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Peter Burg Werke

Vorträge zur Deutschen Trias

“Seifenblasen” oder verpasste Chancen der deutschen Geschichte

Die Triaspläne im Lichte der Geschichtsschreibung

Vortrag von Prof. Dr. Peter Burg an der Friedrich-Schiller-Universität Jena am 2.12.2004

Bevor der Triasbegriff in Relation zum Thema dieses Oberseminars gebracht wird, bedarf er, davon gehe ich aus, einer Definition. Selbst unter Historikern, die sich mit dem 19. Jahrhundert befassen, ist er nicht allzu geläufig. Aus diesem Faktum kann man bereits schließen, dass die Triasbestrebungen nicht Gegenstand einer aktuellen Forschungskontroverse sind. Ich nehme vorweg, sie waren dies auch früher nicht.

Zur vorläufigen Definition: Die im Wort “Trias” angesprochene Dreiheit bezieht sich auf Österreich, Preußen und die Gesamtheit der deutschen Klein- und Mittelstaaten, das sogenannte Dritte Deutschland. Dieses suchte durch einen engeren Zusammenschluss, die Bildung einer “dritten” Kraft in Deutschland die Doppelhegemonie einzudämmen und Eigenständigkeit zu gewinnen.

Was haben die Triaspläne mit dem Thema des Föderalismus zu tun? Föderalistische Vorstellungen spielten auf zwei Stufen eine Rolle: das Verhältnis der dritten Kraft im Bunde zu den deutschen Großmächten und die Organisation des Sonderbundes der Klein- und Mittelstaaten untereinander. Gegenüber den Großmächten war ein gleichrangiges Verhältnis intendiert, in Bezug auf die Binnengliederung variierten die Vorstellungen und reichten vom lockeren Zweckbündnis bis zum Einheitsstaat.

Im Folgenden geht es, der Thematik des Oberseminars entsprechend, in erster Linie nicht um eine Skizze der Geschichte der deutschen Trias, sondern um eine Vorstellung der Historiographie des geschichtlichen Phänomens. Eine Geschichte der Geschichtsschreibung der deutschen Trias gibt es bislang nicht, so dass ich hier erste Überlegungen dazu anstelle. Gleichwohl wird die Gliederung meines Werkstattberichts nicht überraschen, denn sie leitet sich aus der Realgeschichte ab, aus den großen politischen Kontroversen um die Regelung der deutschen Frage im 19. Jahrhundert. Geschichtliche Richtungskämpfe fanden und finden immer noch eine Verlängerung in der Historiographie, so dass die Triasforschung eine preußisch-kleindeutsche, eine österreichisch-großdeutsche und eine großdeutsch-mittelstaatliche Variante kennt. Die letztere, die sich die primär die Triasidee zu eigen gemacht hat, bezeichne ich im Folgenden als die trialistische. Die Spannweite der Wertung dieser Sehwesen reicht von “Seifenblasen” bis zu “verpassten Chancen” der deutschen Geschichte. Das Etikett der “Seifenblasen” stammt, auch das ist keine Überraschung, von Heinrich von Treitschke. Er ist der Repräsentant der kleindeutschen Richtung, der ich mich zunächst zuwende.

I. Die borussische Sicht

Heinrich von Treitschke (1834-1896) an den Anfang der Geschichte der Triasgeschichtsschreibung zu stellen, ist nicht nur wegen seines nachhaltigen Einflusses auf das deutsche Geschichtsverständnis, sondern auch von der Chronologie her angebracht. In seiner vielfach aufgelegten, bis 1848 reichenden  “Deutschen Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert”, hat der gebürtige Sachse, der die preußische Machtpolitik glorifizierte, die Triasthematik als erster auf breiter Quellengrundlage für die Frühzeit des Deutschen Bundes behandelt. Er dürfte auch den Begriff der “Trias” mit seinem Kapitel “Die Großmächte und die Trias” in die Wissenschaft eingeführt haben, als Chiffre für die verschiedensten Einigungsprojekte im und des Dritten Deutschland. Frühere geschichtliche oder publizistische Werke enthalten nur sporadische, bruchstückhafte Verweise. Wahrscheinlich ist es auf Treitschke zurückzuführen, dass die wenigen Handbuchdarstellungen, die die Thematik aufgreifen, gleichfalls auf diese Frühphase näher eingehen, so Ernst Rudolf Huber, Karl-Georg Faber, Thomas Nipperdey – ohne dass die Genannten Treitschkes Urteile übernehmen. Mein eigenes Triasbuch setzt gleichfalls diesen inhaltlichen Akzent.

Gehen wir nun in medias res, zu einem konkreten Fall, in dem sich die Triasidee in die Realität hinaus wagte und Heinrich von Treitschke zu einem Kommentar herausforderte: Für den Föderalismus und für Mitteldeutschland ist die Artikulation der Triasidee im Streitfall zwischen Preußen und Anhalt-Köthen von Interesse. Worum ging es hier? Der preußisch-anhaltische Zollstreit begann nach der Verabschiedung des preußischen Zollgesetzes vom Mai 1818. Das von Preußen umschlossene Herzogtum Anhalt-Köthen beanspruchte die Freiheit der Elbschifffahrt. Die freie Elbschifffahrt hätte zur Folge gehabt, dass Güter in beliebiger Menge nach Anhalt-Köthen eingeführt werden konnten. Von dort drohten sie dann unverzollt nach Preußen gebracht zu werden. Eine Abwehr wäre nur durch hohe Zollmauern um das Herzogtum herum möglich gewesen, doch diese Folgerung wollte Preußen nicht ziehen. Preußen behandelte den Durchgangsverkehr nach Anhalt-Köthen wie Einfuhren in das eigene Land, erhob also Außenzölle. Der 1819 deshalb aufflammende Konflikt führte im Juni 1820 zur Beschlagnahmung eines Schiffes, das nach Anhalt unterwegs war und für dessen Ladung der Schiffseigner die Entrichtung von Abgaben verweigerte. Anhalt-Köthen legte 1821 Beschwerde beim Frankfurter Bundestag ein, um die Freigabe des Schiffes zu erzwingen.

Preußen hob den Streit auf eine grundsätzliche Ebene. Der Frankfurter Gesandte Goltz erklärte, ein Gerichtsverfahren am Bund eigne sich nur für einen wirklichen Rechtsstreit, nicht aber für einen Interessenkonflikt. Das ist die Ebene, die uns hier interessiert. Im Konflikt zwischen Preußen und Anhalt-Köthen standen die Staaten des Dritten Deutschland mehrheitlich hinter Anhalt-Köthen, wobei das Motiv der Wahrung der einzelstaatlichen Souveränität ebenso eine Rolle spielte wie das der Stärkung der Bundeskompetenzen. Der badische Außenminister erwartete, dass nun die “Gleichheit der Rechte unter den größeren und kleineren Bundesgliedern ein für allemal” festgestellt würden. Die preußische Unterscheidung zwischen Rechts- und Interessenstreit wurde von dem oldenburgischen Gesandten Berg, dem Führer der Kuriatstimme, die die anhaltischen Häuser mitumfasste, als irrelevant zurückgewiesen. Die Subsumtion eines Streitfalles unter die eine oder die andere Kategorie stehe nicht im Ermessen eines Beteiligten, sonst wäre der Willkür die Bahn eröffnet, um für Rechtsstreitigkeiten jeder Art politische Interessen geltend zu machen. Der bayerische Bundestagsgesandte Aretin erkannte die Kompetenz des Bundestages an, da das bestehende Bundesrecht keinen Unterschied zwischen Rechts- und Interessenstreitigkeiten mache.

Für Karl August Freiherr von Wangenheim, den württembergischen Bundestagsgesandten, war dies ein Paradefall zur Werbung für die Triasidee. Mit Wangenheim, dem Theoretiker der Trias in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, lässt sich  ein Bogen zu Thüringen schlagen, entstammte er doch einem alten thüringischen Adelsgeschlecht. Er wurde 1773 in Gotha als Sohn eines Generals geboren und begann seine berufliche Laufbahn als Rat der coburg-saalfeldischen Regierung. Im Jahre 1806 wechselte er in württembergische Dienste. Nach seiner Entlassung im Jahre 1823 lebte er zunächst in Dresden, dann in Coburg. Nach der Revolution von 1848 gab er seine wichtigsten Schriften zur Trias, darunter Akten aus seiner Zeit als Bundestagsgesandter in Frankfurt heraus.

Eine Wendung des Anhalt-Köthener Streitfalles ins Grundsätzliche lag Wangenheim. Während der spätere preußische Außenminister Johann Ancillon im Herzog von Anhalt-Köthen nur einen “großen Schleichhändler” sah, ging es nach Ansicht des württembergischen Gesandten um die Frage, “ob wir einen Bund oder eine societatem leoninam haben sollen”, die Löwengesellschaft ist dabei so verstanden, dass der Löwe eine Gefahr für die übrigen Gruppenmitglieder darstellt. Wangenheim wollte den Bundestag als Forum einer freien Beratung und Beschlussfassung verstanden und behandelt sehen. Er unterstellte auch den übrigen Regierungen der Klein- und Mittelstaaten den Wunsch, “sich von jeder despotischen Leitung der größeren Mächte emanzipieren und eine ebenso würdige als sichernde Stellung im Bunde nehmen zu können”. Ein Musterstaat, sprich Württemberg, sollte in der Rechtsaufklärung vorangehen. Der Streitfall schien eine Chance zu bieten, diese Idee zu realisieren. Das Resultat war jedoch ein Desaster, unter dem Druck der Großmächte wurden die trialistisch gesinnten Gesandten 1823 entlassen. Die freie Beratung eines Streitfalles vor dem Bundestag ohne Rückendeckung wenigstens einer der beiden deutschen Großmächte sollte künftig zu einer Rarität werden. Ein Föderalismus, der seinen Namen verdient, hätte diese freie Beratung aushalten müssen. Der konkrete Streitfall löste sich nach einigen Jahren, 1828 schlossen sich Anhalt-Köthen und Anhalt-Dessau dem preußischen Zollsystem an.

Zurück zu Heinrich von Treitschke: Nach seinem Urteil war in den Jahren 1819 bis 1822 eine Anarchie am Bundestag eingerissen, die unmöglich weiterdauern konnte. Das Gutachten Wangenheims über den Streitfall Anhalt-Köthen/Preußen stelle den Schmuggel des Herzogtums auf die gleiche Stufe wie die Handelspolitik Preußens. Dem württembergischen Gesandten genüge, dass der Buchstabe des Bundesrechts gegen Preußen sprach. Treitschke stellt die für ihn rhetorische Frage: “Wer konnte auch im Ernst glauben, dass Preußen einem Bundesbeschlusse sein Zollsystem opfern würde?” Wenn es um preußische Interessen geht, relativiert Treitschke selbst die Gültigkeit des Bundesrechts, ganz wie es ein Otto von Bismarck getan hat. Wangenheim unterstellte er “kleinstaatliche Großmachtsträume”, sprach von einem “Ungestüm seines Feuergeistes”, von “Irrgängen” einer ihm heiligen Politik, von “Seifenblasen”, die er “Tag für Tag” in die Luft steigen ließ. Genüsslich zeichnet er den Weg der Seifenblasen nach: Wangenheim freue sich kindisch, wenn sie eine Weile goldig in der Sonne glitzerten, blieb aber auch ebenso seelenvergnügt, wenn sie platzten. Andererseits gesteht er ihm “ehrlichen Patriotismus” zu – für Treitschke sehr wichtig – und lobte seine Mitarbeit im Ausschuss des Bundestages für Beschwerden und Petitionen, weshalb er in Wien als Demagoge verdächtigt wurde.

Treitschkes Kapitelüberschrift “Die Großmächte und die Trias” zielt nicht auf den Fall Preußen/Anhalt-Köthen, sondern auf die Kongressdiplomatie der Großmächte und die Reaktion der Triasanhänger auf diese. Auf dem Kongress von Verona, der vom Oktober bis Dezember 1822 stattfand, stand die spanische Revolution, die Vertreibung eines legitimen Monarchen, im Mittelpunkt der diplomatischen Verhandlungen. England stellte sich dabei gegen eine Intervention. Preußen, Österreich und Russland verabschiedeten im Dezember 1822 ein Rundschreiben, das Spanien als Feind der Grundsätze der Heiligen Allianz bezeichnete. Im März 1823 beschloss Frankreich mit Rückendeckung der drei Großmächte einen Krieg zur Wiedereinsetzung der bourbonischen Dynastie in Madrid. Die Zirkularnote vom Dezember 1822 enthielt Andeutungen, die für die Regierungen des Dritten Deutschland richtungweisend sein sollten. Sie ermahnte zur Aufrechterhaltung des monarchischen Prinzips und wies auf die Verantwortlichkeit der Regierungen hin, keinen falschen Ratschlägen, sprich Demagogen, Eingang zu verschaffen. Die Note wurde dem Bundestag in Frankfurt mit der Erwartung einer Danksagung für die vorsorgliche Politik der Großmächte vorgelegt. Daraus entspann sich das letzte Gefecht der sogenannten Opposition, mit Wangenheim an der Spitze. Es gab in Stuttgart Befürchtungen vor Verabredungen der Großmächte in deutschen Angelegenheiten, insbesondere hinsichtlich einer Beschränkung der Pressefreiheit und dem Bestand der Verfassungen. Metternich, der Lenker der europäischen Politik, war weit entfernt, das vom württembergischen König verfochtene Gleichheitsprinzip im Deutschen Bund zu respektieren. Den Abstand der Sichtweisen macht folgendes Zitat von Metternich deutlich:

“Der große Karren ist einmal im Lauf und da tun die Kleinen gut daran, sich der Bewegung anzuschließen, sonst laufen sie Gefahr, unter die Räder zu kommen und überfahren zu werden. Dazu bedarf es wahrlich keiner besonderen mechanischen Kenntnisse, aber leider gibt es Menschen, die selbst diese nicht besitzen”.

König Wilhelm von Württemberg besaß dieses Wissen anscheinend nicht. Eine württembergische Depesche vom Anfang Januar 1823 war eine Kampfansage. Für den Deutschen Bund wird der Anspruch erhoben, als Macht erster Ordnung zu europäischen Kongressen hinzugezogen zu werden. Einem Stich ins Wespennest gleich kam der Vorwurf, daß die Großmächte das Erbe Napoleons in Europa angetreten hätten. Die Depesche sprach den Großmächten das Recht ab, für alle Mitglieder der europäischen Staatenfamilie Verträge abzuschließen. Die Erwartung übereinstimmender Meinungen seien Neuerungen in der Diplomatie. Das Ergebnis des Konflikts war nicht eine Führungsrolle, sondern eine Isolierung und Demütigung Württembergs im Deutschen Bund und die Entlassung aller missliebigen Gesandten unter dem Druck der Großmächte, namentlich Metternichs.

Wieder zurück zu Treitschke: Die “Epuration” des Bundestages und die “Demütigung” Württembergs finden seine volle Billigung. Für den preußischen Außenminister Bernstorff war der König von Württemberg “der Tat und der Absicht” nach ein “entschiedener Feind des Bundes”. Die Verständigung der Vormächte zur Behebung der “Anarchie” war begründet. Grundlage für Treitschkes Urteil ist die Sichtweise der Macht. Er unterstellt in diesem Zusammenhang, dass den Deutschen das “sichere, instinktive Verständnis für die wirklichen Mächte des politischen Lebens” fehle, er kritisierte die sich aus dem Stimmrecht ableitende Diskrepanz zwischen Recht und Macht in den deutschen Verfassungen des Reiches und des Bundes. “Schein und Wesen in der Staatskunst” würden so nicht klar unterschieden.

Militärisch sah er aufgrund der “wahren” Machtverhältnisse, da Österreich in Italien gebunden war, nur Preußen in der Lage, die deutschen Grenzen zu verteidigen. Die Militärverfassung des Deutschen Bundes, die unter dem Einfluss Wangenheims die rein deutschen Korps strikt von den europäisch-deutschen trennte, trug diesem Faktum nach seiner Meinung nicht Rechnung. Selbstverständlich rechnete er insbesondere Wangenheim zu den Dilettanten, die die Wahrheit verkannten. Andererseits nimmt er doch auch das Anliegen der Triasanhänger wahr, durch Zusammenschluss Macht zu kumulieren, das “Chaos der troisième Allemagne zu einer Gesamtmacht zu vereinigen”, wie er mit spitzer Feder formuliert. Der französische Begriff soll auf eine Neigung zu Frankreich verweisen, das Streben unter nationalem Aspekt diskreditieren, ein Chaos wird konstatiert, der Wille zur Ordnung übergangen. Was sollten die Klein- und Mittelstaaten nach Meinung Treitschkes tun? Nicht den Buchstaben des Bundesrechts missbrauchen, sondern sich der von den Großmächten beanspruchten und erwarteten Leitung fügen. Manche Historiker nennen diese Konstellation einen “hegemonialen Föderalismus”, vielleicht faktisch treffend, aber doch ein schiefer Begriff zu einer Schieflage.

Ein dritter Komplex, bei dem die Triasidee zum Tragen kam und Treitschkes Sehweise deutlich gemacht werden kann, waren die Zollvereinsverhandlungen. Nach Artikel 19 der Bundesakte sollte die Freiheit von Handel und Verkehr auf Bundesebene hergestellt werden. Der Artikel wurde nie umgesetzt, statt dessen kam es zu Zusammenschlüssen außerhalb der Bundesinstitutionen. Die Großmächte umgaben sich mit Schutzzöllen, im Dritten Deutschland existierte mal das alte Passier-, mal das Grenzzollsystem, mal favorisierte man den Freihandel, mal den Protektionismus. Preußen und Österreich verwiesen 1819/20 auf den Weg direkter zwischenstaatlicher Vereinbarungen, eine Empfehlung, deren Kehrseite sie schnell wahrnahmen, nämlich dass sie damit auch die Möglichkeit einer trialistischen Lösung anstießen.

Bis zur Gründung des Deutschen Zollvereins von 1834 riss die Kette von Verhandlungen nicht ab. Bis 1828 blieben die süd- und mitteldeutschen Staaten weitgehend unter sich. Der politische Impetus war vom Beginn im Jahre 1820 an brüchig, im Zweifelsfall erhielten die wirtschaftlichen Interessen Vorrang. In der Zolltarifpolitik folgten die Rheinuferstaaten einem freihändlerischen, Bayern und Württemberg einem protektionistischen System. Besonders für Württemberg war das Triasmotiv wichtig, während es sonst mal störend, mal stimulierend wirkte. 1828 kam der Bayerisch-Württembergische Verein zustande, dessen Mitglieder auf eine Erweiterung hofften. Metternich arbeitete bereits seit 1820 gegen die Zoll- und Handelsvereinigung des Dritten Deutschland, zumal dieses sich auch hinsichtlich des fortgeschrittenen Konstitutionalismus in den süddeutschen Bundesstaaten von den Vormächten abgrenzte. Preußen selbst hielt sich in der Kritik zurück und griff 1828 selbst in die Vereinsbewegung ein, indem es sich mit Hessen-Darmstadt assoziierte. Im weiteren Rennen um Mitglieder lief der Hohenzollernstaat dem süddeutschen Verein den Rang ab. Das Arrangement der Interessen zwischen beiden Vereinen mündete in den großen Zollverein, bis 1831 sollte der Main noch die Interessensphären abgrenzen.

Einige Triasanhänger hofften auch auf eine Verbindung mit dem Mitteldeutschen Verein von 1828. Metternich steuerte der Ausdehnung des preußischen Systems nicht mit vergleichbarer Energie entgegen, wie er es gegenüber dem süddeutschen Verein getan hatte. Er förderte 1828 die Gründung des Mitteldeutschen Handelsvereins, der einen Keil zwischen die beiden anderen treiben und dem Freihandel huldigen sollte. Preußen agitierte gegen diesen “negativen” oder “neutralen” Verein, dessen führende Mitglieder Hessen-Kassel, Sachsen und Hannover waren. Der Verein ließ sich nicht konsolidieren. Der Deutsche Zollverein aber etablierte sich, und zwar dem Stimmrecht nach auf förderalistischen Grundlagen bei unitarischen Einrichtungen wie den Zollgesetzen, der Verwaltung, dem Kontrollsystem. Jedes Mitglied besaß ein Vetorecht. Die Dauer war anders als die des Deutschen Bundes zeitlich begrenzt. Preußen konnte seine Hegemonie nur informell ausüben. In diesem informellen Hegemonie lag eine Analogie zur Bundesverfassung. Dieses Faktum gefiel Treitschke gewiss nicht, wohl aber, dass sich Staaten des Dritten Deutschland mit Preußen verbanden und die wirtschaftliche Trias preisgaben.

Treitschke charakterisiert Wangenheims Rolle bei den zunächst in Darmstadt abgehalten Zollvereinskonferenzen als “Unruhe in der Uhr” – eine Kostprobe seiner Sprach- und Bildkraft. Unermüdlich, so Treitschke, sei Wangenheim von Frankfurt herübergeritten, um zwischen den Freihändlern und den Schutzzöllern zu vermitteln, um den “politischen Bund des reinen Deutschland” herzustellen. Wangenheim sprach bevorzugt von “reinen Deutschland”, das er auch wegen der gemischt-nationalen Zusammensetzung der Bevölkerungen Österreichs und Preußens als dritte Einheit verstand. Zwar drängten sich nach Treitschke die Darmstädter Pläne und Gegenpläne wie “Blasen im brodelnden Wasserkessel”, dennoch sprach er den Verhandlungen einen positiven Effekt zu. Sie dienten einem Läuterungsprozess, die unbrauchbaren und traumhaften Gedanken wurden ausgeschieden. Die Teilnehmer lernten ihre wirtschaftlichen Interessen kennen und kamen zu einer ‘Erleuchtung’, nämlich dass ein Zollverein ohne Preußen unmöglich war. Erst mit Preußen und dem Besitz einer Küste war nach Treitschke eine lebensfähige nationale Handelspolitik realisierbar. Die Zuwendung zu Preußen ist die Norm, an der der Historiker richtig und falsch misst. Demzufolge wird der Mitteldeutsche Verein und seine Unterstützung durch Metternich heftig kritisiert, “eine der bösartigsten und unnatürlichsten Verschwörungen gegen das Vaterland” und wegen der Begünstigung des Außenhandels mit dem Rheinbund verglichen.

Treitschke hat mit seiner borussischen Sicht der deutschen Triasidee keine Forschungskontroverse ausgelöst und auch keine ins Detail gehende Forschung angestoßen. Die borussisch-kleindeutsche Geschichtsdeutung ist in manchen Elementen, noch zu finden, etwa in der Verfassungsgeschichte von Ernst Rudolf Huber. Man müsste den Spuren aber im Einzelnen weiter nachgehen. Mir scheinen diese auch vorzuliegen, wo die Triasbewegung als geschichtliches Phänomen ganz übergangen wird. Sie als quantité négligeable gänzlich zu übergehen, ist die schärfste Form einer Abwertung. In Hans-Ulrich Wehlers “Deutscher Gesellschaftsgeschichte” erscheint z.B. weder der Triasbegriff im Sachregister, noch der Name Wangenheims im Personenregister. Dasselbe gilt für Reinhard Rürups “Deutschland im 19. Jahrhundert 1815-1871″ und für Sheehans “Ausklang des Reiches”. Die von Treitschke initiierte Traditionslinie bedarf wenigstens hinsichtlich der Triasbewertung weiterer Analysen. Mit dieser Andeutung lasse ich es bewenden, um die zweite Sehweise der Trias vorzustellen, die großdeutsch-österreichische.

II. Die österreichische Sicht

Als Repräsentanten dieser Sichtweise möchte ich Heinrich Ritter von Srbik (1874-1951) vorstellen, der zwischen den beiden Weltkriegen ein vierbändiges Werk zur Geschichte der “Deutschen Einheit” vorgelegt hat. Sein Anliegen ist es hier, die zentrifugalen wie die zentripetalen Kräfte des deutschen Raumes und Volkes darzustellen. Letzten Endes scheiterte der Bund an diametralen überpersönlichen Faktoren, zu denen er vor allem den Dualismus rechnete. Der österreichische Historiker, der vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte, ohne Nationalsozialist zu sein, den Anschluß Österreichs an Hitler-Deutschland 1938 begrüßte, stellt in seinem großen Werk zur deutschen Einheit allenthalben Triasprojekte und Triasanhänger vor, wobei er den Schwerpunkt auf die Zeit nach 1848 legt, die Zeit des feindlichen Dualismus zwischen Preußen und Österreich.

In seiner Beurteilung und Bewertung der deutschen Geschichte vor der Reichsgründung war er viel behutsamer als Treitschke, weniger Politiker, mehr Wissenschaftler. Aus großdeutscher Sicht hätte er die Triasbestrebungen positiv bewerten können, wäre doch Österreich dadurch nicht aus dem deutschen Raum ausgegrenzt worden. Doch dies geschieht nicht. Statt dessen kommentiert er das Verhältnis folgendermaßen: Im Grunde hätte Österreich nur von Fall zu Fall das Zusammenstehen der Mittelstaaten zur Unterstützung seiner eigenen politischen Operationen willkommen sein können. Die Errichtung eines ständiges Verbandes des dritten Deutschlandes, einer “dauernden Koalition im Organismus des Bundes” sah er nicht im Interesse Österreichs. Unbeantwortet bleibt dann die Frage: War der Ausschluss Österreichs von Preußen-Deutschland mehr in seinem Interesse als die Triaslösung? Ihr geht Srbik nicht nach.

Die Triasbewegung besaß für Srbik keine eigene schöpferische Kraft. Sie habe den größten Forderungen der nationalfreiheitlichen Bewegungspartei ebenso wenig geben können wie Österreich, weder eine kraftvolle Exekutive noch ein deutsches Parlament. Nicht die Trias, der friedliche Dualismus war ihm die bessere Option. Deshalb sein Urteil über den Deutschen Bund in der Schlussphase seines Bestehens: Der Deutsche Bund sei seit der Feindschaft zwischen Österreich und Preußen der Führung der Großmächte ganz entglitten und seinem inneren Gesetz gemäß zu einem politischen Faktor eigenen Willens geworden, in dem angesichts der inneren Disharmonie des dritten Deutschland kein Entschluss zustande kommen könne. Dass Österreich wie Preußen ihren Anteil an dieser Disharmonie hatten, wird nicht konzediert.

Die durchweg versteckte und verhaltene proösterreichische Sicht Srbiks wird in seinen kritischen Worten zur Politik der Doppelmonarchie deutlich. Zur militärischen Niederlage im Jahre 1866 führt er aus:

“Immer wieder wurde die gewaltige Kraft sichtbar, die der Parlamentsidee im deutschen Volk innewohnte; immer wieder das Fehlen großer begeisternder Kriegsziele auf großdeutscher Seite. Das Kriegsmanifest Österreichs sprach nicht ein Wort von Bundesreform und Parlament. Zu dem Fehlen der zündenden Idee, die Österreich nicht gewähren konnte, gesellte sich im dritten Deutschland die politische und militärische Unkraft eines vom Partikularismus zerspaltenen Staatenbündels.”

Schwerste Mitverantwortung schreibt Srbik dann dem Sonderwillen Bayerns zu, das die Verwirklichung des vernunftgebotenen Gedankens verhinderte, den Hauptschlag mit vereinten Kräften und zahlenmäßiger Überlegenheit dort zu führen, wo der Hauptfeind stand.

Der Trialismus leitete sich nach Srbik aus dem Deutschen Dualismus ab. “An eine gesunde Lösung der deutschen Frage auf weite Sicht” war nach ihm nicht zu denken, solange die deutsche Staatenwelt nicht als Bundesstaat, als “politisches Gefäß der Nation” existierte und der Dualismus der Großmächte Deutschland zerriss. Zwangsläufige Folge war ein Machtkampf, der einen Rivalen aus Deutschland hinausdrängte oder ihn unterordnete. Eine Führungsrolle Österreichs war für Srbik eine Lösung, nicht aber der Trialismus. Diese grundsätzliche Position bezog er auf alle Anläufe einer Zusammenfassung der Kräfte des Dritten Deutschland, von denen einige genannt werden sollen.

Von Srbik wird der zweite Theoretiker der Trias vorgestellt: Julius Fröbel. Julius Fröbel wurde 1805 in Griesheim bei Stadtilm (Schwarzburg-Rudolstadt) als Sohn eines Pfarrers geboren, stammte also wie Wangenheim aus Thüringen. Zeitweise lebte Fröbel in Jena, 1893 starb er in Zürich, dem Herkunftsort seiner Ehefrau. Gelehrter, Politik, Reisender, Konsul des deutschen Reiches, vielseitiger Publizist, so lauten seine Berufsbezeichnungen. Dass ein Triaspolitiker durchaus dem Machtgedanken huldigen kann, ist dessen Schrift “Deutschland und der Friede von Villafranca” von 1859 zu entnehmen. Hier sagt er: “Die deutsche Nation ist der Prinzipien und Doktrinen, der literarischen Größe und der theoretischen Existenz satt. Was sie verlangt, ist Macht – Macht – Macht! Und wer ihr Macht gibt, dem wird sie Ehre geben, mehr Ehre, als er sich ausdenken kann”. Dass der Machtgedanke der Triasidee nicht fremd war, wird hier deutlich.

Srbiks Urteil über Fröbel fällt ähnlich aus wie das Treitschkes über Wangenheim, ein Realitätssinn wird abgesprochen. Fröbel habe, so Sbrik, in der 1848er Revolution als radikaler Demokrat von einer europäischen Staatenrepublik ohne nationale Grenzen und von Österreich als dem Mittelpunkt der großen Föderation freier Völker geträumt. In Amerika, wohin Fröbel emigrierte, sei er zum Realisten geworden und doch ein ans Phantastische grenzender Doktrinär geblieben. Er habe sich in die Wirrnis deutscher Bundesreform gestürzt, sei seit 1859 der Vorkämpfer eines neuen “Reichs deutscher Nation” mit trialistischer Innengliederung, ein Großdeutscher ohne eigentlich nationale Ader. Die Verwendung von Begriffen wie Traum, Illusion, Phantasie, Kraftlosigkeit, Uneinigkeit, Utopie, Fruchtlosigkeit, Scheingebilde zur Charakteristik der Triasbestrebungen gleicht bei aller Zurückhaltung Srbiks doch der Heinrich von Treitschkes. In der Wortwahl werden die Wertungen deutlich.

Nicht vorenthalten möchte ich auch Srbiks Urteil über die thüringische Orientierung in der deutschen Frage. Er sieht hier eine “Steigerung zum Grotesken oder fast zur rührenden Idylle deutscher, ja menschlicher Staatslosigkeit”. An der natürlichen Brücke zwischen Nord- und Süddeutschland, dem Herzstück des deutschen Raums durchkreuzten sich, so sein Befund, die alte Reichsüberlieferung, dynastischer Souveränitätswille ohne Grundlage der Macht, großdeutsche und kleindeutsche Willensrichtungen, Nationalverein und Trias. Es fehlte die raumpolitische Geschlossenheit, und es fehlte den acht durcheinandergewürfelten Kleinstaaten ein thüringisches Einheitsbewußtsein. Die Bevölkerung nördlich des Thüringer Waldes gravitierte im allgemeinen mehr nach Preußen, südlich des Waldes überwog die trialistische Gesinnung in der führenden Intelligenzschicht. Herzog Bernhard von Sachsen-Meiningen hatte um 1860 Sympathien für die Trias, Großherzog Karl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach verlangte eine Gleichordnung der beiden Großmächte im Bund und eine Volksvertretung mit zwei Kammern. Den Triasgedanken lehnte er ab. Wie Treitschke bot sich Srbik in der Welt der deutschen Einzelstaaten nur ein Bild des Chaos. Als Ordnungsmächte erkannte er nur Österreich – und trotz aller Gegnerschaft – Preußen an.

Ein weiteres Exempel zu Srbiks großdeutsch-österreichischer Sicht: Auch nach 1848 spielte die Triasidee in der Zollvereinsgeschichte eine wichtige Rolle. Die Mitgliedschaft Österreichs bildete einen Teil der großdeutschen Programmatik, die der Ministerpräsident Felix von Schwarzenberg und der Finanzminister Karl Ludwig von Bruck entwarfen. Aus dem Interesse an einem Gegengewicht gegen die preußische Hegemonie im Zollverein war die Mehrheit der Mittelstaaten für die Aufnahme Österreichs in den Verein. Auf den Dresdner Konferenzen schlugen Bayern und Sachsen vor, einen Zollbund aller deutscher Staaten anstelle des bestehenden Vereins zu schaffen und so doch noch Artikel 19 der Bundesakte umzusetzen. Preußen behandelte den Vorschlag am wiedererrichteten Frankfurter Bundestag dilatorisch. Die unterschiedlichen Zielvorstellungen führten im Zollverein zweimal zu einer Existenzkrise.

Als Preußen im September 1851 einen Vereinsvertrag mit Hannover abschloss, war dies für die Mittelstaaten eine Gelegenheit, die Forderung zu stellen, auch den Beitritt Österreichs zuzulassen. 1852 bildete sich die Darmstädter Konferenz, bestehend aus Bayern, Sachsen, Württemberg, beiden Hessen und Naussau, die bei den anstehenden Vereinsverhandlungen mit Berlin als Einheit auftreten wollte. Die Berliner Regierung kündigte den Zollverein auf, um den Vertragspartnern seinen Willen aufzuzwingen. Hannover erklärte sich im Jahre 1852 bereit, mit Preußen auch allein einen neuen Zollverein einzugehen, das dadurch eine Landbrücke zwischen östlichen und westlichen Provinzen erhalten hätte. Das Königreich Sachsen, sonst an der Spitze der Triasbewegung und politisch Österreich zuneigend, wollte sich zugunsten seiner hochentwickelten Industrie nicht von Preußen trennen. Die Darmstädter Koalition gab alle Druckmittel aus der Hand. Am Ende wurde der Verein für 12 Jahre erneuert, Verhandlungen über die großdeutsche Zolleinigung auf das Jahr 1859 verschoben. Österreich und Preußen schlossen 1853 einen auf 12 Jahre begrenzten Handelsvertrag ab.

Die zweite Zollvereinskrise lief 1862 nach demselben Grundmuster ab. Hier wehrten sich einige Vereinsmitglieder vor allem gegen einen Vertrag mit Frankreich, der die Handelsbeziehungen liberalisieren sollte. Zu den wenigen Befürwortern des Vertrages gehörten Sachsen und die thüringischen Staaten. Politische und wirtschaftliche Motive waren auch diesmal nicht koordiniert.

Dazu nun der Kommentar Srbiks: Der Zollverein besaß, so führte er aus, für die Mitglieder des Dritten Deutschland einen gewaltigen materiellen Wert, stellte aber durch das Fehlen von Österreich eine Gefahr für die  politische Selbständigkeit dar. Das Resultat der ersten Zollvereinskrise machte “Kraftlosigkeit und Uneinigkeit” offenbar. Die Krise zeigte nach Srbik die Schwäche der von Beust so eifrig propagierten Triasidee, für Srbik war sie ein Scheingebilde des Beustschen Optimismus. Ein wirtschaftliches Drittes Deutschland bewertete er aus diesen Beobachtungen wie Treitschke als eine ökonomische Unmöglichkeit.

Die zweite Zollvereinskrise bezeichnete Srbik als wirtschaftliches Entscheidungsringen von gewaltiger Tragweite, das mit dem schicksalhaften politischen Ringen um Deutschland verknüpft war. Die Rolle des Dritten Deutschland war dabei eine kümmerliche. An den österreichischen Politikern kritisierte er, dass sie die enge Verbindung von Wirtschaft und Politik weitgehend unterschätzten, einen zweiten Fehler sah er darin, dass die Wiener Hofburg zu sehr auf die Widerstandskraft der Mittelstaaten gegen Preußen baute. Ähnlich wie Treitschke greift er zu Bildern: “Das Phantom der Trias zerfloss wieder wie Nebel in der Sonne.” Julius Fröbel pochte in dieser Zeit vergeblich bei österreichischen Politikern an, um für die Triasidee zu werben.

Die österreichisch-gesamtdeutsche Sicht ist auch nach Srbik vornehmlich in Österreich, etwa bei Fritz Fellner und Helmut Rumpler, zu finden. Trotz aller Selbstkritik wird die Reichsgründung als Niederlage gesehen und der Erfolg des von Bismarck gegründeten Nationalstaats in Frage gestellt. Zu einer positiven Bewertung der Triasbestrebungen gelangt diese Sehweise nicht. Auch die österreichische Sicht hat keine Forschungskontroverse ausgelöst, obwohl Helmut Rumpler dies vor rund drei Jahrzehnten in einer Gegenüberstellung von Beust und Bismarck in einem illustren Historikerkreis versucht hat.

III. Die trialistische Sicht

Die dritte Sichtweise ist die der Sympathisanten der Trias, die Verständnis für die Interessen der Staaten und Politiker des Dritten Deutschland aufbringen. Wissenschaftlich handelt es sich hauptsächlich um landesgeschichtlich ausgerichtete Arbeiten. Hier wird die meiste Forschungsarbeit geleistet. Im Laufe der Jahrzehnte ist die einschlägige Literatur angewachsen. Ganz überwiegend ist die jeweils aufgegriffene Thematik spezifisch eingegrenzt, bezogen auf einzelne Personen, Staaten, Ereignisse. Mein eigenes Triasbuch verorte ich in dieser Gruppe, doch ist zeitlich, nicht sachlich eingegrenzt. Was den Umfang von Inhalt und Quellenverarbeitung angeht, stellt es eine Ausnahme dar. Es liegt wie ein erratischer Block in der Landschaft der Geschichtswissenschaft, hat keine Fortsetzung erhalten, aber auch keine wissenschaftliche Kontroverse ausgelöst. Dieses Schicksal teilt die trialistische Sicht mit der borussischen und der österreichischen.

Die Forschungen aus trialistischer Sicht sind über das ganze 20. Jahrhundert verstreut. Vor dem Ersten Weltkrieg hat Curt Albrecht eine Dissertation über Karl August von Wangenheim verfasst und Michael Doeberl sich detailliert der bayerischen Geschichte mit Bezugnahmen zur Triasidee gewidmet. In der Zwischenkriegszeit fielen dann etliche Spezialarbeiten an: Eugen Franz stellte 1933 den “Entscheidungskampf um die wirtschaftspolitische Führung Deutschlands 1856-1867″ aus bayerischer Sicht dar. Erwin Hölzle verfasste einige einschlägige Schriften zu Württemberg in der Zeit Napoleons und der Restaurationszeit. Walter Peter Fuchs legte 1934 eine Studie über die deutschen Mittelstaaten und die Bundesreform 1853-1860 vor. Alfons Drexler widmete sich 1927 in einer Dissertation der “Demütigung Württembergs durch die Großmächte in den Jahren 1823/24″.

Einen deutlichen Aufschwung hat die Triasforschung nach dem Zweiten Weltkrieg genommen. Um es bildlich zu formulieren und zu relativieren: aus dem Rinnsal wurde ein kleiner Bach. Eine der borussischen oder österreichischen Sicht gleichrangige Stellung besaß die trialistische Position nie, obwohl sich wider alles Erwarten nach 1945 eine Trias in Mitteleuropa präsentierte: Die Bundesrepublik Deutschland, die Deutsche Demokratische Republik (mit großen Bestandteilen des alten Preußen) und die Republik Österreich (auf den deutschen Teil zusammengeschrumpft). An die geschichtliche Trias erinnerte diese Konstellation aber wenig. In der Sicht der europäischen Siegermächte war aber zumindest die alte Vorstellung präsent, dass der Weg zum deutschen Nationalstaat, wie er von Bismarck geschaffen wurde, nicht zielstrebig verlief und mit Waffengewalt geebnet wurde, dass es partikulare Kräfte gab, die eine Spaltung rechtfertigten. Natürlich ging es auch darum, Deutschland in seiner Macht zu schwächen.

Die deutsche Gegenwart lehrt jedoch zweierlei: der deutsche Nationalstaat widersprach nicht der deutschen Tradition, er wird nicht in Frage gestellt. Die trialistische Vorstellung hat ihre Lebenskraft, wie stark oder schwach man diese auch einschätzen mag, nach der Reichsgründung von 1871 nach und nach verloren. Es gibt allenfalls Relikte: immer noch geistert die magische Mainlinie durch die Köpfe, die im Zusammenhang mit Südbundplänen in der Zeit des Deutschen Bundes mehrfach als Markierungslinie für Interessensphären zwischen Nord- und Süddeutschland, zwischen Preußen und Bayern diente. Außerhalb der Wissenschaft kann man mit der Nationalidee ein geschichtliches Bewußtsein ansprechen, nicht aber mit der Triasidee.

Auf ein zweites Faktum ist aber hinzuweisen: Die wichtigsten Voraussetzungen der Trias sind entfallen, einen Dualismus von Vormächten gibt es nicht mehr, und ein zentrales Ziel der trialistischen Politik ist nach 1945 erreicht worden, nicht aus eigener Kraft, sondern nach dem Willen der Alliierten. Durch die Auflösung Preußens ist ein föderalistisches System geschaffen worden, das seinen Namen verdient. Bei allen Unterschieden zwischen den Bundesländern nach Größe, Bevölkerung und Finanzkraft, bei aller Kritik an dem Bestand kleiner Länder, man kann doch von einem gleichgewichtigen Förderalismus sprechen. Die Dominanz eines oder zweier Staaten abzuwehren war das, was zum Kernprogramm der Triaspolitiker gehörte, woraus sie ihre Motivation und Legitimation zogen. Aus heutiger Sicht stellt sich die Frage nach Siegern und Besiegten der Geschichte neu. Das Verhältnis hat sich großenteils umgekehrt. Der – in borussischer Sicht – Glanz der preußischen militärischen Erfolge hat einen Höchstpreis abverlangt. Die Opfer der Einigungskriege erweisen sich ex post als vergeblich.

Dass sich die deutsche Frage nach dem Zweiten Weltkrieg neu stellte und Europa nach einer neuen Formation suchte, mag eine Rolle bei der Belebung der Triasforschung gespielt haben. Wie einst Wangenheim in seiner Publizistik gingen Historiker in der Geschichte weit zurück, um Vorläufer der Trias aufzuspüren. Die Assoziationen der Reichskreise fanden das Interesse von Hans Hubert Hofmann, von Karl Otmar Freiherr von Aretin, von Bernd Wunder. Aretin behielt in weiteren Forschungen zum Ende des Alten Reiches und zur Frühzeit des Deutschen Bundes die Triasthematik in seinem Blick. Mit einem entfernten Vorfahren, dem Bundestagsgesandten Johann Adam Freiherr von Aretin, einem zeitweise engen Weggefährten Wangenheims, befasste er sich in seiner Dissertation. Hans Tümmler und Willy Andreas richteten die Aufmerksamkeit auf trialistisches Gedankengut von Herzog Karl August von Sachsen-Weimar und seinem Minister Goethe in der Zeit des Fürstenbundes von 1785. Namhafte Historiker aus dem süddeutschen Raum erklärten ihre Sympathie zur Trias: Karl Bosl, Heinrich Lutz.

Wie Karl-Georg Faber, mein akademischer Lehrer, auf die Triasthematik gestoßen ist, kann ich nur vermuten. In Mainz, seiner ersten Wirkungsstätte, war der Fürstprimas des Rheinbundes und letzte Kurerzkanzler, Karl Theodor von Dalberg, ein beliebtes Forschungsobjekt. Mittlerweile ist die Dalberg-Literatur recht umfangreich geworden. Die historisch belastete Verknüpfung von Rheinbund und Trias, ein Thema für sich, das gleichfalls auf Bearbeitung wartet, lässt sich bei Dalberg exemplarisch beleuchten.

Die deutsche Trias der Frühzeit des Deutschen Bundes war das Thema, mit dem Faber sein Habilitationsverfahren bestritt. Es schien ihm einer größeren wissenschaftlichen Arbeit wert. Der Schüler griff seine Empfehlung auf, ohne eine Ahnung davon zu haben, ob es im Forschungstrend lag oder nicht. Bis dahin sagte mir das Thema nicht das Geringste. Zur trialistischen Sichtweise, die ich beispielhaft an meinem eigenen Opus vorstellen möchte, gelangte ich im Nachvollzug der Gedanken und Handlungen der einschlägig handelnden Politiker. Wie wirkte sich diese Sichtweise aus, zu welchen Unterschieden führte sie gegenüber der borussischen und österreichischen Sicht.

Von “Seifenblasen”, Träumen, Illusionen, Utopien und dergleichen ist in der trialistischen Sicht nicht die Rede, eher neutral von Strukturschwächen. Zu den Strukturschwächen, die einer Realisierung der Triasidee im Wege standen, gehörten die heterogenen deutschlandpolitischen Leitlinien der Einzelstaaten: föderalistische Tendenzen standen neben unitarischen. Handfeste zwischenstaatliche Querelen wie der bayerisch-badische Territorialkonflikt vergifteten jahrelang die Atmosphäre. Bayern wünschte eine Landbrücke zur linksrheinischen Pfalz, Heidelberg und Mannheim sollten an die Wittelsbacher zurückfallen. Aus dem machtpolitischen Gefälle in der Staatenwelt des Dritten Deutschland gingen Misstrauen und Rivalität hervor, die z.B. Bayern als dem mächtigsten dieser Staaten oft entgegengebracht wurden. Die Politik der Existenzsicherung und das Schutzbedürfnis führten bei einer Reihe von Staaten des Dritten Deutschland zu einer Anlehnung an die Großmächte. Durch Gehorsam, durch einen freiwilligen Anschluss, suchte man deren Wohlwollen zu erkaufen. Die Politik des Stärkeren, die Durchsetzung der Mächtigern, entzog der Triasidee eine Realisierungschance.

Neben inneren Problemen standen, ein noch wichtigerer Faktor, die äußeren Rahmenbedingungen. Keine europäische Großmacht gewährte die erforderliche Unterstützung, so dass das Dritte Deutschland in der Rheinbundzeit der Hegemonie Frankreichs, im Alten Reich und in der Bundeszeit der Hegemonie Österreichs und Preußens überlassen blieb. Nach dem Wiener Kongress tolerierten Russland und Großbritannien die dualistische Herrschaft über das Dritte Deutschland, Frankreich besaß auch wegen der in Deutschland aufkommenden Nationalidee keinen Einfluss mehr. Ein Erklärungsversuch dieser Art kann bei Treitschke oder Srbik nicht gefunden werden. Statt dessen ist von Chaos, ewiger Zwietracht, Eifersüchtelei die Rede, der wesentliche Anteil der Großmächte an diesem “Hühnerstall” wird weitgehend unterschlagen, zumindest nicht in die Bewertung einbezogen.

Warum wurde die Triasidee trotz der Strukturschwächen nicht aufgegeben? Ein ausgeprägtes Souveränitäts- und Selbstbewusstsein, die Erkenntnis, dass der Zusammenhalt gleichartiger Staaten die einzelstaatliche Macht steigern würde, der Mut, die Missbilligung der Großmächte auf sich zu ziehen, führten bei einigen Regierungen oder Politikern fast zwangsläufig zur Propagierung der Triasidee. Der große Formenreichtum und die Anpassungsfähigkeit der Idee führten zu einem ständigen Weiterleben der Triasbestrebungen, so dass man streng genommen bis 1871 nie von einem Scheitern sprechen kann, sondern allenfalls von einer Verdrängung, einer Verengung des Spielraums. Bisweilen entwickelte sich die Triaspolitik gleichsam wie der Phönix aus der Asche. Abgesehen davon gab es Teilrealisierungen wie in der Bundeskriegsverfassung. Die Kontingente des Dritten Deutschland blieben separat, wurden nicht den preußischen oder österreichischen Korps zugeschlagen, ein Ergebnis, das sich Wangenheim als einen seiner größten Erfolge anrechnete.

Weit wage ich mich in einer abschließenden Wertung hervor. Wäre die Trias eine bessere Lösung der deutschen Frage gewesen? Einiges spricht dafür. Innenpolitisch hätte das Dritte Deutschland eine würdigere politische Existenz erhalten, außenpolitisch mehr Beachtung gefunden. Die Rahmenbedingungen der liberalen und konstitutionellen Bewegung wären im Vormärz erheblich verbessert, die letztlich zerstörende Kraft des Nationalismus, der im Kaiserreich zur Ersatzreligion avancieren sollte, wäre gebrochen worden. Der übersteigerte Nationalismus, der das jahrhundertealte Schwächegefühl des Dritten Deutschland kompensierte, wäre möglicherweise durch die Trias in seiner Aggressivität gedämpft worden.

In der Beurteilung der Wünschbarkeit oder der Realisierbarkeit der Triasbestrebungen liegt nicht das zentrale Erkenntnisziel. Wichtiger ist der Nachweis ihrer Bedeutung im allgemeinen Kontext der Zeit. Sie zeigen die Qualität und Gestalt der Beziehungen zwischen den Großmächten und den Klein- und Mittelstaaten. Die politischen Strukturen der Zeit werden von der Triasforschung eingefangen, gespiegelt und erkennbar. Der Deutsche Bund war nach dem Bild, das einige Zeitgenossen schon zu seiner Entstehungszeit aufgriffen, eine societas leonina, die deutsche Trias eine verpasste Chance, daraus eine societas civilis zu machen. Mit der Formulierung dieser These sehe ich mich im Geiste altbekannten Urteilen aus der Historikerzunft konfrontiert: Utopist, Phantast, Illusionär, Träumer. Ein Albtraum ist aber das Schweigen. Die Diskussion kann hier und jetzt beginnen.

Vortrag zum Rheinbund und der Trias-Idee

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