelei, zu leben, so werde doch mancher Andere, den ein Gelüst anwandele, eine verbotene, dabei so gefährliche Frucht zu pflücken, zu seinem und aller ehrlichen Handelsleute Besten, denen die Schmuggelei wegen ihrer Existenz ein Gräuel sey, davon abgehalten; und dann sey der eigentliche Zweck des Gesetzes erreicht.
Es wurde hierauf über den Antrag des Hrn. Dep. Eckhard abgestimmt und derselbe verworfen, der ganze §. Dagegen angenommen.
S. 1200 Hr. Dep. Keitz: Er habe schon im Ausschuß bemerkt, daß, wenn ein SchmuggIer wegen seiner Kleidung verdächtig sey, oder eine Schmuggelei eines anderen verrathen habe, dem Zollbeamten gestattet seyn müsse, zu visitiren.
Hr. Dep. Jordan: Was insbesondere den Fall betreffe, den der Herr Landtagskommissar erwähnt habe, nemlich bei Frauenzimmern, so wisse man doch, daß die Zollbeamten gerade bei diesen oft gern Verdächtiges witterten. Daher müsse für die Visitationen dieser Art eine Bestimmung förmlich getroffen werden, damit es nicht bloß von dem Zollbeamten abhänge, Jemanden nach Belieben von Kopf bis zu Fuß oder bis aufs Hemde zu visitiren.
S. 1204 § 39. zum Waffengebrauch von Schmugglern u.Zollbeamten; Frage der Beweisabsicht, daß Schmuggler von Waffen Gebrauch machen wollen.
Landtagskommissar: Wolle man jedesmal steng Beweis fordern, so würde der Zweck dieses §. verfehlt, welcher namentlich den Fall bewaffneter Schmugglerbanden im Auge habe. Solche würden ohne Zweifel, besonders an der sächsischen Grenze, vorkommen.
<In Abstimmung „erweislich“ aufgenommen.>
Zu §. 42.
Hr. Dep. Werthmüller: Dieser §. scheine ihm in einem grellen Kontraste mit den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen zu stehen. In dem §. 41 sey angenommen, daß, wenn sich der Defraudant der Waffen bediene, ohne jedoch eine Verwundung zu bewirken, derselbe in eine 10jährige Zuchthausstrafe verfallen solle. Nach dem vorliegenden §. werde diese 10jährige Freiheitsstrafe bei der geringsten Verwundung sofort auf eine lebensIängliche Zuchthausstrafe erhöht. Es sey dieses aber ganz exorbitant. Man müsse unterscheiden zwischen Verletzungen, welche einen bleibenden NachtheiI für die Gesundheit desjenigen hätten, der verletzt sey, und zwischen geringeren Verletzungen. Ebenso komme es darauf an, ob der Verletzte dienstunfähig geworden sey, oder nicht. Dann stehe auch 2) die Bestimmung, daß jeder als Mörder betrachtet und behandelt werden solle, der einen Zollbeamten tödte, im Widerspruch mit den allgemeinen strafrechtlichen Prinzipien. Nach diesem gelten nemlich eine Tödtung nur dann als Mord, wenn sie Vorbedacht ausgeführt sey; während eine in der Leidenschaft verübte Tödtung als bloßer Todtschlag behandelt werde. Dieser Unterschied habe nach Hessischem Gerichtsgebrauche die sehr wichtige Folge, daß nur der Mörder nicht aber der Todtschläger mit dem Tode bestraft werde. Zu verkennen sey aber nicht, daß leicht Fälle vorkommen könnten, in welchen der Defraudant im Affekte den Zollbeamten tödte, mithin nach dem bisherigen Rechte zum Tode nicht verurtheilt werden könne; während der vorliegende §. folgeweise die Todesstrafe unbedingt verhänge. Es sey demnach zweckmäßig, den Grad der Strafe nach den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen. Er schlage daher vor, nach “beschädigt” zu setzen: “oder getödtet werden“, so ist der Thäter nach Maßgabe der allgemeinen strafrechtlichen Grundsätze, namentlich mit angemessener Rücksicht auf die amtliche Eigenschaft des Verletzten oder Getödteten, zu bestrafen.
S. 1205 Antrag Werthmüller angenommen.
S. 1207 Hr. Dep. Eckhardt: Es entstehe nun noch die weitere Frage, ob die Denunziationen der Zollofficianten vollen Glauben haben und die Zollofficianten gleichwohl die Hälfte der Strafe beziehen sollten? dieses scheine ihm höchst ungerecht.
Hr. Dep. Pfeiffer: Nach einer frühern BeschIußnahme der Ständeversammlun g sey ausdrücklich vorbehalten worden, daß, wenn Jemand als Zeuge Glaubwürdigkeit haben solle, er nicht an den Denunziationsgebühren Antheil nehmen könne. Darauf werde in dem Berichte des Ausschusses Bezug genommen.
S. 1239-1244 Sitzung vom 26.1.1832: Zu Zollverhältnissen.
S. 1240 Werthmüller: Es liege auch ganz in der Natur der Sache, daß der Diener des Gewerbtreibenden, welcher als Defraudant den Vortheil seines Herrn bezwecke, in dessen Auftrage oder mit Vorwissen desselben handle. Es komme sehr darauf an, daß dem Gewerbe des Schmuggelns zum Schutze der redlichen Gewerbtreibenden Zügel angelegt würden durch die im Betretungsfalle möglichst gesicherte Strafe.
Hr. Dep. v. Warnsdorf: Was vorerst die Frage betreffe, ob Kurhessen an die Strafbestimmungen der anderen Gesetzgebungen gebunden sey, so scheine ihm diese Frage jetzt nicht zur Entscheidung vorzuliegen, aber die einschlägige Bestimmung des §. 1 des Vertrags werde ausdrücklich nur auf diejenigen gesetzlichen Bestimmungen bezogen, welche in Bezug auf die Bestimmung der fraglichen A bgaben, nicht auch hinsichtlich der Strafen, erforderlich seyen. Das liege in der Natur der Dinge, daß das, was in Preußen und Darmstadt bestraft werde, auch in Kurhessen bestraft werden müsse, daß aber auch der dasige Strafmaßstab eintreten solle, sey keineswegs ausgesprochen worden. Wir seyen auch schon mehrfach von den Gesetzge4bungen der beiden andern Staaten abgewichen. Manche Strafen seyen z. B. schärfer, namentlich die Verwandlung der Geld- in Freiheits-Strafe, als in den andern Staaten, indem dort für 5 Thaler 8 Tage angesetzt seyen, während hier für 5 Thaler Geldstrafe 10 Tage Gefängnißstrafe festgesetzt werden. Was dann die Zweckm#äßigkeit der fraglichen Bestimmungen betreffe, so könne er sich lediglich auf das, was von ihnen in dem Berichte gesagt sey, beziehen.
Jordan: Auch scheine der Vorschlag der HH. Kommissarien auf einer Voraussetzung zu beruhen, welche hier nicht immer stattfinde, nemlich daß der Gewerbtreibende, wenn von dem Dienstboten eine Defraude begangen werde, auch immer zugleich deren Urheber sey. Sey das der Fall, dann sey er selbst als Anstifter strafbar. Wo dieses eintrete, da seyen eigentlich zwei Übertreter vorhanden, nemlich der Gewerbtreibende al s intellektueller Anstifter, und dessen Dienstbote, der die Defraude wirklich ausgeführt habe. Sey aber der Gewerbtreibende an der Defraude unschuldig, habe er zu derselben keine Veranlassung gegeben, dann würde es mehr als Härte, ja die gröste Ungerechtigkeit seyn, wenn man ihn sogar eher strafen wollte, als den , welcher den FreveI begangen habe. Bei einer solchen Bestimmung könnten die Dienstboten den Herrn jeden Augenblick in bedeutenrle Geldstrafen bringen.
Hr. Dep. Werthmüller: Die Defraude geschehe, wie die Erfahrung lehre, in der Regel nicht von dem Herrn, sondern von dem Dienstboten. In dem vorliegenden Gesetze sey aber zwar wohl der Begünstiger nicht aber der intellektuelle Urheber für strafbar erklärt. Übrigens lasse sich kaum jemals nachweisen, daß von Seiten des Herrn eine Anstiftung zur Defraude vorliege.
Hr. Dep. Jordan: Wenn auch im Gesetze nicht stehe, daß der intellektuelle Urheber bestraft werden solle, so verstehe sich dieses von selbst, und es sey überflüssig, dieses im Gesetze zu erwähnen; denn wenn der Begünstiger dem gleichgesetzt werde, der das wirkliche Verbrechen verübt habe, um wie viel mehr komme da der intellektuelle Urheber in Betracht, da dieser dem wirklichen oder physischen Urheber gleich zu halten sey.
S. 1241 Duysing: Es würde auch gegen die ersten Grundsätze der Strafgesetzgebung anstoßen, wenn man den eigentlichen Übertreter der Gesetze straflos lassen wolle. Dieses würde auch die Gefahr herbeiführen, daß die Dienstboten, ohne das Einschwärzen förmlich betrieben zu haben, wenn sie ertappt würden, doch ihre Herrschaft angäben.
Hr. Dep. Jordan: Kurhessen habe sich zwar verbindlich gemacht, im Wesentlichen das Strafsystem zu befolgen, welches in den Vereinsstaaten gelte; nicht aber sich auch hinsichtlich der Ausführung dieses Systems in der Gesetzgebung völlig die Hände gebunden. Vom Systeme wiche man auch gar nicht ab. Denn man erkläre ja keinen Fall für straflos, der nach jenem Systeme strafbar sey, sondern bestimme blos in Bezug auf die strafbaren Subjekte, daß die Dienstboten selbst gestraft werden sollten. Man könne freilich sagen, daß selten der Diener so etwas ohne Wissen des Herrn gethan habe, allein er glaube, daß, wenn der Diener gehörig beim Kopfe genommen werde, dem Übel am besten vorgebeugt werde; denn alsdann werde auch im zweiten Falle die auf den Wiederholungsfall gesetzte Strafe zulässig erscheinen, was jetzt nicht der Fall sey, wenn der Herr gestraft werden solle.
Hr. Dep. Duysing: Dann sey aber auch zu bemerken, daß, wenn der Diener gestraft sey, er den Regreß an dem Herrn nehmen könne, was weit wirksamer seyn werde, als jene Strafbestimmungen.
Es wurde hierauf über den Antrag des Ausschusses abgestimmt und derselbe angenommen.
S. 1-4 12.1.1832: Lte Beil. Bericht Pfeiffer namens des Zoll- und Handels-Ausschusses die Vollziehung des Preußisch-Hessischen Zollvereins in der Provinz Hanau betreffend, vorgetragen in der Sitzung vom 12. Januar 1832.
<Sicherung des Eingangs indirekter Steuern noch nicht möglich.> … deren Eingang für die Zukunft zu sichern, war aber unter den eingetretenen Verhältnissen, deren höchst ungünstige Gestaltung großentheils durch die in der Provinz Hanau, und folgerungsweise im Fuldaischen, eingetretene faktische Auflösung des gesetzlichen Mauthsystem herbeigeführt worden, kein anderer zuverlässiger Ausweg, nach dem übereinstimmenden Urtheile der Staatsregierung und der Ständeversammlung, übrig, als die Anschließung an den Preußisch-Hessischen Zollverein, in Ansehung deren solchergestalt das wesentlichste finanzielle Landes-Interesse mit dem nicht minder wichtigen staatswirthschaftlichen vollkommen zusammen traf.
Jordan: Wohl sey die faktische Aufhebung der Mauth im ersten Augenblicke den Thätern zuzurechnen gewesen, aber die Staatsregierung hätte auch sogleich mit den ihr zu Gebote stehenden mannigfaItigen Mi tteln, die Mautheinrichtung wieclerherstellen, und diejenigen, welche zur Aufhebung derselben beigetragen hätten, zur Strafe ziehen müssen. Statt dessen habe man versichert, daß die Mauth nicht eher wieder eingeführt werden solle, als bis die Landstände zusammengekommen seyn und sich deßhalb erklärt haben würden. Wenn nun auch diese Zusicherung nicht von der gesetzgebenden Gewalt gegeben worden sey, so sey sie doch von Personen geschehen, auf welche sich die Hanauer hätten verlassen können , und in der Meinung, die Masse zu beschwichtigen. Der Landtag sey zusammengetreten. Es sey ein Beschluß gefaßt worden, nach welchem die Mauth in der Provinz Hanau wieder habe eingeführt werden sollen, wenn Hanau sich nicht aversionire. Man habe den Beschluß nicht ausgeführt, sondern die Vereinigung mit Hanau von einem Augenblicke bis zum andern verschoben, und auch nichts / S. 1568 gethan, um die Mauth wieder einzuführen. Als diese endlich wieder einzuführen beschlossen worden, seyen wieder Hindernisse eingetreten. Demnach sey die Schuld davon den Hanauern nicht beizumessen; nach Rechtsgrundsätzen, von welchen man immer vor allen Dingen ausgehen müsse, könne aber nur Derjenige zur Entschädigung angewiesen werden, welcher durch eine gesetzwidrige Handlung den Schaden veranl aßt habe. Insbesondere müsse dieses bei den indirekten Abgaben gelten , welche von der Consumtion abhinge und welche letztere wieder mehr oder weniger in der Willkühr der Einzelnen stehe, weßhalb auch kein richtiger Maaßstab sich ausmitteln lasse, wonach man die Einzelnen zur BezahIung der Entschädigung heranziehen könne, wenn man überhaupt jeden Consumenten heranziehen und davon absehen dürfe, daß Derjenige, weIcher niemals mit der Mauth etwas zu thun gehabt oder gegen dieselbe sich etwas habe zu Schulden kommen lassen, zu einer solchen Entschädigung nicht beizutragen brauche. Wenn man sodann bei der Berechnung der zu leistenden Summe auch auf alle Billigkeitsgründe, auf die Zeitverhältnisse Rücksicht nehme, wie die Minorität des Ausschusses gethan habe, so würde die Ständeversammlung derselben umsomehr vollkommen beistimmen müssen, als auch alles daran gelegen seyn müsse, daß endlich eine allgemeine Eintracht zwischen allen Landestheilen frisch auflebe, daß man die Hanauer, welche allerdings durch die Einführung der Mauth einigermaßen im Nachtheile sich befänden, da sie in den Grenzbezirk gekommen seyen, sowie die Fuldenser mehr zufrieden zu stellen suche,und nicht die strengsten finanziellen Grundsätze, welche ohnehin nach dem Rechte nicht durchgängig zu billigen seyen, eintreten lasse. Die drückenden Mauthverhältnisse, welche noch lange fortwirken würden, hätten zu der Verminderung des Wohlstandes in der Provinz Hanau, besonders auf dem Lande, nicht wenig beigetragen, und es liege mehr daran, daß derselbe wieder auflebe, als daß man im Augenblicke ein paar Tausend Thaler mehr einnehme.
Pfeiffer 1.: Wenn er von einem Entschädigungsprinzipe gesprochen habe, so habe er damit nicht – er habe vielmehr dagegen protestirt – eine Entschädigung für die gewaltthätigen Handlungen in diesen Provinzen gemeint, sondern vielmehr eine Entschädigug für die faktisch unterbliebene Entrichtung der Abgaben. < Rechtsgründe nicht beisei tegesetzt, wie Jordan glaube.>
Bach: <Zustimmung zu Jordan,> daß kein Rechtsgrund vorhanden sey, den einzeInen Grundbesitzern jetzt das abzufordern, was in den Mauthbureaus eingekommen seyn würde. Der Hr. Dep. Pfeiffer habe dagegen bemerkt, man verlange dieses nicht als Entschädigung für die gewaltsame Aufhebung der Mauth, sondern für die von der Provinz nicht entrichteten indirekten Steuern, welche sie hätte entrichten müssen. Allein der Grundsatz, daß eine jede Provinz einen gewissen Betrag an Steuern zahlen müsse, passe nur auf die direkten Steuern, und zu diesen trügen die Bewohner der Provinz Hanau allerdings gleichmäßig bei; aber an indirekten Steuern werde niemals etwas von einer einzelnen Provinz aufgebracht, und noch weniger von dem einzelnen Bewohner. Die Mauthlinie gehe um das ganze Land, und wenn gewisse Waaren bei der Zollstätte einer Provinz eingegangen seyen, so seyen sie in das ganze Land übergegangen; man könne nicht sagen, daß sie gerade in derselben Provinz, wo sie eingebracht seyen, auch konsumirt würden. Er würde es daher für eine doppelte Strafe für viele Bewohner der Provinz Hanau ec. halten, welche durch die Aufhebung der Mauth nichts gewonnen hätten, wenn man sogar noch die höhere Summe erheben Iassen wolle.
v. Baumbach 2.: Der Rechtsgrund, aus welchem die Bewohner der Provinz Hanau und der Kreise Fulda und Hünfeld die fragliche Aversionalsumme bezahlen / S. 1569 sollten, sey wohl zunächst in dem Vortheile zu suchen, welchen sich die Bewohner derselben durch die faktische Aufhebung der Mauth zu verschaffen gewust hätten. In Folge dieser Aufhebung hätten sie nemlich alle auswärtige Produkte wohlfeiler einkaufen können, auch von dem Branntwein, Bier u. dgl. keine Abgaben entrichtet, nicht zu gedenken des Gewinnes, welchen der sehr zugenommene SchmuggelhandeI in das benachbarte Ausland mit den unversteuert bezogenen Kolonialwaaren u. s. w. gewährt habe. Es sey daher gewiß eben so wohl billig, daß der Staat von den Bewohnern gedachter Landestheile für die sehr bedeutenden Verluste, welche die Staatskasse durch die Zerstörung der Mauthlinien erlitten habe, einigermaßen entschädigt würde. Falle ihnen die Aufbringung dieser Entschädigung auch dermalen schwer, so hätten sie sich doch solches selbst beizumessen.
Hr. Dep. Fuchs für den Antrag der Majorität sich erklärt und die Staatsregierung gegen die Behauptung, daß sie die Mauth alsbald wieder hätte herstellen müssen, durch Erinnerung an die damalige Zeit und das Widerstreben der Hanauer, die Schwierigkeit, die Kosten und die vielleicht harten Folgen einer nur durch die Militärmacht möglich gewesenen Herstellung ec. zu vertheidigen gesucht.
S. 1570 Antrag der Majorität verworfen, der der Minorität genehmigt.
Veranstaltung vom 13.12.2017
Königreich Württemberg
Haus Württemberg, Bestehen 1806–1918, Fläche 19.508 km²
Einwohner 2.437.574 (1910), Bevölkerungsdichte 125 Einwohner/km²
Karte
Das Königreich Württemberg entstand am 1. Januar 1806 als souveränes Königreich auf Betreiben des nach politischer Hegemonie strebenden Kaisers der Franzosen, Napoleon Bonaparte. Hervorgegangen war das Königreich aus dem (1803 zum Kurfürstentum erhobenen) Herzogtum Württemberg. Dessen ursprüngliches Gebiet, das auch als Altwürttemberg bezeichnet wurde, war kurz zuvor durch den Reichsdeputationshauptschluss und den Frieden von Pressburg hauptsächlich im Süden und Osten stark erweitert worden und hatte damit seinen geographischen Raum nahezu verdoppelt. Württemberg war von 1806 bis 1813 Mitglied des Rheinbundes und nach dem Ende der napoleonischen Kriege des Deutschen Bundes.
Auf Basis der Verfassung von 1819 entwickelte sich im Lauf der Jahre eine frühe konstitutionelle Monarchie mit im Vergleich zu vielen anderen deutschen Staaten relativ stark ausgeprägten liberalen und demokratischen Strömungen, die sich auch nach der Niederschlagung der in Württemberg weitgehend friedlich verlaufenen deutschen Revolution von 1848/49 behaupten und verstärken konnten.
Geografie
Im Osten grenzte Württemberg an das Königreich Bayern, im Norden und Westen an das Großherzogtum Baden und im Süden bis 1850 an die Fürstentümer Hohenzollern-Sigmaringen und Hohenzollern-Hechingen, die ab 1850 als Hohenzollernsche Lande zu Preußen gehörten, sowie an den Bodensee. Im Grenzverlauf zu Baden und Hohenzollern bestanden verschiedene Exklaven, Enklaven und weitere territoriale Besonderheiten. Durch die Exklave Wimpfen besaß Württemberg auch eine gemeinsame Grenze mit dem Großherzogtum Hessen.
Auf einer politischen Karte des gegenwärtigen Deutschland sind die ehemaligen Grenzen Württembergs an Baden und Hohenzollern nicht mehr zu finden, seit sie durch das Inkrafttreten der Kreisreform in Baden-Württemberg am 1. Januar 1973 verwischt wurden. Bis zu dieser Reform waren die Grenzen noch in den Regierungsbezirken Nordwürttemberg und Südwürttemberg-Hohenzollern präsent, und auch die Struktur der Landkreise deckte sich mit diesen Außengrenzen. Dagegen entsprechen die Gebiete der evangelischen Landeskirche (nicht exakt, da einschließlich der Hohenzollernschen Lande) und der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart (exakt, da ohne die Hohenzollernschen Lande) bis heute den alten Grenzen Württembergs.
Geschichte
Entstehung des Königreichs
Württemberg 1789
Das Herzogtum Wirtenberg bestand im 18. Jahrhundert im Wesentlichen aus dem ehemaligen Stammland im mittleren Neckarraum rund um Stuttgart sowie den damit verbundenen Besitzungen im Nordschwarzwald und auf der Schwäbischen Alb. Neben dem Gebiet um Heidenheim war die linksrheinische Grafschaft Mömpelgard die bedeutendste Exklave des Herzogtums. Im Frieden von Campo Formio am 17. Oktober 1797 erkannte Kaiser Franz II. den Rhein als Ostgrenze Frankreichs an. Hiervon betroffen waren auch Mömpelgard und die anderen linksrheinischen Besitzungen Württembergs. Das Herzogtum beteiligte sich daraufhin ab 1799 als Partner Österreichs an der Zweiten Koalition gegen Frankreich unter Napoleon Bonaparte. Im Frühjahr 1800 besetzten die Franzosen Württemberg. Da Österreich keinerlei Anstrengungen zur Verteidigung des Landes unternahm, musste sich der württembergische Herzog Friedrich II. mit seinen Truppen dem Rückzug der Österreicher anschließen. Nach dieser Demütigung war sein Vertrauen in das Bündnis mit Österreich tief erschüttert. Im Frieden von Lunéville am 9. Februar 1801 arrangierte er sich mit Frankreich. Sein Ziel war, das rechtsrheinische Territorium zu vergrößern. Der Pariser Vertrag vom 20. Mai 1802 sicherte den Bestand des Herzogtums und stellte Entschädigungen für die linksrheinischen Gebiete in Aussicht. Württemberg hatte Sitz und Stimmrecht in der außerordentlichen Reichsdeputation, die den Reichsdeputationshauptschluss vorbereitete, der die Entschädigungen für die verlorenen linksrheinischen Besitzungen deutscher Fürsten festlegte. Herzog Friedrich wurde zum Kurfürst erhoben. Zahlreiche kleine Herrschaften wurden mediatisiert und unter der Bezeichnung Neuwürttemberg dem neuen Kurfürstentum zugeschlagen. Dazu gehörten die mediatisierten Reichsstädte Aalen, Giengen an der Brenz, Heilbronn, Rottweil, Esslingen am Neckar, Reutlingen, Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch Hall und Weil der Stadt sowie säkularisierte kirchliche Besitzungen wie die Fürstpropstei Ellwangen, die Reichsabtei Zwiefalten etc. Diese Zugewinne beliefen sich auf eine Fläche von 1609 Quadratkilometern mit 110.000 Einwohnern und 700.000 Gulden Steueraufkommen. Dem standen etwa 388 Quadratkilometer linksrheinisch verlorenes Gebiet mit zirka 14.000 Bewohnern und zirka 250.000 Gulden an Staatseinkünften gegenüber. Mit dem Aufbau der Verwaltung Neuwürttembergs betraut war der Minister Normann-Ehrenfels.
König Friedrich von Württemberg nach einem Gemälde von Johann Baptist Seele 1806
Am 3. Oktober 1805 schloss Friedrich in Ludwigsburg eine weitere Allianz mit Napoleon. Württemberg beteiligte sich daraufhin mit Truppen auf französischer Seite am Dritten Koalitionskrieg. In den Verträgen von Brünn (10.–12. Dezember 1805) und dem Frieden von Preßburg vom 26. Dezember 1805 wurde Vorderösterreich zwischen Württemberg, Bayern und Baden aufgeteilt. Dies bedeutete, dass weitere 125.000 neue Einwohner zum Kurfürstentum Württemberg dazukamen. Im Einzelnen handelte es sich um die folgenden Territorien: Grafschaft Hohenberg, Landvogtei Schwaben, Herrschaft Ehingen, die so genannten Donaustädte Mengen, Munderkingen, Riedlingen und Saulgau sowie im Unterland Gebiete des Deutschen Ordens (Amt Hornegg mit Neckarsulm und Gundelsheim), Gebiete des Johanniterordens und kleinere Territorien der Reichsritterschaft. Württemberg wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1806 zum souveränen Königreich erhoben. Die bisherige Bezeichnung Wirtenberg wurde durch die modernere Schreibweise Württemberg ersetzt. Erster König war der bisherige Herzog und Kurfürst Friedrich II. unter dem Namen Friedrich (Eigenbezeichnung: König Friedrich I.). Mit der Unterzeichnung der Rheinbundakte am 12. Juli 1806 trat Württemberg aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation aus. Mit dem Rheinbund kamen nochmals 270.000 neue Bewohner zum Königreich Württemberg hinzu, die sich auf die Territorien der Fürstentümer und Grafschaften Hohenlohe, Königsegg-Aulendorf, Thurn und Taxis, Waldburg und vieler weiterer Herrschaften in Oberschwaben verteilten.
Entwicklung der ersten Jahre
König Friedrich beteiligte sich 1809 mit Truppen an der Niederschlagung des Tiroler Volksaufstands. Mit dem Frieden von Schönbrunn am 14. Oktober 1809 wurde das Königreich Württemberg um die Gebiete des Deutschen Ordens bei Mergentheim erweitert, wobei ein Aufruhr der dortigen Bevölkerung blutig niedergeschlagen wurde. Schließlich vergrößerte sich die Einwohnerzahl mit dem Vertrag von Paris am 28. Februar 1810 und damit zusammenhängende Grenzverträge mit Bayern und Baden noch einmal um 110.000 Bewohner. Hinzu kamen Crailsheim und Creglingen sowie die ehemaligen Reichsstädte Bopfingen, Buchhorn, Leutkirch, Ravensburg, Ulm und Wangen und Gebiete der ehemaligen Grafschaft Montfort. Dafür fiel die alte württembergische Herrschaft Weiltingen an das Königreich Bayern sowie das Oberamt Hornberg und das Amt St. Georgen an das Großherzogtum Baden. Im Jahre 1813 erwarb das Königreich Württemberg noch die hohenzollernsche Herrschaft Hirschlatt. Insgesamt hatte sich Württemberg somit von ursprünglich 9.500 Quadratkilometern mit etwa 650.000 Einwohnern auf 19.508 Quadratkilometer mit etwa 1.380.000 Einwohnern vergrößert.
In den Jahren 1812/13 beteiligte sich König Friedrich an Napoleons Krieg gegen Russland, aus dem von 15.800 württembergischen Soldaten nur einige Hundert zurückkehrten. Trotz dieser Niederlage blieb das Königreich zunächst weiter als Mitglied des Rheinbunds an der Seite Frankreichs, bis es in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 zu einer weiteren vernichtenden Niederlage Napoleons kam. Erst danach wechselte Württemberg zur Sechsten Koalition über, die von Österreich, Preußen und Russland geführt wurde. Am 2. November 1813 orientierte sich König Friedrich um, nachdem Österreich dem Land durch den Vertrag zu Fulda Wahrung seines Besitzstandes und den Erhalt seiner Souveränität garantiert hatte.
Die Gebietszuwächse Württembergs wurden durch die territoriale Neuordnung Deutschlands beim Wiener Kongress 1815 nicht revidiert und damit indirekt völkerrechtlich bestätigt. Durch die Beteiligung an den Koalitionskriegen und deren Folgen erlebte das Königreich in seinen Anfangsjahren einen wirtschaftlichen Niedergang, der zu hoher Staatsverschuldung und zur Verarmung breiter Bevölkerungsschichten bis hin zu Hungersnöten führte. Diese wirtschaftlich sehr schwierige Lage wurde durch das ungewöhnlich kalte und von Naturkatastrophen gekennzeichnete Jahr 1816 weiter verschärft. Die Auswanderung nach Osteuropa und Nordamerika stieg danach sprunghaft an.
In den ersten Jahren des Königreichs sicherte die Verwicklung Württembergs in die kriegerischen Auseinandersetzungen und die Bündnistreue mit Frankreich König Friedrich weitgehende Handlungsfreiheit in der Innenpolitik. Deren Ziel war die konsequente Modernisierung der Verwaltung und die Zusammenführung der verschiedenen Territorien zu einem einheitlichen und zentral geführten Gesamtstaat. Dies war umso schwerer, da die neu hinzugekommenen Gebiete dem zuvor rein und streng evangelischen Württemberg eine beträchtliche katholische Minderheit brachten. Mittel zur Modernisierung waren die rigorose Abschaffung der Privilegien der Ehrbarkeit in Altwürttemberg sowie des Adels in den hinzugewonnenen Gebieten. Widerstand gegen diese Politik wurde rigoros bekämpft; ein Polizeiministerium, eine geheime Polizei und eine Zensurbehörde wurden nach französischem Vorbild eingerichtet. Wichtige Reformen der ersten Jahre waren die Trennung von Justiz und Verwaltung, die Gliederung des Landes in Oberämter und Kreise, die Aufhebung der Binnenzölle und die Gleichberechtigung der katholischen und der reformierten Konfession mit der seitherigen evangelisch-lutherischen Staatskonfession.
Bei den Verhandlungen auf dem Wiener Kongress bestand das Ziel, für das neu zu konstituierende Deutschland eine bundesstaatliche Verfassung zu errichten. Der Erstentwurf des Konzepts für einen Staatenbund wurde von Metternich am 23. Mai 1815 der Versammlung der deutschen Einzelstaaten zugeleitet. Württemberg opponierte gemeinsam mit Bayern gegen diesen Staatenbund. Weil König Friedrich mit einer eigenen Verfassung der Bundesverfassung zuvorkommen wollte, legte er bereits dem am 15. März 1815 einberufenen Landtag ein Staatsgrundgesetz vor. Württemberg unterzeichnete erst am 1. September 1815 die Deutsche Bundesakte und trat damit erst nachträglich dem am 8. Juni 1815 gegründeten Deutschen Bund bei. Der Entwurf des Staatsgrundgesetzes traf auf starken Widerstand der Landstände, die die bisherige auf dem Tübinger Vertrag von 1514 basierende Verfassung wieder in Kraft setzen wollten. Den Landständen gelang es, die Bevölkerung in einer Kampagne für das alte Recht auf ihre Seite zu ziehen. Einer der Protagonisten dieser Bewegung war der Dichter und Politiker Ludwig Uhland, der hierfür eigens das Gedicht „Das alte, gute Recht“ verfasste. Die Kampagne war so wirksam, dass das von König Friedrich vorgelegte Staatsgrundgesetz nicht verabschiedet wurde. Die völlig überarbeitete Verfassung wurde erst durch seinen Nachfolger König Wilhelm I. am 25. September 1819 erlassen.
Das alte, gute Recht
Wo je bei altem, gutem Wein Der Württemberger zecht, Da soll der erste Trinkspruch sein: Das alte, gute Recht!Das Recht, das unsres Fürsten Haus Als starker Pfeiler stützt, Und das im Lande ein und aus Der Armut Hütten schützt. Das Recht, das uns Gesetze gibt, Das Recht, das mäßig Steuern schreibt Das unser heil’ges Kirchengut Das Recht, das jedem freien Mann Das Recht, das jedem offen läßt Das Recht, des wohlverdienten Ruhm Das Recht, das eine schlimme Zeit Ja! wenn auch wir von hinnen sind, Und wo bei altem, gutem Wein |
Politische Konsolidierung nach dem Regierungsantritt König Wilhelms I.
König Wilhelm I. 1822 nach einem Gemälde von Joseph Karl Stieler
Das Verhältnis zwischen König Friedrich und seinem Sohn Wilhelm Friedrich Karl, dem späteren König Wilhelm I., war sowohl persönlich als auch politisch von starken Spannungen geprägt. 1805 kam es zur offenen Auflehnung Wilhelms gegen seinen Vater, die zu seiner Flucht nach Paris führte. Wilhelm versuchte, Frankreich zum Umsturz in Württemberg zu bewegen, was ihm Napoleon aber verweigerte. 1807 verständigten sich Wilhelm und Friedrich zwar politisch; ihre persönliche und politische Abneigung gegeneinander blieb aber bestehen. So war es nur folgerichtig, dass der neue König nicht mit dem Namen seines Vaters, sondern mit dem Namen Wilhelm am 30. Oktober 1816 seine Regentschaft antrat und einen umfassenden Politikwechsel einleitete. Es ist überliefert, dass die Bevölkerung Württembergs durch Soldaten nur schwer von Freudenfesten über Friedrichs Tod abgehalten werden konnte. Gemeinsam mit seiner Frau Königin Katharina, einer Tochter des russischen Zaren Paul I., war die Politik Wilhelms in seinen ersten Regierungsjahren stark auf die Linderung der wirtschaftlichen Not breiter Bevölkerungskreise ausgerichtet. Katharina, die am 9. Januar 1819 im Alter von nur 30 Jahren starb, widmete sich mit großem Engagement der Sozialfürsorge. So gehen die Gründung des Katharinenstifts als Mädchenschule, des Katharinenhospitals, der Württembergischen Landessparkasse, der Universität Hohenheim und weiterer Institutionen auf sie zurück. Wilhelm erließ bei seinem Amtsantritt eine Amnestie und setzte eine umfassende Verwaltungsreform auf der Basis der neuen modernen Verfassung vom 25. September 1819 durch. Die absolutistische Diktatur Friedrichs wurde aber nicht durch den aus dem Herzogtum Württemberg tradierten Dualismus zwischen dem Regenten und den Landständen ersetzt. Stattdessen basierte die neue Staatsform auf dem Konstitutionalismus, der die Herrschaft des Monarchen durch verfassungsrechtlich festgelegte Mitspracherechte gewählter Volksvertreter ergänzte. Die Verfassung wurde so auch zur Klammer zwischen den alten und den neuen Landesteilen. Die altständische Opposition löste sich praktisch auf. Es entstand eine nicht weniger streitbare bürgerliche Opposition liberaler Ausrichtung.
Wesentliche Bestandteile der im Zusammenhang mit der neuen Verfassung durchgesetzten Reorganisation der Verwaltung waren die Kommunale Selbstverwaltung und die Trennung von Exekutive und Judikative. Die Verwaltung wurde gestrafft und transparenter gemacht. Die dem Staat und dem König verpflichteten Beamten entwickelten sich rasch zu einer Art Stand und damit zu einer Politischen Klasse, die die Staatsregierung stützte.
Beim Regierungsantritt Wilhelms I. betrug die Staatsverschuldung fast 25 Millionen Gulden, was nahezu dem Vierfachen der Jahreseinnahmen entsprach. Diese Schulden wurden in den ersten 20 Jahren seiner Regentschaft durch die Finanzminister Ferdinand Heinrich August von Weckherlin (1767-1828), Karl Eberhard Friedrich Freiherr von Varnbüler von und zu Hemmingen (1776-1832) und vor allem Johann Christoph Herdegen, seit 10. Juni 1814 von Herdegen (1787-1861) so nachhaltig abgebaut, dass Steuersenkungen ermöglicht wurden. Besonderer Schwerpunkt der Wirtschaftspolitik des Königs war der Ausbau der Landwirtschaft.
Außenpolitisch verfolgte Wilhelm das Ziel, die staatlichen Strukturen in Deutschland weiter zu bereinigen und auf die fünf Königreiche Preußen, Sachsen, Bayern, Hannover und Württemberg sowie das Kaisertum Österreich zu begrenzen. Preußen und Österreich sah er dabei als europäische Mächte an. Die vier anderen deutschen Königreiche sollten durch ein enges Bündnis eine gemeinsame auf die Einigung zu einer dritten deutschen Großmacht ausgerichtete Politik betreiben. Wilhelm strebte die Mediatisierung Badens, Hohenzollerns sowie den Erwerb des Elsass an. Mittel zu diesem Ziel, welches nie erreicht wurde, sollte die starke familiäre Verbindung mit Russland sein. Dazu wurde im Jahr 1776 zunächst seine Tante Sophie Dorothee mit dem russischen Thronfolger, dem späteren Zaren Paul, verheiratet. Zur Stärkung dieser Bande erfolgte im Jahr 1818 Wilhelms eigene Heirat mit deren Tochter Katharina. Nachdem Katharina bereits 1819 gestorben war, verfolgte Wilhelm die gemeinsam mit ihr entwickelte Außenpolitik über seine gesamte Regierungszeit weiter. So war es nur folgerichtig, dass sein Sohn und Thronfolger Karl am 13. Juli 1846 die Zarentochter Olga heiratete.
Politik
In den Jahren zwischen 1820 und 1830 wurden insgesamt fünf Landtage abgehalten, die ohne nennenswerte Opposition Wilhelms politische Ideen abnickten. Die Zusammensetzung des Geheimen Rats wurde anders als in den ersten Regierungsjahren nur noch selten umgebildet. Innenpolitisch hatte die Modernisierung des Staates durch Reformen und der Abbau der Staatsverschuldung hohe Priorität.
Politik König Wilhelms
Im Oktober 1820 erschien in London das Manuskript aus Süddeutschland. Dieses Buch enthielt eine Bewertung der historischen Entwicklung und politischen Lage in Deutschland. Es forderte eine weitere Mediatisierung der kleinen Länder in Deutschland auf die vier Mittelstaaten Bayern, Sachsen, Hannover und Württemberg, die als Drittes Deutschland gemeinsam ein Gegengewicht zu den Großmächten Preußen und Österreich bilden sollten. Württemberg sollte dabei um Baden, die Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen, sowie um das Elsass vergrößert werden. Bald wurde bekannt, dass Autor und Herausgeber des Buchs fingiert waren. Eigentlicher Verfasser war Friedrich Ludwig Lindner (1772–1845), der eine Art persönlicher Referent Wilhelms war. Es war davon auszugehen, dass Wilhelm der geistige Urheber und Ideengeber für die Schrift war und Lindner mit anderen quasi als Ghostwriter fungierte. Das Manuskript führte dazu, dass sich das Verhältnis zwischen Preußen und Österreich auf der einen und Württemberg auf der anderen Seite wesentlich verschlechterte. Beim Veroneser Kongress 1822 leiteten die Großmächte Österreich, Preußen und Russland die Isolierung Württembergs ein. Im Frühjahr 1823 wurden die diplomatischen Beziehungen abgebrochen, der Außenminister Graf Wintzingerode und der Bundestagsgesandte Freiherr von Wangenheim traten zurück. Die Popularität Wilhelms in liberalen Kreisen stieg. Repressalien führten allerdings dazu, dass Wilhelm einlenken musste. Im November 1824 stimmte Württemberg einer Verlängerung der antiliberalen Karlsbader Beschlüsse zu. Dies war für Wilhelm eine politische Niederlage, die mit einem großen Prestigeverlust verbunden war und ihn in der Folgezeit zu einem an der Machbarkeit ausgerichteten Realpolitiker werden ließ.
Nach der erfolgreichen französischen Julirevolution von 1830 erhielten die Liberalen in fast ganz Europa, so auch in Württemberg Auftrieb. Der Freiheitskampf Polens gegen Russland 1830/1831 verstärkte diesen Trend. Im Dezember 1831 gewannen die Liberalen die Wahlen zur zweiten Kammer des württembergischen Landtags. Das Hambacher Fest am 27. Mai 1832, bei dem das Hambacher Schloss in der Rheinpfalz Kulisse für eine liberale und demokratische Kundgebung war, wurde in Württemberg durch eine königliche Verordnung, die politische Versammlungen verbot, beantwortet. Wilhelm verschob die Einberufung des 1831 gewählten Landtags über ein Jahr bis zum 15. Januar 1833. Nach der Auflösung des Landtags am 22. März fanden im April Neuwahlen statt, aus denen die Liberalen unter Friedrich Römer wiederum als Sieger hervorgingen. Wilhelm verweigerte daraufhin den gewählten Abgeordneten im Staatsdienst die Freistellung für die Ausübung ihres Mandats. Friedrich Römer, Ludwig Uhland und auch andere liberale Abgeordnete quittierten deshalb den Staatsdienst.
Die diplomatischen Beziehungen zwischen Württemberg auf der einen sowie Preußen und Österreich auf der anderen Seite waren auch in dieser Zeit gering. Ab 1836 bemühte sich Wilhelm um ein besseres Verhältnis zu Preußen. Im September 1836 besuchte Prinz Wilhelm, der spätere deutsche Kaiser, Stuttgart. 1838 kam es zum Gegenbesuch Wilhelms in Berlin, wo er auch seinen Schwager und Cousin, den seit 1825 regierenden Zaren Nikolaus I., traf. Ab diesem Zeitpunkt wurde auch ein preußischer Gesandter in Württemberg etabliert.
Jubiläumssäule auf dem Schlossplatz in Stuttgart
Die 1830er Jahre waren in Württemberg durch einen wirtschaftlichen Aufschwung gekennzeichnet. Landwirtschaft, Handel und Handwerk florierten. Es gelang die Staatsverschuldung abzubauen und die Steuern zu senken. Die Neckarschifffahrt, die durch den Wilhelmskanal seit 1821 von Heilbronn aus auch flussaufwärts wieder möglich war, und das Straßennetz wurden ausgebaut. Erste Planungen für den Eisenbahnbau wurden vorgenommen. Wilhelm interessierte sich stark für die aufkommende Industrialisierung und besuchte deshalb 1837 Großbritannien. Zum 25-jährigen Regierungsjubiläum 1841 befand sich das Königreich in einer wirtschaftlich guten Lage. Am 27. September 1841 feierte Wilhelm seinen 60. Geburtstag. Am 28. September fand in Stuttgart der Festzug der Württemberger mit 10.390 Teilnehmern, darunter 640 Reiter und 23 Wagen mit Pferde- und Rindergespannen aus dem gesamten Königreich statt. An die 200.000 Zuschauer, mithin jeder neunte Württemberger, waren in die Landeshauptstadt mit ihren damals 40.000 Einwohnern gekommen. Auf dem Schlossplatz wurde eine Festsäule aus Holz errichtet, die zwei Jahre später durch die dauerhafte Jubiläumssäule ersetzt wurde. Die ganze Stadt war geschmückt. Am Abend wurde auf der Prag ein großes Feuerwerk abgebrannt; überall im Land wurden Höhenfeuer entzündet. Wilhelm wurde durch patriotische Gedichte und Lieder in den Zeitungen gefeiert. Die Feierlichkeiten und die Beteiligung aus dem ganzen Land brachten zum Ausdruck wie stark Württemberg in der Regierungszeit Wilhelms zu einem einheitlichen Staat zusammengewachsen war.
Veranstaltung vom 19.12.2017
Erstarken der demokratischen Bewegung und des Liberalismus ab 1830
Nach der erfolgreichen französischen Julirevolution von 1830 erhielten die Liberalen in fast ganz Europa, so auch in Württemberg Auftrieb. Im Dezember 1831 gewannen sie die Wahlen zur zweiten Kammer des württembergischen Landtags. Wilhelm I. verschob danach die Einberufung des Landtags über ein Jahr bis zum 15. Januar 1833. Nach der Auflösung des Landtags am 22. März fanden im April Neuwahlen statt, aus denen die Liberalen unter Christof Gottlob Heinrich Friedrich Römer, seit 1852 von Römer, (1794-1864) wiederum als Sieger hervorgingen. Wilhelm verweigerte daraufhin den gewählten Abgeordneten im Staatsdienst die Freistellung für die Ausübung ihres Mandats. Friedrich Römer, Johann Ludwig „Louis“ Uhland (1787-1862) und auch andere liberale Abgeordnete quittierten deshalb den Staatsdienst.
Staatsaufbau und Verwaltung
Verfassung
Halbmondsaal im Stuttgarter Landtag 1833
Die Verfassung des Königreichs Württemberg wurde am 25. September 1819 von König Wilhelm I. erlassen. Sie umfasste zehn Kapitel mit insgesamt 205 Paragrafen. In Kapitel I wurde Württemberg als Staat und als Teil des Deutschen Bundes definiert. Kapitel II definierte den König als Staatsoberhaupt und regelte die Thronfolge. Der König war alleiniger Inhaber der Staatsgewalt, die er jedoch nur im Rahmen der Verfassung ausüben konnte (§ 4). Unter anderem ernannte und entließ er die Mitglieder der im Geheimen Rat vertretenen Regierung (§ 57). Er vertrat den Staat nach außen (§ 85), hatte das Initiativrecht für die Gesetzgebung (§ 172), erließ die Verordnungen (§ 89) und hatte die Oberaufsicht über die Gerichtsbarkeit (§ 92). Kapitel III regelte die staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Der Staat wurde verpflichtet, die Bürgerrechte zu sichern (§ 24), zu denen unter anderem die Freiheit der Person, die Freizügigkeit, die Gewerbefreiheit (§ 29) und das Eigentum (§ 30) gehörten. Die Pressefreiheit (§ 28) stand unter einem Gesetzesvorbehalt.
Die Verfassung sah die Ministerien der Justiz, der auswärtigen Angelegenheiten, des Innern, des Kriegswesens und der Finanzen vor (§ 56). 1848 wurde das Ministerium des Kirchen- und Schulwesens aus dem Innenministerium ausgegliedert. In Kapitel V waren die Rechte der Gemeinden und Gebietskörperschaften geregelt. Es galt das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung. Kapitel VI definierte das Verhältnis der drei im Königreich vorhandenen christlichen Kirchen zum Staat. Kapitel VII befasste sich mit der Ausübung der Staatsgewalt. Die Gesetzgebung war an die Zustimmung der Landstände gebunden (§ 88); alle Gesetze mussten konform zur Verfassung sein (§ 91). Die Gerichtsbarkeit war unabhängig (§ 93). Kapitel VIII regelte das Finanzwesen. Kapitel IX legte die Zusammensetzung und die Organisation der Landstände fest, deren Hauptaufgabe die Mitwirkung an der Gesetzgebung durch Einwilligung zu den von der Regierung vorgelegten Gesetzentwürfen war (§ 124). Die Landstände waren als Zweikammersystem organisiert. Mitglieder der als Kammer der Standesherren bezeichneten ersten Kammer waren die Prinzen des Königlichen Hauses, die Vertreter des Adels und der ehemaligen standesherrlichen Gemeinschaften in Altwürttemberg sowie vom König erblich oder auf Lebenszeit ernannte Mitglieder (§ 129). Die als Kammer der Abgeordneten bezeichnete zweite Kammer bestand aus Mitgliedern kraft Amtes, aus 13 gewählten Vertretern des ritterschaftlichen Adels und aus vom Volk gewählten Vertretern der Städte und Oberämter (§ 133). Die Wahlperiode betrug sechs Jahre (§ 157). Die gewählten Abgeordneten waren weisungsungebunden (§ 155). Kapitel X regelte die Organisation und die Aufgaben des Staatsgerichtshofs.
Württembergische Landstände
Die zweite Phase der Geschichte der württembergischen Landstände reicht vom Jahre 1815 bis zur Novemberrevolution. Der Landtag bestand von 1819 bis 1918 aus den beiden Kammern der Standesherren (Erste Kammer) und der Abgeordneten (Zweite Kammer). Die so genannten Altrechtler der Zweiten Kammer sahen sich in der Tradition der altwürttembergischen Landschaft. Die Zweite Kammer war die Vorläuferin der württembergischen Volksvertretung, die in der Zeit der Weimarer Republik auf einer demokratischen Verfassung beruhte und nur noch aus einer Kammer bestand.
Die Stände des Königreichs Württemberg 1815 bis 1918
In den Jahren des absoluten Regimes König Friedrichs seit 1806 gab es keinen Landtag. Es kam seitens der Bevölkerung immer wieder zur Forderung nach Gewährung staatsbürgerlicher Rechte unter Erinnerung an den Tübinger Vertrag von 1514 und das „gute alte Recht“.
Die Ständeversammlungen 1815 bis 1819
Anfang des Jahres 1815 berief König Friedrich eine Ständeversammlung ein, die eine landständische Verfassung beschließen sollte. Nun versammelten sich Abgeordnete des evangelisch-pietistischen Altwürttemberg mit überwiegend katholischen Abgeordneten aus den 1802 bis 1810 während der Koalitionskriege gewonnen Gebieten Neuwürttembergs. Der Ständeversammlung, welche sich in einem provisorischen Sitzungssaal im Gebäude des später eingerichteten Katharinenstifts in Stuttgart versammelte, gehörten 31 mediatisierte Fürsten und Grafen, 19 Angehörige der Ritterschaft, vier Abgesandte der evangelischen und der katholischen Kirche sowie der Landesuniversität Tübingen und 71 Abgeordnete der sieben guten Städte und der 64 Oberämter an. Ein von König Friedrich vorgelegter Verfassungsentwurf fand nicht die Zustimmung der Ständeversammlung, so dass der Landtag am 5. August 1815 von König Friedrich aufgelöst wurde unter Hinweis auf die nunmehrige Gültigkeit der oktroyierten Verfassung. Ein vier Jahre währender Verfassungskampf war die Folge. Dieser jahrelange Verfassungskampf wurde begleitet von politischen Schriften, unter denen insbesondere die Gedichte Ludwig Uhlands zu nennen sind. Eine zweite Tagungsperiode vom Oktober 1815 bis zum Dezember 1816 führte ebenfalls nicht zur Annahme der Verfassung. Die Altrechtler störte vor allem das geplante Zwei-Kammer-System, was es zu Zeiten des Herzogtums nicht gegeben hatte.
Die zur dritten Tagungsperiode einberufene Ständeversammlung lehnte am 2. Juni 1817 einen Verfassungsentwurf des neuen Königs Wilhelm ebenfalls ab, so dass der König am 4. Juni 1817 auch diese Versammlung auflöste. Im Juli 1819 trat eine neue Ständeversammlung zusammen und diesmal wurde der Verfassungsentwurf des Königs im September angenommen und am 25. September 1819 in einer Feier im Ordenssaal des Ludwigsburger Schlosses beurkundet. Die Gefahr, dass durch die anstehenden Karlsbader Beschlüsse die Einführung einer neuen Verfassung vielleicht gar nicht mehr möglich wäre, hatte sich nun beschleunigend für die Annahme durch die Stände ausgewirkt.
Die Landtagspräsidenten von 1820 bis 1918
Präsidenten der Ersten Kammer
1820 bis 1835 Fürst August zu Hohenlohe-Öhringen
1835 bis 1860 Fürst Ernst zu Hohenlohe-Langenburg
Präsidenten der Zweiten Kammer
1820 bis 1830 Jakob Friedrich Weishaar
1833 bis 1838 Freiherr Ludwig von Gaisberg-Schöckingen
Der Landtag gemäß der Verfassung von 1819
In den Landtag gewählt werden konnte ein Mann mit dem vollendeten 30. Lebensjahr, wenn er den in § 135 der Verfassung genannten Bedingungen genügte. Zu diesen Bedingungen gehörte die Zugehörigkeit zu einer der drei christlichen Konfessionen (evangelisch, reformiert oder katholisch), nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten zu sein, nicht in finanziellen Schwierigkeiten zu stecken und nicht unter Vormundschaft oder Privatdienstherrschaft zu stehen. Das aktive Wahlrecht gestaltete sich gemäß § 138 der Verfassung so, dass auf sieben Bürger ein Wahlmann kam. So stellte zum Beispiel eine Gemeinde mit 300 Einwohnern, in der es 63 Bürger gab, neun Wahlmänner. Zwei Drittel der Wahlmänner waren diejenigen, welche im vergangenen Jahr die höchsten Steuern in der Gemeinde bezahlt hatten. Das restliche Drittel der Wahlmänner wurde von den übrigen Steuerzahlern der Gemeinde gewählt. Die Wahlmänner mussten mindestens 25 Jahre alt sein. Somit genügten die württembergischen Stände bis zum Ende der Monarchie 1918 weder in ihrer Zusammensetzung noch im verfassungsmäßig verbrieften Einfluss auf die Regierung modernen demokratischen Vorstellungen. Trotzdem weist die Zweite Kammer des württembergischen Landtags seit ihrem Bestehen im Jahre 1819 eine lebendige parlamentarische Entwicklung mit zeitgenössisch hoher Beachtung der dort stattfindenden Debatten auf.
Zusammensetzung der Ersten Kammer:
Prinzen des Hauses Württemberg (Herzöge)
Standesherren (Fürsten und Grafen)
Vom König ernannte Persönlichkeiten. Diese durften gemäß § 132 der Verfassung maximal ein Drittel aller Angehörigen der Ersten Kammer umfassen.
Mehr als zwei Drittel der Mitglieder in der Ersten Kammer waren katholisch, was im Gegensatz dazu stand, dass die württembergische Bevölkerung zu mehr als zwei Dritteln evangelisch war.
Blick in den sogenannten Halbmondsaal, den 1819 eröffneten Plenarsaal der Zweiten Kammer des württembergischen Landtages. Die Lithographie entstand 1833 und zeigt unter anderem die Abgeordneten Ludwig Uhland, welcher in der Mitte sitzt und sich zum Betrachter wendet, und rechts an die Säule gelehnt Paul Pfizer.
Zusammensetzung der Zweiten Kammer aus 93 Mitgliedern:
23 bevorrechtigte Abgeordnete (Privilegierte):
13 Vertreter aus der Ritterschaft
sechs Generalsuperintendenten der evangelischen Landeskirche aus Schwäbisch Hall, Heilbronn, Ludwigsburg, Reutlingen, Tübingen und Ulm
der katholische Bischof der Diözese Rottenburg
ein Mitglied des Rottenburger Domkapitels
der dienstälteste katholische Dekan
der Kanzler der Universität Tübingen
70 gewählte Abgeordnete:
je ein Abgeordneter für die sogenannten sieben guten Städte: Stuttgart, Tübingen, Ludwigsburg, Ulm, Heilbronn, Reutlingen und Ellwangen
je ein Abgeordneter aus den 63 Oberamtsbezirken
Die Abgeordnetenkammer im Vormärz
Die Abgeordnetenkammern der Landtage in Württemberg und in Baden erfreuten sich in der Zeit des Biedermeier breiter öffentlicher Wahrnehmung und deren liberale Wortführer waren trotz oder gerade wegen der geltenden Karlsbader Beschlüsse in ganz Deutschland bekannt. Die Zweite Kammer in Stuttgart war zwar im Gegensatz zu jener in Karlsruhe keine reine Volkskammer und hatte sich zudem nominell noch mit der Ersten Kammer abzustimmen. Dennoch konnte die Zweite Kammer in Stuttgart fast wie ein aus nur einer Kammer bestehendes Parlament agieren, weil die württembergische Kammer der Standesherren in der Anfangszeit des Königreichs selten in beschlussfähiger Stärke versammelt war. Dies lag an dem Groll, den die Standesherren wegen ihrer Mediatisierung noch lange gegenüber dem König hegten. Solange eine Kammer aber nicht beschlussfähig war, galt sie laut Verfassung als zustimmend in die Beschlüsse der anderen Kammer. Die erste Kammer war wegen der andauernden Abwesenheit der meisten königlichen Prinzen und Standesherren oft nicht nur beschlussunfähig, sondern auch kaum arbeitsfähig, weil die ganze Last der parlamentarischen Arbeit und die Anfertigung der nötigen Kommissionsberichte auf den Schultern der wenigen lebenslang ernannten Mitglieder ruhte. Berühmte liberale Parlamentarier der zweiten Kammer in Stuttgart waren zum Beispiel Paul Pfizer, Friedrich Römer und Ludwig Uhland. Sie ergriffen das Wort für die Freiheitsrechte der Bürger und die Möglichkeit politischer Mitbestimmung und nahmen die bestehenden repressiven Zustände des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens, des sozialen Gefüges sowie der religiösen und kulturellen Gegebenheiten des Vormärz kritisch unter die Lupe. Die in ganz Deutschland im Vorfeld der Märzrevolution übliche Willkür von Polizei und staatlicher Pressezensur wurden Gegenstand der Debatten im Halbmondsaal. Auch die Forderung nach Deutscher Einheit wurde hier bereits artikuliert. Die Abgeordnetenkammern sowohl in Karlsruhe als auch Stuttgart waren in dieser Hinsicht geistige Vorläufer der Frankfurter Nationalversammlung.
Verwaltungsgliederung
Das Königreich Württemberg wurde 1810 in zwölf Landvogteien eingeteilt, die sich in 64 Oberämter gliederten. 1818 wurden die zwölf Landvogteien durch vier als Kreise bezeichnete Regierungsbezirke ersetzt, die erst zum 1. April 1924 aufgelöst wurden. Der Donaukreis hatte seinen Sitz in Ulm, der Neckarkreis in Ludwigsburg, der Jagstkreis in Ellwangen und der Schwarzwaldkreis in Reutlingen.
Die Kreise hatten zum Zeitpunkt ihrer Errichtung 1818 etwa so viele Einwohner wie ein französisches Département. In jedem Kreis war eine Regierung, eine Finanzkammer und ein Gerichtshof eingerichtet. Die Kreisregierungen waren unter anderem Oberbehörde in der Landespolizeiverwaltung und der Staatswirtschaft. Zu ihren Aufgaben gehörte bis 1848 auch die Förderung von Landwirtschaft, Gewerbe und Handel und bis 1872 das Straßenbauwesen. Sie waren außerdem Aufsichtsbehörde für die Oberämter in ihrem Gebiet.
Währung
Bis 1875 war die Währung des Königreichs Württemberg der Gulden. Ein Gulden bestand aus 60 Kreuzern. Nach der Gründung des Deutschen Reichs wurde durch das Deutsche Münzgesetz vom 9. Juli 1873 und durch die kaiserliche Verordnung vom 22. September 1875 die Goldmark mit Wirkung vom 1. Januar 1876 eingeführt. Der Gulden konnte noch fünf Jahre parallel verwendet werden. Der Umtauschkurs für einen württembergischen Gulden betrug 1,71 Mark für einen Gulden.
Wirtschaftliche Entwicklung
Das Königreich Württemberg war fast während seiner gesamten Existenz im Wesentlichen ein Agrarstaat. Dies änderte sich erst zusehends in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts, als sich auch in Württemberg der Aufbruch ins Industriezeitalter abzuzeichnen begann. Viele heute noch namhafte Unternehmen wurden bereits in der Mittel- und Spätphase der Monarchie gegründet.
Der Agrarstaat und seine Krisen
Das Gebiet des alten Herzogtums Württemberg hatte schon von jeher einen wirtschaftlichen Standortnachteil bedingt durch zwei wesentliche Faktoren: Zum einen gibt es auf diesem Gebiet kaum nennenswerte Bodenschätze, die sich in historischen Zeiten wirtschaftlich abbauen ließen. Zum anderen waren die geografischen und topografischen Bedingungen (Hügellandschaften) für die Ausbildung eines funktionstüchtigen Verkehrsnetzes, welches einen umfangreichen Handelsverkehr zur Folge hätte haben können, denkbar schlecht. Das Zentrum Altwürttemberg hatte keine schiffbaren Wasserwege, und selbst das Königreich war zu Beginn nur an seinen Rändern in Ulm an der Donau, dem unteren Neckar bis Heilbronn und dem Bodensee auf dem Wasserweg gut zu erreichen. So kam es, dass die ehemaligen schwäbischen und alemannischen Zentren alle außerhalb des Herzogtums Württemberg lagen, wie etwa Augsburg, Ulm, Ravensburg, Konstanz, Zürich, Basel, Freiburg und Straßburg.
Treffender als mit einem Auszug der auch als Württembergerlied bezeichneten Ballade Justinus Kerners Preisend mit viel schönen Reden aus dem Jahre 1818 kann man die Situation auch für den Beginn des 19. Jahrhunderts kaum zusammenfassen:
Eberhard, der mit dem Barte,
Württembergs geliebter Herr,
Sprach: „Mein Land hat kleine Städte,
Trägt nicht Berge silberschwer“.
Im Jahre 1817 gab es in Württemberg mit seinen etwa 1.380.000 Einwohnern insgesamt 134 Städte. Davon zählten nur fünf Städte mehr als 6.000 Einwohner, nämlich Stuttgart mit 26.306 Einwohnern, Ulm mit 11.417 Einwohnern, Reutlingen mit zirka 9.000 Einwohnern, Heilbronn mit 6.830 Einwohnern und Tübingen mit 6.630 Einwohnern.
Das Königreich Württemberg setzte sich aus den Gebieten Altwürttembergs mit einer überwiegend evangelischen Bevölkerung (zirka eine Million Protestanten) mit einem Hang zum Pietismus und den in starkem Maße vom Katholizismus geprägten Gebieten Neuwürttembergs zusammen (zirka 400.000 Katholiken). In Altwürttemberg gab es die Praxis der Realteilung im Erbrecht. Diese führte dazu, dass die Bauernhöfe immer kleinere Grundstücke zur Bewirtschaftung zur Verfügung hatten. Die ländliche Bevölkerung hatte notgedrungen ihr Auskommen durch einen zusätzlichen Beruf, ein Handwerk, zu bestreiten. So entstand schon früh eine aus Not und Mangel geborene Tüchtigkeit, die ja noch heute für die Schwaben, als die sich die Württemberger gerne selbst bezeichnen, sprichwörtlich ist. In den neuwürttembergischen Gebieten stellte sich dies bedingt durch das dort eher verbreitete Anerbenrecht etwas anders dar. Dort konnte ein Bauer oft ein relativ wohlhabender Mann sein. Anfang des 19. Jahrhunderts waren noch mehr als zwei Drittel der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig.
Insgesamt betrachtet war die wirtschaftliche Situation Württembergs zu Beginn des 19. Jahrhunderts geprägt von Mangel und Not für weite Bevölkerungskreise, bedingt durch den lang anhaltenden Kriegszustand von 1792 bis 1815, der nur von kurzen Phasen des Friedens oder Waffenstillstands unterbrochen wurde. Zwar fanden die meisten Schlachten dieser Zeit nicht auf dem Gebiet des Königreichs statt, aber die ständigen Truppendurchzüge verbunden mit Einquartierungen, Beschlagnahmung von Lebensmitteln und Futter bis hin zu Plünderungen und Brandschatzungen waren eine ständige Bedrückung in dieser Zeit. Dazu kamen ab 1811 Missernten, die 1816 zu katastrophalen Versorgungsengpässen bei der ärmeren Bevölkerung führten. In der schrecklichen Not wurden so genannte Hungerbrötchen gebacken, die einigermaßen erschwinglich waren. Diese Hungerbrötchen waren deutlich kleiner als üblich. Das Mehl war gestreckt mit Sägemehl oder sonstigen unzulänglichen Zusatzstoffen. Durch die gute Ernte des Jahres 1817 kam die lang ersehnte Erlösung von der schlimmsten Not. Fröhliche Erntedankfeste wurden daraufhin im ganzen Land gefeiert. König Wilhelm reagierte angesichts der überwundenen Not mit einer energischen Förderung der Landwirtschaft, um ähnlichen Notlagen zukünftig besser begegnen zu können. Dies führte ab 1818 zur Abhaltung einer alljährlichen landwirtschaftlichen Leistungsschau, der Vorläuferin des Cannstatter Volksfestes, und der Gründung des landwirtschaftlichen Instituts in Hohenheim.
Während die Agrarpreise im Hungerjahr 1816 aufgrund des Mangels extrem anstiegen und die Wucherei auf Kosten der Notleidenden ein allseits zu bekämpfendes Problem war, verfielen sie seit 1817 zusehends. Der Preisverfall führte bis 1826 zu einer regelrechten Agrarkrise und damit einhergehend zur Verarmung der bäuerlichen Bevölkerung. Bereits 1844 kündigte sich eine neue Wirtschaftskrise mit Inflation und Arbeitslosigkeit an, die in einem neuerlichen Hungerjahr 1847 mit Hungerrevolten gipfelte. Die Agrarkrise hielt noch bis etwa 1855 an.
Das Königreich blieb im Grunde während der ganzen Regierungszeit König Wilhelms I. mehr oder weniger deutlich von den Auswirkungen des Pauperismus gekennzeichnet. Überwiegend aus wirtschaftlich-sozialen Gründen wanderten von 1815 bis zur Gründung des Deutschen Reichs 1871 mindestens 400.000 Württemberger nach Osteuropa oder Amerika aus, was einem Jahresdurchschnitt von 4.200 Menschen entspricht. Allein von 1800 bis 1804 wanderten etwa 17.500 Personen hauptsächlich nach Osteuropa aus, ehe ein Verbot König Friedrichs, das von 1807 bis 1815 galt, die Auswanderung untersagte. Nach Aufhebung des Verbots stieg die Zahl der Auswanderer 1816 und 1817 sprunghaft an. Sie betrug jeweils etwa 20.000 Personen pro Jahr.[52] Als Gründe für die Auswanderung kamen nicht nur Armut und Arbeitslosigkeit, sondern auch die drückende Steuerlast und die verbreitete Willkür der Obrigkeit zum Tragen. Namentlich das elende Schreibereiwesen führte zum Entschluss, der Heimat den Rücken zu kehren, weil unter diesen staatlichen Repressionen für viele keine Entfaltungsmöglichkeit für die Zukunft ersichtlich schien.[53]
Da aus Mangel an Kohle eine frühe Industrialisierung Württembergs ausgeschlossen war und auch die Produktion schwerer Güter an den schlechten Transportmöglichkeiten scheiterte, war das Handwerk hauptsächlich mit der Produktion von Textilien und sonstiger leicht zu transportierender Waren beschäftigt (Feinmechanik, Instrumentenbau für Wissenschaft und Kunst sowie Musikinstrumente), sofern es um den Export ging. Viele der Erzeugnisse des Handwerks waren aber auch lediglich für den heimischen Markt bestimmt, insbesondere im Bau- und Möbelgewerbe. Das Handwerk blieb noch bis ins Jahr 1862 in Zünften organisiert. Die Manufakturen und vereinzelten Fabriken bezogen ihre Energie hauptsächlich aus Wasserkraft, so dass entlang des Neckars wie in Esslingen und Cannstatt die Keimzellen der Industrie in Württemberg lagen. Erst im Jahre 1895 überflügelte in Württemberg die Dampfkraft die Wasserkraft.
Mittelständisch geprägte Industrialisierung in Württemberg
Der in seiner Zeit verkannte Nationalökonom Friedrich List hatte viele Gedanken vorformuliert, die Württemberg ganz allmählich halfen, aus seiner wirtschaftlichen Misere herauszukommen. Dazu gehörte die Gründung des Süddeutschen Zollvereins 1828 und des Deutschen Zollvereins 1834, an deren Zustandekommen König Wilhelm I. ein großes Interesse hatte genauso wie die stetige Verbesserung der Land- und Wasserstraßen. Welche Herausforderungen dies mit sich brachte, kann exemplarisch mit dem Hinweis auf die Bewältigung der Geislinger Steige am Albaufstieg und der Neuen Weinsteige in Stuttgart in Erinnerung gerufen werden. Den Grundstein zum Ausbau des Neckars als Wasserstraße hatte von 1819 bis 1821 der Stuttgarter Wasserbaudirektor Karl August Friedrich von Duttenhofer mit dem Bau des Wilhelmskanals bei Heilbronn gelegt. 1841 erreichte die Neckar-Dampfschifffahrt Heilbronn, jedoch scheiterte weiter flussaufwärts der wirtschaftliche Einsatz von Schaufelraddampfern an den ungünstigen Wasserverhältnissen des Neckars. Auf dem Bodensee fuhren Dampfschiffe bereits ab 1824.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel (* 27. August 1770 in Stuttgart; † 14. November 1831 in Berlin): [Beurteilung der] Verhandlungen in der Versammlung der Landstände des Königreichs Württemberg im Jahr 1815 und 1816.
Die Zeit hatte für Württemberg eine neue Aufgabe und die Forderung ihrer Lösung herbeigeführt, die Aufgabe, die württembergischen Lande zu einem Staate zu errichten. Nachdem der Unsinn der Einrichtung, welcher Deutsches Reich genannt und wohl am richtigsten von einem wenigstens geistreichen Geschichtsschreiber als die Konstituierung der Anarchie bezeichnet worden ist, endlich sein verdientes und ihm auch in der äußeren Art und Weise gemäßes schimpfliches Ende erreicht hatte, erhielt das vormalige Württemberg nicht nur eine Vergrößerung um mehr als das Doppelte gegen seinen vorherigen Bestand, sondern dieses Ganze, dessen Teile vorher deutsche Reichslehen, der Teil, der das Herzogtum ausgemacht hatte, auch ein böhmisches Afterlehen gewesen war, warf diese Unterordnung ab, trat mit der königlichen Würde des Fürsten in die Souveränität über und in die Stellung eines Staates, – eines von den wirklichen deutschen Reichen, die den Platz des Undings einnehmen, das nur noch den leeren Namen eines Reichs geführt hatte.
Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des Königreichs Württemberg im Jahre <…> Stuttgart
Verhandlungen 1833 1. Landtag:
- 34. Band, Stuttgart 1833:
1. Abt. I. Sitzung, S. 13 Ungültigkeitserklärung der Wahl Wangenheims nach § 147 Wohnsitz.
35. Band, Stuttgart 1833:
2. Abt. XV. Sitzung, S. 3f. 4.2.1833 Wahl Wangenheim.
S. 59-66 4.2.1833: Bericht Hufnagel, ständische Legitimations-Commission wg Wangenheim.
S. 67-85 4.2.1833: Bericht Schott, Minderheitsvotum zu Wangenheim.
Bewertung eines Zollvereins mit Preußen
XVII. Sitzung, S. 44f. 6.2.1833: Zais über Abschluss eines Zoll- und Handelsvertrags.
S. 47-60 6.2.1833: Motion Zais zu ZV mit Preußen.
Beil.: Motion Zais von Cannstadt zum ZV mit Pr.
S. 49 <Erklärung, daß> der ehrliche Groß- und Kleinhandel in Colonial- und Manufaktur-Waaren dem stets mächtiger werdenden Schmuggelhandel unterliegen <müßte.> …
auch schweige ich von den traurigen, die Moralität der Gränzbewohner untergrabenden Folgen der hohen Zollsätze, die in demselben Verhältniß um sich greifen würden, als wir uns den noch höheren preußischen Zöllen unterwerfen müßten.
S. 50 Nicht weniger Täuschung liegt in der Voraussetzung, Sachsen und Baden werden sich nach dem Beitritt Baierns und Würtembergs sogleich entschließen, und dadurch dem Schmuggelhandel die Nahrung abschneiden; geschähe auch ersteres, so würde letzteres doch nicht erfolgen; denn wie jetzt das Voigtland und die badische Gränze die Schmuggel-Linien bilden, so würde es in der Folge die Schweiz seyn.
XVIII. Sitzung, S. 1, 7.2.1833: Wahl einer Kommission zu Motion Zais.
XX. Sitzung, S. 3, 11.2.1833: Berichterstattung Motion Zais.
S. 3-79 Beratung über Kommissionsbericht zur Legitimation Wangenheims.
XXI. Sitzung, S. 1, 12.2.1833, Beschluss über Wahl Wangenheims verlesen und genehmigt. (Beilage 1).
S. 11-40 12.2.1833: Beratung des Kommissionsberichts über Zaissche Motion
S. 40f. 12.2.1833: Beschluss Adresse
S. 41-43 12.2.1833: Bericht der Komm. zur Motion von Zais, erstattet von Keßler,
S. 42 Ebenso wenig glaubt Ihre Commission sich darüber täuschen zu dürfen, wie, aller Theorie zum Hohn, es denn doch möglich sey, daß man auf der einen Seite mit / S. 43 so überaus wünschenswerther Hinwegräumung der Zollschranken und der Schmuggel-Pest, zwar einen erweiterten Raum für Handel und Verkehr gewinnt, auf der andern Seite dagegen am Handel selbst eine höchst empfindliche und tiefgreifende Einbuße erleidet.
Der freie Raum für den Markt ist ja der Markt noch nicht selber. Und über die Gebühr erhöhte Zölle, sey es auch nur in Betreff einzelner Artikel, die als fremde Waare zum weit verbreiteten Bedürfniß geworden, könnten dann allzuleicht das Einschwärzen auf andern Punkten zur verderblichen Sitte machen, oder diese Sitte bis zur Feindseligkeit, bis zur Gewaltthat und zur Auflösung der moralischen Bande steigern, die den friedlichen Bürger an den Staat knüpfen.
XXII. Sitzung, S. 4-8, 13.2.1833: Beratung Motion Zais.
S. 11f., 13.2.1833: Adresse an Geh. Rat zu ZV mit Preußen.
XXIII. Sitzung, S. 4, 14.2.1833: Adresse an 1. Kammer wg Zoll- und Handelsverhältnissen.
36. Band, Stuttgart 1833:
3. Abt. XXVII. Sitzung, S. 52-54 20.2.1833: Beilage Note der Ersten Kammer.
XXXI. Sitzung, S. 58-62 25.2.1833: Beratung des Kgl Rescripts auf Zoll- und Handelsverhältnisse.
S. 67f. 25.2.1833: Rescript auf Adresse wg Zoll- und Handelsverhältnissen mit Preußen
Umfang der Zollvergehen
XXXVI. Sitzung, S. 25-61 2.3.1833: Beratung des Rechenschaftsberichts: Ertrag des Zollgefälles, Höhe der Zölle, das Schmuggelunwesen.
S. 31 Klett: Ich glaube, daß sich die Frage, wie hinsichtlich der gegenwärtig bestehenden hohen Zo1lsätze, dieses großen Staatsübels, Abhülfe geschehen könne, zur Erörterung bei Berathung des Etats eignet. Ich gehe deßhalb für jetzt davon ab und beschränke mich bloß darauf, der Kammer einen kurzen aber bündigen Beweis von der ungeheuern Zahl von Zolldefraudationen auf den Grund der Listen, wie sie vorliegen, und zugleich von der hohen Wahrscheinlichkeit, ja ich möchte sagen, Gewißheit zu geben, daß bei der Herabsetzung der Zölle auf beinahe ein Drittel, die Staatscasse keinen Ausfall in ihren Einnahmen zu fürchten hätte.
S. 32 <Zu Zucker und Kaffee.> Es hätten aber diese Artikel, da sie, wie ich so eben bemerkte, in den Jahren 1829/32 einen vierfach höheren Zoll bezahlen mußten, als in den Jahren 1823/26 (ohne Schmuggel), auch das Vierfache von demjenigen abwerfen müssen, was Zucker und Caffee früher abgeworfen hatte, und es wäre daher statt der so eben angegebenen Summe in den Jahren 1829/32 eine Summe von 3,712,000 fl erforderlich gewesen, um dasselbe Verhältniß herzustellen. Da nun aber blos 1,635,000 fl. eingegangen sind, so zeigen sich zur Genüge einmal die ungeheuern Defraudationen, und zweitens geht daraus hervor, welche große und weit mehr als die Hälfte betragende Reduction die Zölle erleiden könnten, ohne daß die Staatscasse, die dann keine so kostspieligen Aufsichtsmaßregeln nöthig hätte, verkürzt würde.
Bedeutung der Zolltarifhöhe
Geheimerath von Herdegen: Wenn man nämlich vergleicht, wie viel die ältern und die neuern Listen Einfuhr von Zucker und Caffee enthalten, so wird man in den neuern mehr finden, was beweist, daß früher mehr geschmuggelt wurde, welches übrigens bei hohen und niederen Zöllen geschieht. Bei niedern Zöllen sind aber die Mittel nicht so gegeben, die Grenze zu bewachen, als bei höheren Zöllen, weßhalb bei jenen nach gemachten Erfahrungen mehr geschmuggelt wird.
Klett: Früher wurde nicht der zehnte Theil von demjenigen geschmuggelt, was jetzt.
S. 33 Geheimerath v. Herdegen: Ich wiederho1e, die Zollregister von früher und jetzt sind mit einander zu vergleichen. Blos daraus kann man ersehen, ob früher oder jetzt mehr geschmuggelt worden ist, nicht aber aus einer Vergleichung der Einnahmen im Ganzen.
Klett: Die Zollregister werden genügende Auskunft geben, und ich trage darauf an, daß neben der Finanzcommssion auch die Zollcommission beauftragt werde, die Zollrechnungen in der Richtung, die ich bezeichnete, zu prüfen.
Veranstaltung vom 20.12.2017
Justinus Kerner, Württemberger Lied
Preisend mit viel schönen Reden
Ihrer Länder Wert und Zahl,
Saßen viele deutsche Fürsten
Einst zu Worms im Kaisersaal.
„Herrlich“, sprach der Fürst von Sachsen,
„Ist mein Land und seine Macht;
Silber hegen seine Berge
Wohl in manchem tiefen Schacht.“
„Seht mein Land in üpp’ger Fülle,“
Sprach der Kurfürst von dem Rhein,
„Goldne Saaten in den Tälern,
Auf den Bergen edlen Wein!“
„Große Städte, reiche Klöster“,
Ludwig, Herr zu Bayern, sprach,
„Schaffen, daß mein Land den euren
wohl nicht steht an Schätzen nach.“
Eberhard, der mit dem Barte,
Württembergs geliebter Herr,
Sprach: „Mein Land hat kleine Städte,
Trägt nicht Berge silberschwer;
Doch ein Kleinod hält’s verborgen:
Daß in Wäldern, noch so groß,
Ich mein Haupt kann kühnlich legen
Jedem Untertan in Schoß.“
Und es rief der Herr von Sachsen,
Der von Bayern, der vom Rhein:
„Graf im
Bart! Ihr seid der Reichste!
Euer Land trägt Edelstein!“
Aufwand für Zollkontrollen
Kayser: Die Erhebung der Zollgefälle nimmt 23 Procent in Anspruch, und wenn man nach dem Aufwand/ S. 34 rechnet, den andere höhere Stellen, die des Zolls wegen bestehen, machen, so wird der Betrag bis auf 30 Procent steigen. …
Zucker und Caffee sind diejenigen Gegenstände, die uns unumgänglich nothwendig sind, und auch in der Folge absolut nothwendig seyn werden, und doch ist darauf der höchste Zoll gelegt. Wenn man in dieser Beziehung besonders die Grenzgegenden und den Schmuggelhandel daselbst ins Auge faßt, wobei der ordentliche Kaufmann gar nicht mehr bestehen kann, wenn man erwägt, wie viele Menschen von dem Kinde bis zum Greise dadurch an Leib und Seele verdorben werden, so muß man, besonders da die Einzugskosten ’so groß sind, auf den Gedanken an niedere Zölle zurückkomme.
Es werden selbst in Gegenden, die für die Colonialwaaren gar nicht gelegen sind, wie z.B. in Nürnberg, Anerbietungen von Zucker und Caffee in Preisen gemacht, die nur möglich sind, wenn 7/8 hereingeschmuggelt werden. Dieses erzeugt nun in beiden Ländern auch unter den. Kaufleuten ein gewisses Mißtrauen, wenigstens gegen die Grenzzo11beamten, weil man einen solchen Schmuggel nicht für möglich hält, wenn er nicht bei dem Regierungspersonal selbst Schutz / S. 35 findet. Es wird daher eine doppelt wichtige Aufgabe für die Regierung seyn, auf Herabsetzung der Zölle möglichst Bedacht zu nehmen, um besonders unsere Grenzgegenden von dem mercantilischen und moralischen Verderben zu retten.
Vereingsgebiet und Schmuggelbekämpfung
Herdegen: Ich will deshalb die Debatte nicht länger aufhalten, habe aber schon bemerkt, daß die niederen Zölle nicht gerade das Mittel sind, den Schmuggel zu verhindern. Es liegt mehr in einer Erweiterung des Handelsgebiets.
Kontrollkosten
S. 35 Dörtenbach: Was die Bemerkung betrifft, daß die Verwaltungskosten 23 Procent betragen, so kann ich dieß nicht im Augenblick nachrechnen, allein ich finde, daß in dem neuen Etat von dem Brutto-Ertrag, der auf 1,200,000 fl. angenommen ist, 33 Procent Verwaltungskosten und 9 Procent andere Ausgaben, also 42 Procent in Abzug kommen.
Regierung soll Konsequenzen aus Überhandnehmen des Schmuggels ziehen
S. 36 Pfizer: Was ich sagen wollte, ist bereits von sachkundigem und erfahrenern Rednern gesagt worden. Der Gegenstand scheint mir aber doch von so allgemeinem Interesse zu seyn, daß auch einem Laien einige Worte erlaubt seyn dürften. Von. allen Seiten hört man bei uns Klagen über die hohen Zollsätze, und über das dadurch erzeugte und genährte Schmuggelwesen, das nicht nur auf den Handel, sondern auch auf die Sittlichkeit des Volks den nachtheiligsten Einfluß hat. Wenn auch nur die Hälfte dieser Klagen in der Wahrheit gegründet ist, so kann man, scheint es, nicht genug eilen, dem Strome von Demoralisation, der über unser Land in Folge der bestehenden Zollgesetze und Zolleinrichtungen hereinbricht, und ganze Ortschaften, ganze Striche unserer Bevölkerung zu ergreifen, jedem rechtlichen Erwerbe zu entfremden, und in einen fortwährenden Kriegszustand gegen Gesetz und Obrigkeit zu versetzen droht, Einhalt zu thun. Darum halte ich für Pflicht der Stände, im Hinblick auf die obschwebenden Unterhandlungen über Zoll- und Handelsangelegenneiten der Regierung bei jedem Anlaß diesen Gegenstand zu ernster Berücksichtigung angelegentlichst zu empfehlen. Ich schließe mich in dieser Hinsicht ganz den Bemerkungen des Abgeordneten Kayser an, und bitte um die Erlaubniß, aus dem Schreiben eines meiner Committenten, eines Tübinger Kaufmanns, zu Bestätigung meiner Behauptungen einiges mitzutheilen. (Trägt solches vor •)
Tarifhöhe und Schmuggelgefahr
S. 37 Zais: Die hohen Zölle lassen sich aus zwei Gesichtspunkten betrachten; einmal sind sie ein Mittel der Besteurung, und in dieser Hinsicht sehr zu beachten, und andererseits ein Mittel, die innere Industrie zu fördern. Ware nun Würtemberg vermöge seiner geographischen S.38 Lage im Fall, den ersten Gesichtspunkt festzuhalten, wäre man nämlich wirklich im Stande, eine Besteurung auf diesem Wege zu erheben, so würde ich der Erste seyn, der die hohen Zölle in Schutz nähme; allein dieses ist, wie mehrere Redner bemerkt haben, durchaus nicht möglich. Auch zeigt es leider die Erfahrung, denn unsere Zolleinnahme ist sehr gering im Verhältniß mit dem Verbrauch, indem am Ministertisch selbst schon zugegeben wurde, daß der Verbrauch von Zucker in Würtemberg nahe an 50,000 Centner betragen werde. Nehmen wir nun an, daß nur der dritte Theil Caffee verbraucht wird, so wird sich schon daraus angeben, daß eine Brutto-Zolleinnahme von ungefähr einer Million herauskommen müßte; daß sie aber nicht herauskommt, liegt klar am Tage, und daß überhaupt mit erhöhten Zöllen die Einschwärzung im Verhältniß steht, kann niemand läugnen. Es wird dieß so sehr anerkannt, daß der französische Handelsminister Argout noch vor zwei Monaten einen Gesetzesentwurf in die Deputirtenkammer brachte, worin er die Schmuggellinien zum Maßstab für die Zölle annimmt und sagt, wir können die Zölle noch etwas höher halten, als die Schmuggellinien, denn der Kaufmann ist in der Regel doch so weit ehrlich, daß er eher seine Waare verzollt, als das Geld den Schmugglern zu lösen gibt. Dieser französische Handelsminister hat wahrscheinlich nach reifer Erfahrung die Schmuggellinien als Maßstab für die Zölle angenommen. Nun ist aber in Baden der Maßstab 1 fl. 20 kr., und in Würtemberg l5 fl., was eine Prämie auf den Schmuggel ist, die durch keine Zollschutzwache überwunden werden kann. Aus getreuen Berichten des Handelsstandes aller Gegenden in Würtemberg ist zu ersehen, daß durchaus hier keine Übertreibungen stattfinden, und der Handelsstand nicht, wie man so gerne glauben möchte, muthwillig klagt, denn es ist so weit gekommen, daß die ersten Handlungshäuser ihre Commis entlassen, und der sonst so schöne Handel mit Colonial/ S. 39 waaren zu Grunde geht. Wenn man die letzten Zolleinnahmen als Maßstab annehmen will, so muß ich bemerken, daß diese sehr trügerisch sind, denn das Schmuggelwesen hat in den letzten fünf Monaten eine Ausdehnung erlangt, wovon man keinen Begriff hat. Es liegen zwar noch viele verzollte Waaren im Lande, allein bald wird dieß nicht mehr seyn, und wir sehen der traurigsten Catastrophe in Beziehung auf die Colonialwaaren entgegen. <Zustimmung Zu Kaysers Antrag.>
Badische Grenze als Schmuggelgebiet
Pflanz: Ich bin mit demjenigen einverstanden, was über die traurigen Folgen dieses Systems gesagt wurde, und wenn behauptet werden will, daß niedere Zollsätze dagegen kein Mittel seyen, so will ich nur ein Beispiel anführen: Ich weiß im Schwarzwald einen Ort, der früher sehr an Arbeit gewöhnt war, in welchem aber im vorigen Sommer während der Erndte kein Taglöhner erhalten werden konnte, indem sie bei Nacht aus dem Badischen Colonialwaaren hereinschmuggeln, und solchergestalt auf eine leichte, aber ungesetzliche Weise drei/ S.40 mal mehr verdienen, als bei Tag durch Taglohn. Ich weiß ferner einen namhaften Krämer in einem badischen Ort, der früher jede Woche einige Pfund Zucker und Caffee verkaufte, und sie bei einem würtembergischen Kaufmann, der hier anwesend ist, holte. Dieser verkauft nun in der Woche ganze Wagen voll, und ist in kurzer Zeit einer der reichsten Leute an der badischen Grenze geworden.
Schmuggel und Gewaltantwendung
Die Nachrichten, die ich von Rottweil erhalten habe, erregen Schaudern. Die Schmuggler leben in offenem Kampfe nicht nur mit der Zollschutzwaehe, sondern auch unter sich, indem sie sich selbst überfallen, und einander das Geschmuggelte rauben. Gerade auf diese Weise wird ein großer Theil der Bewohner Würtembergs ganz demoralisirt, und man sollte dabei nicht blos auf den finanziellen Gewinn Rücksicht nehmen, sondern auch auf die Sittlichkeit des Volks, denn geht diese verloren, so weiß ich nicht, wohin wir kommen werden.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch fragen, in welchen Fällen den Zollschutzwächtern erlaubt ist, ihr Mordgewehr gegen die Schmuggler zu gebrauchen.
Geheimerath v. Herdegen: In der 1nstruction ist es genau bestimmt.
Pflanz: Einen Menschen wegen eines Zuckerhutes todt schießen, ist schauerlich.
Leitlinie der Regierung in Zollpolitik
Geheimrath v. Herdegen: Die Regierung hat keine andere Absicht, als die Zolllinien durch neue Handelsverträge zu entfernen.
Stimmung der Kaufleute im Oberamt Balingen (Zollernalbkreis) wegen Schmuggel
Menzel: Ganz dieselben Beschwerden herrschen in dem Oberamt, dessen Vertreter ich bin. Es liegen mir vier Schreiben von rechtlichen Kaufleuten vor, die sich auf das Bitterste gegen den immer überhand nehmenden Schmuggel beklagen, wodurch alle ehrlichen Leute nothwendig zu Grunde gehen müssen. Sie beschweren sich nicht nur darüber, daß sie im Erwerb benachtheiligt sind, sondern auch, daß im gesellschaftlichen Leben die Ehrlichen,/ S. 41 weil sie die Minderzahl bilden, unter der Masse von Schurken untergehen müssen.
Demoralisation im Oberamt Neuenbürg (Landkreis Calw)
Schott: Im Namen des Oberamtsbezirks, den ich vertrete, habe auch ich Klage zu erheben, über die außerordentliche Demoralisation und die Verkümmerung des täglichen Verkehrs mit dem Nachbarstaat. Ich glaube daher, die Finanzcommission sollte es sich zur besonderen Pflicht machen, nicht nur diesen Gegenstand zu berücksichtigen, sondern auch die Straffälle sich vorlegen zu lassen, die seit Einführung dieses Systems eingetreten sind. Ich höre, daß in Einem Jahre 2113 Straffälle vorgekommen sind, die außer den Confiscationen 45,000 fl. eingetragen haben, was den sichersten Maßstab für diese wahrhafte Landesbeschwerde geben wird.
Hintermänner für Schmuggler
Feuerlein: Allerdings, allein das Finanzministerium hat zugleich bemerkt, daß blos die ärmste Volksclasse vorgeschoben, die eigentlichen Schmuggler aber im Hintergrund bleiben und nicht erreicht werden.
Klage über Schmuggel allgemein in Tuttlingen
S. 43 Schneckenburger: In meinem Bezirke ist die Klage so allgemein über diese Gräuel der Verwüstung, wie man es heißt, daß ich mich gar nicht genug darüber aussprechen kann. Keine Farbe ist grell genug, um die Sache zu illuminiren. Was den Schmuggel betrifft, so übersteigt er alle Grenzen. Ich wohne selbst in einem Ort, der noch vor wenigen Jahren sich durch Arbeit vor vielen andern auszeichnete, während gegenwärtig in demselben Orte, der andern zum Muster vorgestellt worden ist, mehr als 30 solcher Leute sich befinden, die fast alle Nacht diesem traurigen Geschäfte nachgehen. Der Schmuggel geschieht auch nicht bloß im Kleinen, sondern die Leute gehen haufenweise, und ich weiß Beispiele, daß fremde reisende HandeIsleute rechtlichen Kaufleuten um die Hälfte des Zolls und noch niederer oft solche Waaren, frei vor das Haus geliefert, anbieten.
Einem solchen Übelstande sollte denn doch abgeholfen werden, worin mir die Kammer gewiß beistimmen wird.
Viele Stimmen: Allerdings, denn es herrscht hierüber nur Eine Stimme im Lande.
Schneckenburger: Auf den Landbau wirkt dieses Verhältniß so ungünstig, daß es einem
Bauern oft nicht möglich ist, Taglöhner zu bekommen, denn die Leute sagen, sie müßten Narren seyn, wenn sie 24 kr. nachliefen, während sie 1 fl. 21 kr. verdienen könnten. Für diese Leute selbst ist es übrigens kein Glück, denn es heißt / S. 44 hier: wie gewonnen, so zerronnen; versammeln sie sich in den Bier- und Branntweinkneipen und unterreden sich in ihrer eigenen technischen Sprache über eine neue Unternehmung, wobei man z.B. die Ausdrücke hört: Wann geht der Mond auf? Willst du den Abendstern auch sehen? mittlerweile aber verprassen sie ihr Geld.
Hinweis auf Meldepflicht von Zollbetrug an Behörden
Geheimerath v. Herdegen: Es ist zu bedauern, wenn Ortsobrigkeiten und redliche Bürger solche Dinge wissen und die Behörden nicht davon in Kenntniß setzen. Es ist dies die Pflicht eines Jeden.
Schneckenburger: Es war eine eigene Deputation von Tuttlingen hier bei dem König selbst, sie hat aber nichts bezweckt.
Wunsch der Herabsetzung von Zöllen wegen Schmuggel
Decan Münch: Ich will das Bild, welches der Abgeordnete Schneckenburger entworfen hat, nicht noch mehr ausmalen. Auch ich wohne an der badischen Grenze und bin von allem demjenigen, was von der Demoralisation gesprochen wurde, so vollkommen überzeugt, daß auch ich eine Herabsetzung der Zölle sehr wünschen muß.
Artikel 19 Bundesakte
Römer: <hofft auf Ausführung von Art. 19 durch Bundesversammlung.> Ich bemerke dies S.45 nur zur Beruhigung derjenigen Redner vor mir, die in der sich vermehrenden Demoralisation. durch den Schmuggelhandel sich so grelle Vorstellungen gemacht haben.
Kaufleute aus Freudenstadt wollen Herabsetzung der Zölle
Stahl v. Freudenstadt: Dem vielen Gesagten will ich nur noch das beifügen, daß die Kaufleute in Freudenstadt ganz zu Grunde gerichtet sind, wenn die Zölle nicht herabgesetzt werden.
Fabrikanten und Schutzzoll
S. 46 Deffner: Auch ich bin völlig von den Nachtheilen durchdrungen, die aus den hohen Zöllen für die Sittlichkeit hervorgehen, und ich fürchte sehr, es möchte auch noch andere europäische Staaten wegen dieser Maßregeln die Nemesis ereilen. Was die Bemerkung betrifft, daß die Fabrikanten hohe Zölle wünschen, so kann ich diesen Satz in einer solchen Allgemeinheit nicht anerkennen, da ich mehrere Fabrikanten kenne, die bestimmt schon bei jeder Gelegenheit erklärt haben, sie verlangen keine Schutzzölle. Im Allgemeinen mag allerdings dieß der Wunsch seyn, allein wenn er für die Fabrikanten nur auf Kosten der Sittlichkeit der übrigen Bürger erreicht werden könnte, so wäre er doch etwas zu theuer erkauft.
Badens Vereinigung mit Bayern und Württemberg wichtiger als die mit Preußen
Bollstetter: Der Hr. Geheime Rath sagte vorhin, man suche die Zolllinien zu erweitern; wenn wir uns / S. 47 aber mit Baden nicht vereinigen, so nützt uns das Anschließen an Preußen nichts.
Dieser Staat kann ohnehin nie geringe Zölle haben, da er viele Länderstrecken enthält, wo er gar keine Grundsteuer erheben kann. Die Vereinigung mit Baden ist daher die Hauptsache, weil sich nur von dort aus niedere Zölle erwarten lassen, was um so mehr zu wünschen ist, als gegenwärtig die ganze Strecke von Riedlingen bis Friedrichshafen eine einzige Schmuggellinie bildet.
Nur Verein mit Baden bringt Heil gegen Schmuggel
Murschel: Auch ich halte für meine Pflicht, zur Kenntniß der Kammer zu bringen, daß mir aus dem Oberamt Maulbronn, dessen Vertreter ich bin, ein ganzer Fascikel von Klagen über dieses Zollsystem mitgetheilt wurde, und auch dort nur in einem Vereine mit Baden das Heil gesucht wird.
Allgemeine Moralität durch Schmuggel in Gefahr
Keller: Es ertönt nur Eine Stimme von Mergentheim bis Friedrichshafen, daß der Handel gelähmt und die Moralität gefährdet sey, der Staat aber dennoch keine so große Einnahmsquelle aus den Zöllen erhalte, wenn man die großen Kosten berechnet. Selbst Kinder von 12 Jahren sah ich durch die Landjäger einführen, so, daß also auch schon in diesen, durch dieses Institut, die Moralität erstickt wird. Ich könnte eine ganze Registratur von Beschwerden in die Kanmer bringen, deren Verlesung bis in die / S. 48 Nacht hinein dauern würde.
Abhilfe gegen Schmuggel durch Verein oder niedrige Zolltarife
Pfäfflin: Auch ich kann nicht bloß von meinem Oberamte, sondern besonders von dem noch nicht vertretenen Oberamt Oberndorf, hauptsächlich aber von Alprisbach versichern, daß durch die hohen Zölle und die dadurch herbeigeführten Schmuggeleien der Handel der Kaufleute nach und nach ganz zu Grunde gehen müßte. Der Herr Minister hat vorhin bemerkt, es könne nur durch Erweiterung des Handelsgebiets geholfen werden, allein dieß kann auch durch Herabsetzung der Zölle geschehen, und durch eine solche Herabsetzung werden wir eher zu einem Vereine mit Baden gelangen, was, wie man allgemein sagt, nie geschehen kann, wenn man sich an Preußen mit seinen hohen Zöllen anschließt.
Wandel des Schmugglerprofils
Gmelin: Ich glaube nicht, daß das Schmuggelwesen erst seit den hohen Zöllen entstanden ist.
Viele Stimmen: Ja, Ja.
Ich habe actenmäßige Beweise von unzähligen Fällen gesehen, nach welchen der Schmuggelhandel schon vor 15 Jahren und noch länger wirklich gewerbsmäßig getrieben wurde, allein er wurde durch andere Mittel und Wege getrieben. Damals war es der Kaufmann oder der Fuhrmann und der Zollbeamte, welche die Sache unter sich ausmachten, oder es konnte auch der Fuhrmann hereinkommen ohne bemerkt zu werden. Jetzt wird aber die Sache anders behandelt: der Landmann, und zwar besonders arme Landmann, / S.49 der in der Nähe der Gränze wohnt, wird mit in die Sache hineingezogen und in dieser Hinsicht ist es ganz gewiß, was viele Mitglieder, ich glaube nicht einmal mit übertriebenen Farben, sondern der Wahrheit gemaß dargestellt haben, daß nämlich der Moralität eines großen Theils des Volkes in den Orten, wo jetzt der Schmuggelhandel getrieben wird, eine sehr bedeutende Gefahr droht. Einen andern Übelstand finde ich auch darin daß, wenigstens meiner Überzeugung nach, die Zollstrafgesetze nicht zweckmäßig sind. Auch nach meinen Erfahrungen wird nur selten der wahre Schuldige, nämlich im rechtlichen Sinn der sogenannte moralische Urheber, einer Schmuggelei bestraft, sondern gewöhnlich nur der, der sich aus Noth, in der Hoffnung eines kleinen Gewinns, zu dem Werkzeug des Schmugglers hergegeben hat.
Moralität als Staatsziel in Schmuggelfrage
Pfleiderer: Ich muß mich dem Antrag des Abgeordneten Kayser anschließen, denn hier muß der Finanzpunkt wohl im Hintergrund bleiben, wo der höchste Zweck des Staats, nämlich die Moralität, leidet. Eine wichtige Frage erlaube ich mir, aber an den Herrn Geheimenrath, ob nämlich die Instruction, wornach ein Landjäger auf einen Defraudanten schießen darf, überall bekannt gemacht ist, oder ob dieß nur die Zollschutzwächter wissen.
Waffengebrauch der Landjäge in Schmuggelabwehr
Geheimerrath v. Herdegen: Die Instruction ist gedruckt, wie die Landjäger-Instruction.
Pfleiderer: Ist es aber möglich, daß durch eine Instruction einem Bürger, der ein Pfund Zucker oder/ S. 50 Salz aus einem andern Lande herbringt, das Leben genommen werden kann?
Geheimerath v. Herdegen: Es ist genau vorgeschrieben, daß nur im Fall der Nothwehr dergleichen statt finden kann.
Pfleiderer: Ich halte diese Instruction mit der Verfassung in Widerspruch, wornach niemand seinem ordentlichen Richter entzogen werden soll. Wenn ein Mann Zucker holt, und das Vergehen nicht einmal um einen Gulden sich dreht, er aber deßhalb von den Behörden niedergeschossen werden kann, so frage ich, ob ein Würtembergischer Bürger sich noch des, ihm durch die Verfassung versprochenen, Schutzes zu erfreuen hat?
Geheimerath v. Herdegen: Die Zollschutzwache ist ein Theil des Landjägercorps, und die Bedingungen sind genau vorgeschrieben, unter denen der Einzelne von den Waffen Gebrauch machen darf.
Pfleiderer: Ich könnte Fälle anführen, daß Leute erschossen oder verwundet wurden, die an nichts weniger dachten, als Jemand anzurühren, sondern bloß auf dem Wege der Flucht waren.
Präl. v. Pfister: Auch ich darf Amtshalber nicht verschweigen, daß auf der ganzen Linie von Freudenstadt bis Neuenbürg fast alle Pfarrberichte laute Klagen über die verderblichen Folgen des Schmugglens aussprechen.
Prälat v. Haas: Auch ich muß dieß bestätigen.
Prälat v. Pfister: Schon auf dem Landtage von 1830 sind Anträge gestellt worden, dem Verderbniß abzuhelfen, jetzt ist es hiezu hohe Zeit.
Mosthaf: Auch mich haben die Kaufleute im Oberamt Horb benachrichtigt, daß der Schmuggel bei ihnen so sehr überhand genommen habe, daß der redliche Kaufmann nicht mehr bestehen könne. Ich glaube übrigens, daß, wenn man auch die hohen Zollsätze herabsetzt, / S. 51 der Ausfall nicht so außerordentlich seyn wird, als man sich denkt; denn es ist ein Erfahrungssatz, daß mäßige Zölle oft mehr eintragen als so hohe.
Niedrige Zölle wirksam gegen Schmuggel
Speidel: So sehr auch bei uns das Schmuggeln verabscheut wird, und die Gemeindebehörden sich bemühen, demselben entgegenzuwirken, so scheint es doch, daß die Defraudationen nicht abnehmen wollen.
Zur Ehre unserer Leute muß ich übrigens bemerken, daß es sich immer nur um kleinere Defraudationen handelt, allein der Wunsch nach Ermäßigung der Zölle ist doch im ganzen Oberamt Neckarsulm laut.
Missbrauch der Schusswaffe durch Zollbeamte
Dörtenbach: Was die Zollschutzwächter und deren Instruction betrifft, so ist schwer darüber ins Klare zu kommen, ob sie zu rechter Zeit und nur im Nothfall ihr Gewehr gebrauchen, denn schießen sie Einen todt, so kann er nicht mehr sprechen, und schießen sie ihm bloß nach, so wird er nicht zurückgehen und es anzeigen.
Diese Instruction hat auch in unserer Stadt schon nachtheilig gewirkt, indem zuverlässig schon oft unnützer Weise geschossen worden ist; die Leute, die geflohen sind, haben sich natürlich nicht gestellt, und die Zollschutzwächter konnten sagen, was sie wollten, und der Mißbrauch der Waffe, der vielleicht einem hätte vorgeworfen werden können, konnte nicht bestraft werden.
Moralität höher zu achten als fiskalischer Gewinn, gegen Schußgewalt auf Schmuggler
Frhr. v. Welden: Aus allem Gesagten geht klar hervor, daß die hohen Zölle höchst nachtheilig auf die Moralität wirken, und daß daher die Regierung verpflichtet ist, hierauf mehr Rücksicht zu nehmen, als auf einen finanziel1en Gewinn.
Was die Instruktion der Landjäger betrifft, wornach diese berechtigt seyn sollen, auf Defraudanten zu schießen, so wird hier über Leben und Tod verfügt, was der Regierung mittelst einer Verordnung zu verfügen nun und nimmermehr zustehen kann.
Anders verhält es sich mit dem Schießen auf Wilderer, was sich durch die schon von jeher bestehenden und noch gültigen Gesetze rechtfertigt. Ich für meine Person erkenne es aber bei der Zollschutzwache nicht an.
Zolltarifsenkung alleiniges Heilmittel gegen Schmuggel
Keller: Es wurde bemerkt, daß vor zwölf Jahren bereits ebenso defraudirt worden sey, wie jetzt; allein dagegen sprechen die Erfahrungen von ganz Deutschland, indem man allgemein hört, daß durch die starken Zölle das Schmuggelwesen außerordentlich begünstigt wird, wir also bloß in der Herabsetzung der Zölle Heil zu erwarten haben.
Besonders württembergischer Handel erleidet Umsatzeinbußen
Krug: Ich wollte nur noch beifügen, daß ich bedeutende Handelshäuser in unserem Lande kenne, die früher bedeutenden Absatz an Colonialwaaren hatten. Seit einiger Zeit aber sind sie ncht mehr im Stande, mit Bayern und Baden zu concurriren, weil an der badischen Gränze sehr geschmuggelt wird, und in Bayern diese Waaren wahrscheinlich ohne Zoll hineingelassen werden.
Nürnberger verkaufen ihre Colonialwaaren jetzt wohlfeiler, als es unsere Würtemberger können. Ich stimme daher für Herabsetzung der Zölle, und glaube, es würde sich Baden gerne anschließen.
Mit Preußen halte ich es nicht für rathsam, indem wir von diesem zehnmal überflügelt würden, was erst dieser Tage im schwäbischen Merkur erwähnt wurde.
Vereinigung mit Baden alleiniges Heil
S. 54 v. Zwerger: <Verlust des Handels in Ravensburg, durch Abschließung von Ba u. Öst.> “Daher kommt es auch, daß die Kaufleute bei uns keine Geschäfte mehr machen können, schon darum, weil der Schmuggel hier eben so stark getrieben wird, als anderwärts, und wir haben kein Heil mehr zu erwarten, wenn nicht eine Vereinigung mit Baden stattfindet.
Kritik an Landjägern
S. 55 Was das Recht der Landjäger betrifft, so ist es doch sehr bedenklich, Leuten das Leben der Unterthanen anzuvertrauen, oder ihnen bloßzustellen, die in der Regel der ungebildeten Menschenclasse angehören.
Recht auf Schusswaffengebrauch ausgedehnter als nur in Notwehr
Römer: Die Behauptung, daß die Landjäger nur im Fall der Nothwehr schießen dürfen, muß ich widersprechen, indem ich aus eigener Erfahrung weiß, daß ihnen dieses Recht auch in andern Fällen zusteht.
Anspruch der Stände auf Mitsprache in Schusswaffengebrauch
S. 56 Wiest: Ich bin nämlich auch seiner (= Pfleiderer) Meinug, daß die schon oft berührte Instruction für die Zollschutzwache mit den Ständen verabschiedet seyn sollte, weil sie so wichtige Straffälle enthält, und im äußersten Fall erlaubt, über Leben und Tod zu disponiren.
Jäger und Zollgardisten sollen nicht über Leben und Tod entscheiden dürfen
S. 58 v. Ringler: Ich will nur das bemerken, daß ich zwischen dem Leben eines Wilderers und dem eines Schmugglers keinen Unterschied kenne. Über das Leben des Wilderers verfügt, wegen der Erlegung eines Hasens, der Jäger, und über das des Schmugglers wegen Hereinschmuggelns eines Zuckerhuts, der Zollgarditst. Ich wünschte, daß Verordnungen, die das Leben des würtembergischen Unterthanen gefährden, aufgehoben werden möchten.
Gefahr für Moralität durch hohe Zölle
Scholl: Ich will nur erklären, daß ich dem Antrag des Abgeordneten Kayser beitrete und fest überzeugt bin, daß die Regierung in ihrem eigenen Interesse handelt, wenn sie auf Herabsetzung der Zölle bald möglichst Bedacht nimmt. Ich könnte eben so viele Briefe vorweisen, um der Kammer zu zeigen, wie sich die Geistlichen nicht mehr zu rathen und zu helfen wissen, weil durch das Schmuggeln die Sittlichkeit zu Grunde geht.
Berufung auf badischen Finanzminister von Böckh in Zolltariffrage
Dekan Münch: Es hat auch schon vor mehreren Jahren der badische Finanzminister v. Böckh ausgesprochen, daß nur die Basis der niederen Zollsätze geeignet sey, die Zolleinnahmen zu erhöhen, und zugleich die Mißstände am besten zu beseitigen, welche die Sittlichkeit so leicht untergraben.
Kaffeschmuggel in Oberschwaben, Schusswaffengebrauch und Zollschutzwächter
Stängel: So viel ich weiß, haben die Landjäger und die Zollschutzwächter dieselbe Instruction; es ist aber ein großer Unterschied, ob ein Verbrecher transportirt wird, oder ob man einen Menschen vor sich hat, der einige Pfund Zucker hereinschmuggelt.
S. 59 So viel ich weiß, dürfen die Zollwächter von ihren Waffen nicht nur Gebrauch machen, wenn sie angegriffen werden, sondern auch dann, wenn sie einen Zolldefraudanten arretirt haben, und dieser davon läuft. Es ist aber doch etwas zu stark, wenn man einen Menschen todt schießen darf, der, um einer kleinen Zollstrafe zu entgehen, sich auf die Flucht macht, und ich wünsche daher, daß diese Instruction der Justizcommission zur näheren Prüfung zugewiesen werde. (Lebhaft unterstützt.) Bis jetzt wurde bloß von dem Einschmuggeln nach Würtemberg gesprochen, allein auch nach Baiern wird auf unglaubliche Weise geschmuggelt, denn in ganz Oberschwaben haben wir eingeschmuggelten Caffee zu kaufen. Ein Großhändler in
Ulm, der bis jetzt in einem Jahre gegen 70,000 fl. Zoll bezahlte, kann jetzt kaum mehr 7000 fl. bezahlen, so sehr liegt sein Geschäft darnieder. In diese Klage stimmen aber alle Großhändler in Ulm ein.
37. Band, Stuttgart 1833:
4. Abt. XXXVII. Sitzung, S. 7-19 Zölle (7-43 7.3.1833: Zölle und andere Abgaben)
XLIII. Sitzung S. 58-61 18.3.1833: Bittschriften zum Zollverein.
Bericht der Petitions-Komm. über 17 Bittschriften, Zollsachen betr. Erstatter Deffner
Zollanträge gegen hohe Zölle
Themen: (Angabe der Bittsteller)
S. 58 Um Herabsetzung der hohen Eingangszölle, als dem wirksamsten Mittel, der überhandnehmenden und für den ehrlichen Kaufmann so verderblichen, auch alle Sittlichkeit untergrabenden Schmuggelei kräftig zu steuern.
S. 59 Um eine Zollvereinigung mit Baden, zum Zweck des Ausrottens der schändlichen Schmuggelei, und bewirkt durch Herabsetzung der würtembergisch-bayerischen Zollsätze.
Verhandlungen 1833 2. Landtag:
39. Band, Stuttgart 1833:
2. Abt. XII. Sitzung, S. 9 11.6.1833: Wahl der Kommission für Zoll- und Handelsverhältnisse.
XIII. Sitzung, S. 2 15.6.1833: Pfizer zeigt Konstituierung der Kommission an.
40. Band, Stuttgart 1833:
Kritik an Zollverhältnissen; gegen Zollverein ohne Baden
3. Abt., XXII. Sitzung, S. 2f., 17.7.1833: Zais: Motion über Zollverhältnisse.
- S. 99 Nachtrag zur Motion von Zais verlesen, Verweisung an Zoll- und Handelskommission.
S. 123-135 Beilage 9: Vortrag von Zais.
S. 127 In den Fesseln eines veralteten Zunftzwangs, mit geschnürten, plombirten Frachtwägen, mit Begleitscheinen, mit gestempelten, versiegelten Frachtbriefen, mit von zwei Zeugen und den Ortsbehörden gesiegelten und unterschriebenen Ursprungszeugnissen, mit doppelten Declarationen, mit Anmeldung und Visitation an jedem Zollamt, mit Begleitung bewaffneter Zollschutzwächter – mit all‘ diesen lästigen, zeitraubenden, kostspieligen Formalitäten kann eine beginnende Gewerbsindustrie nicht gedeihen.
S. 131 Es giebt keine Steuer, die so viele Familien um Ehre, Leben, Gemüthsruhe, Wohlstand und alles Lebensglück bringt, wie die Mauth! Überdieß würde mit dem Eintritt in den Verein eine Haupteinnahme – der Zoll auf Zucker – aus zweierlei Ursachen sich sehr vermindern; einmal, weil bei einem Zollsatz von 17 fl., was 106 % nach dem jetzigen Ankaufspreis ausmacht, der Reiz zum Schmuggel zu groß und gar nicht zu verhindern ist, und weil zweitens die bereits bestehenden 49 preußischen Zucker-Raffinerien sich so vermehren werden, daß / S. 132 wenig raffinirter Zucker, und folglich wenig Zoll eingehen wird.
S. 133 So lange das Großherzogthum Baden dem Verein nicht beitritt (und wer kann es zwingen?), so lange bleiben unsre westlichen Gränzen der traurige Schauplatz des Schmuggel-Handels. Aller gegenseitige Verkehr liegt bereits darnieder. Die steigende Armuth verleitet am Ende einen großen Theil der Gränzbewohner auf die Bahn des Verderbens; Müßiggang, Raub und Mord kommen an die Tagesordnung; die Criminalgerichte, die Strafanstalten werden unzureichend, und die Gemeinden nicht mehr im Stande seyn, die steigende Zahl der Armen zu unterhalten; und fällt sonst noch ein Zunder unter die unzufriedenen, unglücklichen, ihres früheren Erwerbs beraubten Menschen, so ist das daraus entstehende Unheil nicht zu ermessen.
Dieser excentrische Zustand müßte um so gewisser und schneller herbeigeführt werden, wenn man, in der Meinung, den Schmuggel mit Gewalt zu unterdrücken und Baden auf indirecte Weise zum Beitritt zu zwingen, energische und folglich kostspielige Maßregeln anordnen wollte; dadurch würde vollends aller Verkehr mit Baden zernichtet und aller Schaden auf uns zurückfallen.
41. Band, Stuttgart 1833:
4. Abt. XXIV. Sitzung, S. 20f. 23.7.1833: Beleuchtung der Zollvereinigung mit Preußen. Eingaben.
S. 21 Uhland: Es ist so eben eine weitere Eingabe hiesiger Kaufleute in Betreff der Zollverhältnisse und des bestehenden Schleichhandels im Diarium verlesen worden.
Zollverhältnisse im Oberamt Rottweiler
XXV. Sitzung, S. 10, 27.7.1833: Wiedereinbringung einer Petition wg Zoll- und Handelsverhältnisses des Oberamtsbezirks Rottweil.
S. 10 Pflanz: <Eingabe des Handelsstandes des Oberamts-Bezirks Rottweil. >
Es enthält diese Eingabe eine Schilderung der Lage der Bewohner an der badischen Gränze, und namentlich eine Darstellung des nachtheiligen Einflusses, welchen der Schmuggelhandel in Beziehung auf die Moralität und Ökonomie der dortigen Einwohner ausübt.
42. Band, Stuttgart 1833:
5. Abt. XXXI. Sitzung, S. 70 13.8.1833: Petition des Handelsstandes von Oberndorf an die Kommission verwiesen.
47. Band, Stuttgart 1833:
10. Abt., LIX. Sitzung, S. 11-13, 17.9.1833: Beratung des Rechenschaftsberichts der Finanzkommission zu Zolldefraudation.
Keine Vermehrung der Ausgaben für Zollkontrollen
S. 12 Gmelin: Man hat besonders eine Unterstützung der Beamten an der badischen Gränze für nothwendig gefunden, wo die Oberamtleute noch weitere Gehülfen wegen dieser Untersuchungen halten mußten.
Die Kammer beschließt sofort durch Zuruf, den Antrag der Commission: die Regierung zu bitten, die Zulagen an Kanzleikosten für einzelne Oberämter, wegen Überhäufung mit Untersuchungen über Zoll-Defraudationen, möglichst zu beschränken, in keinem Fall aber zu vermehren, anzunehmen.
Frage nach Einnahmen von Zollstrafgeldern
Klett: Ich möchte fragen, wo denn das Geld sich findet, welches aus den Zollstrafen gewonnen wird? Es ist nach dem §. 114 der Verordnung vom 26. December 1828 bekanntlich bestimmt, daß die Hälfte dem Denuncianten, die andere Hälfte der Zolldiener-Unterstützungscasse zufallen soll.
Verwendung von Zollstrafeinnahmen und konfiszierten Waren
S. 13 Geheimer Rath v. Herdegen: Es findet sich bei der Staatscasse, und es liegt hierüber eine eigene Particularverrechnung vor. Aus dem Unterstützungs-Fonds werden theils bleibende, theils vorübergehende Gratialien gegeben an die Zolldiener und ihre Hinterbliebenen, theils werden sie abgegeben zur Aufmunterung im Dienste. Die übrig behaltenen Gelder mögen ungefähr 6000 bis 7000 fl. betragen.
Dörtenbach: Wo kommt der Erlös aus den confiscirten Waaren hin?
Geheimer Rath v. Herdegen: Auch in die Staatscasse, als Bestandtheil des fraglichen Unterstützungs-Fonds.
Dörtenbach: Es ist unbegreiflich, daß diese Sunme so klein seyn soll.
Geheimer Rath v. Herdegen: Ich habe schon erwähnt, daß die Einnahmen meistens zu jährlichen Unterstützungen, theils zur Aufmunterung verwendet, und daß die Hinterbliebenen der Zollbeamten aus jenem Fonds mit Gratialien bedacht werden; nur das Übrige wird zu Capital angelegt.
Pflanz: Es ist eine öffentliche Rechnung. Ich erlaube mir, den Wunsch gegen das Finanz-Ministerium auszusprechen, daß es den Zollbeamten zur Pflicht gemacht werden soll, die confiscirten Waaren nicht in kleinen Portionen, sondern wo möglich im Großen zu verkaufen. Es ist für die Colonialwaarenhändler in den an den Gränzen gelegenen Orten äußerst drückend, daß nicht nur ihr Geschäft dadurch vernichtet wird, daß alles sich dem Schmuggelhandel hingibt, sondern daß auch noch die Zol1beamten ihren Erwerb schmälern, indem sie die confiscirten Waaren in so kleinen Portionen verkaufen, daß Jedermann hier steigern kann.
- 48. Band, Stuttgart 1833:
11. Abt., LXVII. Sitzung, S. 2, Schrift von Jobst: Weitere Betrachtungen über die Zoll-Vereinigung mit Preußen, Stuttgart : Steinkopf, 1833, verlesen, dank der Kammer ausgesprochen und an Kommission verwiesen, ferner der Beil. 1 und 2.
Schmuggel von Seide und Zucker
49. Band, Stuttgart 1833:
12. Abt., LXXIV. Sitzung, S. 3-5 10.10.1833: Zais veranlasst Debatten über Herabsetzung des Voranschlags der Zölle.
S. 3 … da aber die Schmuggelgeschäfte sich immer mehr ausbilden, so ist es wahrscheinlich, daß namentlich die feineren Seiden-Waaren, die mit einem bedeutenden Zolle belegt sind , auf diesem Wege in das Land kommen, und so die Zoll-Einnahme vermindern werden.
S. 4 <Zu Zoll auf Zucker:> Es ist dieser Zoll aber auch deßwegen illusorisch, weil Frankreich und Holland die Ausfuhr des raffinirten Zuckers mit Ausfuhr-Prämien begünstigt, was zur Folge hat, daß im Auslande ein so wohlfeiler Zuckerpreiß besteht, daß der Schmuggelhandel dadurch nothwendig hervorgerufen werden muß. Um diesen abzuwenden, wird es nothwendig seyn, einen dreifachen Cordon an der Gränze zu ziehen, dessen Kosten die Einnahme schmälern wird.
50. Band, Stuttgart 1833:
13. Abt. LXXVI. Sitzung, S. 153-166 12.10.1833: Geheime Sitzung über Zoll- und Handelsverhältnisse.
LXXVIII. Sitzung, S. 1f. 15.10.1833: Eingaben zu Zoll- und Handelsverhältnissen (Beil 1 und 2 nicht gedruckt).
LXXIX. Sitzung, S. 1-4 16.10.1833: Zusammenstellung der Beschlüsse über Zolleinnahmen.
- 51. Band, Stuttgart 1833:
14. Abt. LXXXVI. Sitzung, S. 16-109 Debatten über Kosten der Gesandtschaften.
Beilagen 8-10, 3. Beilagenheft S. 496-498.
Geheimverhandlungen über Zollverein mit Preußen
- 52. Band, Stuttgart 1833:
15. Abt. XCIII. Sitzung. S. 5 8. 11. 1833: Beratung des Berichts der Zoll- und Handelskommission über ZV mit Preußen (geheime Sitzung)
53. Band, Stuttgart 1833:
16. Abt. – CXII. Sitzung, S. 1 Geheimeratsrescript über Zollverein mit Preußen, Verlesen und der Kommission zugewiesen.
CXIV. Sitzung, S. 5f. 8.12.1833: Berichterstattung zu Rescript (Beil. X und XIV in Verhandlungen über Zollvereinsvertrag mit Preußen zu finden).
Zollvertrag wird Einnahmen erhöhen, Grenze absichern gegen Schmuggel
54. Band, Stuttgart 1833:
17. Abt. Beil.-band 1, S. 350-374 Beil. 1: indirekte Steuern: Zölle. Bericht der Finanzkommission über Staatseinnahmen 1833/36.
Bericht-Erstatter: Visel
S. 353 Im letztern Fall aber, wenn nemlich kein solcher Handels- und Zoll-Vertrag erzielt wird, wird sich der Zoll-Ertrag in so ferne erhöhen, als gegen den Frechen Schleichhandel, der besonders von der sächsichen Gränze nach Baiern betrieben wird, kräftigere Maßregeln werden ergriffen werden; Maßregeln, auf welche das Königliche Finanz-Ministerium bereits in den abgezogenen Verwaltungskosten Rücksicht genommen hat.
S. 362 <Zollaufwand 23 % der Zolleinnahme, Steigen der Einnahmen mit Kosten.>
Es mag hierin der Beweis zu finden seyn, daß mit größern Mitteln dem Schmuggeln besser begegnet wurde.
Wenn nun gegenwärtig noch sehr viele Klagen über den bestehenden großen Schleichhandel gehört werden, der zwar nach den amtlichen Notizen in Würtemberg nicht zugenommen, sondern sogar abgenommen zu haben scheint, aber vermög der vorliegenden amtlichen Berichte an den baierischen Gränzen, besonders gegen Sachsen, auf eine Weise um sich gegriffen hat, welche ein ernstliches und kräftiges Einschreiten gebieterisch fordert, so wird der Entschluß der Vereins-Regierungen, für jenen Behuf die Zollschutzwache zu verstärken, gerechtfertigt erscheinen.
Handel von Zucker und Kaffee stark von Schmuggel beeinträchtigt, Tendenz zu höherer Verzollung
S. 370 Es sey ein unter den Handelsleuten einstimmig anerkannter Satz, daß der Handel mit Caffee und Zucker ungefähr zwei Drittheile unsers ganzen Handelsverkehrs ausmache. ••• Es hätten aber diese Artikel, da sie in den Jahren 1829/32 einen vierfach höhern Zoll bezahlen mußten als in den Jahren 1823/26 (ohne Schmuggel) auch das vierfache von demjenigen abwerfen müssen, was Zucker und Caffee früher abgeworfen hatten, und / S. 371 es wäre daher statt der so eben angegebenen Summe in den Jahren 1829/32 eine Summe von 3,712,000 fl. erforderlich gewesen, um dasselbe Verhältniß herzustellen, während nur 1,635,000 fl. eingegangen seyen.
Diese Berechnung beruht aber auf den zwei unrichtigen Voraussetzungen, daß
1) der Zucker- und Caffeehandel ungefähr zwei Drittel des ganzen Handelsverkehrs ausmache, und vorzüglich daß
2) mit der Erhöhung des Einfuhrzolls vom Zucker und Caffee alle andern Zölle im gleichen Verhältniß erhöht worden seyen.
<Verhältnis Zucker/Kaffee zur Gesamteinfuhr 6,5 Mill. zu 48,2 Mill.>
S. 372 vielmehr kann die Frage, ob bei den früher niedrigen – oder bei den jetzt höhern Eingangszöllen von Zucker und Caffee größerer Schmuggel stattgefunden habe? nicht besser und einfacher beantwortet werden, als wenn man sich die Quantitäten gegenüberstellt, die in den verschiedenen Jahren zum Eingang verzollt worden sind.
S. 373 Vergleicht man daher die Jahre 1823/26 und 1826/29, welche der Antragsteller selbst für den Anhaltspunct bezeichnete, so findet man, daß gerade seit dem Bestehen höherer Zölle eine viel höhere Einfuhr von Zucker und Caffee verzollt worden ist, und daß sie von Jahr zu Jahr zugenommen hat.
55. Band, Stuttgart 1833:
18. Abt. Beil.-band 2, – S. 166-183 Beil. 2: Jaumann, Ausgaben des AMm, Gmelin über FMm.
S. 209 Zuwendungen wegen Zolldefraudationen.
56. Band, Stuttgart 1833:
19. Abt., Beil.-band 3, Beil. 3, S. 518f. Einnahmen: Zölle; Zusammenstellung der Gesamtbeschlüsse der Kammer über Hauptfinanzetat.
S. 542f., Kammer der Standesherren über Zoll.
S. 569-571 Bericht der Finanzkommission über Zölle. Zu Prot. 4.11.1833.
S. 619-621 Beschlüsse: Zoll
S. 778 Beschlüsse, die von beiden Kammern an die Regierung zu bringen sind.
Verhandlungen in der Kammer der Standesherren des Königreichs Württemberg im Jahre 1820 usf.?
Verhandlungen … 1833, 1. Landtag:
23. Band, Stuttgart 1833:
1. Abt. – S. 137 Adresse der 2. Kammer zum Zollverein verlesen und Kommission übergeben. Beilagen dazu.
S. 140-144 16.2.1833: Präsidialnote der Kammer der Abg; 2 Kommissionsberichte: Zais und Adresse an Regierung.
S. 173-176 19.2.1833: Bericht der Kommission über Zollverein; Entwurf einer Antwort.
S. 178f. 19.2.1833: Antwortnote.
Verhandlungen … 1833, 2. Landtag:
24. Band, Stuttgart 1833:
2. Abt. S. 589 5.8.1833: AMm an 1. Kammer wg Preußisch-bayerischem Verein.
25. Band, Stuttgart 1833:
3. Abt. – S. 694 Mitteilung von 10 Exemplaren des Vereinigungsvertrages mit Preußen. Je ein Exemplar erhalten 7 Kommissionsmitglieder.
- S. 914 Weitere Mitteilungen über den Zollverein mit Preußen verlesen und Kommission zugewiesen.
S. 937 Beilage Nr. 5 3.9.1833 Note des AMm wg Zollvertrag mit Preußen.
26. Band, Stuttgart 1833:
5. Abt. S. 1470f. Jobst übergibt Broschüre zum Zollvereinsvertrag. 4.10.1833 Kommission zur Begutachtung überwiesen.
S. 1752-1757 23.10.1833: Beratung der Zollgefälle. Vortrag von Schmitz-Grollenburg.
S. 1781-1793 23.10.1833 Beilagen 3/4, u.a. Vortrag Schmitz-Grollenburg.
6. Abt. S. 1810-1821 indirekte Steuer, Akzise, Schmitz-Grollenburg;
S. 1833f. 25.10.1833 Note an die 2. Kammer zu Beschlüssen über Zollvertrag.
- S. 1843-1849 Vortrag dazu.
- S. 2026 AMm teilt Flugschrift mit über Gewerbsverhältnisse verlesen, Flugschrift verteilt. Württemberg. und Preuß. Note des AMr verlesen.
27. Band, Stuttgart 1833:
7. Abt. S. 2337 21.11.1833 Verlesung einer Note der 2. Kammer zu Zollverein mit Preußen (auch geheime Sitzungsteile).
- S. 2418 Beilage, nicht gedruckt.
S. 2631 9.12.1833: Beschluß.
Die Kammer wurde vertagt.
Wilhelm Zais (* 12. Dezember 1772 in Cannstatt; † 5. Juni 1840 in Cannstatt) war ein deutscher Fabrikant, Stadtrat in Cannstatt und Landtagsabgeordneter im Königreich Württemberg. Er war ein Bruder des Architekten Christian Zais und Onkel des Wiesbadener Hoteliers und Nassauischen Abgeordneten Wilhelm Zais.
Unternehmerisches Wirken
Die Jugend von Wilhelm Zais war bewegt. Nach seinem Eintritt in den kaufmännischen Beruf arbeitete er zuerst in Frankfurt am Main, dann in Siegen, Berlin, Elberfeld und Brüssel, von wo er öfter nach Paris geschickt wurde. Bei einem seiner Besuche hatte er das Unglück, als englischer Agent verdächtigt und zwei Monate eingesperrt zu werden. Erst durch die Bemühungen des württembergischen Gesandten wurde er wieder in Freiheit gesetzt. Nun ließ er sich in dem ihm schon bekannten Elberfeld nieder. Nach dem Eintritt in das Bankhaus Kersten in Elberfeld, später von der Heydt-Kersten & Söhne, heute von der Commerzbank übernommen, erwarb er sich bald die allgemeine Achtung und ehelichte im Jahre 1800 die Tochter. Dass mit der Färberei gut Geld zu verdienen war, hat Wilhelm Zais in Elberfeld als Bankier natürlich erkannt. Das Färben wurde in der Gegend von Wuppertal bereits Anfang des 18. Jahrhunderts nachgewiesen und 1804 bestanden 15 Türkischrot-Färbereien in Barmen und Elberfeld. Von dort brachte er die Idee nach Cannstatt und kombinierte dies mit Stofffabriken. Damit es ihm an Krapp zur Färbung nicht mangelte, veröffentlichte er Aufrufe zu dessen Anbau. Zais, der auch als Gastwirt tätig war, hatte bereits 1802 auf der “Belle Vue” bei Cannstatt eine “türkisch-rot” Färberei eingerichtet. Der Württembergische König Friedrich I. kaufte ihm die Anlage aber bereits 1806 für 18.000 fl. ab, um dort einen Landsitz errichten zu lassen. 1808 ging Zais dann eine Partnerschaft mit dem Kaufmann Johann Christian Kylius ein und gemeinsam betrieben sie eine Färberei für Baumwollgarne, die zunächst in Stuttgart Berg nahe dem alten Zollhaus eingerichtet war. Nach der Trennung von Kylius gründete Zais 1812 eine Baumwollfabrik in Cannstatt, die 1838 auf den „Mühlgrün“ in Cannstatt verlegt wurde. Dort ließ er ein fünfstöckiges Fabrikgebäude vom bekannten Architekten Nikolaus Friedrich von Thouret erreichten. Die Fabrik wurde nach seinem Tod von seinen drei Söhnen Adolph, Wilhelm und Albert Zais weitergeführt. Er half auch seinem Bruder Christian Zais in Wiesbaden. Dieser beabsichtigte ein modernes Badhaus zu errichten, für das um die 250.000 Gulden veranschlagt wurden. Christian Zais soll vor Beginn jedoch sich über die zu Gebote stehenden Mittel ausweisen. Die wies er nach, indem er Steine und Holz als Kautionskapital auswies und einen Garantieschein seines Bruders Wilhelm vorlegte. Christian Zais erlebte die Fertigstellung seines Bauvorhabens Hotel “Vier Jahreszeiten” nicht und so richteten Wilhelm Zais mit seinem Freund Oberfinanzrat Julius Simon von Nördlinger aus Stuttgart ein Gesuch an den Herzog von Nassau, dass das Badhaus unter dem Schutz der Regierung fertiggestellt werden konnte.
Politisches Wirken
Zais war auf kommunaler und Landesebene politisch engagiert. Er war Gegner des deutschen Zollvereins, da er erhebliche Nachteile für die württembergische Wirtschaft befürchtete. 1833 wurde er in den württembergischen Landtag gewählt, nach teilweise scharfen öffentlichen Angriffen zog er sich 1836 aus der Politik zurück.
Trivia
Zais besaß bis 1806 das Haus „am Fuß des Kahlen Steins“ in Cannstatt (später Landhaus Bellevue, im Bereich des heutigen Wilhelma-Parkhauses), bevor es Kronprinz Friedrich Wilhelm von Württemberg (der spätere König Wilhelm I.) mit seiner Frau Katharina als Kronprinzenresidenz bezog.
Für seine früh verstorbene Tochter Pauline (1802–1828) ließ Zais ein klassizistisches Grabmonument auf dem Stuttgarter Steigfriedhof errichten, das sich bis heute erhalten hat. Daneben liegt seine Grabstätte, als Pyramide gestaltet und mit dem Spruch nach Sirach versehen: Ich danke dem, der mir Weisheit gab, ich setzte mir vor, mich des Guten zu befleissigen, ich rang von Herzen danach und war fleissig, danach zu handeln
Johann Christoph Herdegen, seit 10. Juni 1814 von Herdegen (* 20. März 1787 in Lauffen am Neckar; † 16. März 1861 in Stuttgart) war ein Beamter, Politiker und Finanzminister des Königreichs Württemberg.
Werdegang
Christoph Herdegen war der Sohn des Rotgerbers Johann Christoph Herdegen (* 1752; † 1807) in Lauffen. Seine Mutter hieß Dorothea Katharine geb. Bezner und war die Tochter eines Chirurgen aus Walheim. Herdegen wuchs als der Älteste neben vier jüngeren Geschwistern auf. Er besuchte die Lateinschule in Lauffen und begann 1801 eine Lehre beim dortigen Amts- und Gemeindeschreiber. Noch während seiner Lehrzeit wurde er in die mit Gehalt verbundene Tätigkeit eines Mittelsubskribenten aufgenommen. Von 1805 bis 1807 arbeitete er als Substitut in Großsachsenheim. 1806 bestand er die Prüfung zum Substitut und 1807 diejenige zum Oberamtsaktuar und Stadtschreiber. Von 1807 bis 1810 folgte eine Anstellung als Oberamtsaktuar in Bietigheim. Wegen der häufigen Abwesenheit des Oberamtmanns konnte sich Herdegen als dessen Stellvertreter profilieren. 1810 erfolgte seine Ernennung zum Sekretär der Militärkonskriptionskommission im Kriegsdepartement, wo er die nächsten fünf Jahre seinen Dienst versah. 1812 bis 1813 diente er als Generalkriegskommissär des königlich-württembergischen Ergänzungskorps, welches im August 1812 in den Russlandfeldzug nachgeschickt wurde. Von 1813 bis 1814 nahm er als Oberkriegskommissär an den Befreiungskriegen teil und beendete seinen Militäreinsatz von 1814 bis 1815 als Generalkriegskommissär. Vom 15. Februar bis zum 7. März 1815 übte er noch die Funktion eines Rechnungsrats bei der Militärrechnungskammer aus, ehe er dann von 1815 bis 1817 Oberfinanzrat bei der Krondomänensektion und der Generalsalzadministration war. Am 18. November 1817 erfolgte seine Ernennung zum Referenten der neu errichteten Staatskontrolle.
Politik
Seit 1820 beobachtete Herdegen als Begleiter des Finanzministers Weckherlin die Sitzungen der württembergischen Kammer der Abgeordneten. Als vortragender Rat im Departement der Finanzen und seit 1821 als außerordentliches Mitglied des Geheimen Rats gewann er während der nächsten zehn Jahre einen tiefen Einblick in die Leitung der Staatsgeschäfte. Am 23. September 1832 erfolgte seine Ernennung zum Chef des Departements der Finanzen und zum ordentlichen Mitglied des Geheimen Rats mit dem Titel Wirklicher Staatsrat. Dies entsprach nach heutigem Verständnis der Funktion eines Finanzministers, wenngleich erst am 26. September 1839 seine Beförderung zum Wirklichen Minister erfolgte.
Bei der Übernahme seines Amtes an der Spitze des Finanzministeriums 1832 waren die württembergischen Staatsfinanzen bereits in einer guten Verfassung. Die Rechnungsergebnisse während der vergangenen Friedensjahre hatten zu Überschüssen geführt. Infolge der französischen Julirevolution von 1830 wurde es jedoch politisch unruhig und auch in Württemberg erhielt die liberale Bewegung starken Auftrieb, so dass Herdegen als Vertreter der Regierung in seinen Anfangsjahren auf unzählige kritische Fragen der Opposition im Landtag Rede und Antwort stehen musste. Bereits am 16. Januar 1833 legte Herdegen dem 6. ordentlichen Landtag seinen ersten Staatshaushaltsgesetzesentwurf vor, zu dem die Führer der Opposition Friedrich Römer, Paul Pfizer, Ludwig Uhland und Albert Schott jedoch nicht eindeutig Stellung bezogen, so dass der Landtag bereits am 22. März 1833, dem Gründungstag des Deutschen Zollvereins, aufgelöst wurde und als Vergeblicher Landtag in die Geschichte einging. Der 7. ordentliche Landtag erörterte nun seit dem 20. Mai 1833 in 116 lebhaften Sitzungen den neuen Haushalt, der endlich am 9. Dezember 1833 verabschiedet werden konnte und für die kommenden drei Jahre Steuererleichterungen für die Bürger vorsah. Der nächste Dreijahreshaushalt wurde 1836 nach fast sechsmonatigen Verhandlungen im Landtag beschlossen und führte wieder zu Steuererleichterungen. Sein dritter Staatshaushalt, den Herdegen 1839 dem Landtag vorstellte, führte zu einem historischen Tiefstand der württembergischen Steuerlast. Auch in der Steuerperiode von 1842 bis 1845 konnte Herdegen seinen finanzpolitischen Kurs fortsetzen und trug mit seiner Steuerentlastung zum Aufschwung der württembergischen Wirtschaft bei. Um Geld zu sparen, verschlankte Herdegen zum Beispiel auch die Staatsverwaltung. Aus den ursprünglich 79 Kameralämtern machte er 65, die er gebietsmäßig den Oberamtsbezirken anglich.
Trotz der ständigen Steuersenkungen während seiner zwölf Jahre als Finanzminister blieb der Haushalt ausgeglichen. Dennoch umging der württembergische Staat notwendige Investitionen nicht. Dazu gehörten etwa die Ausgaben, die sich durch die weitere Bauernbefreiung ergaben. Herdegen legte am 16. Januar 1833 dem Landtag vier Ablösungsgesetze vor, von denen jedoch wegen des Widerstands der Standesherren lediglich drei am 30. Januar 1836 zur Beratung geführt werden konnten. Die drei Ablösungsgesetze wurden endlich im Oktober 1836 verabschiedet und kosteten den württembergischen Steuerzahler rund 2,5 Millionen Gulden an Entschädigungskapital.[1] Herdegen war während seiner Amtszeit bestrebt, die zum Teil noch bestehenden staatlichen Abgabeverpflichtungen in Naturalien (Früchte und Wein) durch rein monetäre Lasten zu ersetzen und die dadurch frei werdenden Zehntscheuern und Keltern an die Gemeinden abzutreten.
Zu den staatlichen Investitionen während Herdegens Amtszeit gehörten die 1839 erfolgte Übernahme der Gewehrfabrik in Oberndorf sowie Ausgaben für die Württembergische Armee, darunter die Errichtung der 1842 vollendeten Rotebühlkaserne, die Errichtung einer neuen Reitkaserne (auf dem Gelände des heutigen Stuttgarter Hauptbahnhofs; deshalb 1920 abgerissen) sowie eines Lazaretts in Stuttgart, daneben neue Kasernen- und Lazarettbauten in Ulm. Im zivilen Bereich erfolgte die Errichtung neuer Gebäude für die Stuttgarter Kunstschule und die Staatsgalerie, der Bau der Neuen Aula sowie der Bau einer Anatomie an der Universität Tübingen, der Ausbau des Kurbetriebs in Wildbad sowie die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur. In den Ausbau der Landstraßen flossen pro dreijähriger Finanzperiode circa 400.000 Gulden, daneben wurden neue Brücken errichtet und die Neckarschifffahrt sowie weitere Flussläufe und Kanäle ausgebaut. In der Frage des Eisenbahnbaus erwies sich Herdegen als sehr zögerlich. Er hielt zunächst eine Eisenbahn für das Agrarland Württemberg für gänzlich entbehrlich und scheute zudem die hohen Kosten einer etwaigen staatlichen Eisenbahn. Für diese Haltung versuchte er auch den für den Eisenbahnbau zuständigen Innenminister Johannes von Schlayer zu gewinnen, der jedoch unter dem Einfluss seines Jugend- und Studienfreundes Friedrich List allmählich seine Meinung zugunsten der Staatseisenbahn änderte. Für die lange Verzögerung des Eisenbahnbaus in Württemberg im Vergleich zu anderen deutschen Staaten ist Herdegen als einer der Hauptverantwortlichen anzusehen, da er die damit verbundene immense staatliche Schuldenpolitik ablehnte. Die anderen deutschen Staaten hatten immerhin auch zunächst auf Privateisenbahnen gesetzt, jedoch war angesichts der schwierigen Topografie Württembergs eine privatwirtschaftlich finanzierte Eisenbahn aussichtslos. Am 5. August 1844 ließ sich Herdegen auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzen.
In den zwölf Jahren seiner ersten Amtszeit als Finanzminister konnte Herdegen die württembergische Staatsschuld auf den tiefsten Stand ihrer Geschichte drücken, auf rund 21 Millionen Gulden (umgerechnet 36 Millionen Mark, Stand 30. Juni 1844). Seither stiegen die Schulden hauptsächlich bedingt durch den Betrieb der Staatseisenbahnen bis 1918 auf über 700 Millionen Mark.[2]
Nach den Ereignissen der Revolution von 1848 wurde 1849 das Oktoberministerium gebildet, dem Herdegen erneut als Finanzminister angehörte. Diese zweite Amtszeit war aber keine offizielle Rückkehr in den aktiven Dienst, da Herdegen auf reguläre Ministerbezüge verzichtete und stattdessen weiterhin seine Pension ausbezahlt bekam. Mit der Auflösung der Zweiten Verfassungberatenden Landesversammlung am 2. Juli 1850 trat auch das Oktoberministerium zurück. Seit dem 15. Juli 1850 leitete Herdegen als Amtsvorstand bis zu seinem Tode 1861 das Statistisch Topografische Bureau.
Privatleben
Herdegen war evangelisch und heiratete im Jahre 1815 Katharine Rosine Nellmann († 1863), die Tochter eines Baumeisters aus Lauffen. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor, darunter der Finanzrat Robert Herdegen und der Forstrat Hermann Herdegen.
Christian Friedrich Kayser 1791-1844, Stadtschultheiß in Böblingen, Fabrikant und Weinhändler, Onkel von Schwegler.
Johann Georg Doertenbach (* 8. Juni 1795 in Calw; † 8. September 1870 ebenda) war ein Mitglied des Württembergischen Landtags.
Leben
Johann Georg Doertenbach betätigte sich als Unternehmer und als Politiker und war an der Gründung und dem Aufbau zahlreicher Unternehmen beteiligt. Darunter waren das Bankhaus Doertenbach in Stuttgart, die Maschinenfabrik Esslingen, Doertenbach und Schauber, ein Vorgängerunternehmen der Calwer Decken- und Tuchfabriken, die Holzhandlung Stälin und Co., die sich später zu Mohr und Federhaff in Mannheim weiterentwickelte, und P. Cavallo & Cie.
Johann Georg Doertenbach war von 1829 bis 1856 Nachfolger seines Schwiegervaters Christian Jakob Zahn im württembergischen Landtag und 1867 bis 1870 Vorsitzende der Handels- und Gewerbekammer Calw, die er 1865 gegründet hatte. Aus der Ehe mit Eugenie Luise Zahn ging die Tochter Luise Friederike (1827–1900) hervor. Sie heiratete den Calwer Kaufmann Christoph Ludwig Friedrich Federhaff.[1] 1848/49 war Doertenbach Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung.
Doertenbach setzte sich für den Aufbau einer gewerblichen Fortbildungsschule in Calw ein und trieb den Eisenbahnbau sowie den Ausbau der Straße zwischen Calw und Pforzheim voran. Seine zahlreichen Stiftungen, etwa für das Krankenhaus und die Stadtkirche in Calw, dankten ihm seine Mitbürger mit einem Ehrenpokal, der sich heute im Palais Vischer befindet. Nach Johann Georg Doertenbach ist die Johann-Georg-Doertenbach-Schule in Calw benannt.
Paul Achatius von Pfizer (* 12. September 1801 in Stuttgart; † 30. Juli 1867 in Tübingen) war ein württembergischer Politiker, Journalist, Jurist und Philosoph.
Paul Pfizer besuchte von 1807 bis 1819 das obere Gymnasium in Stuttgart. Danach studierte er Rechtswissenschaften in Tübingen, hörte aber auch philosophische und naturwissenschaftliche Vorlesungen. 1819 schloss er sich der Burschenschaft Alte Germania Tübingen an. Nach Bestehen der 1. höheren Justizdienstprüfung war er von 1823 bis 1826 Sekretär im württembergischen Departement des Innern. 1826 legte er die 2. Dienstprüfung ab und war danach Justizassessor bzw. Oberjustizassessor beim Gerichtshof in Tübingen. 1831 trat er aus dem Justizdienst aus und war danach als Schriftsteller und Advokat in Stuttgart beschäftigt. 1846 entschloss er sich, eine Stelle als Gehilfe des Stuttgarter Stadtschultheißen anzunehmen. Vom 9. März bis 13. August 1848 war er schließlich Staatsrat und Leiter des Departements des Kirchen- und Schulwesens (vergleichbar dem heutigen Kultusministerium) der württembergischen Regierung Römer. Von 1851 bis 1858 arbeitete Pfizer als Justizrat beim Gerichtshof in Tübingen, 1858 trat er aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand.
Am 30. April 1832 nahm er an der Protestversammlung der gewählten Abgeordneten in Bad Boll teil, er war Mitunterzeichner der Resolution zur baldigen Einberufung des Landtags. 1833 wurde er im Wahlkreis Tübingen in den württembergischen Landtag gewählt, dem er bis 1838 angehörte. Dort wurde er zusammen mit Ludwig Uhland zu einem der Wortführer der liberalen Opposition.
1848 gehörte Pfizer dem Vorparlament an und war anschließend Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung.
Ehrung, Nobilitierung
• 1847 wurde Paul Pfizer zum Ehrenbürger von Stuttgart ernannt.
• 1864 wurde er mit der Kommenturkreuz des Ordens der Württembergischen Krone ausgezeichnet, welches mit dem persönlichen Adelstitel (Nobilitierung) verbunden war.
Werke (Auswahl)
Pfizers bedeutendste politische Schrift war sein „Briefwechsel zweier Deutschen“ aus dem Frühjahr 1831. Darin forderte er eine Vereinigung der deutschen Staaten unter der Führung Preußens und unter Ausschluss Österreichs. Diese Veröffentlichung führte zu seiner Entlassung aus dem Staatsdienst.
Pflanz, Benedict Alois (1797-1843) [ADB] Pflanz, Alois (1797-1843) [ADB/NDB (online)] Pflanz, Xaver Alois (1797-1843) [Taufname]
Pflanz: Benedict Alois P., katholischer Geistlicher, geb. am 25. November 1797 zu Espachweiler im Oberamt Ellwangen, † am 24. November 1844 zu Schörzingen im Oberamt Spaichingen. Er machte seine vorbereitenden Studien 1808–15 an dem Gymnasium und Lyceum zu Ellwangen, begann dann seine theologischen Studien an der dortigen katholisch-theologischen Facultät und siedelte mit dieser 1817 nach Tübingen über, wo er zugleich Philologie studirte. Im J. 1819 trat er in das Seminar zu Rottenburg und wurde dort am 20. September 1820 zum Priester geweiht. Nachdem er einige Jahre als Hülfsgeistlicher und Hülfslehrer am Gymnasium beschäftigt gewesen, wurde er 1826 Präceptor und 1828 Professor am Gymnasium zu Rottweil. 1831 und 1833 wurde er dort zum Abgeordneten für die würtembergische Kammer gewählt. Er betheiligte sich lebhaft an den Verhandlungen über kirchliche Fragen, namentlich über den Antrag auf Aufhebung des katholischen Kirchenrathes, veröffentlichte auch 1833 eine Schrift „Ueber die Ausübung des Schutz- und Oberaufsichtsrechtes protestantischer Fürsten über ihre katholischen Landeskirchen durch eigene, aus Katholiken bestehende Collegien, mit besonderer Rücksicht auf Würtemberg“. Ende 1836 wurde er Pfarrer zu Moosheim, im Frühjahr 1843 zu Schörzingen. P. ist einer der letzten litterarischen Vertreter der Wessenbergischen Richtung unter den süddeutschen Geistlichen, namentlich als Herausgeber der „Freimüthigen Blätter über Theologie und Kirchenthum“, die 1830 von einer Gesellschaft begründet wurden, welche sich noch in demselben Jahre wieder auflöste, und die P. bis zu seinem Tode leitete (der 1844 erschienene letzte, 27. oder der Neuen Folge 24. Band, enthält S. 343 seinen Nekrolog). Außerdem veröffentlichte er: „Ueber das religiöse und kirchliche Leben in Frankreich“, 1836 (nach einer Reise nach Paris und der Normandie im J. 1835 geschrieben); „Der römische Stuhl und die Kölner Angelegenheit“, 2. Aufl. 1838; „Dr. Fridolin Hubers (s. A. D. B. XIII, 231) Leben und litterarisches Wirken“, 1839.
Wolfgang Menzel (* 21. Juni 1798 in Waldenburg (heute polnisch Wałbrzych), Schlesien; † 23. April 1873 in Stuttgart) war ein deutscher Literaturkritiker, Literaturhistoriker und Schriftsteller im Vormärz. Ihm wird der berühmte Spruch von den Dichtern und Denkern, den er 1828 veröffentlicht hat, zugeschrieben.
Wolfgang Menzel, evangelisch getaufter Sohn eines Arztes, wirkte in den Befreiungskriegen gegen Napoleon mit. 1817 machte er das Abitur in Breslau. Von 1818 bis 1820 studierte er Geschichte, Philosophie und Literatur an den Universitäten in Jena und Bonn. Während seines Studiums wurde er 1818/19 Mitglied der Urburschenschaft[2] und war 1819 Mitgründer der Alten Bonner Burschenschaft. Er war ein Freund von Karl Ludwig Sand und Heinrich Heine. 1820 floh Wolfgang Menzel in die Schweiz, da er wegen seiner Umtriebe in der Burschenschaftsbewegung verfolgt wurde. Von 1820 bis 1824 war er Lehrer in Aarau und ging 1824 nach Heidelberg.
Ab 1825 war er Redakteur des Literatur-Blattes zu Cottas Morgenblatt für gebildete Stände in Stuttgart. Dort startete er im Herbst 1835 eine Rezensions-Kampagne u.a. gegen Karl Gutzkow, den er 1831 als Mitarbeiter nach Stuttgart geholt und der sich inzwischen von ihm distanziert hatte. Vor allem seine aggressiv vorgetragenen Vorwürfe moralischer, religiöser und nationalistischer Art trugen entscheidend zu einem für die Geschichte der deutschen Literatur verheerenden Eingriff in das literarische Leben bei: dem Verbot des – auf diese Weise erst zur „Schule“ gewordenen – Jungen Deutschland.
Sein wichtigstes Werk ist seine Literaturgeschichte, die in zwei Bänden zuerst 1828, überarbeitet 1836 als 2. vermehrte Auflage in vier Bänden erschien. Die erste Auflage war u.a. von größtem Einfluss auf den jungen Karl Gutzkow, dessen Mentor Menzel von 1830 bis 1834 war.
Der außerordentlich streitbare und meinungsstarke Wolfgang Menzel galt wie sein Kritiker Ludwig Börne als einer der schärfsten Goethe-Gegner des Vormärz. Menzels ursprünglicher Liberalismus verwandelte sich mit der Zeit in einen völkisch orientierten Nationalismus.
Von 1833 bis 1838 und von 1848 bis 1849 gehörte Menzel dem württembergischen Landtag an.
Albert Christian Friedrich Schott (* 30. April 1782 in Sindelfingen; † 6. Juni 1861 in Stuttgart) war ein württembergischer Jurist und Politiker.
Schott studierte von 1799 bis 1804 Philosophie und Rechtswissenschaften an der Universität Tübingen und der Universität Landshut. Nach seiner Promotion zum Dr. iur. unternahm er eine Studienreise nach Frankreich und begann eine Juristenlaufbahn als Kanzleiadvokat im württembergischen Justizdienst. 1805 wurde er Hofgerichtsadvokat und Landkommissär in Stuttgart und außerdem zum kaiserlichen Notar ernannt. Von 1815 bis 1817 arbeitete er als Sekretär und Registrator der Ständeversammlung. Nach einer Amtsenthebung 1817 mit anschließender Wiedereinsetzung wurde Schott 1818 Prokurator beim Obertribunal. 1819 wurde er Mitglied der Ständeversammlung, von 1820 bis 1823 sowie 1833 bis 1838 gehörte er als führender liberaler Oppositioneller der Zweiten Kammer des württembergischen Landtags an.
Parallel engagierte sich Schott für das württembergische Gesangswesen, unter anderem als Gründer des Stuttgarter Liederkranzes. 1847 wurde er Mitglied des Ehrenrates der Deutschen Zeitung.
Im Rahmen der Märzrevolution nahm Schott 1848 am Vorparlament teil und wurde anschließend Schriftführer des Fünfzigerausschusses. Vom 18. Mai 1848 bis zum Ende des Rumpfparlaments am 18. Juni 1849 vertrat Schott den 3. Neckarkreis in Böblingen als Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung, wo er zuerst zur linken Fraktion Deutscher Hof und später zur weniger radikalen Fraktion Westendhall zählte. In der Nationalversammlung war Schott Alterspräsident und stellvertretender Vorsitzender des Finanzausschusses.
1850 nahm er an der zweiten und dritten verfassunggebenden Versammlung in Württemberg teil. 1859 wurde Schott Ehrenmitglied des Schwäbischen Sängerbundes.
Unter seinen Söhnen waren der Philologe Albert Schott und der Jurist Sigmund Schott. 1905 wurde die Schottstraße in Stuttgart-Nord nach Albert Schott und seinem Sohn Sigmund Schott benannt.
Willibald von Feuerlein
Willibald Feuerlein besuchte das gymnasium illustre in Stuttgart. Er bestand 1796 das Landexamen als bester seines Jahrgangs. Anschließend besuchte er das evangelisch-theologische Seminar in Blaubeuren. Danach studierte Willibald Feuerlein, zunächst als Stipendiat des evangelischen Stifts Tübingen, evangelische Theologie an der Universität Tübingen. Nach seinen theologischen Examina studierte Feuerlein Rechtswissenschaften in Tübingen und Landshut. 1804 erhielt er seine Promotion zum Dr. jur.
Willibald Feuerlein begab sich vor Antritt seines Berufslebens, gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder, dem Wolfschlugener Pfarrer Fürchtegott Gustav Willibald Feuerlein, auf eine klassische Bildungsreise. Er folgte damit einer verbindlichen Gepflogenheit des Bildungsbürgertums seiner Zeit, der in Aristokratischen Kreisen sogenannten Kavaliersreise.
Die Zwillingsbrüder vollzogen die Reise in Begleitung enger Freunde, deren Etappen durch das Französische Kaiserreich Napoleon Bonapartes und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Irland in den Süden durch die Schweizerische Eidgenossenschaft, die Cisalpinische Republik nach Rom führten. Von Rom gelangten sie weiter nach Neapel und Pompeji. Die Rückkehr in die Württembergische Heimat nahmen die Reisenden über das Kaisertum Österreich und seine Lande.
Willibald Feuerlein ließ sich 1807 als Notar in Stuttgart nieder. 1817 wurde er zum Oberjustizprokurator am Gerichtshof in Tübingen ernannt. Von 1815 bis 1819 war Willibald Feuerlein Göppinger Abgeordneter in der Ständeversammlung und stimmte 1817 gegen die Annahme des königlichen Verfassungsentwurfs. 1818 wurde Feuerlein Justitiar an der Universität Tübingen. In den Jahren 1819 bis 1843 war er für wechselnde Wahlkreise Abgeordneter der Zweiten Kammer im württembergischen Landtag. 1820 wurde er von König Wilhelm I. zum Stadtschultheiß von Stuttgart berufen (Amtsantritt am 1. November 1820) und erhielt am 1. März 1822 als erster in der Reihe der Stuttgarter Stadtoberhäupter den Ehrentitel Oberbürgermeister.
Zu Beginn von Feuerleins Amtszeit, hatte Stuttgart etwas mehr als 20.000 Einwohner. Während Feuerleins Jahre als Oberbürgermeister konnte er bedeutende Bauprojekte Wilhelms I. begleiten.
Während Feuerleins Amtszeit wurde mit dem Bau von Schloss Rosenstein begonnen. Es folgte 1825 der Bau des Kursaals in Cannstatt und 1827 der Bau und die Gestaltung des Wilhelmsplatzes, gefolgt von der Eröffnung des Katharinenhospitals und 1831 die Eröffnung der Neuen Weinsteige nach den Plänen Etzels.
Die Landtagswahlen und Feuerleins Rücktritt
Bei den Landtagswahlen 1832 unterlag Feuerlein im Wahlkreis Stuttgart deutlich gegen Ludwig Uhland. Wegen dieser Niederlage trat er am 1. Januar 1833 von seinem Amt als Stadtschultheiß zurück, obwohl es ihm 1832 gelungen war, ein anderes Abgeordnetenmandat im Wahlkreis Künzelsau zu erlangen.
Der Rücktritt Feuerleins zeigt, dass zu dieser Zeit der König und der Landtag übermächtig waren und an eine eigene Kommunalpolitik ohne genügenden Rückhalt auf Landespolitischer Ebene nicht zu denken war. Ab 15. Januar 1836 war Feuerlein Richter am Königlich Württembergischen Obertribunal in Stuttgart. Im Jahre 1841 wurde Feuerlein Mitglied des Württembergischen Staatsgerichtshofs.
Grabmal der Familie Feuerlein, ehemals Zierde ihrer Familiengrabstätte auf dem Hoppenlaufriedhof. Dieser älteste Friedhof Stuttgarts war 1626 angelegt worden. Eine letzte Urnenbestattung auf dem Hoppenlaufriedhof fand 1951 statt. Anlässlich der Bundesgartenschau 1961 wurde der aufgelassene Friedhof in eine Parkanlage umgewandelt. Viele alte Grabmale befinden sich heute, neu errichtet, nicht mehr an den zugehörigen Begräbnisstellen
Ehregott August Willibald Feuerlein erblickte mit seinem Zwillingsbruder Fürchtegott Willibald Gustav Feuerlein am 24. Juni 1781 das Licht der Welt. Sie waren das neunte und achte Kind, von zwölf Kindern, des Carl Friedrich Feuerlein (* 5. März 1730 in Mömpelgard; † 15. März 1808 in Stuttgart) und seiner Ehefrau Auguste Elisabeth Franziska Johanna Feuerlein geb. Fischer (* 18. Dezember 1747 in Stuttgart; † 11. Februar 1823 in Stuttgart).
Carl Friedrich Feuerlein war Geheimer Kabinettssekretär in Diensten des Herzogs Carl Eugen von Württemberg. Er war Präsident des Wohltätigkeitsvereins, Kanzleiadvokat und Ordensregistrator. Seine Gemahlin Auguste Feuerlein, geb. Fischer war offiziell eine Tochter des Friedrich Johann Ernst Fischer (Hofkammerrat und 1. Küchenmeisters in Diensten Carl Eugens von Württemberg) und seiner Ehefrau Magdalena Barbara, einer Tochter des württembergischen Hofmusikus und Instrumentenverwalters Sigmund Castenbauer (1677–1736) und dessen Ehefrau Maria Barbara geborene Scheiner (1683–1757).
Es ist jedoch naheliegend, dass Willibald Feuerleins Mutter wie deren älterer Bruder Reinhard Fischer natürliche Kinder Herzog Carl Eugens mit seiner Geliebten Magdalena Barbara Fischer waren.[4] Willibald Feuerleins Onkel Reinhard Fischer erbaute als Hofbaumeister das Schloss Hohenheim. Als Architekt und Baumeister verwirklichte Reinhard Fischer zahlreiche weitere Schloss- und Gartenanlagen im Auftrag des Herzogs Carl Eugen von Württemberg.
Familie
Willibald Feuerlein war seit dem 10. Februar 1810 mit Auguste Henriette Feuerlein geb. Schott (1792–1846) verheiratet. Das Paar hatte vier Söhne und drei Töchter. Der jüngste Sohn Otto (1822–1875) ist der Vater des Physikers Otto Feuerlein. Willibald Feuerleins Nichte Emilie Auguste Vischer (1799–1881) wurde die Ehefrau von Ludwig Uhland.
Die Grabanlage von Willibald Feuerlein und seiner Familie befand sich auf dem Hoppenlaufriedhof in Stuttgart. Nachdem der Hoppenlaufriedhof im 20. Jahrhundert aufgelassen worden war, wurde das Grabmal der Familie Willibald Feuerlein und die Grabmale weiterer bekannter Personen, die im Laufe der Jahrhunderte hier bestattet worden waren, auf einer Rasenfläche, des nun zu einen Park umgestalteten ehemaligen Friedhofs, neu errichtet.
1839, 1841–43: Dr. Jakob Schneckenburger, Stadtschultheiß in Tuttlingen, geb. daselbst 9. Juni 1798, gest. in Esslingen 28. Juli 1873.
Der Arzt Dr. Jakob Schneckenburger, der sich nebenher aber auch als Kaufmann betätigte, hatte es sich mit Stall, Scheuer und einem Waschhäuschen bauen lassen. Schneckenburger wurde 1833 zum Landtagsabgeordneten für das Oberamt Tuttlingen …
Der Arzt Dr. Jakob Schneckenburger, der sich nebenher aber auch als Kaufmann betätigte, hatte es sich mit Stall, Scheuer und einem Waschhäuschen bauen lassen. Schneckenburger wurde 1833 zum Landtagsabgeordneten für das Oberamt Tuttlingen …
Christof Gottlob Heinrich Friedrich Römer, seit 1852 von Römer, (* 4. Juni 1794 in Erkenbrechtsweiler; † 11. März 1864 in Stuttgart) war ein liberaler deutscher Politiker.
Römer studierte von 1812 bis 1814 evangelische Theologie an der Universität Tübingen, wurde 1814 Mitglied im Teutonischen Verein Tübingen und 1816 Mitglied der Alten Tübinger Burschenschaft Arminia, leistete seinen Militärdienst ab und studierte anschließend, ebenfalls in Tübingen, Rechtswissenschaften.
Nach Tätigkeiten in der Militärjustiz, zuletzt als Kriegsrat, trat er 1833 aus dem Staatsdienst aus, da ihm als Beamten die Wahrnehmung seines Abgeordnetenmandats verweigert wurde und arbeitete als Anwalt. Von 1833 bis 1838 und dann wieder von 1845 bis 1848 gehörte er dem württembergischen Landtag an.
Als einer der führenden süddeutschen Liberalen nahm er an der Heppenheimer Tagung und der Heidelberger Versammlung teil. Er gehörte dem Siebenerausschuss an, der die Einberufung des Vorparlaments und die Frankfurter Nationalversammlung vorbereitete.
Im März 1848 wurde er im Rahmen der Märzrevolution zum württembergischen Justizminister berufen und führte faktisch die Regierungsgeschäfte der Stuttgarter Märzregierung. Durch seine Bemühungen nahm Württemberg am 28. April 1849 als erstes Königreich die Reichsverfassung an.
1848 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Stuttgart ernannt.
Vom 18. Mai 1848 bis zum 6. Juni 1849 war er fraktionsloser Abgeordneter für Göppingen in der Frankfurter Nationalversammlung. Er gehörte unter anderem dem Verfassungsausschuss an. Im Mai 1849 organisierte er den Umzug der gescheiterten Nationalversammlung von der Frankfurter Paulskirche in das Stuttgarter Ständehaus (Rumpfparlament). Da die dort gefassten Beschlüsse allerdings die württembergische Autonomie in Frage stellten und eine Bedrohung für die Integrität des Landes darstellten, war seine Abgeordnetentätigkeit nicht mehr mit seiner Rolle als Justizminister des Königreichs Württemberg zu vereinbaren. Daher legte er sein Abgeordnetenmandat nieder, entzog dem erst seit dem 6. Juni tagenden Rumpfparlament am 8. Juni 1849 den Tagungsort und wies die Versammlung am 17. Juni aus Württemberg aus. Von der Linken wurde er daraufhin als Totengräber der Frankfurter Nationalversammlung angefeindet.
Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung im Oktober 1849 wurde er 1850 wieder Mitglied des württembergischen Landtags, dem er bis 1863 angehörte. Sein Nachfolger als neuer leitender Minister wurde Johannes von Schlayer.
Römer war zweimal verheiratet und hatte vier Kinder aus erster und acht Kinder aus zweiter Ehe. Einer seiner Kinder aus erster Ehe war der Rechtswissenschaftler und Politiker Robert Römer, aus zweiter Ehe der Rechtsanwalt Max Römer (MdR).