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Peter Burg Werke

Texte

Paul Ahr, Volksmissionär geht auf Jagd, in: Herold 28. Jg., H. 9/10, März/April 1953, S. 15-18.

Herold des kostbaren Blutes. Provinzialat der Missionare vom Kostbaren Blute, St.-Josephs-Kolleg, Salzburg-Aigen und Pankofen (Ndb.)

Volksmissionär geht auf Jagd

P. Paul Ahr c. PP. s., weiland Leiter der Missionsgruppe

Herr X. ist ungläubig. Katholisches Taufwasser ist ihm zwar einmal übers Haupt geflossen. Aber in der Sturm- und Drangperiode seines Lebens hat er den Glauben über Bord geworfen. An seinem 28. Wiegenfeste hat er sich zivil trauen lassen. Kirchliche Trauung ist nach seiner Ansicht für geistig Minderwertige, die die Eierschalen mittelalterlicher Ansichten noch nicht von sich geschüttelt haben. Nun hat er beinahe 70 Lenze hinter sich.

Seine Frau gilt ihm als komplette Betschwester. Er tituliert sie auch so in Momenten, wo er die Wahrheit bollig hinauswirft. Der Gründe für diese Titulatur hat er viele und wichtige. Erstens ist er dahintergekommen, daß sie während seines 40jährigen Ehelebens sich schon einigemal am Sonntag eine Schnappmesse geholt hat. Zweitens ist ihr schon oft bei Schreckanfällen das bittgottige Gebet “Jesus Maria” über die Lippen gesprungen. Drittens stößt sie nicht mit ihm ins Horn, wenn er seinem Haß gegen die Pfaffen Luft macht. Viertens hat sie ihn mal in Rom gebeten, mit ihr die Peterskirche zu besuchen. Fünftens hat er in einem verborgenen Winkel einer Waschkommode ein kleines Kruzifix von ihrer Mutter entdeckt. Potz Blitz und Hagelschlag, da soll noch einer sagen, sie sei keine Betschwester!

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Doch der ungläubige Gemahl trägt keinen trockenen Backstein als Herz im Leibe. Er wird zuweilen weich. Dann entschuldigt er ein wenig das betschwesterliche Benehmen seiner Frau: sie gehöre dem schwachen Geschlechte an und könne sich infolge ihrer angeborenen Verstandes- und Willensschwäche nicht so leicht zur Mannestat des Ungläubigseins emporschwingen.

Fräulein lrene hat eine dicke Nummer bei ihrem ungläubigen Onkel, trotzdem sie sehr religiös ist. Sie ist eben sehr lieb in ihrem Benehmen und reizt den Onkel nicht mit religiösen Bemerkungen. Sie hofft, ihn langsam beeinflussen und ihn nach und nach für die Religion wiedergewinnen zu können.

Vor Monaten hat sie mich gebeten, mit ihr einen vorsichtigen Vorstoß auf ihren Onkel, diese lebendige Burg des Unglaubens, zu machen. Mein Jawort hatte sie sogleich.

Zuerst Vorbereitung des Vorstoßes. Unauffälliges Durchschneiden des Drahtverhaues vor der feindlichen Stellung. Das besorgt die Nichte, das ist Sport für sie. Eines Tages erhalte ich von ihr die Nachricht:’

“Am nächsten Donnerstag, nachmittags halb 4 Uhr, Beginn eines Kammerkonzertes in Onkels Wohnung. Kammersänger sind Sie. Am Klavier meine Wenigkeit. Schreiben Sie mir bitte, mit welchem Zuge Sie kommen.”

Wer A sagt, muß auch B sagen. Also dampfe ich an besagtem Donnerstag ab. Mit geschlossenen Augen in einer Abteilecke des gemütlich dahinratternden Zuges liegend, denke ich mir verschiedene Angriffsmöglichkeiten aus. Mein Zug läuft zeitlich so ein, daß wir sofort den Weg zu Onkels Wohnung unter die Füße nehmen können.

“Dort links Ist seine Villa.”

“Schön! Also hinein zum Löwen in seine Höhle!”

“Vorläufig ist er noch nicht daheim. Aber ich hoffe, daß er gegen 5 Uhr kommt.”

Die Tante öffnet die Haustüre. Ein nettes Frauchen, der ich 60 Jahre gebe. Ihr Lächeln verrät, daß ihr unser Angriffsplan nicht ganz unbekannt ist.

Zuerst ins Speisezimmer. Gemütliches Plauschen bei russischem Tee. Dann ins Musikzimmer.

Irene schlägt einige Akkorde an. Herrlichen Klang hat das Klavier. Klassische Sachen folgen, von Irene gespielt und gesungen. Schließlich setze auch ich meine Stimmbänder in Bewegung. Und auf einmal kräht wahrhaftig auch die Tante mit.

Schon ist es fünf Uhr. Vom Onkel keine Spur zu sehen. Es wird sechs Uhr – für mich Zeit zum Aufbruch. Der Löwe ist noch nicht heimgekehrt.

Der hat uns wunderbar ausgeschmiert. Der sitzt wahrscheinlich in einem Hotel bei perlendem Wein und denkt: LaBt die nur die Drahtkommode verbauen und die Wände anschreien; ich gehe erst heim, wenn der Lärm vorbei ist.

*

Einige Tage später, Dienstag vormittags, werde ich von Irene telephonisch angerufen: “Bitte heute wieder kommen. Die Tante hat ihm vorgeschwärmt und ihn aufgeweicht. Er hat versprochen, heute sich zeitig einzustellen, um

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Sie kennenzulernen.” – Was tut man nicht alles, um ein verlorenes Schäfchen zu retten!

Wieder im Klavierzimmer. Es geht laut her. Auch die altersschwache Stimme der Tante wirft wieder zittrige Töne gegen die Wände.

Endlich hupt ein Auto vor der Villa. “Er ist es”, springt es den Damen unisono hervor.

Er kommt ins Klavierzimmer. Freundliche Begrüßung. Der Herr Onkel hat ein gewaltiges Fettpolster um den ganzen Körper, besonders um die Magenregion. Die rötlich schimmernde Nase verrät einen alten Weinbeißer.

Nun wird wieder gesungen und gespielt. Aber keine Choralmesse. Der Löwe grunzt behaglich. Die Mähne kann er als Beifallskundgebung nicht schütteln. Die ist ihm längst ausgegangen.

Es läuft prima. Der alte Herr lädt uns zum Abendessen ein. Eine Ausnahme, daß er einen klerikalen Herrn zu Tisch bittet. Doch wir haben drauf gewartet.

Der schwierigste Teil beginnt nun: Sturmangriff auf einen verbissenen Religionsfeind. Ein Bajonettangriff ist oft leichter als eine erfolgreiche Attacke auf einen bärbeißigen Gottesfeind!

Ich packe Kriegserlebnisse aus. Das interessiert den Alten, der von dicker Luft in vorderster Stellung nichts verspürt, nie wie ein Igel im Granatloch geschlafen, nie Sturmsuppe und Heldenfett gekostet hat. Langsam rücke ich dem Feinde zu Leibe: ich erzähle von Feldgottesdiensten, von Feldgeistlichen, vom religiösen Leben an der Front, vom Beichten …

Der Alte wird nervös. Sein Gesicht verfärbt sich. Er hat plötzlich einen gewaltigen Appetit. Er schiebt mächtige Brocken durch die Lucke unter der Nase. Er gießt Wein nach, ein Glas nach dem andern. Er spricht kein Wort, er ißt und trinkt ganz unbändig.

Ich drehe die Unterhaltung wieder ab auf ein anderes Thema. Zu spät. Er hat kein Musikgehör mehr für meine Worte.

Er steht auf und entschuldigt sich, er habe mit einem Herrn eine Zusammenkunft vereinbart. Eine kurze Handreichung, kein Händedruck, und verschwunden ist er. Der graue Gottesfeind auf der Flucht …

Die Frau lächelt, die Nichte lächelt, und ich lächle. Es war aber kein Verlegenheitslächeln, sondern der spontane Ausdruck: Wir kennen uns aus.

Nichte und ich verschwinden auch bald. Draußen hebt Irene an: “Haben Sie nicht beobachtet, wie er sich plötzlich auf Speise und Trank gestürzt hat, wie wenn er gerade eine vierwöchige Hungerkur hinter sich gehabt hätte? Der Materialist nimmt in der Verlegenheit seine Zuflucht zur Materie. Der hat, auch kein Rendezvous vereinbart, der ist zum Wein und kommt heut gegen Mitternacht mit einem Kanonenrausch daher.”

“Leider – entgegnete ich – ist er uns durch die Binsen gegangen und hat uns ein zweites Mal ausgeschmiert. Aber wir lassen nicht luck, und wenn er uns noch ein dutzendmal durch die Binsen geht. Mit der Materie kann er den Hunger und Durst der Seele nicht stillen; wir werden ihn noch den Weg zur richtigen Quelle führen, der nicht durch die Binsen geht. Gelegentlich werde ich Ihnen einen neuen Offensivplan mitteilen. Zum geistigen Kampfe

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stellt er sich nicht. Von der Verstandesseite ist er also nicht zu packen. Vielleicht von der Gemütsseite her.”

Der ungläubige Onkel ist kinderlos. Aber er liebt die Kinder sehr . Darum gab ich der Nichte den Rat, ihn an den Weihnachtstagen zu einer Kinderbescherung zu locken. Irene sorgte, daß dem Onkel eine offizielle Einladung zur städtischen Kinderbescherung zuging; sorgte, daß er überdies noch am Heiligen Abend zu einer Weihnachtsbescherung in ein Privathaus gezogen wurde; sorgte, daß die Kinder dieses Hauses die von ihr selbsteingedrillten Gedichte und Lieder herzlich vortrugen; sorgte auch, daß die Kinder den lieben “Onkel” bestürmten, mit ihnen die Christmette zu besuchen.

Zu Neujahr erhielt ich von Irene die Nachricht: “Onkel in der Christmette gewesen. Seit 50 Jahren hat er das erste Mal wieder einen katholischen Gottesdienst besucht. Tante ist vor Seligkeit aus dem Häuschen.”

Es gibt viele Wege zu Gott hin. Einer kommt auch von den Binsen her.  Irenes Onkel scheint diesen Weg jetzt betreten zu haben.

Biographie zum Leben von Paul Ahr